Neuvorstellung mit Ratsuche

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JoergS
Beiträge: 3
Registriert: 7. Dez 2003, 19:46

Neuvorstellung mit Ratsuche

Beitrag von JoergS »

Hallo, heute habe ich dieses Forum gefunden und mich gleich angemeldet.
Kurz möchte ich mich vorstellen: 36, ledig. wohnhaft in einer Stadt, in der ich seit vier Jahren wohne, jedoch nicht zu hause bin. Freunde 0, Beziehung: 0, Bekannte: 0. Familie 300 km. weg. Auslöser der Depression: gescheiterte erste Beziehung, die erste, die ich je hatte, die im April d.J. begann und im Sept. d.J. nach einem gemeinsamen Urlaub endete. Problem: sie wollte die Beziehung, erstürmte mich in wenigen Tagen (mochte sie viele Jahre schon), wir kannten uns als Kollegen vier Jahre, saßen uns lange gegenüber. Sie meinte dann beim Trennungsgespräch: die Chemie stimmt nicht, ich will einen harten Mann und nicht einen, den ich stützen muß.

Nun gehen wir uns im Job aus dem Weg. Sie ist von ihrer Anlage her sehr hart:

Trennungsgespräch: Kannst ja mal heute nachmittag vorbeikommen, wenn ich mit meiner Mutter von der Reinigung zurück bin.

Ich bin seit 2 1/2 Monaten in Behandlung, habe erst R. (auweia, die Wirkung ging vermutlich daneben, stand auf dem Dach) und nun Flouxetin, erst 20 mg, seit vergangener Woche 40 mg sowie Opipramol-neuraxpharm 50mg bekommen und nehme an einer Gruppentherapie teil. Besserung jedoch bisher kaum eingetreten.

Meine Probleme: wie Nebenwirkungen von F. beherrschen, zittere manchmal heftigst. Schlafstörungen bleiben. Angst, daß frühere Ängste (Kontrollzwang, Autofahrangst) wiederkommen. Getrübte Stimmung. Zu manchen Dingen (Haushalt, der jahrelang gut lief) muß ich mich zwingen. Verfalle wieder in den Fehler, Überstunden ohne Ende zu machen. Selbst Sonnabends.

Familie leidet unter meiner getrübten Stimmung. Klassische Aussagen: mußt positiv denken, lächeln, so schreckst du die Leute ab etc. Depression nicht als Krankheit von Eltern akzeptiert und Abneigung gegen Behandlung. Wie geht man damit um? Habe Angst vor Weihnachten, wenn ich zu meinen Eltern hinfahre.

Außerdem: wie hole ich das Leben nach? Habe drei Berufe gelernt und bin beruflich scheinbar recht gut und erfolgreich. Zumindest läuft es recht gut. Privat: gehemmt und unsicher. Keine Fähigkeit zu Smalltalk o.ä. Unsicher bei meiner ersten allein gemachten Reise kürzlich, egal wo: Mietwagen mieten, fahren, Busausflüge buchen, allein im Restaurant. Wie das lernen? Wie mit dieser verfluchten Einsamkeit fertigwerden?

Gibt es Selbsthilfegruppen in Stuttgart?

Wohin kann ich mich noch wenden?

Wie komme ich aus der Isolation heraus (Kurse VHS, Kontaktanzeigen, nichts hat geholfen)?



Vielen Dank Jörg
36, ledig, depressiv
amica
Beiträge: 59
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Neuvorstellung mit Ratsuche

Beitrag von amica »

Hallo Jörg,

klasse, dass Du hier gepostet hast. Was Du berichtest finde ich eigentlich sehr positiv-Du bist auf einem richtigen Weg. Anscheinend handelt es sich bei Dir um eine reaktive Depression-also nachvollziehbar mit einem Ereignis in Deinem Leben zusammenhängend. Diese Depressionen haben meines Wissens eine sehr gute und relativ schnelle Heilungschance. Und wie ich sehe, hast Du auch noch genug Power, um Dir selbst zu helfen. Das ist schon sehr, sehr viel. Leider kann ich Dir keine SHG in Stuttgart nennen, aber ich weiß, dass Du eventuell über Krankenkassen,Diakonie, Caritas etc. weiterkommst.
Das Unverständnis Deiner Umwelt (vorwiegend Eltern) ist verständlich, die wenigsten wissen einfach genug und fühlen sich auch hilflos-aus dieser Hilflosigkeit entstehen dann oft diese Augenzuunddurch-Reaktionen-hier gibt es auch den Thread-Angehörige-vielleicht liest Du da mal rein.
Es hilft ja oft schon, zu wissen, dass man nicht allein ist.
Was hast Du denn für Hobbies-außer arbeiten- die Du auch in Stuttgart ausleben könntest?
Vielleicht ergeben sich ja auch Kontakte durch die Gruppentherapie?
Im übrigen finde ich es wirklich super, dass Du allein Urlaub organisierst und das durchziehst-unsicher hin oder her.Darf man fragen, wo Du warst? (nur mal neugierdehalber gefragt-musst Du nicht beantworten)
Ich wünsche Dir alles Liebe

amica
JoergS
Beiträge: 3
Registriert: 7. Dez 2003, 19:46

Re: Neuvorstellung mit Ratsuche

Beitrag von JoergS »

Hallo amica,

vielen Dank für Deine Antwort. Was habe ich für Hobbys?

Klassische Musik (Bach, Wagner, Händel, Verdi u.v.a.m., mag die Lieder van Veens und tw. R. Mays. Gehe gern ins Kabarett, richtig schönes gutes politisches Kabarett (R.Kröhnert, Freitag u.a.). Außerdem regelmäßiger Saunagänger, Fotografie, PC. Juristerei. Eisenbahn kaum noch. Geschichte, Archäologie (war früher selbst auf Grabung, geht leider nicht mehr, der Rücken und die Knie haben einen Ratsch weg). Kochen macht auch Spaß, nur nicht allein, vermutlich werde ich ab Januar wieder einen Kochkurs machen. Mit dem Zunehmen ist es kein Problem, habe ohnehin in den letzten Monaten 13 kg. abgenommen.

Wo war ich im Urlaub: Torremolinos an der Costa del Sol. Leider war es die Costa del Rain. Auch die Auskunft des Reisebüros: dort ist viel leben, mußte vor der Realität scheitern. Sehr leer, viele ältere Gäste. Ein halbleeres großes Hotel. Doch ein phantastisches Zimmer (zwei Räume). Wenn sie und ich das in Mallorca gehabt hätten... Dennoch vieles unternommen, Gibraltar, Ronda, Malaga, Sevillia, Granada (die Alhambra, ein Traum). 1000 km. mit dem Auto in drei Tagen. Serpentinen gefahren, was ich noch nie gemacht habe. Es ist gut gegangen. Zwei Bustouren (fast alles Spanier, Engländer etc.). 7 Tage Schweigen. Und es hat die Augen geöffnet: Ja, sie hat mich in dem Urlaub stützen müssen, vieles organisiert, was sonst der Mann macht. Doch ich war so verunsichert, weil mir eine Freundin von ihr vor der Reise gesagt hat, sie hätte ihr gesagt: "Du kannst nicht mit ihm in den Urlaub fahren, wenn Du ihn dannach ohnehin in die Wüste schickst" Das nagte an mir die ganze Zeit.

Doch alles was ich mache, ich mache es allein. Und genau da ist das Problem. Meine Ärztin meinte, ich sei süchtig nach Beziehung, nach Liebe. Doch die erfüllt sich nie. Dabei war ich in der kurzen Zeit mit ihr so anders, lustig und aufgeschlossen, locker und mir waren meine Akten zwar nicht egal, es gab kaum Überstunden. Viele Kollegen haben damals gesagt: was ist denn mit dem los, sie erlebten einen ganz anderen Jörg, als den, den sie gewohnt waren. Die Atmosphäre war herrlich und ich habe gelebt. Danach sehne ich mich wieder. Und das ist genau das Problem.

Ganz so reaktiv ist die Depression wohl nicht. Genau genommen sind sie nur ausgebrochen, waren vermutlich all die Jahre da. Doch da hatte ich mich an die Einsamkeit und die Zwangshandlungen quasi gewöhnt. Mir fehlt ein Stück Persönlichkeitsentwicklung.

Viele Grüße und eine gute Woche

Jörg
36, ledig, depressiv
ben1
Beiträge: 1379
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Neuvorstellung mit Ratsuche

Beitrag von ben1 »

Hallo Jörg

ich denke, Du hast es selber am besten erkannt und am besten formuliert

Mir fehlt ein Stück Persönlichkeitsentwicklung.

Ich erzähl Dir mal von mir, vielleicht kannst Du was damit anfangen. Auch ich binb ein Mann und habe (wahrscheinlich ähnlich wie Du) die männlichen Eigenschaften (Erfolg, Geld ...) sehr gezielt in Angriff genommen (kriegerische Sprache - bewußt so gewählt). Habe mich dann durch Studium und Jobbörse gekämpft und bin beruflich mittlerweile erfolgreich. Was bei mir auf der Strecke blieb, war, meine weiblichen Seiten zu entwickeln. Klingt jetzt bißchen komisch - bin keine Transe oder so, obwohl ich die Leute gerne mag. Und ich habe dann in einer Beziehung diese Persönlichkeitsanteile "geoutsorcet" (sagt man doch so in der Betriebswirtschaft, oder? Du weist, was ich meine). Das scheint bei Dir auch so gewesen zu sein. Du hast halt in der Beziehung die lebenslustige, feurige Liebhaberin - und gleichzeitig die Mutter, die sich um Dich kümmert, gesucht. Damit ist so eine Beziehung, denke ich, überfordert. Das hat jetzt nix mit Schuld oder so zu tun, ich sehe nur bei Dir, was ich bei mir auch schmerzlich erkennen mußte. Ich habe mich jetzt ein bißchen aus dem Fenster gelehnt, hoffe, Du bist nicht böse und kannst was damit anfangen. Nochmal, so wars bei mir, muß für Dich nicht gelten, aber vielleicht kannst Du das eine oder andere mal nach-denken

Ich Grüße Dich und freue mich auf eine Antwort

Ben
Michi61
Beiträge: 63
Registriert: 7. Nov 2003, 09:39

Re: Neuvorstellung mit Ratsuche

Beitrag von Michi61 »

Hallo Jörg,
ich schliesse mich den anderen an,du bist auf dem richtigen Weg.
Aber die verlorenen Jahre kannst du nicht mehr einholen.Versuch es zu akzeptieren.
Und schau nach vorn,du schaffst es,da bin ich mir ganz sicher.
Bin auch seit Jahren schwer Depressiv,hab alle Freunde verloren.
Dazu noch schwere Angstzustände,die so schlimm sind,dass ich mich kaum aus dem Haus traue.
Seit 6 Monaten Krank,bekomme Krankengeld,weiss oft nicht wie es weitergehen soll.
Bin in Behandlung aber mal besser mal schlechter der Zustand.
Aber ich versuch trotz alledem nicht aufzugeben wie du Jörg.
Früher war meine Wohnung T0P heute muss ich mich jeden Tag irgendwie zwingen was zu tun.
Manchmal mach ich auch gar nichts,und bin einfach wie Versteinert.
Michel
JoergS
Beiträge: 3
Registriert: 7. Dez 2003, 19:46

Re: Neuvorstellung mit Ratsuche

Beitrag von JoergS »

Vielen herzlichen Dank für Eure Worte und Euren Zuspruch. Es wird lange dauern, mit de Situation wieder zurechtzukommen und auf die Beine zu kommen.

Was mich heute erschreckt hat, war die Reaktion meiner Ärztin, bei der ich auch in der Gruppentherapie bin, als ich nach einer Einzeltherapie fragte. Nur als Privatpatient, Preis pro Sitzung ca. 80 Euro.

Die Gruppe hilft mir kaum, es ist zuwenig Zeit.

Adson
36, ledig, depressiv
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