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Arzt und Patient

Verfasst: 2. Okt 2008, 19:31
von Sharon
Ich hatte einen Freund, dessen Vater war Arzt und erschoss sich, als sein Monatseinkommen von netto 20000 auf 19000 sank.
Nun, viele von uns sind von derlei Einkommen ausgegrenzt.
Allerdings zeigt sich in diesem Beispiel ein latentes Problem im Gesundheitswesen. Es geht um Geld. Jeder möchte, dass es ihm gutgeht. Oder noch besser - will meistens heißen mehr Geld haben.
Als Patient bekomme ich dies deutlich zu spüren, wenn ich chronisch krank bin oder privat versichert bin.
Wer von dem Kuchen der Krankenkassen mehr haben will verschweigt, dass es einen gibt, der das Ganze bezahle muss. Und gerade die Kranken, die wirklich Kranken wird es genau dann am härtesten treffen, denn sie können nicht wie ein Minister auf eine Rente von 11000 Euro hoffen.
Ich erlebe mich oft als Produktionsfaktor zur Geldmengenvermehrung in einem vorgegebenen Zeittakt. Ich muss Wartezeiten über mich ergehen lassen, die ich in meinem Beruf niemand zumuten darf! Dahinter steht natürlich ein psychologisches System: die Selbsterhöhung. Je länger der Patient warten muss, umso wichtiger der Herr der warten lässt.
Gift und Galle spuckte einst ein Herr, als ich mir die ungebührliche Wartezeit nicht gefallen ließ. Ich meine, wir als Patienten sollten nicht einfach hinnehmen, dass wir warten müssen, unangemessen warten müssen. 'Wir haben bezahlt für eine Leistung und nicht fürs warten. Ganz selten gibt es Praxen mit vernünftigem Zeitmanagement, die Termine einhalten. Und natürlich gibt es auch Patienten die klagen und Recht bekommen haben.
Ich weiß auch, wir haben noch keine amerikanischen Verhältnisse, wir leben auch nicht in Lateinamerika. Aber rechtfertigt das die derzeitige Entwicklung und das existierende Verhalten in der Praxis. Wie ist das denn mit Notfallpatienten - privat oder Kasse? Dazu brauche ich nicht lange im Netz zu suchen.
Ich selbst bin privat versichert und staune hin- und wieder nicht schlecht, was da angeblich alles an mir vorgenommen worden sein soll. Ganz besonders interessant bin ich bei den Dentisten. Wenn ich einen Wohnort wechsle, will man mir jedesmal das komplette Gebiss umbauen - klar, weil es finanziell so attraktiv ist. Das war mir am Anfang noch nicht so klar.
Gerade die Klientel in diesem Forum muss sich intensiv darum bemühen, eigene Ansprüche auch lautstark einzufordern, nicht zurückzustecken. Auch hier gilt es Aussagen zu prüfen, ungebührliche Wartezeiten nicht hinzunehmen. Zum Beispiel habe ich schon erlebt, dass Neurologen Panikpatienten mit akuter Panik einfach im Wartezimmer oder Lesesaal, wie es so schön euphemistisch heißt, warten ließen. Wie gesagt, ich könnte mir so ein Verhalten niemals erlauben. Das macht mich wütend.
Ich selbst wollte mal einen kurzen Krankenbericht von einem Arzt, den er mir am Donnerstag in der vorangehenden Woche nicht schreiben konnte, weil er in der darauffolgenden Woche in Urlaub fuhr. Klar Urlaub ist wichtig. Aber wann beginnt dieser?
Also liebe Leidensgenossen, ich wünsche euch Mut und Kritikfähigkeit euch nicht mit allem abservieren zu lassen. Wir leben nicht in einem pervertierten kommunistischen System, aber auch nicht in einer kapitalistischen Anarchie.
Es lebe der Patient

Re: Arzt und Patient

Verfasst: 2. Okt 2008, 20:14
von SisterGoldenHair
Hallo Sharon !

ja, ich kann sehr gut verstehen was Du meinst...

ich habe ca. 20 Jahre in Zahnarztpraxen gearbeitet.....................

Über die Gepflogenheiten ließe sich weitschweifig diskutieren... !!
z. B. auch über Abrechnungspraktiken....

Zahnärzte, die auf Großwildjagd nach Namibia fliegen, und gleichzeitig sagen "greif einem nackten Mann mal in die Tasche".............
usw usw usw.................
aber das Wissen darum hilft uns nicht weiter, und auch nicht das Klagen...

Ich bin dabei mein (vermeintliches ) Recht einzufordern... wenn es sein muß, auch mal ein wenig "lautstärker".............

Liebe Grüße
Ulli

Re: Arzt und Patient

Verfasst: 2. Okt 2008, 20:54
von steppenwolf1
hm, fragt Ihr Euch nicht auch manchmal, was eigentlich das eigene Recht ist ?
Ich mein, nehme einen jungen Menschen, Ausbildung vllt. abgebrochen (oder auch nicht, ev, Studium abgeschlossem) oder nur Praktikas im Leben gemacht, eine zeitlang im Ausland gearbeitet, geringfügige Beschäftigung etc...
nie in die Sozialsysteme eingezahlt. Was hat der Mensch für ein Recht ? Rein rechnerisch, finanziell .... rein menschlich ?
Was ich in Sharons Zeilen auch lese ist der Satz "Jeder möchte, dass es ihm gutgeht" ... im Hinblick auf was ? rein finanziell, buchhalterisch, als existierendes Wesen ?

Können wir in die Bilanzen schauen, können wir überhaupt aufrechnen, Einzahlung/Auszahlung .... funktioniert das System so ?
Ziehe ich den Vergleich zu China oder Afrika ... muss ich mich schämen. Deshalb ist das auch das Totschlagsargument Nr. 1
Was sollte man tun ?

Gruss, s.wölfin

Re: Arzt und Patient

Verfasst: 3. Okt 2008, 17:11
von Berlibi
Hallo Sharon!
Heute ist ja der passende Tag für die Nachfrage, was der abschließende Satz mit dem Rest Deiner Betrachtungen zu tun haben könnte. "Pervertiertes kommunistisches System"?? Was hätte das gesundheitspolitisch bedeuten können, wenn ein solches mal irgendwo entstanden wäre? Oder sind wir tatsächlich noch nicht in die kapitalistische (genauer eigentlich "imperialistische") Anarchie geritten worden, wo Bankenchefs mit Milliarden Dollar Monopoly spielen, Luftgeschäfte ohne Ende generieren und am Ende noch immer ihren Millionen-Bonus einstreichen, wenn hinter ihnen die Weltwirtschaft implodiert?

Naja,...
Schönes Wochenende noch!
Berlibi