Seite 1 von 1

20-jährige Tochter, alles nicht so einfach

Verfasst: 27. Feb 2006, 18:07
von Brigitte-Berlin
Gutne Tag,

ich bin zurückhaltend mit Diagnosen, aber meine Tochter hat offenbar eine ernste Depression. Sie hat auch eine komplexe Vorgeschichte: Ich habe sie allein erzogen, seit sie 2,5 Jahre alt war, der Vater ist gestorben, da war sie knapp 8 Jahr alt. Mit 13 Jahren begann eine sehr heftige Pubertät und sie war zwei Jahre in einem Internat. Mit 16 bekam sie ein Kind. Dieses Kind ist im Alter von 4 Moanten am plötzlichen Kindstod gestorben. Meine Tochter hat darüber nie richtig getrauert, jedenfalls nicht so, wie man sich das vorstellt. Wir leben hier immer noch zu zweit zusammen, nur unterbrochen von dem Internatsaufenthalt.

Heftige Konflikte am Arbeitsplatz haben jetzt diese Depression ausgelöst.
Es gab dann einen Selbstmordversuch (ohne Schaden), auch einen 10-tätigen Krankenhausaufenthalt und es gibt jetzt eine Vielzahl von Dingen, die einfach zu tun sind
- Arztbesuche wegen Krankschreibung,
- Krankschreibung an Arbeitgeber schicken,
- Anwaltstermin wegen arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen,
- Therapeuten suchen (gefunden hat sie offenbar),
- Theratpeuten anrufen wegen Termin,
- und vieles mehr und
sie macht ohne Druck, ständige Erinnerungen etc überhaupt nichts.

Weil es bei o. g. Angelegenheiten auch um Geld geht (Gehalt vom Arbeitgeber, Halbwaisenrente, Kindergeld werden nur bei Ausbildung bezahlt, auch Arbeitslosengeld muss man beantragen) bin ich auch wirtschaftlich unmittelbar von diesem Nichtstun betroffen.

Ich kann mich selber nicht leiden in der Rolle derjenigen, die jemanden morgens drei Mal weckt und nachmittags rumschreit, wenn am Ende doch wieder geschlafen wurde, anstatt zum Amt zu gehen.

Ich bin als Mutter vermutlich sowieso nicht die Richtige, hier effektiv zu agieren.

Ich bin unter anderem deshalb ratlos, weil der Krankenhausaufenthalt nicht wirklich was gebracht hat.
Wo kann ich mich (in Berlin) hinwenden?
Ich habe durchaus die Frage, wo ich meine Tochter hinbringen kann, denn hier zu Hause ... ich sehe nicht, was das bringt und es kann nicht richtig sein, dass ich am Ende die Krankschreibungen meiner Tochter zum Briefkasten bringe.

Für Hinweise, wo es überhaupt lang geht, bin ich dankbar.

Schöne Grüße
Brigitte

Re: 20-jährige Tochter, alles nicht so einfach

Verfasst: 27. Feb 2006, 19:13
von Birgit49
Hallo Brigitte,

vielleicht kann man Deiner Tochter und Dir beim Berliner Krisendienst

http://www.berlinerkrisendienst.de/web/index.html

helfen.

Liebe Grüße aus Schöneberg

Birgit

Re: 20-jährige Tochter, alles nicht so einfach

Verfasst: 27. Feb 2006, 20:53
von S84
Hallo,

was ich in Deiner Schilderung vermisse ist, wie Deine Tochter selbst das sieht. Hast Du mit ihr darüber gesprochen? Sieht sie selbst ein, dass sie Hilfe braucht, oder hat sie nur auf Dein Drängen hin einen Therapeuten gesucht? So wie Du es erzählst, klingt es, als seist Du die treibende Kraft bei Euch. Ich glaube nicht, dass eine Therapie helfen kann, wenn der Betroffene nicht glaubt, dass er Hilfe braucht. Sich dann aufzuraffen und Hilfe zu suchen ist gerade bei Depris ja auch wieder ein Thema für sich, aber zumindest die Einsicht sollte da sein. Sorry, falls ich Dich jetzt missverstanden habe, aber es klingt bei Dir gerade wirklich so, als würden alle Maßnahmen nur von Dir ausgehen.

Licht und Kraft

Sab

Re: 20-jährige Tochter, alles nicht so einfach

Verfasst: 27. Feb 2006, 21:16
von BeAk
Liebe Brigitte,

wieso war Deine Tochter nach dem Suizidversuch nur 10 Tage im Krankenhaus?
Und was wurde geraten, sollte weiter passieren. Was mit den Ärzten besprochen?
Wie sieht Deine Tochter die Situation?

Re: 20-jährige Tochter, alles nicht so einfach

Verfasst: 28. Feb 2006, 07:59
von Brigitte-Berlin
Danke für die ersten Rückmeldungen.

Grundsätzlich hat meine Tochter jetzt den Willen, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Es fehlt aber zuweilen an der Energie, die entsprechenden Schritte zu gehen.
Es ist schon so, dass ich hier im Moment immer wieder der Motor bin und gerade das veranlasst mich ja hier zu schreiben, denn es kommt mir fragwürdig vor.

Nach dem Selbstmordversuch war meine Tochter beim Berliner Krisendienst und auf deren Rat hin ist sie ins Krankenhaus gegangen.
Allerdings ist auch der Weg zum Krisendienst erst zwei Tage nach dem Selbstmordversuch und auf mein wiederholtes Drängen hin erfolgt.

Im Krankenhaus hat sich meine Tochter in mancherlei Hinsicht beruhigt und gleichzeitig umgeguckt, was ander so für Probleme haben. Sie hätte länger bleiben können, wollte aber nicht, weil sie keinen Nutzen darin gesehen hat. Fühlte sich nicht richtig verstanden. Ich nehme an, es spielen zumindest teilweise Zufälle eine Rolle, mit wem sie nun gerade zusammen im Krankenhaus war und das Zimmer teilte.

Ich hatte gestern Abend zufällig Gelegenheit, mich mit jemandem zu unterhalten, der in einem Krisendienst arbeitet. Sieht so aus, als wenn ich vor allem Geduld brauche und vielleicht eine Selbsthilfegruppe o. ä. für mich selber.

Schöne Grüße
Brigitte

Re: 20-jährige Tochter, alles nicht so einfach

Verfasst: 28. Feb 2006, 09:55
von tommi
Liebe Brigitte,

ich kann mir vorstellen, dass du dir Vorwürfe machst, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Du zweifelst daran, ob du ihr überhaupt gut tust, wenn du sie ständig ermahnst, etwas zu tun. Es ist deine Ohmacht, die dich so handeln lässt. Wer kann schon sein eigenes Kind leiden sehen?
Es ist richtig, du brauchst Geduld. Wenn aber deine Tochter mit einer Therapie einverstanden ist, finde ich es schon richtig, ihr dabei zu helfen.

Ich kenne diese Situation der Energielosigkeit. Auch kannst du sie in fast jedem Beitrag der Betroffenen lesen. Hier ist es wichtig, die Krankheit zu verstehen. Sie macht die Dinge nicht, weil sie nicht will, sondern weil sie nicht kann.
Du kannst nicht mit normalen Maßstäben messen, auch wenn du meinst, es wäre ein Klacks, die Sachen zu erledigen und sie genug Zeit hat etwas zu tun. Nein, es ist für sie kein Klacks!

Du kannst ihr nur helfen, wenn du die Krankheit versuchst zu verstehen und diese akzeptierst. Dann stellt sich auch nicht die Frage, ob su sie zu sehr unter Druck setzt. Du kannst ihr Wege abnehmen, aber die Therapie muss sie selbst in Angriff nehmen.

Ich wünsche dir viel Kraft und vor allem Geduld. Es ist schon mal gut, dass du mit dem Gedanken spielst, selbst Hilfe in Anspruch zu nehemen.

Gruß
Tom