Wird Sie es wieder tun?

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ChristianR.
Beiträge: 26
Registriert: 18. Dez 2005, 21:29

Wird Sie es wieder tun?

Beitrag von ChristianR. »

Liebe User,

meine Mutter (42 Jahre) war vor einigen Jahren aufgrund von Stress an Depressionen erkrankt, nach 6-monatiger Behandlung bei einem Facharzt, wurde es besser ...

Im August diesen Jahres dann der Rückschlag, mein Opa liegt seitdem im Altenheim, schwer krank, wieder waren viel Stress der Auslöser für ihre erneuten Depressionen!

Nachdem sie erneut ihren Facharzt aufgesucht hat, sind wir Ende August bis Anfang September verreist, doch es wurde während dieser Zeit nicht besser bzw. man bemerkte keine Veränderungen, es wurde eher noch schlimmer!

Sie zog sich immer mehr zurück, klickte sich ab von Freunden, vermied Kontakte zu anderen aus dem Bekanntenkreis.

Der 23.09.2005 war ein Tag wie kein anderer, ich verließ wie jeden morgen schon Früh das Haus und außer einem Tschüss! Bekamm ich nichts von meiner Mama zu hören!

Sonst gab es in der Früh immer : "Was soll ich heute kochen? Oder "Machs gut bis Mittag!"

Zuerst wurde mir das nicht bewusst, am Abend zuvor hat sie nich mit meinem Vater über Selbstmordabsichten gesprochen und versicherte ihm "Nein das würde ich nie tun.."

Doch es kam alles anders, als ich am 23.09 Mittags Zu Hause eintraff, wurde ich schnell mit dieser grausamen Nachricht von meinem Vater und einem Seelsorger konfrontiert!

Mama hat sie vor den Zug gelegt, ihr geht es den Umständen entsprechend, vereinzelte Zehen wurden abgetrennt, sie kann wieder Laufen! Ein Lichtblick!

Mehrere Stunden HOFFEN und BANGEN ...
dann der Anruf aus dem Unfallchirugie Spezialkrankenhaus "Die OP ist gut verlaufen, sie wird wieder laufen können!"

Dann der Besuch auf der ITS er war grausam aber auch Erleichterung für uns, sie zu sehen, es ging ihr den Umständen gut!

Noch am selben Tag gegen Abend wurde sie ein ein Spezialkrankenhaus mit Psychiatri verlegt.

Nach mehreren OPs und nun über 3 monatigen Aufenthalt dort, geht es ihr wieder besser,
sie kann mit Spezialeinlagen in normalen Schuhen laufen, alles gut verheilt!

Die letzten 5 Wochen durfte sie uns übers Wochenende besuchen, und am kommenden Donnerstag wird Sie entlassen werden.

Der Schritt in die Zukunft erfolgt dann...

Doch die Frage bleibt immer wieder und sie bringt Angst zu uns Angehörigen "Wird sie nochmal Selbstmord begehen?"

Sie beteuerte uns immeer wieder die letzten Monate "So einen Fehler, werde ich nie wieder tun! Versprochen"

Kann man dem Versprechen wirklich glauben, oder muss man doch mit der Angst leben, das sie es wieder tut?

Was habt ihr für Erfahrungen oder Ratschläge?

Danke im Voraus
geborgenheit
Beiträge: 178
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Wird Sie es wieder tun?

Beitrag von geborgenheit »

Lieber Christian

du stellst keine einfache Frage. Ich möchte daher versuchen, einfach ein paar Gedanken zu deiner Geschichte zu formulieren. Antworten werden es keine sein können.

Zuerst einmal: Deine Geschichte ist ein Schockerlebnis, das sehr tief im Vertrauen Verletzungen bringt. Ein Mensch, deine Mutter, will sich das Leben nehmen. Die Frage, wird sie es wieder tun, liegt da sehr greifbar. Was gibt Garantie, dass sie sich an ihr Versprechen hält, es nicht mehr zu tun, wenn sie es doch schon einmal gebrochen hat? Ich meine, es gibt keine Garantien im Leben. Das mag erschrecken. Aber es kann auch eine Chance sein. Wir können versuchen, unseren Angehörigen die Verantwortung für ihr Leben zu lassen und auch die Hoffnung, dass sie dasselbe möchten wie wir: nämlich leben.

Eine solche Erfahrung macht bewusster für den Moment. Wir sollen und dürfen jeden Augenblick, der uns in diesem Leben geschenkt ist, bewusst geniessen. Wir wissen nie, wann es der letzte Augenblick ist. Ich meine damit nicht, dass wir in Angst erstarren, sondern, dass wir geniessen, was wir erleben, dass wir echt sind, uns selber sind, authentisch sind.


Oft liest man ja, dass Menschen mit Suizidabsichten nicht wirklich sterben möchten, sondern SO nicht mehr leben möchten und keinen Ausweg mehr sehen, mit ihrer Krankheit oder Situation zurecht zu kommen. Ich nehme an, dass deine Mutter in der Klinik daran gearbeitet hat, was es war, das sie zu dieser schrecklichen Tat gegen sich selber verleitete. Und auch, was sie ändern kann, um eben nicht mehr SO leben zu müssen, sondern ein ihr gemässes Leben führen zu können.

So in Kürze sind das meine Gedanken. Vielleicht können sie dir Denkanstoss sein.

Ich nehme an, dass du noch sehr jung bist und dein ganzes Leben vor dir hast. Deshalb etwas Wichtiges noch zum Schluss: Ich fände es für dich selber gut und wichtig, wenn du dich mit einer Fachperson über dieses Erleben austauschen kannst. Du hast eine Verletzung erlitten, die auch beachtet werden sollte. Hast du entsprechende Möglichkeiten?

Viel Kraft wünsche ich dir
Geborgenheit
feuerfisch
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Re: Wird Sie es wieder tun?

Beitrag von feuerfisch »

Hai Christian

wie schön das es ihr wieder etwas besser geht!

Aber leider kann ich dir zu deiner Frage nur sagen das ich nicht in der Haut deiner Mutter stecke. Und selbst wenn, so kann selbst sie es dir nicht unbedingt beantworten....

Darum ist deine Frage hier unmöglich zu beantworten.

Aber ich möchte dich (obwohl ich eher Betroffene bin) herzlich begrüßen. Du wirst hier ein wenig Halt und Unterstützung finden können für den Umgang mit Depri-Leuten. Die Angehörigen hier sind - meist - sehr einfühlsam. Da dein Beitrag jedoch eine so belastende Frage aufwirft, die viele sicher verunsichert, kann es ein wenig dauern bis du Antwort bekommst.

Ich wünsche dir noch einen schönen Abend!

feuerfisch
Es gibt 1000 Gründe alles beim Alten zu lassen und nur einen einzigen etwas zu ändern - DU HÄLTST ES EINFACH NICHT MEHR AUS!
Chiron
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Re: Wird Sie es wieder tun?

Beitrag von Chiron »

"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
feuerfisch
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Re: Wird Sie es wieder tun?

Beitrag von feuerfisch »

Hai Geborgenheit

ich seh gerade das sich unsere Beiträge überschnitten haben

Liebe Grüße auch dir!

feuerfisch
Es gibt 1000 Gründe alles beim Alten zu lassen und nur einen einzigen etwas zu ändern - DU HÄLTST ES EINFACH NICHT MEHR AUS!
Kruemel
Beiträge: 23
Registriert: 27. Nov 2004, 12:17

Re: Wird Sie es wieder tun?

Beitrag von Kruemel »

Hallo Christian,

dass ist wirklich ein heikles Thema. Ehrlich gesagt, man kann es nie wissen. ich weiß nur, wenn man einmal die Schwelle übertreten hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit immer höher, es nochmal zu tun. Ich hoffe, dir damit keine Angst zu machen, aber es ist die Realität.
Wichtig ist denke ich, sie nach Selbstmordgedanken zu fragen, wenn du das Gefühl hast, es geht ihr wieder schlechter. Du schreibst, dass sie damals auf die Frage deines Vater, mit "Nein" geantwortet hat, vielleicht war sie einfach nur zu verzweifelt, manchmal weiß man keinen Ausweg mehr.
Mir ging es auch schon manchmal so. Sicherlich wirst du dich mit Depressionen mehr als genug auseinandergesetzt haben und weißt, dass gerade Depressive oft dazu neigen, sich mit Selbstmord zu beschäftigen. Alles andere wird einfach ausgeschalten, dann leider auch die Familie. Es ist einfach eine Krankheit und je plötzlicher sie eintritt, desto schlimmer ist es für einen. Du schreibst ja auch, dass es gewisse Ereignisse gab (Opa), in der sie dann wieder in die Depression gefallen ist. Wichtig ist, dass ihr ihr keine Vorwürfe macht (das sie sich umbringen wollte), dass würde alles nur noch Schlimmer machen in meinen Augen. Es ist sicherlich schwer für euch. Ich weiß, welche Bürde man den Angehörigen und Freunden damit auferlegt und glaub mir, dass weiß sie auch, auch wenn sie mit euch darüber vielleicht noch nicht geredet hat.

Vielleicht hat sie die Depression jetzt überwunden (man kann ja nie sicher sein, ob sie wiederkommt). So wie es aussieht, scheint sie ja nun nochmal durchstarten zu wollen, dass zeigt, dass sie sich relativ gut in der Klinik gefangen haben muss. In dem ihr für sie da seid, helft ihr ihr am Meisten.

Noch eins ohne dir damit zu nahe treten zu wollen. Nehme sie bei einer erneuten Depression nicht mit in den Urlaub. Ein Depressiver braucht seine gewohnte Umgebung. Dort hinausgerissen zu werden, verschlimmert, wie du auch schreibst, manchmal alles noch. Dann gehe mit ihr spazieren, macht kleine Ausflüge für ein paar Stunden, damit fühlt sie sich nicht zu überfahren und weiß sie hat zum Schluss ihre gewohnte Umgebung wieder.

Ich wünsch dir alles Glück für dich, deine Familie und deine Mutsch

Liebe Grüße sendet Kruemel
ChristianR.
Beiträge: 26
Registriert: 18. Dez 2005, 21:29

Re: Wird Sie es wieder tun?

Beitrag von ChristianR. »

Danke für eure Hilfe und Ratschläge !

Sie kommt ja schon am kommenden Donnerstag nach Hause, habt ihr vielleicht Ideen oder Ratschläge wie wir hier mit ihr umgehen sollen? Oder wie merken wir am besten ob Sie wieder kurz vor einem erneuten Selbstmordversuch steht?

Danke im Voraus

Lg Christian
Tine
Beiträge: 214
Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Re: Wird Sie es wieder tun?

Beitrag von Tine »

Hallo Christian,

was ihr da alle erlebt habt ist schrecklich für alle Beteiligten.
Rein gefühlsmäßig würde ich dieses Thema zwar nicht meiden aber auch nicht ständig von der Mutter die Rückversicherung einfordern, es nicht mehr zu tun.
Reagiert auf ihr Bedürfnis, wenn sie darüber sprechen will. Zeigt ihr, dass es kein Tabuthema ist, aber dringt nicht auf sie ein zu sprechen, wenn sie nicht kann oder will.
Ihr seid nicht ihre Therapeuten.

Zeigt ihr die Erleichterung darüber, dass sie wieder da ist und wie viel sie euch bedeutet.
Besonders wichtig wird es auch wohl sein darauf zu achten, dass sie sich nicht überfordert, gerade in Anbetracht der bevorstehenden Festtage.
Ich weiß ja nicht, welcher Typ deine Mutter ist. Neigt sie vielleicht dazu, sich jetzt besonders zu bemühen und alles perfekt zu machen? Das kann schon gefährlich sein im Sinne eines Rückfalls in die Depression. Überforderung ist schlecht.
Ebenso falsch wäre es wohl, sie in Watte zu packen.
Könnt ihr mit den behandelnden Ärzten sprechen und euch ein paar Tipps geben lassen? Das wäre sicher das Vernünftigste, da sie ja deine Mutter kennen und um die möglichen Gefahren wissen.
Ich wünsche euch allen für diese schwere Zeit viel Geduld und viel Kraft. Ich kann mir vorstellen, wie schwer es ist, einen einigermaßen natürlichen Umgang mit der Situation zu finden.
Der Schock sitzt tief.

Liebe Grüße
Tine
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