Di, 9.12. 21:00 Uhr, Das Pharma-Kartell

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gfb
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Re: Di, 9.12. 21:00 Uhr, Das Pharma-Kartell

Beitrag von gfb »

...steht seit letzter Woche auf meiner "to see"-Liste.

Schließlich ist man ja kein unmündiger Konsument div. Mittelchen aus der Sparte Antidepressiva!

Grüßle

Friedrich
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"Warum sind wir so kalt?

Warum? Das tut doch weh!"



Erika Mann, "Die Pfeffermühle"
just
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Re: Di, 9.12. 21:00 Uhr, Das Pharma-Kartell

Beitrag von just »

Hi p_Lyng,

danke für den Hinweis.

Für mich (inhaltlich) nicht neu, aber dennoch gut und aufschlussreich einen Bruchteil 'des Kartells' wieder vor Augen und Ohren 'serviert' zu bekommen.

Hoffe, dass viele Betroffene diese Sendung gesehen haben.
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Daraus bitte keine generalisierte Meinung ableiten.!!!!!

Kann mir allerdings den Hinweis auf die, hier so oft schon (fast) dogmatisch und keinen Widerspruch duldenden pro-Beiträge zu Gunsten ADs, die, wie Alf schon m.E. zu Recht kritisierte, in´s hämische u.a.m. überdriften,
nicht verkneifen.
Bin absolut!!!!! kein Medikamenten-Gegner,
(manche müssen einfach sein, um ein mehr oder minder erträgliches Leben zu 'erhalten')
aber die letzten zwei ADs haben mich (damals wusste ich es noch nicht) an den Rand der Klippe, kurz vor dem Absprung, gebracht.

Bin noch auf der Suche nach dem Allheilmittel .

Was mit meinem Sohn (unfreiwilliger s****-Versuch; soll heißen, medikamentenbedingt), in der Psychiatrie passierte , schreibe ich besser nicht.

Ich konnte glücklicherweise noch 'seinen'/ unseren Psychiater/Neurologen rechtzeitig darauf hinweisen, ihm die verordneten Spritzen und Medikamente nicht weiter zu verabreichen, was dieser auch sofort als falsch erkannte.
Ein sehr guter Arzt, aber Praxis 'brummt' und Termine sind rar. Hat zwar einen Nachfolger,
aber er selbst wird altersbedingt bald nicht mehr praktizieren.

Eben weil ich nicht generalisieren möchte.
Er hatte nun mal Pech, weil sie die nahe- liegendste und falsche Klinik war.


Erfuhr leider zu spät, was da ablief. Er nimmt aber weiterhin AD´s. Aber nicht Spritzen u.a. kontraindizierte 'Mittel', um danach unansprechbar wie ein Stock stoisch, desinteressiert und unfähig zu und an ALLEM
bei mit zu landen.
Lange Geschichte. Seine ehemals überdurchschnittliche Begabung kommt langsam wieder zum Vorschein.

Hoffentlich nicht zu spät.

Wir hatten und haben, das zur unvollständigen Erklärung,
mehrere Traumen zu bewältigen.

Eine Klage gegen den Klinik-Arzt steht evtl. an.
Momentan fehlt mir die Kraft dazu.
Außerdem ist die Beweislage sehr schwierig.


Musste diesen Bruchteil einer Lebensgeschichte einfach mal los werden, weil diese Sendung wieder so vieles in Erinnerung gerufen hat, was allein innerhalb meiner Familie (die Betroffenen können sich nicht mehr äußern.......)
mit falscher Medikamenten-'Gabe' und falscher Behandlung angerichtet hat.


Liebe Grüße
delta
so, nun habe ich etwas korrigiert bzw. hinzugefügt. Dadurch ist einiges durcheinander geraten.
Egal, sende es so.
HelH3
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Re: Di, 9.12. 21:00 Uhr, Das Pharma-Kartell

Beitrag von HelH3 »

Moin Dust,

da du vermutlich u. a. mich meinst, möchte ich anmerken: Ich habe überhaupt kein Problem mit deinen Ausführungen und auch nicht sachlicher, aus eigener Erfahrung hervorgebrachter Kritik an Psychopharmaka.
Ich habe den Bericht im übrigen selbst gesehen.

Nun schreibst du: "Kann mir allerdings den Hinweis auf die, hier so oft schon (fast) dogmatisch und keinen Widerspruch duldenden pro-Beiträge zu Gunsten ADs, die, wie Alf schon m.E. zu Recht kritisierte, in´s hämische u.a.m. überdriften,
nicht verkneifen."

Ich hingegen kann jenes Posting von Alf überhaupt nicht verstehen, da sich die Breitseiten, die sie meint, überhaupt nicht auf sie, sondern ausschließlich auf SadSandra, Ackermann usw, in anderem Zusammenhang auch auf Juliane bezogen haben.
Deren Aussagen waren tatsächlich generalisierend, dogmatisch, fanatisch, keinerlei Widerspruch duldend, verächtlich und beleidigend für all jene, die mit ihrer Medikation gut zurechtkommen. Ich kann mich nur wundern, dass so etwas als "kritisch"
verharmlost wird.

Daher kann ich kein Mitgefühl aufbringen für Leute, die AD-Usern pauschal die Persönlichkeit und ihr Bewusstsein sowie grundsätzlich die Urteilsfähigkeit in bezug auf ihre eigene Psyche absprechen, sie als vergiftet und süchtig uvm diffamieren.

Wer sich so aufführt, muss sich wirklich nicht über Häme bis hin zum Hass wundern, denn Menschen mit psychischen Problemen werden auch so schon genug mit Vorurteilen und Unverständnis konfrontiert.

Gruß Helena
Dendrit
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Re: Di, 9.12. 21:00 Uhr, Das Pharma-Kartell

Beitrag von Dendrit »

Hallo Zusammen,

mir fiel später auch noch ein, dass über die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht gesprochen wurde. Manchmal ist der Nutzen größer und der-/diejenige hat diese NW gar nicht. Will deswegen auch nicht alle Medikamente (und alle Pharmazeuten) über einen Kamm scheren.

So nimm ich auch eine Antiepileptikum, das mittlerweile bekannt dafür ist, dass es zu Depressionen und Suizidgedanken kommen kann. Deshalb wurde es bei mir (muss also nicht gleich bei jedem so sein) völlig abgesetzt und konnte dann feststellen, dass es nicht daran liegt und auch nicht triggert.

Ich selbst hab während der Eindosierungsphase jedes Mal das Gegenteil erlebt - dass ich für ein paar Std. sowas wie euphorisch wurde.

Schockiert hat mich, wie einige trotz Verbot trotzdem für die rezeptpflichtige Medikamente werben können und warum die Positiv-Liste nicht gedruckt wurde.

LG, Manuela
deca_53
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Re: Di, 9.12. 21:00 Uhr, Das Pharma-Kartell

Beitrag von deca_53 »

Hallo,

ich konnte mir erst heute den (aufgezeichneten) Beitrag des ZDF ansehen.

Ich war von dem gezeigten, so skändalös es auch war, nicht im Geringsten überrascht, im Gegenteil, ich hatte sogar mit noch krasseren Vorwüfen gerechnet.
Der Beitrag beschreibt die Zustände wie sie heutzutage allgemein in unserer Gesellschaft üblich sind, leider.

Ich befürchte, dass in den nächsten Jahren in dem Gesundheitssystem das Gleiche passiert wird, wie gegewärtig im Finanzsystem.
Das Selbstbedienungssystem "verschreibungspflichtige Arzneimittel" wird zum Kollaps des Systems führen.
Leidtragende werden, wie beim Finanzsystem, wieder die Schwächeren sein, vor allen Dingen die chronisch Kranken und die Alten, also auch die Depressiven.

Es geht uns also Alle an.

Grüße
pidder lyng
Mira1953
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Re: Di, 9.12. 21:00 Uhr, Das Pharma-Kartell

Beitrag von Mira1953 »

Hallo Pidder,

ein sehr wichtiger Aspekt. Von der Seite, habe ich das noch gar nicht betrachtet.

Mira
gelberosen
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Re: Di, 9.12. 21:00 Uhr, Das Pharma-Kartell

Beitrag von gelberosen »

Hallo Foris,

ich habe den Beitrag auch gesehen und sogar aufgenommen.

Ich war von der Härte schon schockiert. Mich erinnert diese Härte an die aggressive Telefonwerbung der Systemlottofirmen. Nur das man es hier mit Medikamenten und nicht mit Lottoscheinen zu tun hat. In das Gesundheitssystem zieht immer mehr der Markt ein, auch bei der Vermarktung der Medikamente. Und die sind ja wirklich teuer genug in Deutschland. Also muss man da wirklich nicht so aggressiv vorgehen und in den Beipackzetteln so wichtige Risiken so lange weglassen.

Und die Verflechtung von Pharmafirmen und Politik hat mich echt geschockt. Wer da alles mal Gesundheitsminister/in war und jetzt in den Pharmafirmen sitzt... Also scheint da kein Wille zu sein, den Pharmafirmen etwas von ihrer Macht wegzunehmen.

Ich denke auch an die rasant steigende Zahl der diagnostizierten Kinder mit ADHS und die noch rasantere Zahl der Verschreibungen von den Medikamenten an sie, die eigentlich für Schizophrenie bestimmt sind (mir fällt gerade der Name nicht ein).

Ich wollte den Film zusammen mit Frauen aus einer Tagesstätte anschauen, aber ich zögere noch. Gerade viele Frauen sind da ja unkritisch und bekommen immer noch mehr Medikamente. Gleichzeitig habe ich nicht das Gefühl, dass sie sich sonderlich für Politik interessieren.

Ich erinner mich auch an einen Mehrteiler, der vor 2 oder 3 Jahren mal um Mitternacht lief. Díeser spielt in 30 Jahren. Es tauchen Rentner reihenweise ab, denen Plege in Billiglohnländern versprochen wurde. Eine junge Journalistin recherchiert unter Lebensgefahr und ermittelt, dass die Alten alle mit Medikamenten vollgepumpt ruhig gestellt wurden. Wer das mitkriegte, schwebte in Lebensgefahr.

Soweit wirds nicht kommen, aber es zeigt das ganze in einer Steigerungsform. Könnte schon sein, dass es eines Tages heißt: "Du kriegst nur noch eine Therapie/Reha/Umschulung, wenn du fleißig Medikamente nimmst". Oder dem Staat geht das Geld aus, und die Pharmafirmen sponorn das sozusagen hintenrum. So können dann noch mehr gesellschaftliche Misstände individualisert werden. Und wem das Zeug nicht hilft, der strengt sich nur nicht genug an.

Doch genug davon, das macht echt Angst.

Feiert trotzdem schön
die Besserung
wie immer etwas überkritisch
tomroerich
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Re: Di, 9.12. 21:00 Uhr, Das Pharma-Kartell

Beitrag von tomroerich »

Ich habe jetzt die ersten 10 Minuten des Films gesehen. Also mir fiel sofort auf, dass der Film irgendwie tendenziös gemacht ist. Die Aussage am Anfang, Pharmafirmen wollten doch nur Geld verdienen und seien überhaupt nicht an unserer Gesundheit interessiert - nein wirklich? Das kann doch nicht wirklich irgendjemanden überraschen? Ich würde mir was anderes wünschen, fürwahr. Doch bleibt ja anzumerken, dass es ein natürliches Interesse der Pharma sein muss, erfolgreich zu sein und nicht Leute in den Suizid zu treiben.

Die Aussagen der Angehörigen sind extrem subjektiv und können auch nur subjektiv sein:

"Meine Frau hätte niemals Suizid begangen, das kommt nur von xxxxxx"

"Meine Frau war ein fröhlicher, ausgelassener Mensch. Alle können das bestätigen. Es muss an der Einnahme von xxxx liegen"


Eine seriöse Berichterstattung muss bereits hier klar darauf hinweisen, dass Suizidabsichten Symptome von Depressionen sind.

Jeder, der ein wenig über Depressionen weiß, ist sich auch darüber im Klaren, dass die Suizidgefahr steigt, wenn die Lähmung der Motivation und Handlungsfähigkeit zurückgeht und Antrieb wiederkehrt. Das ist nicht neu und hängt auch nicht speziell mit Antidepressiva zusammen. Nur wird nicht ausreichend darüber informiert, dass dem so ist und dass Patient und Angehörige besonders darauf achten müssen, wenn ein AD eingesetzt wird.

Das Problem stellt sich für mich nicht so dar, als würde ein AD Suizidabsichten "erzeugen" (im Sinne von Aktivierung eines Suizidareals im Gehirn, oder wie soll das gehen?) sondern eher so, dass die Gesamtsituation eines Depressiven einfach so ungeborgen und isoliert ist, dass das Problem einfach übersehen und nicht kommuniziert wird. Wenn ein schwer depressiv erkrankter Mensch irgendwo in den USA seine Frau und dann sich selbst erschießt und die beiden leben in irgendeinem Kaff in einem kleinen Häuschen in einer gleichgültigen und konservativen sozialen Umbegung - was würdet ihr da als Kenner der Materie sagen? Hat das Medikament da einen Doppelmord begangen?

Also wenn die restlichen 35 Minuten nicht nachträglich die ersten 10 als Parodie entlarvt haben: Schlechter Beitrag und der sache nicht dienlich.

Nein, ich bin kein Pharma-Lobbyist
Ja, ich finde auch, dass Geldgier sch... ist.
Ja, mich kotzt es auch an, wenn pekuniäre Interessen die Welt beherrschen.
Aber so bekämpft man das nicht.

Viele Grüße

Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
HelH3
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Re: Di, 9.12. 21:00 Uhr, Das Pharma-Kartell

Beitrag von HelH3 »

Absolute Zustimmung, Thomas:
Mich hat diese Vermengung von korrumpierenden Praktiken der Pharma-Industrie mit tendenziösen Behauptungen Angehöriger von Suizid-Opfern und Amok-Läufern auch ärgerlich gemacht. Da werden zwei Fälle herausgepickt, um als postumer "Beweis" für die Gefährlichkeit von SSRI herzuhalten. Die Tatsache, dass Fluoxetin etwa von vielen Millionen Menschen gut vertragen wird, passte natürlich nicht ins Konzept dieser Sendung und durfte deshalb auch nicht mal beiläufig erwähnt werden.

Am Tag nach der Erstaustrahlung musste ich in die Apotheke, um mein AD-Rezept einzulösen. Neben mir stand eine Mutter mit Kleinkind, die mich überaus alarmiert musterte, als mir die Apothekerin die Tabletten mit den Worten: "Hier, Ihr Fluoxetin" reichte - vermutlich fürchtete sie, dass ich gleich wild um mich ballern würde

Tja, und dass sich Gier keineswegs nur auf die Pharma-Industrie beschränkt, erleben wir ja gerade in diesen Zeiten... Immerhin betteln die dank ihrer guten Ertragssituation nicht auch schon um ein Rettungspaket vom Staat...

Gruß Helena
Dendrit
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Re: Di, 9.12. 21:00 Uhr, Das Pharma-Kartell

Beitrag von Dendrit »

Hallo Thomas und Helena,

nach diesen Beiträgen trau ich es doch zu schreiben:

In dem anderen Thread hab ich mich sicherheitshalber vergewissert und bestätigt bekommen, dass sowas im Beipackzettel steht. Vllt. denk ich da etwas komisch, aber wenn ich schon ein mir unbekanntes Medi bekomm, schau ich mir erst mal "Wechselwirkungen" (gut, ich nehm schon andere und muss bei manchen aufpassen) und dann "NW" an. Nicht damit ich die dann bekomm, sondern wenn in der einen oder anderen Richtung was auftaucht, es sofort einordnen kann - entweder zum Abhaken oder dem Arzt melden. Dabei liest man das ja automatisch.

Wieso fallen so viele (oder sind es vllt. wenige) aus allen Wolken, wenn so ein Bericht kommt? Selbst wenn der behandelnde Arzt darüber nicht gesprochen hat, man müsste es doch zumindest gelesen haben?

Oder gibt es so viel Leute, die den Waschzettel nicht lesen, in der Hoffnung, damit sie diese NW "nicht bekommen"??

Im Gegenteil, er kann mir doch eine Hilfe sein. Bsp.: ich hab im Referenzbereich grundsätzlich etwas weniger Leukos. Ich bekomm ein neues Präparat wo ich erfahr, es kann zu Leukopenie führen (daran stirbt man nicht). Bei der nächsten Blutentnahme fällt der HA aus allen Wolken, weil der Wert nun unterhalb des Referenzbereichs ist. Dann brauch ich nicht mitfallen, sondern darauf hinweisen, dass es evtl. von dem Medi kommen kann und dass man das halt im Auge behält und "akzeptiert", dass das für die nächste Zeit halt grundsätzlich niedriger ist.

Sorry, aber ich kann das irgendwie nicht so recht verstehen.

LG, Manuela
triste
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Re: Di, 9.12. 21:00 Uhr, Das Pharma-Kartell

Beitrag von triste »

Hallo,

da Ihr das Thema noch einmal neu aufgegriffen habt und es in einem anderen thread auch diskutiert wird, möchte ich die mail hier `reinkopieren, die ich nach der Ausstrahlung des Beitrags am gleichen Abend an die verantwortlichen Reporter gesendet habe (natürlich ohne Antwort).

Meine Meinung zu diesem Beitrag ist, dass durch seine einseitige Berichterstattung hinsichtlich der Nebenwirkung Suizidrealisierung Ängste gegenüber Antidepressiva geschürt wurden und das allgemeine Vorurteil gegenüber Psychopharmaka gestärkt wurde. Ich halte diesen Beitrag deshalb für absolut schädlich hinsichtlich der Akzeptanz von Psychopharmaka durch Betroffene.


"Sehr geehrte Frau Randerath, Herr Esser,

mit großem Interesse habe ich eben Ihren Beitrag "Das Pharma-Kartell" gesehen. Als selbst Betroffene waren mir die sicherlich fragwürdigen Vorgehensweisen der Pharmaindustrie im Hinblick auf die Vermarktung von SSRI teilweise bereits bekannt, ebenso wie die Risiken dieser Medikamente.
Ich halte es selbstverständlich für sinnvoll und notwendig, eine breite Öffentlichkeit über diese zum Teil kriminellen Vorgänge zu informieren.

Lassen Sie mich bitte trotzdem einen Aspekt erwähnen, den Sie nicht bedacht haben: Depressive, die zum ersten Mal vor der Entscheidung stehen, ein modernes Antidepressivum einzunehmen, tun dies sehr häufig mit großen Bedenken und großen Ängsten vor diesen "Psychopillen". Vorurteile über Psychopharmaka tun ihr übriges und es gibt viele Kranke, die aus diesen Gründen eine solche Medikation nicht wagen. Die Folgen einer unbehandelten Depression dagegen sind sehr oft Rückfälle und Chronifizierung, Arbeitsunfähigkeit, sozialer Abstieg und - eben auch - Suizid.

Ihre Berichterstattung hat leider versäumt darauf hinzuweisen, dass die Fälle von Suizidversuchen als Nebenwirkung durch SSRI (die ohne Frage sehr kritisch zu bewerten sind) jedoch in keinem Verhältnis stehen zu den Fällen, in denen schwer Depressive durch eine Medikamenteneinnahme wieder ins Leben zurück gefunden haben. Das Problem der derzeit absolut suboptimalen medikamentösen Versorgung bei Depressionen ist jedoch nicht schnell zu lösen, was bedeutet: Depressive haben nur die Medikamente, die es momentan gibt.

Die prozentual eher marginale Nebenwirkungserscheinung von Suizidgedanken durch SSRI muss also sozusagen in Kauf genommen werden, wenn man schwer depressiv ist und keine der anderen Therapiemöglichkeiten angeschlagen hat. Und genau an diesem Punkt möchte ich darauf hinweisen, dass hier eine engmaschigere ärztliche Versorgung greifen würde. Würde der Patient, der ein Psychopharmakon von seinem Behandler erhält, besser und häufiger in der Praxis gesehen und auch ermuntert werden, auf eine etwaige Stimmungsverschlechterung und Suizidgedanken zu achten, dann könnten diese speziellen Nebenwirkungen durch schnellstmögliches Absetzen des betreffenden Medikaments verhindert werden.
Leider sieht die Behandlungssituation bei Psychiatern heute in der Regel so aus, dass man ohne Hinweise auf etwaige Risiken ein AD verschrieben bekommt und - wenn man Glück hat - aufgefordert wird, in 14 Tagen oder sogar 4 Wochen wieder zu erscheinen, was natürlich einen viel zu großen Zeitraum darstellt, in dem der Patient mit diesen nicht ungefährlichen Medikamenten allein gelassen wird. Das ist eine Folge unseres katastrophalen Gesundheitssystems und natürlich nicht Thema Ihres Beitrags...

Mir ist völlig klar, dass Sie auf die dramatischen Aspekte Ihrer Recherche hinweisen wollten und mussten, um die Missstände als möglichst schwerwiegend darstellen zu können.
Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass an irgendeiner Stelle auch erwähnt worden wäre, dass gerade SSRI viele Leben retten, viele Depressive von ihrem unerträglichen Leiden erlösen und eben vor allem eines in den meisten Fällen tun: Suizide verhindern!
Ängste und Vorurteile gegenüber Psychopharmaka wurden durch Ihren Bericht - aus meiner Sicht - noch mehr verstärkt.

Ich sehe die Pharmaindustrie durchaus kritisch, ebenso Psychopharmaka. Ich selbst reagiere leider sehr sensibel mit vielen Nebenwirkungen auf Antidepressiva und weiß um deren Problematik. Aber in schweren Fällen von Depression gibt es derzeit nunmal nichts anderes, das hilft, als ein Antidepressivum.
Menschen von der Einnahme abzuhalten, indem man Ängste schürt, ist in Einzelfällen sicherlich unverantwortlich und in meinen Augen journalistisch auch nicht ausgewogen.

Mit freundlichen Grüßen!
xxx "


Gruß Virginia
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