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Integrationsfachberater? Arbeiten die für den Arbeitgeber?

Verfasst: 7. Jul 2005, 22:50
von Janina40
Hallo!
Ich war wegen einer sehr schweren Depression von 15.11.2004 bis 12.6.05 krank. Einen Zeitraum von 4 Monaten auch stationär.
In der stationären Therapie ist auch meine Arbeitssituation besprochen worden, die für mich sehr unbefriedigend war. Die Sozialarbeiterin hat mich an den Integrationsfachdienst verwiesen, mit dem ich dann auch einen Beratungstermin ausgemacht habe.Der erste Termin lief im Büro des Schwerbehindertenvertreters,noch in der Zeit als ich krankgeschrieben war. Da habe ich alle meine Schwierigkeiten geschildert. Als ich wieder Mitte Juni angefangen habe zu arbeiten (ich arbeite im öffentlichen Dienst) habe ich festgestellt, dass sich sehr vieles geändert hat. Ich muss sagen, dass ich einen sehr humanen Chef habe, der daran interessiert ist einerseits einen reibungslosen Ablauf im Sekretariat zu haben, andererseits aber auch sehr viel für zufriedene Mitarbeiter tut. Er hat mich aus meiner (selbstgewählten) Isolation herausgeholt und mich mit meinen Kolleginnen in ein großes Büro gesetzt. Allerdings habe ich mit einer dieser Kolleginnen öfters früher mal Differenzen gehabt, ich habe vor ihr ziemlich Angst. Sie ist oft ziemlich unbeherrscht. Nun habe ich gesehen, dass sich vieles zum Guten für mich gewendet hat, mein Chef wollte, dass ich mich wohler fühle. Das ist auch gelungen.
Als ich angefangen habe zu arbeiten, habe ich ein Gespräch mit meinem Chef gehabt. Er ist der Meinung, dass wir nicht so weitermachen können, wo wir im November aufgehört haben. Vieles hat sich verändert, aber es ist auch so, dass die Arbeit anders verteilt werden musste. Da sollte der Integrationsdienst eingreifen und mir helfen. Der junge Mann war vorgestern da, liess im Gespräch fallen, ich solle froh sein, den Arbeitsplatz zu haben, sagte meinem Chef und meinem Personalchef auch noch wie man mich am besten loswerden kann, damit auf diese Stelle jemand qualifiziertes eingestellt werden kann. Mir blieb die Spucke weg. Im Gespräch bin ich gezwungen gewesen,Aussagen über mein Krankheitsbild zu machen und den Grad der Behinderung. Ich wurde richtig in die Zange genommen. Der Berater stand die ganze Zeit auf der Seite des Chefs um dann vorzuschlagen ich solle jetzt beobachtet werden, bis November, bis dahin darf ich nicht mehr krank werden. Sonst würde man mich kündigen, das Intergrationsamt würde dem schon zustimmen. Der einzige der sich für mich verwendet hat in dem Gespräch war unser Schwerbehindertenvertreter. Ich habe mir mehr geschadet als genutzt, als ich den Dienst eingeladen habe. Mein Chef ist zutiefst verunsichert, was er mir zumuten darf und wie es weitergehen soll. Er bekam keine konkreten
Antworten, die ihm im Arbeitsprozess mit mir weitergeholfen hätte. Als der Berater hörte, dass ich schon Kontakt mit dem sozialpsychiatrischen Dienst hatte, sagte er, ach das ist ja gut so, die kennen sie ja, dann brauch ich ja im nächsten Gespräch im November nicht mehr dabei zu sein, das kann ja der Mitarbeiter vom sozialpsychiatrischen Dienst übernehmen. Wo kann man sich eigentlich hinwenden wenn man sichüber diesen Menschen beschweren will? Mein Personalchef hat sich sichtlich über die "tollen" Informationen des Dienstes gefreut. Die Augen fingen an zu leuchten.
Liebe Grüße
und danke für die Antworten
Janina

Re: Integrationsfachberater? Arbeiten die für den Arbeitgeber?

Verfasst: 7. Jul 2005, 23:17
von Paola
Liebe Janina,

wie waers, wenn du deinen Schwerbehindertenvertreter anrufst, um ihn zu fragen, wie ER das Gespraech empfunden hat? Koenntest ja sagen, ohne dich zu beschweren, dass die Situation dich verunsichert habe. Es waere nicht gut, dich weiter in die negativen Gefuehle hinein zu steigern. Das macht meiner Erfahrung nach krank!

Bist du Mitglied des VdK? Die kennen sich, glaube ich, ganz gut aus mit solchen Situationen. Wuerde ich jedenfalls morgen mal anrufen, damit du am Wochenende nicht ungeschuetzt gruebeln musst. Der Mitgliedbeitrag beim VdK ist uebrigens sehr niedrig. Und die Vertreter dieses Verbands sind kompetent und engagiert.

Also, an deiner Stelle waere ich auch sehr betroffen und wohl auch verletzt. Bist du noch in Therapie, um dich von dem Ballast der negativen Gefuehle befreien zu koennen?

Wichtig ist m.E. zunaechst, dass du so schnell wie moeglich einen klaren Kopf bekommst, um ueberhaupt arbeits"faehig" zu sein, denn wenn du dich staendig unter Beobachtung fuehlst, passieren leicht Fehler.

Waere es moeglich, noch einmal im Vertrauen unter vier Augen mit deinem Chef zu sprechen, um ihm zu sagen, wie wichtig dir deine Arbeit ist und wie ernst du sie nimmst?

Und eben, informiere dich gut ueber deine Rechte! Vielleicht koennen dir andere hier noch bessere Informationsquellen bzw. Berater nennen. Je besser du informiert bist, desto sicherer kannst du dich fuehlen und desto besser kannst du arbeiten.

Hoffentlich konnte ich dich ein wenig troesten!

Liebe Gruesse von Paola

Re: Integrationsfachberater? Arbeiten die für den Arbeitgeber?

Verfasst: 8. Jul 2005, 17:17
von Janina40
Hallo Paola,
ich habe am tag darauf mit meiner Therapeutin darüber gesprochen. Sie arbeitet auch für die Sozialpsychiatrische Beratungsstelle. Sie wird Erkundigungen über diesen Herrn einziehen, aber ohne mich mit hineinzuziehen.
Was mir am meisten Druck bereitet, ist die Aussage, ich dürfe bis November nicht mehr erkranken. Ich habe diesen Druck auch wegen einer Sorgerechtsgeschichte. Mir hat man meinen jüngsten Sohn während der letzten Depression weggenommen. Aber ich versuche das erstmal auszublenden und mich positiv auf die Arbeit einzulassen. Ich habe die schweren Depressionen unter anderem deshalb gehabt, weil man bei mir eine Schlafapnoe nicht erkannt hat. Dies wird jetzt behandelt und ich fühle mich wesentlich besser. Trotzdem bin ich natürlich noch unsicher, ob mich die Depressionen weiterhin verschonen. Meist habe ich im Sommer ein Hoch und im Winter ein Tief. Beim VDK bin ich nicht, ich habe das bisher immer vor mir hergeschoben. Ich hatte keine Probleme die halbe EU-Rente zu bekommen, daher war es auch bisher noch nicht nötig.
Aber trotzdem war das ja wohl ein starkes Stück. Ich habe mich ziemlich "nackt" in dem Gespräch gefühlt. Ich bin froh, dass meine Therapeutin noch jemanden weiß,der das eventuell übernehmen kann.
Meiner Meinung nach sitzt der junge Mann dort eindeutig auf dem falschen Platz. Ihm fehlt einfach die Erfahrung souverän mit solchen Situationen umzugehen.
Meinen Schwerbehindertenvertreter werde ich nächste Woche einfach mal anrufen.
Liebe Grüße
Janina

Re: Integrationsfachberater? Arbeiten die für den Arbeitgeber?

Verfasst: 9. Jul 2005, 11:50
von Paola
Liebe Janina,

da hast du ja schon einiges in die Wege geleitet, damit du dieser unangenehmen Situation nicht ungeschuetzt ausgesetzt bist. Du schreibst, dass du im Oeffentlichen Dienst beschaeftigt bist. Bist du da nicht mehr oder weniger unkuendbar, oder wollen sie dich gegen deinen Willen in Pension schicken?

Dass man dir deinen juengsten Sohn waehrend deiner letzten Depression "weggenommen hat", ist ja eine schlimme Erfahrung. Ich hoffe, dass er nun wieder bei dir ist!!! Was ist mit deinen anderen Kindern? Ich kann dir nur von Herzen wuenschen, dass du auch hier genuegend kompetente Hilfe hast!

Gut ist, dass du weiterhin in Therapie bist, ich jedenfalls koennte so viel Druck nicht ohne therapeutische Hilfe ertragen! Und dass deine Theraputin sich gut auszukennen scheint in diesen arbeitspsychologischen Angelegenheiten, ist natuerlich ein weiteres Plus!

Kein Mensch kann sich mit letzter Sicherheit davor schuetzen krank zu werden; das muesste gerade auch ein Experte vom Integrationsdienst wissen. Das alles hoert sich schon ein bisschen wie Schikane an. Du hast ganz Recht: Der Herr vertritt die falsche Seite!

Allerdings weht wohl in solchen Zeiten, in denen Arbeitsplaetze Mangelware sind, ein rauerer Wind fuer uns Arbeitnehmer, und deshalb ist es wichtig, die negativen Gefuehle rasch beiseite zu schieben und alle zur Verfuegung stehende Kraft in die Verteidigung seiner Rechte zur Erhaltung des Arbeitsplatzes - und natuerlich auch der Gesundheit zu stecken.

Ich wuensche dir ganz viel Staerke. Und versuche - trotz allem - dein Wochenende zu geniessen.

Liebe Gruesse von Paola