Distanz und Nähe?

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blaufelchen
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Registriert: 7. Sep 2005, 12:36

Distanz und Nähe?

Beitrag von blaufelchen »

Bin hier ganz neu in diesem Forum und habe über viele Beiträge nachgedacht.
Ich will euch mal meine Geschichte erzählen und vielleicht ein paar Kommentare von euch lesen.
Meinen jetztigen Freund habe ich Ende Juni kennen gelernt. Wir haben uns sehr schnell und heftig ineinander verliebt. er wollte mich jeden Tag sehen. Sagte aber immer schon vorher wenn mir das unangenehm wäre, dann müsste ich es eben sagen. Ich liebe ihn und will mit ihm jeden Tag zusammen sein .Ok. Anfang August fuhr ich für 2 Wochen in Urlaub. Er war sehr traurig darüber, dass wir 2 Wochen lang getrennt sein würden. Er schickte mir sogar Blumen an meinen Urlaubsort. In der zweiten Woche kam er nach und es war wundervoll. Dann verbrachten wir noch eine Woche in südlichen Gefilden. Da fing es langsam an. Eines Tages spürte ich, dass er meine Hand nicht mehr nahm und mich nicht umarmte oder küsste. Es war sehr sonderbar. Ich fragte ihn, was denn los sei. Aber er wollte nicht darüber reden. Zu Hause angekommen wollte er nur schnell in seine Wohnung. Er redet nicht darüber. Dann schrieb er mir eine Mail, dass er mich nicht unterhalten könne und mir nicht gewachsen sei. Ich wäre zu intelligent für ihn. Son Quatsch! Aber er kann das nicht mit seinem Gefühl vereinbaren. Keine Ahnung was er meint. Er will nicht über seine Gefühle reden. Ergab zu, dass er an Depressionen leide, aber er will darüber nicht reden. Wir reden über Gott und die Welt nur nicht darüber.
Letztes Mal erzählt er mir er will ein Kind von mir, dann wären seine Zweifel weg. Ich versteh die Welt nicht mehr. Was ist los mit ihm. Wenn er mir Mailsschreibt, dann schreibt er mir wie einer Bekannten. Keine lieben Worte, nichts. Alles was am Anfang unserer Beziehung war ist irgendwie weg. WArum? Ist das eine depressiver Mensch?
Er kann über uns nicht reden.
Er richtet jetzt seine Wohnung ein und möchte nicht ,dass ich ihm dabei helfe. Bei der Wohnungssuche jedoch sollte ich unbedingt dabei sein. Das war sein Wunsch. Jetzt nicht mehr?
Das alles beschäftigt mich sehr und verunsichert ungeheuer. Wie soll ich da reagieren? Brauche dringend euren Rat.
Liebe unsichere Grüße
Sylvia
DewaChe

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von DewaChe »

Liebe Sylvia,

habe lange überlegt ob ich dir antworte.
Ich bin so eine, deren Bezug zu Nähe und Distanz sehr gestört ist.
Ja, ich kann dich sehr gut verstehen und auch deinen Freund.

Ich weiss, was ich meinen Partner, Freunden zugemutet habe. Ok, ich konnte immer gut darüber sprechen und meine Partner konnten sich darauf einlassen aber trotzdem war es immer wieder ein fürchterlicher zickzack für sie. Immer wieder bekam ich die Frage gestellt ob ICH denn noch wichtig für sie wäre... dabei kam ich mir doch so klein und nichtig vor.
Freunde und Partner hielten immer zu mir, vertrauten auf meine "offenen" Worte aber mir half es wenig. Immer wieder neue Eskapaden, Vertrauensbeweise einfordern..Hinweis auf evt. Depressionen, entschuldigen durch schlimme Kindheit...Ein Teufelskreis...

Langer rede kurzer Sinn oder so, mir haben jene Menschen weiter geholfen, die mir klare Grenzen setzten, die sich nicht in mein Chaos einbinden liessen. Die mein "Treiben" irgendwann nicht mehr mitmachten - umd mir selbst brachte es ja auch nichts.

Ja, ich bin den Menschen dankbar, die mich "fallen liessen" es war die Chance für mich, aufzuwachen und was zu tun.

Ich habe eben ein schlechtes Gewissen weil ich eben wieder nur über mich erzähle aber ich denke, ich habe den casus knaxus erkannt...

Sylvia, auf deine Person bezogen kann ich dir nur raten, sei sehr konsequent und erkläre ihm dein Tun und Handeln, sage ihm, was dich bedrückt und teile ihm auch deine Hilflosigkeit mit.
Vorallem, laß dich nicht einlullen von Versprechungen - es liegt an deinem Freund, sich prof. Hilfe zu suchen oder einfach mal hier zu schreiben um sich überhaupt seiner Verhaltensweisen bewusst zu werden und vor allem zu sehen, daß man mit den Problemen nicht alleine dasteht.
Immerhin, er gesteht sich eine Depression zu aber dazu zu stehen steht auf einem anderen Blatt.

Mit dem Problem Distanz und Nähe umzugehen heisst auch, in die Kindheit zu schaun - und das kann sehr schmerzhaft werden. Überhaupt dauert es, bis man erkennt, daß in der Kindheit was vergraben liegt.... Dazu bedarf es therap. Hilfe, bei anderen Krankheiten wenden wir uns ja auch an einen Fachmenschen.

Liebe Sylvia, ich weiß nicht ob du mit meinem "Kauderwelsch" was anfangen kannst - vielleicht kann ich ja später besser sortieren.

Diese Sehnsucht, Nähe zu spüren und zu geben und zugleich die Angst, sich in der Nähe zu verlieren, ausgeliefert sein..... vielleicht bringt es dieser Satz auf den Punkt?

Jetz muss ich doch noch mal was einfügen, es geht ja auch um Depris.
Dieses Gefühl, man genügt dem anderen nicht, das Gefühl, jeder zeigt mit Fingern, ich werde nicht ernstgenommen... irgendwie hat da etwas eine Eigendynamik angenommen. Ich kenne es so gut - je mehr ich bewundert werde umso mehr klinke ich mich aus und dann beginnt der Teufelskreis.

Es hilft einfach nicht mehr, wenn man jegliche Bestätigung von aussen bekommt, man verrent sich, verliert sich....

Aber vielleicht gelingt es dir ja, deinen F reund mal auf diese Seite zu lotsen??
Obwohl, inzwischen weiss ich, ich kann mir erst helfen oder Hilfe annehmen wenn ich zu meinem Schmerz, meinen vermeintlichen Handycap stehe.


LG Gina
blaufelchen
Beiträge: 19
Registriert: 7. Sep 2005, 12:36

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von blaufelchen »

Liebe Gina,

vielen Dank für deinen Beitrag. Habe auch schon in anderen Themen vieles von dir gelesen.
Hm....es ist nicht leicht für mich deinen Gedanken zu folgen, wahrscheinlich weil ich eben nicht diese Gefühle in mir trage. Ich versuche zu verstehen, aber es fällt sehr schwer sich da hineinzudenken.
Das mit der Sehnsucht nach Nähe kommt auch oft aus seinem Mund. Er sehnt sich nach mir. Und dann aber will er sie nicht zulassen und kapselt sich ab. Ich habe heute mit ihm beim Frühstücken kurz darüber geredet. Er meinte es sei eine Sinnkrise bei ihm. Er hatte das schon einmal mit 30. Jetzt ist er 43. Er muss sich erst einmal darüber klar werden was er will. Hm....aber warum will er dann ein Kind von mir???? Das erschwert doch nur diese ganze Situation....zumindest ist das jetzt meine Logik.
Ich habe ihm heute beim Einkaufen seiner Möbel geholfen. Dabei hat er jede Stunde sich dafür entschuldigt, dass er mir meine Zeit stiehlt....Ich habe ihm von Anfang an betreuert, dass ich es gerne mache, weil ich ihn liebe und es mir Freude bereitet, ihm zu helfen. Aber irgendwie kapiert er es nicht.
Nach ein paar Stunden trennten sich dann unsere Wege, weil ich eben das Gefühl bekam, es ist besser für ihn so, dass er den Rest allein erledigen mag. Er will heute noch umziehen, aber meine Hlfe wollte er nicht mehr dabei. Ist doch nicht normal.....in meinen Augen. Sind so Depris?
tut mir Leid, dass ich vielleicht blöd frage, aber es interessiert mich und verunsichert mich zugleich sehr.
Es ist schön, wenn du über dich schreibst, denn du kannst seine Gefühlswelt wahrscheinlich besser verstehen als ich es jemals tun werde.
Danke Gina.

Liebe Grüße Sylvia
DewaChe

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von DewaChe »

liebe Sylvia,

ich versuche mal weiter zu erklären.
Bei mir waren es traum. Kindheitserlebnisse, die mich daran hinderten, später "gesunde" Nähe und Distanz zu leben aber habe wie schon geschrieben mir ein Haltegerüst im Laufe der Jahre gebaut. In einer Thera erfuhr ich mehr über die Hintergründe, mir ging es dann besser mit Nähe und Distanz, ich konnte offen darüber sprechen und ich brach die Therapie ab.
Ich kann nicht sagen ob ich damals schon Depris hatte, sicher, ich war ab und an mal niedergeschlagen, spürte daß etwas nicht mit mir stimmte aber war schon immer eine Verdrängungskünstlerin was Krankheiten betraf. Diese Disharmonie, entweder Nähe total und dann gleichzeitig wieder das Gefühl des erstickens zu haben und den anderen dann beinahe brutal wegstossen - es zerreißt einen innerlich. Man fühlt sich unfähig, nicht liebenswert usw.

Ich kann den Wunsch nach einem Kind nachvollziehen. Man denkt, dadurch bleibt endlich die Nähe, das Vertrauen, man kann es dann endlich leben. Man möchte so gerne nahe sein und wenn man glaubt man hätte es geschafft, kommt der Kippschalter, den man ersteinmal nicht steuern kann.

Nun zu den Depressionen, bei mir brach dann vor 3 Jahren alles zusammen.
Dieses Gefühl, unfähig zu sein Nähe zuzulassen, es zermürbt einen innerlich. Ich fühlte mich so hilflos, wertlos, konnte nicht Vertrauen obwohl ich es mir sehnlichst wünschte....Der Gedanke, wie sehr ich meine Mitmenschen und Partner damit verletze - mit den Jahren rutschte ich immer tiefer ab bis zu jenem Zusammenbruch eben. Und dann kamen Depressionen die mich nur noch lähmten.

Doch, wenn ich das jetzt so lese, ich hatte auch früher Depressionen oder depr. Verstimmungen die sich dann zur Lawine entwickelten.

Liebe Sylvia, ich kann mir vorstellen, daß dein Freund in einer Phase ist, in der er diesen Schmerz, dieses Unvermögen spürt aber das Problem für ihn einfach nicht greifbar ist bzw. artikulierbar und das macht so große Angst. Da passiert etwas mit einem, was man nicht möchte aber eben auch nicht so ohne weiteres gegensteuern kann.

Habt ihr auch mal über seine Vergangenheit gesprochen?? Wie lebte er andere Beziehungen, seine Familie?

Nun, das war so meine Geschichte dazu und ich mache wieder Therapie um eben weiter daran zu arbeiten. Alleine das Verstehen der Hintergründe, das Annehmen der Kindheit macht es leichter, mit diesem Problem umzugehen. Und ich glaube, daß meine depris daran gekoppelt sind..

Puhhh irgendwie schon wieder ziemlich durcheinander aber da ich ja gerade mittendrin stecke und am "aufdröseln" ua. der Depris bin schaffe ich es eben nicht anders.
Sicher kommen noch andere Kommentare - inzwischen weiß ich, daß dieses Problem weit verbreitet ist.

Dann erstmal nen schönen Abend für dich und vor allem Kraft.

Gina
blaufelchen
Beiträge: 19
Registriert: 7. Sep 2005, 12:36

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von blaufelchen »

Liebe Gina,
danke für deine prompte Antwort.
Ja, wir haben über seine Vergangenheit gesprochen. Darüber hat er mir sehr viel erzählt und es war keine schöne Kindheit!
Sie sind insgesamt 4 Kinder. Sein Vater war ein Tyrann. Er hat nie Genaues erzählt wie sich das geäußert hat. Jedefalls hat sich haben sich seine Eltern scheiden lassen als er 14 war. Nur ein Bruder ist beim Vater geblieben. Er und die anderen Geschwister sind zur Mutter gezogen. Sie war eine sehr liebenswerte Frau und Mutter. Sie ist allerdings mit 42 Jahren verstorben. Da war er gerade mal 18 Jahre jung. Er musste sich nun um die zwei anderen jüngeren Geschister kümmern. Diese sind dann zurück zum Vater gekommen....hatten keine andere Wahl, da minderjährig und er sie nicht ernähren konnte. Nach dem Abi ist er zur Bundeswehr und hatte eine kleine Wohnung, die die Bundeswehr zahlte. Er ist nie nach Hause (hatte ja keins mehr) gefahren und sein Vater hat ihn niemals unterstützt! Dann hat er seine Frau kennen gelernt und später geheiratet. Er hat einen 22 jährigen Sohn. Aber keine Kontakt zu ihm. Sie hat ihn gegen ihn aufgebracht, angeblich, seine Version. Er hat sich mit 33 scheiden lassen. da war sein Sohn gerade in der Pubertät und das hat er nicht miterleben dürfen, da sie es nicht zuließ. Dann hat er einige Zeit alleine gelebt und später seine zweite Frau geheiratet. Mit ihr ist er immer noch verheiratet, aber lebt seit über einem Jahr von ihr getrennt.Ist allerdings erst im August dieses Jahres endgültig ausgezogen. Vorher getrennt im selben Haus gelebt mit ihr. Sie lässt ihm allerdings keine Ruhe bis jetzt und bombardiert ihn mit Anrufen und SMSen, täglich, ja fast stündlich. Ich habs schon miterlebt. Sie will ihn zurück. Aber er hat mit dieser Beziehung abgeschlossen. Ich glaube ihm.
Du siehst ein schwieriges Leben. Über seine Beziehungen und deren Scheitern erzählt er nicht viel. Im Grunde versteh ich nicht ganz, warum sie gescheitert sind. Wahrscheinlich hat es mit seiner Depression zu tun. Aber beide Beziehungen haben so jeweils 10 Jahre lang gedauert. Hm....dann eben wieder ein Neuanfang für ihn. Anscheinend steigert sich dieses Gefühl von Beziehung zu Beziehung. Keine Ahnung. Eine Thera scheint er nicht zu machen.
So wie du das siehst, glaube ich auch, dass er es noch verdrängt, aber sehr wohl artikuliert, eben seine Kindheit vor allem, und das schlimme Verhältnis zu seinem Vater. Ist doch schon ein Anfang.
Für mich stellt sich die Frage, soll ich hier weitermachen oder bin ich überfordert damit? Ich liebe ihn, es ist ein sehr starkes Gefühl da für ihn. Er fragt auch immer, ob ich ihn anrufe. Er möchte, dass ich ihn anrufe, wenn ich ihn brauche.
Wahrscheinlich bezieht er das auch auf sich.
IN seiner Arbeit gefällts ihm auch nicht mehr besonders gut. Er engagiert sich nicht mehr so sehr wie früher. Es lohnt sich nicht, sagt er.

Alles in Allem eine sehr schwierige Situation für uns beide. Ich hoffe, dass er sich mir mehr öffnet. Ich glaube ich muss viel Geduld haben.

Einen schönen Abend,Gina,

Sylvia
BeAk

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von BeAk »

Silva,

Dir ist schon klar das aus dieser Beziehung nur was werden kann, wenn sich Dein Freund in ärztliche Behandlung begibt, vorzugsweise in Psychiaterische. Ansonsten wird der jetztige Zustand zu Dauerzustand.
blaufelchen
Beiträge: 19
Registriert: 7. Sep 2005, 12:36

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von blaufelchen »

Hallo Bea,
was meinst du mit Dauerzustand?
ich weiß nicht wie ich mit ihm darüber reden soll. Ersagt dazu zwei Sätze und dann wars das schon...aus, Ende. Er sagt es ist eine Sinnkrise. Er weiß im moment nicht was er will. Ich kann damit überhaupt nicht umgehn. Heute Mittag rief ich ihn an und wollte später mit ihm Kaffee trinken gehn. Aber er war da gerade mit seinem Auto unterwegs und fuhr in der Gegend herum. Er wollte mich dann heute noch anrufen, aber es ist bereits 22 Uhr und dawird wohl nichts mehr daraus.
Wenn er jedoch ein Treffen mit mir will, dann ermögliche ich es ihm, weil ich ihn sehen möchte. Ich kapiers nicht. Was geht in dieser Situation in ihm vor?

Liebe Grüße Sylvia
BeAk

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von BeAk »

Liebe Sivia,

wenn er sich nicht in Fachärztliche Behandlung begibt, wird der jetzige Zustand Monate bis Jahre anhalten, vorausgesetzt er hat wirklich Depressionen und danach ließt sich die Geschichte hier. Ein Depri ist häufig nicht in der Lage Verantwortung für die Beziehung zu übernehmen. Er fühlt sich häufig überfordert mit Zwischenmenschlichen kontakten. Will Distanz, hat Angst vor Nähe usw.
Ich will Dich nur darauf hinweisen was auf Dich zukommt, wenn er sich weiter weigert Hilfe an zu nehmen.
Druck ihm Infomaterial über Depressionen aus hinterleg sie in seiner Wohnung, so das er sich unbefangen damir auseinander setzen kann. Mach Dir Gedanken, ob Du breit bist, eine Beziehung zu führen die keine ist.
Dann besprich das Ergebnis mit Deinem Freund, wie Du dir Deine und Eure Zukunft vorstellst.
BeAk

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von BeAk »

Liebe Sylvia,

es gibt noch eine weitere Möglichkeit die hier schon sehr häufig vor gekommen ist. Dein Freund möchte sich nicht fest binden, und schiebt eine Depression vor, um Dich los zu werden.
Eine echte Depression erkennst Du daran, das der Kranke zu nichts mehr Lust hat, keine Feste, keine Sauftour, keine Lust Freunde zu treffen, schleppt sich nur noch zur Arbeit, verbringt den Tag im Bett, bewegt sich schleppend, die Krankheit wirkt sich auf alle Lebenbereiche aus.
Überprüfe erst mal, ob er wirklich Krank ist.
blaufelchen
Beiträge: 19
Registriert: 7. Sep 2005, 12:36

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von blaufelchen »

Hallo Bea,
habe gestern nochmal mit ihm geredet. Er hat keinerlei Motivation für nichts. Er wollte heute schon zu Hause bleiben, weil keine Lust auf Arbeit hat. Aber zu Hause ist es für ihn noch schlimmer. Er ist am Sonntag rumgefahren und wollte einfach nur weg und niemand sehen. Ich hab keine Ahnung , ob das alles stimmt was er mir erzählt. Er will jedenfalls mit mir zusammen bleiben, aber er sieht keine Dringlichkeit sich in proffessionelle Behandlung zu geben. Mehr wollte ich dann auch nicht mehr drängen. Oder soll ich doch. Er schien mir sehr traurig und verzweifelt zu sein. Er rief mich auch stündlich an und schrieb mir dann eine SMS, er müsse dringend mit mir reden. Dann stand er um 22.30 vor meiner Tür. Ich war unterwegs und gerade auch gekommen. Hat mir sehr zu denken gegeben. Er hat das vorher noch nie gemacht. Oder ist das was anderes? Was meinst du dazu?

Liebe Grüße Sylvia
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von tommi »

Liebe Sylvia,

ich verstehe deine Verwirrung sehr gut. Es ist nicht einfach oder gar möglich, die Gedankengänge zu verstehen. Gina hat es versucht, dir die Irrationalität der Gedanken aufzuzeigen, die deinen Freund bewegen. Alleine da herauszufinden ist für deinen Freun schier unmöglich. Deswegen gebe ich Bea recht, er braucht unbedingt professionelle Hilfe.

Zeige ihm deine Verunsicherung, deine Ängste, nur so kann er erkennen,was sein Verhalten in dir Auslöst. Frage ihn doch mal, wann er meint dass die Dringlichkeit gekommen ist, sich in Behandlung zu begeben. Er hat die Verantwortung für sich, aber auch für dich, wenn er die Beziehung wirklich will. Du kannst drängen soviel wie du willst, er muss es wollen, sonst bringt eine Thera nichts.

Du fragst, ob dich diese Beziehung überfordert. Das kannst nur du beantworten. Du musst für dich die Frage stellen, wie weit du gehen kannst und willst. Bringst du die Kraft und Geduld auf, ohne selbst dabei Schaden zu nehmen?
Setzte dir Grenzen. Setzte dir Ziele. Was muss geschehen, dass du diese Beziehung lebeen kannst? Rede mit ihm darüber, öffne dich, vielleicht öffnet er sich dann auch ein Stück mehr. Vielleicht sieht er dann auch die Notwendigkeit ein sich professionelle Hilfe zu holen, damit er dich nicht verliert.

An einer Beziehung müssen beide arbeiten, nicht nur einer.

Gruß
Tom
BeAk

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von BeAk »

Liebe Sylvia,

Tom hat das schon sehr gut beschrieben.
In deinem Gespräch mit deinem Freund über seine Krankheit könntest Du all die Verhaltensweisen die Du hier beschrieben hast noch mal aufzählen, vor allem das er sich selber in seiner Haut nicht wohlfühlt.
Dieser Zustand wird nicht einfach verschwinden, es wir immer schlimmer und kann im Suizid enden. Und nur er kann diese Situation verbessern. Das mußt ihm deutlich gesagt werden.
Frage ihn, warum er nicht in Fachärztliche Behandlung will.

Es ist wichtig, das er Informationen über Depressionen und ihre Therapien erhält. Informationen bauen Ängste ab.
blaufelchen
Beiträge: 19
Registriert: 7. Sep 2005, 12:36

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von blaufelchen »

Liebe Bea und Tom,

danke für eure Anregungen und Meinungen. Ihr seid ja hier Profis. Ich selber bin auch nicht ganz stabil und treffe mich regelmäßig mit meiner Psychlogin, um mein Leben zu ordnen. Darüber habe ich mit ihm noch nicht gesprochen! Es ist bei mir nicht so schlimm wie bei ihm.
Wir haben wieder geredet. Er fragte mich, ob ich ihn liebe. Er ist sich unsicher und scheint auch sehr eifersüchtig zu sein. Wenn ich seine Telefonate und SMSen nicht beantworte gerät er in Panik. Er kann seinen Zustand nicht beschreiben. Anscheinend versteht er ihn selber nicht. Er hat Angst vor all dem Neuen, das jetzt auf ihn wartet: Trennung von seiner Frau, neue Wohnung, neue Umgebung, kaum Außenkontakte, neue Beziehung.
Das scheint ihn total zu überfordern. Aber er meint er kann damit allein fertig werden. Ist das nicht auch eine typisch männliche Reaktion? Hilft Ablenkung nichts? Bisschen sportliche Betätigung?
Ich selber habe das auch für mich ausprobiert. Für mich funktionierts, zumindest teilweise.
Ich habe auch Angst, dass er den Halt total verliert, wenn ich unsere Liebe beende, nur weil ich damit nicht zurecht komme. Ist so eine Art Helfersyndrom??? Hm.....manchmal kann ich es nicht unterscheiden.
Lieben Gruß Sylvia
BeAk

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von BeAk »

Liebe Sylvia,

Sportliche Betätigung ist gut, sie hebt die Stimmung, aber seine Depression wird dadurch nicht verschwinden.

Übrigens bist Du mehr Profi als ich, Du bist in Therapie, mir steht sie noch bevor.

Das Thema Coabhängigkeit kannst Du ja mal bei deinem Therapeuten ansprechen. Da Du selber diese Gefahr so schnell siehst, glaube ich nicht das Du es schon bist.

Liebe Sylvia, versuch noch mal deinen Freund zum lesen von Depriinfo zu übereden, oder lies ihm vor. Er sollte wenigstens wissen das er nicht leiden muß, wenn es nicht leiden will.
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von tommi »

Liebe Sylvia,

was hält dich davon ab, ihm zu sagen, dass du zu einer Psychologin gehst. Vielleicht ist es für ihn dann leichter auch diesen Schritt zu wagen. Ich finde es auf jeden Fall gut, dass du das machst.

Ich glaube auch, dass er bei den vielen Änderungen in seinem Leben überfordert ist.

"Ich bin ein Mann und habe keine Probleme. Und wenn, löse ich sie alleine." Ja, ich glaube Männer reflektieren sich weniger und wenn, dann nur wenn sie müssen.
Männer müssen stark sein, durfen nicht weinen... . All das wird schon in der Kindheit von Jungen gelebt. Auch die Erziehung kann da nicht großartig mit aufräumen. Jungen, die Gefühle und schwäche Zeigen werden von anderen in ihrem Umfeld als "Weicheier" scharf attackieren. Die eigene Unsicherheit wird mit aufgesetzter oder vermeintlicher Stärke kaschiert.
Wie soll man dann später als Mann zugeben können, ein Problem zu haben --- und dann noch mit der Psyche?
Nur mit ständiger Wiederholung, dass es viele Männer mit Depressionen gibt und sie behandelt werden kann. Dass Depressionen eine Krankheit ist, die behandelt werden muss. Je früher, desto besser.

Liebe Sylvia, rede dir nicht ein, dass du bei ihm bleiben musst, weil er krank ist.
Wenn du die Beziehung beenden musst, dann tu es. Alles andere wäre auch verlogen. Wenn du Gefühl hast, du liebst ihn nicht mehr und siehst keine Zukunft mit ihm, wäre es fatal, die Beziehung aufrecht zu erhalten - für beide Seiten.

Gruß
Tom
blaufelchen
Beiträge: 19
Registriert: 7. Sep 2005, 12:36

Re: Distanz und Nähe?

Beitrag von blaufelchen »

Hallo Bea, hallo Tom,
hab jetzt mal eine ganz intime Frage.....
Wie ist es eigentlich mit einem depressiv Kranken und Sex? Hat ein Depri überhaupt Lust auf Sex, oder ist er (müsste er) da nicht auch lustlos und ohne Gefühle sein? Nach Sex mit mir, kontaktiert er mich wenig...mein Eindruck.
Übrigens ist er gestern 2 Stunden lang mit dem Rad unterwegs gewesen. Am Samstag kommt ein Bekannter aus USA und er hat sehr motiviert geplant was er mit ihm anschauen wird und so weiter. Hm.....mach mir da so meine Gedanken... Ist seine Depri-Phase vorbei? Oder wie geht das, dass er plötzlich so motiviert sein kann? Vielleicht doch nur langweilig mit mir. Wie Bea schon mal agedeutet hat, oder bin ich zu misstrauisch?
Dann sucht er wenig Kontakt zu mir. Ich soll mich rühren.

Gruß Sylvia
Antworten