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Besuch in der Klinik

Verfasst: 23. Jan 2008, 17:42
von xam
Hallo

Mein Freund wurde vor kurzem notfallmäßig in die Klinik gebracht, nachdem er wohl einen völligen Zusammenbruch hatte.
Er hatte sich in der Zeit vorher schon von seinem Umfeld zurückgezogen, reagierte nicht mehr auf SMS oder Mail und ging auch nicht ans Telefon. (Ging aber arbeiten).

Auch jetzt ist kaum Kommunikation möglich, er starrt meist nur vor sich hin oder liegt mit geschlossenen Augen da.

Jetzt bin ich mir völlig unsicher, ob ich ihn erst mal in Ruhe lassen sollte - nur alle paar Tage ihn besuchen?
Oder täglich zumindest kurz - auch wenn man nur schweigend da sitzt? Einfach damit er merkt, daß man zu ihm hält?

Wahrscheinlich gibt es keine generelle Antwort auf diese Frage?
Aber ich bin mir so unsicher, wie ich mich verhalten soll....

Viele Grüße
Xam

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 23. Jan 2008, 18:36
von BeAk
Liebe Xam,

die Frage ist schwer zu beantworten.

Wenn man das schweigen und das liegen mit geschlossenen Augen als Rückzug aus der Welt nimmt, da diese überfordert,
ist der schnellste Weg dort hinaus wohl, den Rückzug des Kranken zu akzeptieren.

Und jeder Versuch der Kontaktaufnahme, wird ihn warscheinlich noch tiefen in den Rückzug treiben.

Ich würde sagen, besuche Deinen Freund lieber alle paar Tage. Das nimmt ihm den Druck.

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 24. Jan 2008, 15:16
von xam
Danke Bea

von der Seite habe ich es noch nicht gesehen.

Mein Gedanke war eher, daß er sich noch einsamer und verlassen fühlen könnte, wenn tagelang niemand kommt. (Es wird ihn wohl - außer mir und einem Freund - kaum jemand besuchen, da er schon lange die meisten Kontakte abgebrochen hat...)

Was er wirklich denkt und fühlt erfahre ich ja auch nicht.

Ich muß wohl versuchen das "richtige Mittelmaß" zu finden.


viele Grüße
Xam

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 24. Jan 2008, 15:47
von tinamaus
Hallo!

Diese Situation ist ganz schön schwierig für Dich. Es ist auch schwer, Dir einen Ratschlag zu geben, da ich nicht beurteilen kann, wie Eure Beziehung vor dem Zusammenbruch war.

Wie wäre es, wenn Du mal mit den Ärzten redest, was sie zu den Besuchen meinen?

Weißt Du, ob bzw. welche Medikamente Dein Freund bekommt? Es kann auch gut möglich sein, dass er total zugedröhnt ist, weil er erst mal zur Ruhe kommen soll. Dann ist eine Reaktion kaum möglich.

Vielleicht kannst Du ihm einen Brief schreiben und ihm sagen, dass Du nicht weißt, wie Du Dich verhalten sollst. Und ihm dann sagen, dass Du ihn gerne besuchen möchtest und er Dir sagen soll, ob er das will. Ein Brief hat den Vorteil, dass er ihn mehrmals lesen kann.

Ich wünsche Dir und Deinem Freund alles Gute!

Tinamaus

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 24. Jan 2008, 16:06
von xam
Hallo Tinamaus

unsere Beziehung war schon in den Monaten vorher schwierig. (siehe die treads "sprachlos I+II)

Er bekommt zur Zeit sicher einige Medikamente und er macht auch den Eindruck "zugedröhnt" zu sein.
Glaube nicht, daß es momentan Sinn macht mit den Ärzten zu sprechen - sie dürfen mir ja keine Auskunft geben.
Ich fragte ihn, ob ich mit dem Arzt reden darf - doch mein Freund schüttelte nur den Kopf.
Das muß ich wohl akzeptieren.

Viele Grüße
Xam

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 24. Jan 2008, 18:27
von tommi
Liebe Xam,

mhhh, irgendwie konnte man diese Entwicklung voraussehen. Es ist auf jeden Fall gut und beruhigend, dass er unter Beobachtung, in Händen von Fachleuten und in einer geschützten Umgebung ist.

Es ist wirklich schwierig dir hier einen Rat zu geben und ich würde auch die Ärzte fragen, wie oft du ihn besuchen solltest.
Ihn zu fragen, wird im Moment nichts bringen, weil er wohl selbst noch nicht weiß, wie oft und wann er dich sehen will.

Du steckst wirklich in einer schwierigen Situation. Ich denke, du solltest einfach deinem Bauchgefühl folgen. Auch solltest du auf dich hören, ob es dir gut tut, ihn zu so sehen. Es wird Tage geben, da fällt es dir leichter und es wird Tage geben, da wirst du es nicht ertragen können.

Ich hoffe, dass Ihr gut aus dieser Krise herauskommt.

Lieben Gruß
Tom

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 24. Jan 2008, 20:33
von xam
Lieber Tom

>mhhh, irgendwie konnte man diese Entwicklung voraussehen<
Allerdings - und das wurde mir auch völlig klar, als er sich so konsequent zurückgezogen hatte.
Ich war sogar froh, als ich die Nachricht erhielt, daß er in die Klinik gebracht wurde. Es war erst mal eine Erleichterung für mich.

>Es wird Tage geben, da fällt es dir leichter und es wird Tage geben, da wirst du es nicht ertragen können.<
Genau so ist es. Ich gehe auch nicht hin, wenn ich meine, daß es mir nicht gut tun wird.
Aber trotzdem bin ich noch unsicher, wie häufig meine Besuche sein sollten.
Vielleicht kann ich ja doch eine Auskunft bei den Ärzten bekommen.

viele Grüße
Xam

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 24. Jan 2008, 20:47
von ANOVA
Hallo xam,

mir ging es auch mal so wie Deinem Freund (glaube ich wenigstens); ich lag auf einer geschlossenen Station, sprach nicht, lag nur auf dem Bett und schaute an die Wand.

Im nachhinein weiß ich, dass es für mich damals sehr wichtig und hilfreich war, dass meine beste Freundin mich so gut wie jeden Tag besuchte. Sie kam vorbei, setzte sich an mein Bett und erzählte mir irgendetwas oder hielt einfach nur meine Hand. Das tat mir sehr gut, ohne dass ich es ihr in diesem Moment zeigen konnte. Es vermittelte mir Gefühle von Nichtalleinsein und Verbundenheit.

Natürlich weiß ich nicht, ob Dein Freund es so ähnlich empfindet. Aber vorstellen könnte ich es mir und ich nehme an, dass Du auch merken würdest, wenn ihn Deine Besuche belasten oder nerven. Wenn Du ihn besuchst, weil Du ihn besuchen möchtest und nicht, weil Du Dich verpflichtet fühlst, wird es gut sein, glaube ich. Wichtig ist, dass Du nicht über wichtige Themen oder z.B. Eure Beziehung sprichst oder irgendwelche Erklärungen verlangst. Vielleicht kannst Du ihm auch mit einer Postkarte o.ä. vermitteln, dass er noch immer genauso wichtig ist für Dich wie vor seiner Einweisung.

Dass er den Kontakt zwischen Dir und den Ärzten nicht möchte, würde ich übrigens gar nicht mal als mangelndes Vertrauen werten. Vielleicht gibt es Dinge, die er Dir lieber selbst sagen möchte. Das wird er dann machen können, wenn es ihm ein bisschen besser geht.

Bei mir war die Bewegungslosigkeit damals teilweise auch auf Medikamente zurückzuführen; aufgrund heftiger Suizidalität bekam ich eine hohe Dosis Beruhigungsmittel. Vielleicht ist das bei Deinem Freund auch so. Wenn ja, kann er Dir gar nicht aufmerksam zuhören und ist auch evtl. gar nicht richtig wach. Ich bin damals während der Besuche meiner Freundin manchmal eingenickt.

Es war eine Horrorzeit für mich und umso wichtiger war es, dass ich sie nicht ganz alleine durchstehen musste. Das vielleicht noch als Gedankenanstoß.

Viele Grüße
Xenia

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 24. Jan 2008, 21:15
von CJ43
Hallo Xam!
Wenn du ihn beim Abschied fragst: "Ich komme morgen wieder vorbei, ok.?", vielleicht kannst du dann aus seiner Reaktion schließen, ob er das bejaht, oder nicht. Sind manchmal kleine Zeichen, aber sicher kennst du ihn gut, eventuell fällt dir dann was auf?
Lange Fragen, ob er es überhaupt möchte, oder lieber Ruhe usw. würde ich eher nicht stellen.
Und einen Brief, oder eine nette Karte, so im Sinne von :"Du bist nicht allein" fände ich auch eine gute Idee.

Und da er dort in sicheren Händen ist: wenn du mal eine Pause brauchst, nimm sie dir, ja?

Liebe Grüße!
Constanze

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 24. Jan 2008, 21:47
von xam
Hallo

@Xenia: es hört sich sehr ähnlich an, was du von dir in der Klinik schreibst.
Danke erst mal - ich glaube es hilft mir etwas weiter.

@Constanze: auch dir Danke. Jede Anregung hilft mir, mit der momentanen Situation besser zurecht zu kommen.

Ich genehmige mir auch durchaus "freie Tage" und versuche auf mich selbst zu achten.
Ich habe gemerkt, wie wichtig dies für mich ist.


liebe Grüße
Xam

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 2. Feb 2008, 21:46
von xam
Hallo,

ich möchte kurz etwas positives berichten:
Mein Freund fragte heute zum ersten Mal, ob ich morgen wieder kommen könnte! Er würde es sich wünschen!

Und er erwähnte ganz kurz, daß er heute plötzlich Angst hatte, daß ich nicht kommen würde.
Ich hatte ihm aber bei meinem letzten Besuch gesagt, daß es etwas später werden würde.

Es hat mir gezeigt, daß es wohl etwas vorwärts geht!

Viele Grüße
Xam

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 2. Feb 2008, 22:18
von BeAk
Liebe Xam,

das ist ja wunderbar.

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 5. Feb 2008, 13:08
von tommi
Liebe Xam,

auch ich finde es toll und hoffe, dass es nun bergauf geht .

Lieben Gruß
Tom

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 12. Feb 2008, 10:14
von xam
Hallo,

es geht bei meinem Freund langsam aufwärts - auch wenn es noch ein langer Weg sein wird. Momentan wechseln sich bessere und schlechtere Tage ab.

Eines belastet ihn aber sehr: er vergißt vieles, kann sich oft nicht erinnern was er mir schon gesagt hat.
Oder ich sage ihm zB daß ich bei meinem nächsten Besuch erst abends komme - und er wartet schon am Nachmittag auf mich. Dann wird er sehr traurig, wenn er hört, daß ich es ihm gesagt hatte....
Ist das eine Folge der Depression oder der Medikamente, oder beides?
Ich merke, daß ihn diese Vergeßlichkeit sehr belastet.
Habe ihm geraten, sich vielleicht Notizen zu machen. Ob ihm das hilft?

Viele Grüße
Xam

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 12. Feb 2008, 14:42
von briedi
Hallo Xam,
ich lese diesen tread schon eine ganze Weile und freue mich immer zu lesen, dass es kleine Schritte nach vorne geht. Auch mein Freund ist depressiv, wird medikamentös behandelt (wobei ich glaube, dass nicht wirklich jemand schaut, ob er auch richtig eingestellt ist) und ist zur Zeit zu Haus, weil Arbeiten eine zu große Belastung für ihn darstellt.
Das mit den guten und schlechten Tagen kann ich im Moment richtig gut nachfühlen. Und manchmal treffen mich die schlechten Tage doch mal etwas mehr, weil ich immer hoffe, dass die schlechten weniger und weniger werden.
Auch mit der Vergesslichkeit kommt mir sehr bekannt vor. Ich dachte schon ernsthaft, es liegt an mir.

Eine Frage beschäftigt mich im Moment doch etwas. Kennst Du oder jemand das Gefühl, dass der andere sich eigentlich wohl fühlt und es so auch von anderen empfunden wird. Ganz ernsthaft, ich habe ein wirklich feines Gespür dafür, wenn etwas nicht stimmt oder sich jemand unwohl fühlt. Und als wir letztens ein ganz lockeres,kleines Treffen mit Freunden hatten (wir waren zu viert), ohne blöde Fragen, Blicke und ganz tollen Gesprächen, meinte mein Freund, er hätte sich den Abend unwohl gefühlt. Darüber war ich wirklich erstaunt, vor allem, weil ich deutlich spüre, wenn er sich sonst unwohl fühlt und sich wirklich gern zurückziehen möchte. Ich kann das schlecht beschreiben, ich weiß, dass man manchmal etwas tut, was man vielleicht gar nicht will, aber so war es nicht. Sicherlich will ich ihm auch nicht absprechen, wenn er es so empfunden hat. Nur klaffte doch hier alles auseinander, Körpersprache, Mimik - wie gesagt, ich kann es nicht ganz beschreiben. Ich dachte nur, vielleicht kennt jemand das auch und kann mir dazu was sagen.

Ich werde weiter gern von Dir lesen und wünsche Euch noch ganz viele "gute" Tage .
Liebe Grüße
briedi

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 12. Feb 2008, 16:59
von BeAk
Liebe Birdi,

ich denke man sollte grundsätzlich mit seinen Empfinden bei sich bleiben und nicht versuchen anderen ihre Gefühle zu erklären oder diese zu berichtigen.

Du hast Dich an dem Abend wohlgefühlt und das ist gut und richtig so.

Dein Freund hat sich unwohl gefühlt und das hat genauso seine Berechtigung.

Du bist für Dein Wohlergehn verantwortlich, nicht für das Wohlergehn Deines Freundes.

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 12. Feb 2008, 17:01
von BeAk
Liebe Xam,

was Du beschreibst, ist eine Pseudodemenz.
Ein häufiges Symptom der Depression.

Sie läßt langsam nach, wenn es einem wieder besser geht.

Re: Besuch in der Klinik

Verfasst: 13. Feb 2008, 10:53
von xam
Hallo

@Bea: danke - ich habe mal über die Pseudodemenz nachgelesen. Wenn es wieder besser wird, ist es schon beruhigend.

@ briedi: ich gebe Bea Recht.
Man kann "von außen" nicht immer beurteilen wie es jemand wirklich geht und ob er sich wirklich gut fühlt.
Habe es auch bei meinem Freund schon erlebt, daß er für andere einen ganz "guten Eindruck" machte und kaum waren wir alleine brach die "Fassade" zusammen.
Ich denke es ist wirklich sehr sehr schwer zu beurteilen wie gut oder nicht-gut sich jemand fühlt.

Liebe Grüße
Xam