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bin ratlos

Verfasst: 29. Jan 2009, 21:36
von medeia
Ich weis nicht weiter. Mein Partner ist seit mittlerweile mehr als einem Jahr beruflich gezieltem Mobbing ausgesetzt. Anfangs war es nicht so offensichtlich, dann wurde die Situation immer schlimmer. Seit September 2008 hat er als körperliche Erscheinung Panik-Attacken (Herzrasen, Schweißausbrüche, Zittern am ganzen Körper). Außerdem schläft er immer schlechter und weniger und klagt teilweise über Herzschmerzen. Mittlerweile hat er einen neuen Arbeitsvertrag, allerdings muss er im schlechtesten Fall noch bis Mitte des Jahres bei seinem jetzigen Arbeitgeber „durchhalten“. Die körperlichen Erscheinungen werden immer schlimmer und häufiger, ich kann mir nicht vorstellen, dass sein Körper das solange durchhält (er muss auch noch viel Auto fahren) und habe ehrlich gesagt große Angst, dass er körperlich oder/und seelisch total zusammen bricht.

Vom Denken her ist er sehr in die Vergangenheit gerichtet und sucht in seinen Arbeitsunterlagen krampfhaft nach Fehlern oder überlegt, was ihm sein Arbeitgeber vielleicht in die Schuhe schieben könnte, wenn er nicht mehr da ist oder wenn er darauf besteht, die Firma eher zu verlassen. Er fühlt sich als Versager, egal, was ich sage. Rationalen Gegenargumenten meinerseits ist er meistens nicht aufgeschlossen.

Ich wollte einen Arzttermin für Ihn bei meinem Hauarzt vereinbaren (der würde Ihn wenigstens direkt krankschreiben und könnte Ihn an den richtigen Ansprechpartner verweisen.

Für mich als Laie sieht das alles nach einer starken Depression aus (klar, ich kann mich irren!), aber mein Partner beharrt darauf, dass seine Ängste rational begründet sind und er durchhalten muss weil sonst sein Leben zerstört wäre. (z.B. wenn er zum Arzt ginge und das raus käme könnte er gleich seinen neuen Arbeitsvertrag vergessen, berufliche Anerkennung ist Ihm sehr wichtig). Außerdem hält er nicht viel von Psychologie. Aus meiner Sicht ist die Gesundheit am wichtigsten. Das habe ich auch schon oft gesagt (und meine es auch so), wir kämen auch mit meinem Job als Alleinverdiener klar. Er sollte zum Arzt gehen bevor er zusammenbricht aber wie bekomme ich Ihn dahin?

Ich bin selbst Medikamenten gegenüber sehr skeptisch, aber vielleicht könnten die ja wenigstens diese Angstzustände blocken und Ihm zu mehr Schlaf verhelfen.?

Ich fühle mich so hilflos. Ich höre zu und versuche durchzukommen, Gleichzeitig muss ich ansehen, wie es immer schlechter wird. Ich kann doch nicht tatenlos bis zum Zusammenbruch zusehen???

Ist ein langer Text geworden. Danke für’s lesen. Vielleicht war jemand in einer ähnlichen Situation und hat einen Rat für mich?


Viele Grüße
Medeia

Re: bin ratlos

Verfasst: 29. Jan 2009, 21:51
von Wycombe1
Hallo Medeia!

Erst einmal ein Willkommen im Forum.

Die Situation für deinen Mann ist alles andere als schön, kann ich sehr gut nachvollziehen.

Ich bin seit gut 15 Jahren Flugbegleiterin und habe schon viele Chefs kommen und gehen sehen. 1998 hatte ich einen Vorgesetzten, der meinte, mich in sein Bett ziehen zu wollen; war ne ganz miese Nr. die er abgezogen hat. Ich habe das damals sehr energisch abgelehnt und habe mit meinem direkten Vorgesetzten darüber geredet. Aber anstatt die Meldung weiterzuleiten (wozu mir geraten wurde), dachte ich, es würde so genügen.

Tats aber leider nicht. Es ging total nach hinten los.... Ich bin dann von dem besagten Chef, der mich ins Bett wollte, aufs übelste gemobbt worden..... Was er sich für Schikanen ausdachte, würde jetzt den Rahmen sprengen. Jedenfalls hab ich mich wie dein Mann gefühlt. Herzrasen, Schwindel, Schweiss, mein Blutdruck war für lange Zeit sehr sehr hoch, Schlafstörungen und immer wieder die Frage; was hab ich falsch gemacht, was????

Ich bin ein sehr stolzer Mensch und ich hätte ums verrecke nicht gekündigt, ich habe mir gedacht von so einem Ars** lass ich mich nicht hier raustreiben.....

Ich bin dann unverhofft schwanger mit meinem ersten Kind geworden und ab da war eh ars** lecken angesagt, er konnte mir nichts mehr. Ich bin dann für 1 Jahr in den Erziehungsurlaub gegangen und als ich wiederkam war er - fristlos gekündigt, weil eine andere das gemacht hat, was ich versäumte - Meldung offiziell zu machen.

Ich denke, deinem Mann geht es so, wie es mir damals ging, er will (und kann) nicht verstehen, wie jemand so mies sein kann, ihn so behandelt, seine fähigkeiten so mies macht, ihn als Mensch mies macht; ich kanns grad schlecht ausdrücken.

Er muss sich ja wegen den psychischen "Nebenerscheinungen" nicht krankschreiben lassen, er kann ja sonst was angeben; der alte sowie der neue Arbeitgeber erfahren ja die Diagnose nicht.

Er soll das Mobbing nicht auf seine Schultern legen und die Schuld bei sich suchen, er soll es da lassen wo es hingehört - bei dem (noch) jetzigen Arbeitgeber.

Er muss das echt hinter sich lassen und es abschliessen und loslassen, sonst wird er nicht die Kraft haben für den neuen Job.

Mir gings damals körperlich echt elend und ich weiss nicht wenn die Schwangerschaft nicht dazwischen gekommen wäre, wie lang ich dem ganzen stand gehalten hätte.

Alles Gute!

Vg,
Wycombe1

Re: bin ratlos

Verfasst: 29. Jan 2009, 22:12
von medeia
Danke für das Willkommen und Deine offene Antwort! Ja, es hat lange gedauert, die Situation zu erfassen, weil er (und ich auch) sich gar nicht vorstellen konnten, das einem jemand im Job so was Schlechtes will.
Das die Diagnose ja nicht drauf steht habe ich auch schon gesagt. Aber er denkt halt, er muss unbedingt weiter machen und noch dokumentieren was er kann. Und ein "normaler" Arzt wird Ihn sicher krank schreiben, aber vielleicht für 1-2 Wochen, aber im schlimmsten Fall muss er bis 30.06. hin... .

Freut mich, dass es für Dich so gut ausgegangen ist!

Viele Grüße
Medeia

Re: bin ratlos

Verfasst: 30. Jan 2009, 15:41
von Pfefferminza
dein mann wird ganz allein merken müssen, wie es ihm geht und warum es ihm so geht. du kannst ihm beistehen und ihn vorsichtig daruf hinweisen, dass du besorgt bist.
viel mehr kannst du nicht machen.

wie bist du denn auf dieses forum gekommen? einfache suche im netz?
kennst dein mann die seite?
vielleicht besorgst du ihm mal das buch zu diesem forum. ich fand und finde es sehr hilfreich.
wenn er für so etwas zugänglich ist, ist das vielleicht ein weg, ihm die augen zu öffnen und damit klar zu machen in welcher situation er ist und das es anderen auch so oder ganz ähnlich geht!

das so meine spontane idee dazu.

insgesamt klingt deiner vermutung einer depression für mich sehr sehr richtig. inkl. angststörung ...


glg
pfefferminza

Re: bin ratlos

Verfasst: 2. Feb 2009, 21:45
von medeia
Bin über eine Stichwortsuche an dieses Forum gekommen, wusste wirklich nicht mehr weiter und habe dann hier den "Angehörigen-Bereich" gefunden.

Er ist da leider eher nicht aufgeschlossen, das Buch würde dann wohl nur ich lesen, kann aber auch nicht schaden. Bisher habe ich nur eine Broschüre bzw. kleines Buch gelesen "das Leben ist nicht freudlos. Depressionen verstehen.

Habe am Wochenende mal die Seite aufgelassen am PC zwar allerdings mit meinem Beitrag. Das Ergebnis war nicht gerade toll. Ein Schluchzen und dann wurde die Seite geschlossen und eine andere geöffnet.

Mag ja sein, dass ich nichts tun kann, aber das ist schon schlimm für mich, vor allem, weil ich fürchte, das ja vielleicht einfach wegen der Erschöfpung durch den Schlafentzug ein schlimmer Unfall oder so passieren könnte.

LG

Medeia

Re: bin ratlos

Verfasst: 28. Feb 2009, 11:57
von UCS
Hallo,
als ich das heut morgen las war ich gleich wieder von meinem eigenen Problem eingeholt, weil es ähnlich war/ist oder für mich eigentlich noch schlimmer.
deshalb kann ich das Problem gut verstehen, weiß aber auch keinen Rat, was jeder in seiner Situation am besten tun könnte.
Mein Vorgesetzter war mein eigener Mann, das ging lange gut. Dann hatte er eine Neue und reichte die Scheidung ein und dann begann er zu mobben und dann ..ich wurde fristlos gekündigt. er ging bis in Berufung, um mich los zu werden.
ein verständiger Richter riet mir dann, daß ich das nicht aushalten würde, weiterhin dort zu arbeiten. Ich hatte ja alle Instanzen gewonnen.
so ging ich mit einer kleinen Abfindung in die Arbeitslosigkeit.
und nun kommt deine Aussage, ich zitiere dich hier mal:

"...... , wie es mir damals ging, er will (und kann) nicht verstehen, wie jemand so mies sein kann, ihn so behandelt, seine fähigkeiten so mies macht, ihn als Mensch mies macht;" Zitatende

Das dachte ich auch immer...

ich ließ mich auch krank schreiben, hatte ich doch die ganzen "Nebenerscheinungen", wie du es beschreibst.
Dann dachte ich es wird so langsam besser, aber nun geht das wieder los.. Schweißausbrüche, nicht schlafen können, innere Unruhe bis zur Ruhelosigkeit, was heißt, daß ich immer den Zwang habe in Bewegung zu sein, und was zu tun, nur nicht ruhen und nachdenken...

ich hoffe aber immer auf Besserung und geb mir redlich Mühe,
Mir gefällt das folgende von dir eingestellte Zitat:

"Ich weiß freilich nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird.
Aber soviel weiß ich sehr wohl, es muß anders werden, wenn es besser werden soll.
(G. C. Lichtenberg) Zitatende"

Re: bin ratlos

Verfasst: 1. Mär 2009, 12:58
von Zehlendorf
Hallo Medeia,

das kann ne Depression sein oder die Folge von "Mobbing" oder beides, weil das 1. eventuell aus dem 2. resultiert und umgekehrt.

Egal, auf jeden Fall geht das so nicht.
Natürlich ist ein Arzt der erste Anlaufpunkt, ein zweiter, denke ich die Personalvertretung o.Ä.

Ist das am Arbeitsplatz ein generelles Problem, das andere auch trifft, machen die Kollegen mit oder ist dein Mann das einzige Opfer?

Mobbing ist strafbar und hat auch rechtliche Konsequenzen. Dein Mann sollte sich da informieren lassen und Tatbestände notieren!

Auf jeden Fall darf das nicht so weitergehen, denn abgesehen davon, dass das kein Leben ist so, können langfristige psychische oder auch physische Konsequenzen (z.B. Herzkreislauf!) die Folge sein! Wenn die Mobbingsituation längere Zeit besteht und für das Opfer nicht "gelöst" wird, behält man die Schäden, auch wenn der Auslöser "weg" ist!

Ich denke, dass du deinen Mann unbedingt zureden musst, Hilfe zu suchen, und das muss nicht unbedingt nur ärztliche sein! Auf jeden Fall ist es gefährlich, die Situation bis zum Sommer aushalten zu wollen, wenn er jetzt schon solche Symptome hat!

Liebe Grüße

Anna