Wut oder Verständnis?

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tanjae
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Registriert: 23. Apr 2007, 19:48

Wut oder Verständnis?

Beitrag von tanjae »

Hallo!
Ich bin neu hier - ich brauche einfach mal einen Rat:
vor ca. einer Woche ist mein Freund nach einer kleinen Meinungsverschiedenheit (ich hatte mich beschwert, dass ihm in letzter Zeit alles egal ist und er nur noch vor dem PC hockt und ich ihm immer alles sagen muss, wenn ich mal Hilfe brauche,...) weinend zusammengebrochen und hat gesagt, er kann das alles nicht mehr. Aus heiterem Himmel! Seit er Klausuren geschrieben hat, die schlecht liefen, würde alles schlimmer bei ihm und er weiß auch nicht mehr, ob er mich noch lieben würde. Es täte ihm alles so leid, er wollte mich nie da mit reinziehen, er wär ja nur eine Belastung - es wäre besser wenn wir uns trennen.

Zuerst bin ich ausgerastet - konnte überhaupt nicht verstehen, wo das jetzt herkommt - man entliebt sich doch nicht einfach so ohne Grund. Als ich mich beruhigt hatte, haben wir stundenlang gesprochen und er hat ständig geweint.
Er wüsste nicht, wie sein Leben weitergehen soll, er hätte alles versaut, das hätte ich nicht verdient. Er meint, er wär verkorkst und hat gesagt, er hätte das erste mal seit 15 Jahren wieder geweint.

Fakt ist, er sagt er ist ausgebrannt, gestresst(eine Depression hat er nicht - darauf besteht er), hat auch schon seine erste Therapiesitzung hinter sich. Er will ausziehen und sein einziger Wunsch ist dieses verdammte Studium fertig zu kriegen.

Er umarmt mich ständig, sagt ich sei sein Rückhalt und weint, wenn wir über unsere Trennung sprechen - aber er will es unbedingt durchziehen, weil seine Worte "er keine Gefühle" mehr für mich hat - sprich Liebe. Es fühlt sich für mich aber ganz anders an...

Ich kann wohl nichts mehr tun als ihn gehen zu lassen ,richtig? und ich schwanke zwischen Trauer, Verständnis und Wut, die ich ihn auch manchmal spüren lasse...

Wie soll ich mich denn bloß verhalten? Er wird noch ein paar Wochen hier in der Wohnung bleiben, bis er was neues gefunden hat...
BeAk

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von BeAk »

Liebe Tanjae,

das Dein Freund keine Depression hat ist unwarscheinlich, nur kann es sie sich noch nicht eingestehn. Das er sich in Psychotherapie befindet, ist super.

Also liebe Tanjae, bestellt Dir mal ein gute Buch für Angehörige und befolge die Regeln für Angehöriger, auch zu finden auf den Seiten des KND.

Wut bingt garnichts. Es ist nicht die Schuld Deines Freundes, das er so fühlt oder nicht fühlt. Er kann es auch nicht ändern.
Akzeptiere Deinen Freund jetzt so wie er ist. Verlange nichts von ihm, stelle keine Forderungen. Laß ihn einfach machen.

Teile ihm aber mit, das Du siehst wie schlecht es ihm geht, das Du ihn gerne begleiten würdest durch diese schwere Zeit. Und wenn es ihm wieder besser geht, könnt ihr euch ja noch immer trennen, wenn er es denn möchte, so in etwa solltest Du mit ihm reden.

Ich weiß übrigens aus Erfahrung, das er seine Leibe zu Dir mir abklingen der Depression wieder spüren wird und zwar genau so intensiv wie vor der Episode.

Also Kopf hoch, das wird schon wieder.
Denker
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Registriert: 11. Apr 2005, 13:55

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von Denker »

Hallo tanjae,
was dein Freund da äußert ist ganz typisch depressives Gedankengut! Aber wenn es ihm hilft, dann nenn das Kind doch einfach Burnout. Burnout kriegen nur gestresste Machertypen, das ist gesellschaftlich anerkannt, während Depri was für Weicheier ist, die sich hängen lassen (So denken leider viele). Burnout wurde früher auch als Erschöpfungsdepression bezeichnet, ist also nicht so verschieden von der Depression.

Ich habe hier mal verschiedene Bücher zum Thema Stress/ Depression / Burnout vorgestellt:
http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1174315349

Könnte mir vorstellen, dass da was für deinen Freund dabei ist.

Im übrigen muss ich Bea voll zustimmen.

Gruß
Denker
tanjae
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Registriert: 23. Apr 2007, 19:48

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von tanjae »

Danke für eure Einschätzung!

Ich habe gemerkt, wenn es mir gut geht und er sich keine Gedanken um mich machen muss,
geht es ihm auch besser.
Aber ich befürchte, er wird trotzdem ausziehen und ich halte das für einen Fehler.

Ich werde mich an Beas Rat halten und hoffen, dass er sich darauf einlässt.

Auf der einen Seite hat er Angst, dass ich Erwartungen in ihn habe, die er nicht erfüllen kann und dass er mich belastet.
Und dann diese Geschichte, dass er mich nicht
mehr liebt oder im Moment nichts empfinden kann. Das ist sehr schwer.

Aber ich lasse ihn einfach machen, stelle keine Fragen und keine Forderungen mehr und hoffe, dass er diese "Kurzschlussreaktion" überdenkt.
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von tommi »

Liebe Tanjae,

willkommen im Forum .

Ich habe das Gefühl, dass er meint, seinen eigenen Erwartungen nicht gerecht zu werden. Er steht dermaßen unter Druck, dass seine Zukunft stark gefährdet sieht.
Es ist nicht nur sein Druck, sondern auch der Druck von Außen, wie er wohl dasteht, wenn er im Studium versagt. Ich denke, dass die Erwartungshaltung seiner Familie wohl auch ein großes Problem war und ist. Er weiß nicht mehr ob sein Leben bisher so nach seinen Wünschen, oder den Wünschen anderer verlaufen ist. Das wir wohl auch Thema in der Thera sein. Im Übrigen finde ich es toll, dass er eine macht.

Aus diesen Annahmen heraus, ist es eigentlich logisch, dass er die Liebe zu dir nicht fühlt. Er fühlt sich selbst nicht richtig und das ist recht typisch in einer Depression. Du wirst hier schon einiges gelesen haben und somit auch die Sätze: Das hat nichts mit dir zu tun, also beziehe seine Äußerungen nicht auf dich.
Diese Äußerungen, die dich im Moment kränken, sind Ausdruck seines Inneren, sein Fühlen seiner eigenen Gefühle, seiner Unzufriedenheit und seinen Ängsten.

Versuche weiter mit ihm im Gespräch zu bleiben. Vermeide dabei Vorwürfe, höre ihm zu und gib ihm zu verstehen, dass du ihn unterstütze möchtest. Mache dich weiter über diese Krankheit schlau. Zeige ihm, was du fühlst, denn das wird häufig von uns Angehörigen vergessen. Hier geht es um Verstehen und Verständnis und das ist keine Einbahnstraße.

Ich wünsche dir viel Kraft und Geduld.

Lieben Gruß
Tom
tanjae
Beiträge: 14
Registriert: 23. Apr 2007, 19:48

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von tanjae »

Wie passt das rein? er will Sex mit mir - fragt aber vorher, ob ich das auch wirklich trennen kann. Er würde auf jeden Fall ausziehen....
er kommt mir heute so fremd vor...wenn er mir in den letzten Tagen zugehört hätte, wüsste er dass ich das nicht kann. Aber ich habe so getan
Er scheint heute ganz gut drauf zu sein, aber ich lasse ihn auch in Ruhe. ich denke, er weiß, dass er immer zu mir kommen kann, wenn er reden will. Vorhin hat er mir sehr viel erzählt - von seinem Studentenjob, den er sehr ernst nimmt. Alle anderen sind ja doof, etc. alles ist schlecht...er hat sich in sowas ja schon immer so reingesteigert, aber heute sehe ich das irgendwie mit anderen augen....ich weiß auch nicht, ich schreibe einfach mal meine Gedanken nieder...
an Denker: der Punkt mit dem Druck von außen hast du auch gut erkannt, vor allem der Druck seiner Eltern ist immens. in unserem Freundeskreis wird geheiratet, nester gebaut, etc - auch das empfindet er als Druck. Und dann redet auch noch die Freundin davon, dass sie irgendwann gerne Kinder hätte...kann es sein, dass das Gefühl mich zu lieben erst wieder zurück kommt, wenn er sein Studium geschafft hat. Ist das so eine Art Selbstbestrafung, weil er sich für einen Versager hält???
tanjae
Beiträge: 14
Registriert: 23. Apr 2007, 19:48

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von tanjae »

sorry, hab ich verwechselt. das war tom mit dem kommentar über den Druck von außen.
Hina1
Beiträge: 761
Registriert: 23. Mai 2006, 23:23

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von Hina1 »

Liebe Tanjae,

wie Du die Äußerungen Deines Freundes beschreibst, kann man nur sagen - typisch Depri. Die Gedanken eines Depressiven drehen sich vor allem im Kreise. Gedanken werden aufgegriffen, verworfen, infrage gestellt, wieder aufgenommen, Resignation, negative Einschätzung anderer, um wenigstens noch irgendetwas positives bei sich zu finden. Es ist der schlimme Kampf gegen die eigene Verzweiflung. Wenn man einem Depressiven zuhört, scheint mancher Gedanke da regelrecht wirr zu sein. Es kann bis hin zu agressiven Äußerungen gehen. Ein regelrechtes "Wegbeißen". Man kann einen Depressiven aber von seiner Anspruchshaltung, seiner Einstellung sich und anderen gegenüber nicht abbringen. Er kann nur selbst alles wieder vom Kopf auf die Beine stellen, z.B. mit Hilfe der Therapie. Im Nachhinein - und das sage ich aus eigener Erfahrung - wundert man sich oft selbst, was da so im depressiven Kopf alles vor sich gegangen ist. Aber, und das ist der Trost, irgendwann geht auch das vorbei und man hat wieder den klaren Kopf von vorher. Und wenn man es genau nimmt, sieht man manches hinterher auch bewusster und kann es besser ein- und zuordnen. Insofern ist sein Urteil über seine Kollegen auch nicht ungewöhnlich.

Ebenso ist seine Gefühlskälte fast normal. Wer keine positiven Gefühle hat, kann sich auch beim besten Willen nicht vorstellen, sie wieder zu dem vorher geliebten Menschen wiederzufinden. Aber die Gefühle sind nicht verlorengegangen, sie kommen nur eben durch die Krankheit nicht "durch". Das ist im Grunde ein biochemischer Prozess. Wenn die Blockaden wieder weg sind, dann fühlt sich der Depressive auch wieder richtig und auch geliebte Menschen.

Ich denke schon, dass eine Depression durchaus auch seine Ursachen in dem von außen bzw. selbstauferlegten Druck entsteht. Dinge, die zu hoch bewertet werden, die der eigenen Intuition widersprechen, die man mit Widerwillen oder nur mit dem Gedanken der vermeindlichen Notwendigkeit angeht, verbiegen einen regelrecht. Man kann nicht gegen seinen "Strich" auf Dauer leben. Bei meinem Freund habe ich mitbekommen, daß das "gut drauf sein" eher was von Zynismus hatte, als von wirklicher Lockerheit. Auch mir ging es nicht viel anders in der Depri. Locker war ich nie wirklich. Ich würde es eher die erträglichen Tage nennen.

Wann das Gefühl, Dich zu lieben, bei ihm wieder kommt, kann Dir niemand sagen. Aber es hat wohl weniger mit seinem Studium zu tun - Gefühle können kaum von abgeschlossenen Studien geleitet sein - sondern mit dem Ende seiner depressiven Episode. Wie lange die dauert hängt von sehr vielen Faktoren ab. Es kann einige Wochen bis viele Monate andauern. In der Zeit wirst Du sicher noch viele Berg- und Talfahrten mit ihm erleben, selbst sicher auch oft an die Grenze Deines Verständnisses stoßen. Achte deshalb ganz doll auf Dich, daß Du Dich von seiner Krankheit nicht so vereinnahmen läßt. Lege nicht jedes Wort von ihm auf die Goldwaage auch nicht das, was angeblich die Therapeutin über Dich gesagt hat. Ich denke, das hat sie nicht, denn sie kennt Dich nicht, sie hat allenfalls ihm Dir gegenüber Denkanstösse gegeben. Was er heute meint, kann morgen für ihn schon wieder Geschichte sein. Versuche auch nicht seine Gedankengänge zu interpretieren, es ist sinnlos, sie sind Ausdruck der Krankheit. Das hat alles nichts mit Logik sondern seinem Befinden zu tun. Übrigens ist es auch nicht gerade untypisch, daß man heute mit einem Depressiven über ein bestimmtes Thema spricht und morgen kann er sich an keines Deiner Worte mehr erinnern. Leider gehört bei vielen auch eine leichte Amnäsie dazu. Meine eigenen Merkzettelberge werde ich wohl nie vergessen.

Achte also gut auf Dich, gönne Dir positive Erlebnisse, Du wirst sie sehr brauchen, um daraus Kraft zu schöpfen.

Liebe Grüße
Hina
tanjae
Beiträge: 14
Registriert: 23. Apr 2007, 19:48

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von tanjae »

Hallo Hina!

Was du schreibst, trifft sehr gut zu.
Ich habe gemerkt, dass er im moment alles als Druck empfindet, als Erwartungen an ihn, die er nicht erfüllen kann.
Er redet von seinem Auszug als ob er plant sich einen neuen Anzug zu kaufen - das verletzt. Aber ich weiß auch, dass er keinen anderen Ausweg sieht... Ich werde erstmal in unserer Wohnung bleiben - auch wenn es alleine etwas teuer wird, egal.
Ich hatte das Gefühl, er freut sich dass ich die Wohnung halten will - jedenfalls hat er gesagt, dass es eine gute Idee ist.
Mehr kann ich im Moment wohl nicht von ihm verlangen...
Ich bin jetzt auch soweit, dass ich ihn in Ruhe lasse und lieber warte bis er auf mich zukommt - jedenfalls habe ich mir das ganz doll vorgenommen. Ich will nur nicht, dass er denkt, er wäre mir egal.
Manchmal frage ich mich, ob seine Trennung von mir wirklich was mit seiner Depression zu tun hat oder ob er mich einfach wirklich nicht mehr liebt, aber das werde ich wohl erst erfahren, wenn es ihm wieder gut geht.
Mein Bauchgefühl sagt mir zwar, dass er mich liebt, aber Zweifel werden immer bleiben. Ist auch zweitranigig - er soll wieder gesund und glücklich werden und vielleicht gibt es dann noch eine zweite Chance für uns. Aber seinen Auszug aus unsere Wohnung muss ich wohl erstmal ertragen, außerdem will ich mir nicht zuviele Hoffnungen machen....
danke fürs Lesen und kommentieren , das hilft mir sehr - auch dass ich es mir einfach von der Seele schreiben kann.
Hina1
Beiträge: 761
Registriert: 23. Mai 2006, 23:23

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von Hina1 »

Liebe Tanjae,

Deine Gedanken zu ihm und seiner Liebe zu Dir kann ich absolut nachvollziehen. Genau vor der Frage stand ich auch schon zwei mal. Erst große Liebe, nie Zoff, nur ab und an einfach ganz normale andere Ansichten, also keine Pulverfässer, alles sehr harmonisch und auf einmal kommt die Eröffnung: ich liebe Dich nicht mehr, wir trennen uns. Das haut schon um. Du fragst, ob seine Trennung mit der Depression zu tun hat, oder ob er Dich wirklich nicht mehr liebt. Durch die Krankheit KANN er nicht lieben. Ohne die Krankheit könnte er.

Genau in dem Satz "ich liebe Dich nicht mehr" liegt eben auch die depressive Gefühlswelt. Wenn man den Vorwurf bekommt, wir leben aneinander vorbei, jeder zieht an einem anderen Strang, das geht alles nicht zusammen, wir zoffen uns nur noch, dann ist die Sache klar. Man paßt einfach nicht zusammen oder hat sich auseinandergelebt. Wenn aber der einzige Grund der Trennung die erkaltete Gefühlswelt und der sich trennende Partner an einer Depression erkrankt ist, dann weiß man eigentlich, wo das Problem wirklich liegt. Trotzdem geht es mir genauso wie Dir. Nach den vielen Monaten, die wir nicht mehr zusammen sind, zweifel ich natürlich auch, ob sich da nochmal was "zusammenschiebt". Ich kann es mir selbst kaum noch vorstellen, obwohl ich es ja schon ganz anders erlebt habe. Erst die Beziehung beendet, dann 19 Monate nur telefoniert und sehr selten gesehen und dann waren wir auf einmal wieder zusammen, als wenn der Schalter plötzlich umgelegt war. Es war noch intensiver als vorher. Jetzt sind schon wieder 12 Monate seit der zweiten Depressions-Trennung vergangen und wir telefonieren.

Wenn Du es gerne möchtest, daß Du weiter eine Rolle in seinem Leben spielst, vielleicht wirklich mit einem Happyend wenn er wieder aus der Depri raus ist, dann halte den lockeren Kontakt. Es bringt wenig, bei einem Depri darauf zu warten, daß er sich mal meldet. Das ist natürlich nicht ausgeschlossen, aber eher selten. Das hat auch nichts damit zu tun, daß der Depri einen ablehnt. Es ist wie eine innere Blockade. Er kann oftmals gar nicht oder denkt, er würde damit noch mehr weh tun als schon mit der Trennung. Wenn Du die Threads hier liest, dann ist das sehr häufig ein Problem, daß sich die verlassenen Partner so "abgehängt" und vergessen vorkommen. Dem ist aber im allgemeinen nicht so. Der Depressive geht nur eben von sich aus nicht auf einen zu.

Ich finde Deine Entscheidung, die Wohnung erstmal nicht aufzugeben, sehr schön. Vielleicht wird Dein Freund eines Tages sehr froh darüber sein. Vorerst wirst Du es akzeptieren müssen, daß er glaubt, ihm würde es besser gehen, wenn er die Wohnung verläßt. Meist ist das nicht so aber Du wirst ihm das nicht ausreden können. Ich würde es auch gar nicht erst versuchen, Du stößt dann eh nur auf Widerstand. Solange ein Depressiver sich nicht eingesteht, daß er diese Krankheit hat, so lange wird er auch das ganze "System" dieser Krankheit nicht durchschauen. Nicht die Flucht ist die Lösung sondern die Gesundung und die schafft man, wenn man sich auf diese Krankheit auch einläßt, die Therapie macht, die Dinge vom Kopf auf die Beine stellt. Zum Glück ist Dein Freund ja auch in Therapie, egal, ob er jetzt das als Depression anerkennt oder Burn-out. Das ist einfach nur die "moderne Variante", die sich nicht so abgestempelt anhört. Der Effekt ist leider so ziemlich der selbe.

Ich wünsche Dir viel Kraft
Liebe Grüße
Hina
tanjae
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Registriert: 23. Apr 2007, 19:48

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von tanjae »

Ja, Hina, genau so geht es mir...es war nie was dramatisches in unserer Beziehung, das hätte darauf schließen lassen können, dass wir ein Problem haben - es kam alles wie aus heiterem Himmel. Er konnte mir auch die Frage nicht beantworten, wann er das erste Mal das Gefühl hatte mich nicht mehr zu lieben. Seine Antwort: ich weiß nicht....es fing alles nach den misslungenen Klausuren an... (es wirkt manchmal alles so surreal


aber eine Frage brennt mir noch in der Seele: bringt es etwas, offen zu sagen, dass man denkt, es wäre eine Depression und man hätte sich auch schlau gemacht darüber und ob er sich nicht auch mal einlesen wollte. Oder sollte ich abwarten bis der Therapeut ihm sagt, was los ist. Wird er das überhaupt tun? Wird mein Freund böse und sauer? Er hat mir schon ganz am Anfang gesagt, ich solle ihn nicht wie einen kranken behandeln. Mittlerweile tue ich das auch nciht mehr, aber es ist doch einfacher gegen etwas zu kämpfen, wenn man weiß wer oder was sein Gegner (hier die Depression) ist, oder?

Ehrlich gesagt, glaub ich selber nicht, dass es eine gute Idee ist.... :-/
BeAk

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von BeAk »

Liebe Tanjae,

das hängt wohl von Deinem Freund ab, was richtig ist.
Du könntst ihn auch Infomaterial einfach hinlegen, so das er es lesen kann ohne sich unter Druck zu fühlen. Vielleich kann er dann seine Störung besser annehmen.
Hina1
Beiträge: 761
Registriert: 23. Mai 2006, 23:23

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von Hina1 »

Liebe Tanjae,

es ist immer besser zu wissen, wer der Feind ist. Aber das ist die graue Theorie. Frauen lassen sich im allgemeinen eher auf die Diagnose Depression ein. Für Männer scheint das manchmal gleichbedeutend wie Niederlage zu sein.

Du hast geschrieben, dass es mit den misslungenen Klausuren anfing. Die Frage ist allerdings, ist er depressiv geworden, weil es mit den Klausuren nicht geklappt hat oder sind die Klausuren misslungen, weil er schon in der Depri steckte. Depressionen haben in der Regel nämlich viel komplexere Ursachen und sind eben oft schon in der gesamten Entwicklung begründet - Anspruchshaltung, kankmachende Muster usw.

Was hat Dir denn Dein Freund gesagt, warum er in die Therapie gegangen ist? Das setzt doch voraus, dass ihm selbst bewusst ist, dass er sich nicht alleine helfen kann. Das ist ein riesiger Schritt, den sich viele weigern zu gehen. Vielleicht kennt er längst die Diagnose und schämt sich dafür. Das wäre auch kein Einzelfall. Ich würde ihm durchaus sagen, was Deine Vermutung ist, ihm aber im gleichen Atemzug auch sagen, dass Du Dich belesen hast und weisst, dass es eine Krankheit ist, die wirklich jeden erwischen kann und die man auch überwinden kann.

Du hast Angst, dass er deshalb sauer werden könnte. Diese Angst sitzt wohl allen Angehörigen im Nacken aber die ist wohl eher darin begründet, dass man sehr oft mitbekommt, wie schnell und unbegründet ein Depri sauer werden kann. Man legt dann jedes Wort auf die Goldwaage und fässt dann doch wieder ins Klo. Das Ergebnis ist, man verbiegt sich regelrecht selbst und schlimmstenfalls landet man selbst beim Therapeuten. Das Sauerwerden hat aber selten mit dem Thema sondern eben mit dem augenblicklichen Befinden zu tun.

Ich kann es aber auch verstehen, wenn er nicht wie ein Kranker behandelt werden möchte. Er fühlt sich selbst recht minderwertig. Zu viel Mitleid kann durchaus noch weiter runter ziehen. Gute Ratschläge, die man gerne Kranken gibt, natürlich auch. In der Depression nimmt man sie wahr, aber man kann das alles nicht mit dem guten Willen steuern. Deshalb kommt der Satz: "reiß Dich doch mal zusammen, dann schaffst Du das auch" als perfekter Volltreffer, um einen Depressiven noch weiter runterzubeemen, denn genau das KANN der Depressive nicht, sonst wäre er nicht depressiv sondern faul. Und genau das wird ihm mit so einem Satz auch suggeriert.

Ich würde mich an Deiner Stelle ihm gegenüber so verhalten, wie eben einem Depressiven gegenüber, auch wenn Du nicht ständig das Thema direkt thematisierst. Erwarte wenig und Du bekommst viel. Ich denke, ich habe mit dem ewigen rumreiten auf dem Thema eine Zeit lang meinen Freund auch tierisch genervt. Es ist nicht gut, wenn ein Depri einfach nur auf seine Krankheit reduziert wird. Versuche möglichst viel Normalität beizubehalten, je nachdem, wieviel er eben vertragen kann.

Liebe Grüße
Hina
tanjae
Beiträge: 14
Registriert: 23. Apr 2007, 19:48

Re: Wut oder Verständnis?

Beitrag von tanjae »

Er hat die Therapie begonnen, weil er sagt, er wäre ausgebrannt und gestresst. Aber ich denke auch, dass er schon vor den Klausuren depressive Züge hatte, dass das einfach der Auslöser war, sich nicht mehr verstellen zu können...
als ich mal bei einer Gelegenheit gut mit ihm reden konnte, habe ich ihn gefragt, ob er so eine Phase schonmal hatte und er sagte ja. Da fiel mir ein, dass er mal erzählt hat, dass er früher eine Zeit hatte, wo er monatelang nicht schlafen konnte....und diese Aussagen "ich wollte dich da nie mit reinziehen"... - ich denke irgendwie weiß er was mit ihm los ist. Ich war so völlig ahnungslos...das tut mir so leid.
Irgendwie gebe ich mir die Schuld dafür, dass ich in unserer Beziehung vielleicht nicht sensibel genug war...ich versuche ihm jetzt zu helfen - muss aber immer aufpassen, dass ich ihn nicht nerve. Alles nicht so einfach, aber ich werde von Tag zu Tag besser.

LG
tanjae
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