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Beziehungssucht

Verfasst: 29. Nov 2003, 17:27
von Ann
Hallo alle zusammen,
seit kurzer Zeit lese ich im Forum mit. Jetzt möchte ich mal selbst eine Thema ansprechen, über das ich bisher noch nicht so viel gefunden habe. Nach vielen Jahren Depressionen ist mir irgendwann klar geworden, dass ich eine "Veranlagung", Persönlichkeitsmerkmal oder was auch immer habe, das sich mit der Depression verbindet, sie verstärkt, auslöst, einen Teufelskreis mit ihr bildet. Nämlich die Sucht. Sucht generell, stofflich und nichtstofflich. Als Mädchen war ich eine Zeitlang magersüchtig. Später kam der Alkohol, gleichzeitig die Beziehungssucht. Aus Therapien weiß ich, dass ich aus meiner Kindheit ein riesiges ungefülltes emotionales Loch mit mir herumtrage. Ich habe mich von meinen Eltern als die die ich bin, nie geliebt gefühlt, habe nie das von ihnen bekommen, was ich gebraucht hätte. Seit meiner Pubertät habe ich Depressionen. Und das nie zu füllende Loch versuche ich zu stopfen mit meinen Suchtmitteln. Zur Zeit macht mir besonders meine Beziehungssucht zu schaffen. Ich bin nicht imstande, mich aus Beziehungen zu lösen, die mir nicht guttun. Ich schaffe es einfach nicht. Es geht mir in freundschaftlichen Beziehungen so, am schlimmsten aber ist es in Partnerbeziehungen. Auch wenn ich es mit dem Verstand genau weiß, was schlecht läuft, kann ich keine Konsequenzen ziehen. Ich lasse mit mir soviel machen, worüber ich bei jeder/m anderen den Kopf schütteln würde. Ich kann es mir nur mit Sucht erklären, Sucht nach einem Menschen, von dem ich wenigstens annehme, ich bedeute ihm etwas. Von dem ich erhoffe, er oder sie füllt mein Loch. Es geschieht natürlich nie. Aber ich komme nicht los. Das alles stürzt mich in die Tiefen, aus denen ich oft keinen Ausweg mehr sehen kann.
Ich möchte einfach gern wissen, ob es andere Menschen gibt, denen es auch so geht. Und ob mir jemand etwas dazu sagen, raten kann.
Danke und einen Gruß an alle! Ann

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 29. Nov 2003, 18:00
von ClemensMeyer
Ja, ich kann dich verstehen, fühle genau so.
Werde dir mal schreiben, aber nur wenn du das möchtest.Schreib an MeyerCGMC@aol.com

Bis bald, und Kopf hoch

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 30. Nov 2003, 13:56
von susan
Liebe Ann!

bevor deine Frage in der "Versenkung" verschwindet, möchte ich dir noch antworten. Es hilft dir sicher wenig, wenn ich dir sage, dass mir das, was du schreibst, bekannt vorkommt, mehr noch, ich habe es an mir selbst feststellen können - dieses Suchtverhalten. Ich fühle mich - noch - nicht in der Lage, hier im Forum darüber zu schreiben, will dir nur sagen, du bist nicht allein damit.

Ich habe in der Therapie einiges ansprechen und bearbeiten können, vielleicht ist das auch für dich ein Weg? Machst du derzeit eine Therapie oder hast du diese Probleme je in einer Therapie ansprechen können? Was helfen kann, sind SHG, Angehörigengruppen ....so meine Erfahrung....

Hoffe du findest einen Weg, damit umzugehen!

Liebe Grüße
Susan

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 30. Nov 2003, 17:25
von albert
Hallo Ann,
da habe ich ganz ähnliche Erfahrungen. Weniger mit stofflicher Sucht, als mit nichtstofflichem Suchtverhalten, besonders die Beziehungssucht. Ich habe früher mehr als einmal im Forum dazu gepostet unter dem Stichwort Beziehungsfalle. Kannst du dort nachlesen. Im letzten Jahr habe ich mich sehr intensiv auseinandergesetzt und deshalb eine Familientherapie gemacht. Aber ich habe heute das Gefühl, dass immer noch nicht alles aufgeräumt ist. Es gibt also noch Therapiearbeit zu tun. Eine Grundbedingung z. B. ist zunächst mal auf jegliche Beziehung zu verzichten, um am Problem Beziehung arbeiten zu können.
Dir wünsche ich alles Gute
Herzliche Grüße
Albert

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 30. Nov 2003, 19:13
von igel
Hallo Albert,

auf Beziehung verzichten....meinst Du damit Abstand von der Familie nehmen?

Die Familientherapie - hat Deine Familie sich gleich damit einverstanden erklärt? Ich frage, weil das im Grunde auch mein Wunsch ist. Eine Familientherapie. Aber meine Familie ist ja auseinandergebrochen. Da ist aber soviel unverarbeitet, ich glaube es spielt insoweit keine grosse Rolle, ob die Familie noch zusammen ist oder nicht.

Die Verstrickungen hören ja nicht auf...

Gruss,

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 30. Nov 2003, 20:28
von albert
Hallo Igel,
mit dem Verzicht auf Beziehung meine ich, dass ich z. Z. keine Partnerschaft pflege. Natürlich habe ich eine Familie: meine Eltern leben beide noch, ich kann dort jederzeit zu Besuch kommen. Die früheren Spannungen sind mal durchgesprochen worden. Das Ergebnis war nicht zu meiner vollen Zufriedenheit, aber ich kann inzwischen damit leben. Im Gegensatz zu meinen Schwestern, die Angst vor mir haben und deshalb gibt es fast keinen Kontakt. Mein Bruder braucht mich manchmal; natürlich helfe ich, was ich kann.
Von meiner Frau habe ich mich scheiden lassen, das war ein sehr schmerzhafter Prozess und noch schmerzhafter war die Erkenntnis, dass ich immer wieder in die gleiche Situation geraten bin, dass ich als Mensch mit einer depressiven Veranlagung mich von einem anderen Extrem, einem narzisstischen Charakter habe ausnutzen lassen. Es war und ist bis heute nötig, Abstand von einer partnerschaftlichen Beziehung zu einem Vertreter des anderen Geschlechts zu nehmen und diese Zeit für eine Therapie zu nutzen, also die Arbeit am Problem: warum diese Abhängigkeit?
Und solange dieses Problem nicht gelöst ist, werde ich immer wieder in die gleiche Falle tappen.
Kontakt zu meiner früheren Frau habe ich nicht mehr, sie hat ihn von sich aus abgebrochen während der Scheidung.
Mit meiner Tochter habe ich aber regelmäßig noch brieflichen und telefonischen Kontakt, habe ihr auch für einige Jahre Geld geschickt. Sie ist heute berufstätig und verheiratet.
Soviel zum Thema Beziehung von meiner Seite aus.
Herzlichen Grüße
Albert

Entschuldigung, ich habe zu ergänzen:
natürlich habe ich meine Familie vorher nicht gefragt. Ich war im brieflichen Austausch mal an einen Punkt gekommen, da war die Frage nach der Familientherapie gestellt und das habe ich durchgezogen, also mein Beziehungsproblem zum Thema des Briefwechsels gemacht. In meiner Familie weiß bis heute niemand etwas von dieser Therapie.
Ein Tipp:
in der Suchfunktion den Begriff "Beziehungsfalle" eingeben, dann werden frühere Beiträge zum Thema Beziehungssucht angezeigt.

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 30. Nov 2003, 21:18
von igel
Danke für Deine Offenheit, Albert.

Wenn Deine Schwestern nicht mit Dir umgehen können, ist das vielleicht auch ihr Problem? Du scheinst das ja gut abgrenzen zu können...

Werde mich mal weiter mit Familientherapie auseinandersetzen.

Gruss,

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 30. Nov 2003, 23:44
von Ann
Danke für die Rückmeldungen!

Hallo Susan, ich habe bis vor einiger Zeit eine Gesprächstherapie gemacht. Sehr spät habe ich auch mein Thema Beziehungssucht und Sucht überhaupt angesprochen. Warum ich solange damit gewartet habe, weiß ich nicht genau. Doch, aus Scham wahrscheinlich. Jedenfalls habe ich es nicht genügend bearbeiten können. Es sitzt zu tief oder ich war bisher nicht bei der richtigen Therapeutin. Das Problem ist, dass ich das, was ich mit dem Verstand durchaus erkenne, nicht umsetzen kann. Da ist einfach die Sucht, das Loch, was auch immer, stärker. SHG ist eine gute Idee. Vielleicht können wir uns auch nochmal über das Thema austauschen.

Hallo Albert, ich habe dein Stichwort "Beziehungsfalle" gesucht, aber kaum was gefunden. Kann es sein, dass es nicht mehr im Forum ist? Schade, hätte mich interessiert. An Familientherapie habe ich auch schon mal gedacht. Aber sie hat doch nur einen Sinn, wenn die ganze Familie sich darauf einlässt, denke ich. Meine Eltern würden das nie und nimmer mitmachen. Ich meine, ich muss irgendwann akzeptieren, dass ich mit diesem emotionalen Loch in mir leben muss. Ob ich das nur schaffen kann, wenn ich enthaltsam lebe? Bei Alkohol ist mir das vom Verstand her klar, aber bei Enthaltsamkeit von Beziehungen fehlt doch auch viel wichtiges. Der Gedanke ist auf jeden Fall nachdenkenswert.

Herzliche Grüße und gute Nacht!
Ann

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 1. Dez 2003, 15:56
von Anya
Liebe Ann!
Was soll ich sagen: geht mir genauso. Vor ein paar Tagen hat mein Freund Schluß gemacht und ich dreh fast durch. In den Beziehungen ging es mir aber auch nicht wirklich gut, das heißt, so oder so muss ich mich nun wirklich mal auf den Weg zu mir machen und da habe ich riesige Panik vor. Und dieses Loch im Bauch ist derzeit riesengroß in mir und die Angst im Bauch zerreißt mich völlig. Wei0 nicht, wie ich die nächsten Wochen überleben soll, die depries und Ängste sind so extrem...
Anya

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 1. Dez 2003, 22:15
von tomroerich
Hallo Ann,

ich musste eine Weile darüber nachdenken, ob denn "Sucht" das richtige Wort für deine Neigung ist, dich in Beziehungen zu verlieren. Aber irgendwie passt es doch ganz gut, scheint mir. Ebenso, wie andere Suchtmittel wie Alk oder was auch immer einen anderen Mangel überdecken, so kann man das natürlich auch mit Beziehungen tun, oder - was ja auch oft vorkommt - mit Arbeit. Ich bin auch so ein Mensch, der ein Loch mit sich herumträgt und wie du habe ich auch das Problem, mich in Beziehungen so abzugrenzen, dass ich mich nicht darin verliere sondern bei mir bleibe und mich noch fühle. Denn nur so gelingt es ja, einer verletzenden Situation etwas entgegenzusetzen und sich zu schützen. Ich habe im Laufe der vielen Jahre, in denen ich daran arbeite, viel gelernt und bin heute sehr viel fähiger als früher, das destruktive Verhalten des Sich-Verlierens rechtzeitig zu bemerken und mich abzugrenzen. Aber mir fällt es trotzdem immer noch schwer, einem anderen weh zu tun, wenn es einfach nicht anders geht und neige dann dazu, lieber den Kopf einzuziehen.

Was konntest du über die Ursachen deines Lochs denn herausfinden? Ich habe es immer gespürt, so lange ich denken kann und erst heute beginnt es sich zu schließen- früher verstand ich nicht, woraus dieses Loch seine Macht bezieht. Es ist deshalb so mächtig, weil man es mit der Art Beziehung, die man als ungeliebter Mensch gelernt hat, nicht füllt, sondern weiter aushöhlt. Ich konnte mir Beziehungen immer nur so vorstellen, dass ich etwas zu geben hatte und die Ursache dafür war, dass ich mich als unbequemes und ungewolltes Kind dazu entschieden hatte, ich sei nicht oK, wäre etwas schuldig und würde meiner Mutter nur Kummer machen. Ich glaubte das nur dadurch gutmachen zu können, indem ich mich besonders anpasste und auf eigene Wünsche verzichtete. Was hätte ich auch sonst glauben sollen? Das was mit meinen Eltern nicht stimmt? So etwas kann ein Kind gar nicht denken.

Jedenfalls fand sich dieses Muster später in allen meinen Beziehungen wieder. Ich tat alles, um nicht zu enttäuschen, schluckte jede Kränkung, war unfähig, zu verlassen. Lieber wollte ich verlassen werden, das fühlte sich "richtiger" an. Meine eigenen Wünsche an eine Beziehung konnte ich nicht spüren, ich zog nicht einmal in Betracht, dass ich welche haben dürfte und wenn, dann waren es so diffuse Wünsche wie "Fülle du das Loch in mir". Niemand kann das und niemand hält es auf Dauer aus, die Grenzen des anderen nicht spüren zu können.

Deshalb brachten Beziehungen oft auch genau das hervor, was ich am meisten fürchtete, nämlich genau diese Verletzungen, die ich zu vermeiden suchte. Wenn du dich nicht abgrenzt, tut es der andere um so heftiger. Und dann hat sich die alte Geschichte zum x-ten Male wiederholt. Zu einer guten Beziehung gehört Anziehung UND Abgrenzung, nur so kann man sich UND den anderen spüren. Und Abgrenzung schaffst du nur, wenn du dich selbst spürst und ernst nimmst. So ernst, wie du den anderen nimmst.

Liebe Grüße

Thomas

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 2. Dez 2003, 01:16
von ismile4you
Hallo Ann,

Beziehungssucht. Ja, die kenne ich zu gut.

In Thomas' Beitrag kann ich einiges von dem wiederfinden, was die Beziehungssucht wohl bei allen Betroffenen, so auch bei mir, ausmacht: das ausfüllen einer Lücke, einer emotionalen Lücke.

Ich möchte allen, die Betroffen sind, egal ob männliche oder weibliche Betroffene, ein Buch empfehlen mit dem Titel:

"Wenn Frauen zu sehr lieben - die heimliche Sucht, gebraucht zu werden + Briefe von Frauen, die zu sehr lieben - Betroffene machen Hoffnung" ,

Autorin: Robin Norwood,
erschienen 2002
im Rowohl Verlag GmbH als Sachbuch,
zu bestellen über die ISBN-Nr. 3-499-61430-8.

Dieses Buch war die Antwort auf alle meine Fragen "warum komme ich, gerade in Beziehungen, immer wieder in die gleiche schmerzvolle Trennungssituation"? "Warum wiederholen sich "meine Fehler", meine negativen "Lebenskonstellationen-u. situationen" immer und immer wieder aufs Neue"? Mir war klar, es muss an mir liegen oder an meiner Kindheit, die mich prägte, aber hatte ich die schmerzvollen Erfahrungen nicht längst abgeschlossen/abgehakt? Warum also immer wieder die Probleme? Warum komme ich mit meinem Leben nicht zurecht? Mir war ziemlich schnell klar, daß es da einen Zusammenhang geben mich, auch dahingehend, daß ich dann wieder die Depressionen bekam. Aber ich sah nicht, wie mich die prägte und in welche Richtung das ging.

Das Buch öffnete mir die Augen. Schon bei den ersten Zeilen, erkannte ich den Wert der diesen zur Beantwortung meiner Fragen. Ich nahm mir einen Stift, fing an mit diesem Buch zu "arbeiten" indem ich immer wieder Randnotizen machte. Ich fand mich so oft darin wieder in diesen Zeilen, mein Verhalten, meine Gedanken, meine Erfahrungen, meine Gefühle, so daß ich ständig nur noch am unterstreichen war oder am aufschreiben von Parallelen.

Wie schmerzhaft war es, dort zu lesen, wiederzuerkennen, wie letztlich unbewußt ich mein Leben bisher gelebt, wie fremdgesteuert ich war, wie chaotisch alles verlaufen war; ich erkannte Parallelen zu mir und auch Parallelen zu meinen früheren Partnern, oder meinen Eltern, oder im Berufsleben.

Und ich fand Erklärungen und Zusammenhänge, warum das alles so war, sich so entwickelte, und ich durfte erkennen, daß ich ja im Grunde genommen nichts dafür kann, daß ich mir vergeben darf, ja mehr noch, daß es noch viel, viel, viel mehr Menschen gibt, denen gleiches oder ähnliches widerfährt, Menschen, die genau die gleichen Erlebnisse, Gefühle, Gedanken haben wie ich, die genau so immer wieder enttäuscht werden, sich ewig viel gefallen lassen ect., ect., ect.

Auf den ersten bis zu 250 Seiten war es sehr schmerzhaft, aber auch tröstlich, aber in jedem Falle sehr, sehr feucht. Ich habe nächtelange geweint, aber es hat, im Rückblick, sooooooo gut getan.

Hätte ich dieses Buch nicht gelesen, so wäre ich heute, zwei Jahre danach, noch lange nicht da angekommen, wo ich heute bin. Ich fange gerade an, mich selbst zu lieben. Mehr auf mich zu achten, in mich hineinzuspüren, nicht mehr ausschließlich in Andere. Ich mache mein Glück nicht mehr von den Anderen abhängig, auch nicht mehr von Männern, sondern ich bestimme das jetzt selbst. Ich fülle die Lücken und Löcher selbst aus. Das kann nur ich. Meine damals unbewußten Verhaltensmuster wurden durch das Buch aufgedeckt. Danach konnte ich nicht mehr zurück.

Die Veränderung geht nicht von heute auf morgen. Das dauert lange. Ich fange gerade erst jetzt an, umzusetzen, was mir im Geiste, rational, im Verstand vor zwei Jahren klar wurde. Ich bin immer noch nicht fertig damit. Männer und der richtige, für mich richtige Umgang mit Ihnen - das ist noch eine große Herausforderung für mich.

Abgrenzung - von den Eltern, von den Geschwistern, von Menschen, die mir nicht guttun, das war auch sehr wichtig für mich bzw. ist es noch.

Aber ich bin auf dem richtigen Weg.

Ich hoffe, daß Euch meine Erfahrung weiterhelfen kann, vielleicht sogar mit Hilfe des Buches? Über offenen Rückmeldungen freue ich mich immer.

Gruß,

Karin

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 2. Dez 2003, 15:09
von DRichter
Zum Thema Depression und Beziehung lese ich immer und immer wieder, dass die in die Depression Geratenen sagen oder das Gefühl haben, immer zu viel gegeben zu haben, zu altruistisch und zu wenig egoistisch gewesen zu sein.
Von mir kann ich nur sagen, dass dies nicht stimmt: ich bin in meiner langjährigen Beziehung immer sehr egoistisch gewesen, habe viel mehr genommen als gegeben. Und als meine Frau dann gegangen ist, bin ich in die Depression geraten. Kann an meinem eigenen Beispiel nur sagen: Nicht alle Depressiven sind altruistische "Gutmenschen".
Diethard

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 2. Dez 2003, 15:39
von tomroerich
Hallo Diethard,

es wäre auch nicht richtig, im Geber-Verhalten von Depressiven echten Altruismus zu sehen oder Nächstenliebe. Oft handelt es sich dabei um eine Form von Narzissmus, denn auch das Denken von Depr. kreist im Grunde um das eigene (verletzte) Ich und über das ständige Geben soll der andere ja gebunden werden. Diese Form von Narzissmus (Fromm nennt sie den negativen Narzissmus) ist bloß schwieriger zu durchschauen und zu behandeln, weil die Betroffenen sich mit Erfolg hinter ihrem Gutsein verstecken können.

Gruß von

Thomas

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 2. Dez 2003, 18:04
von Ann
Lieber Thomas, deine Antwort trifft voll ins Schwarze bei mir. So klar habe ich selten gefühlt, was mit mir los ist, wie jetzt beim Lesen deines Postings. Danke. Im Moment bin ich ganz aufgewühlt. Und habe viel zum Nachdenken. Es empfinde das Verlangen, das emotionale Loch zu füllen als Sucht, weil es stärker ist als der Wille. Ich schreibe noch dazu, sobald ich kann

Liebe Karin, danke für deinen Buchtipp und deinen Erfahrungsbericht mit dem Buch. Ich erkenne mich so sehr wieder, das Buch werde ich lesen. Ich habe zwar Angst davor, mich mit meinem emotionalen Loch auseinander zu setzen, da hineinzugehen, aber so kann es nicht weitergehen.

Liebe Grüße, bis bald!
Ann

Re: Beziehungssucht

Verfasst: 3. Dez 2003, 13:29
von DRichter
Hallo Thomas,
danke; ich finde auch, dass Du eine wichtige Erkenntnis in knapper Formulierung präzise auf den Punkt gebracht hast. Wenn dann männlicher und weiblicher Narzissmus aufeinander stoßen, dann kann es wunderbar funktionieren - allerdings auf sehr dünnem Eis. Wehe aber, das Eis bricht, dann ist die Katastrophe da.
Es gibt ein Buch mit dem Titel "Weiblicher Narzissmus" von Bärbel Wardtezki. Sehr interessant - hilft nur leider nicht, wenn es zu soät ist.
Gruß von
Diethard