Reha-Maßnahme/Sorry, etwas lang

Antworten
Wombat
Beiträge: 9
Registriert: 9. Jun 2005, 21:16

Reha-Maßnahme/Sorry, etwas lang

Beitrag von Wombat »

Hallo zusammen,
ich war jetzt 1 1/2 Jahre wg. Depressionen arbeitsunfähig und habe Krankengeld bezogen. Bevor das eingestellt wurde, habe ich mich beim Arbeitsamt gemeldet und auch ALG 1 bewilligt bekommen, hatte allerdings vor einigen Wochen noch einen Termin bei dem Amtsarzt des Arbeitsamtes.
Leider habe ich bei dem Amtsarzt nicht deutlich genug gesagt, dass ich mich nun wieder fit fühle und auch wieder ganz normal ganztags arbeiten möchte... Irgendwie lief das da total bescheuert ab. Ich war im Glauben, ich müsste meine 1 1/2 Jahre Krankschreibung rechtfertigen, habe nur von meinen Katastrophen, Schicksalsschlägen und meinem maroden Nervenkostüm erzählt. Erst am Ende des Gesprächs liess der Amtsarzt durchblicken, dass ich ja gar nicht belastbar sei und nicht arbeiten könnte und da halfen dann auch meine Beteuerungen, dass ich wieder arbeiten wolle, nix mehr.
Ich also zu meinem Psychiater und habe mich wieder arbeitsfähig schreiben lassen. Danach zum Arbeitsamt, wo ich meinem Berater lang und breit erklärte, dass ich wieder voll und ganz arbeiten wolle, dass es beim Amtsarzt zu Missverständnissen gekommen sei. In der Zwischenzeit hatte aber der Amtsarzt schon seine Empfehlung rausgeschickt und - wie ich tel. von ihm erfuhr: Er empfiehlt eine 1-jährige Rehamaßnahme, die ganztags läuft, genau auf meinen Beruf zugeschnitten ist und mich halt wieder "eingliedern" soll.
Heute hatte ich auch eine Benachrichtigung von einem Einschreiben im Briefkasten, das ich dann Mo. erst abholen kann.
Ich fürchte, dass es die Aufforderung des Arbeitsamtes ist, diese Reha bei der BfA zu beantragen. Bis zur Bewilligung müsste ich dann lt. § 125 ganz normal ALG 1 bekommen...
Puh, und nun endlich die Fragen, wg. denen ich mich jetzt das ganze Wochenende bekloppt machen werde:
1.) Lt. einer Bekannten werden diese Anträge von der BfA sowieso meist abgelehnt, bei älteren ArbeitnehmerInnen sowieso. Stimmt das? Bekäme ich nach einer Ablehnung auch noch ganz normal ALG 1?
2.) Lt. einer Beraterin vom Arbeitslosenzentrum würde ich mit meinen 39 1/2 Jahren nicht das sogenannte "Übergangsgeld" bekommen, was es normalerweise während einer Reha gibt und was in Höhe des ALG 1 ist. Sondern wesentlich weniger. Ist das so korrekt?
3.) Ist es möglich, gegen die Entscheidung des Amtsarztes einen erfolgreichen Widerspruch zu führen, vielleicht durch ein erneutes Gespräch mit ihm eine andere Beurteilung von ihm zu bekommen?
Hintergrund ist: Ich möchte unbedingt dieses Jahr ganz normal mein ALG 1 bekommen bzw. noch lieber: Wieder Arbeit finden, weil ich nur so einen erneuten Umzug vermeiden kann. Jetzt meine Wohnung zu verlieren, weil ich sie von irgendeinem Reha-Geld bzw. Hartz IV nicht bezahlen kann, wäre für mich eine absolute Katastrophe.
Kennt Ihr Euch in der Thematik aus? Wäre schön, wenn Ihr mir helfen könntet.
Bis dahin,
ein verzweifeltes
Wombat
Wombat
Beiträge: 9
Registriert: 9. Jun 2005, 21:16

Nachtrag

Beitrag von Wombat »

Ach, ja,
ein weiteres Schreckensszenario: Das Arbeitsamt hält mich nicht für voll einsetzbar, sondern meint, ich könnte nur halbtags arbeiten. Somit würde ich auch nur das halbe Arbeitslosengeld bekommen.
Der Amtsarzt selbst meinte, er könne sowas nicht bestimmen, da müsse man bestimmte Tests machen... er würde mich halt für fähig halten, diese ganztägige Rehamaßnahme zu absolvieren.
Also kann doch in diesem Einschreiben vom Arbeitsamt jetzt nicht stehen, dass ich nur das ALG 1 einer Halbtagskraft bekommen werde oder?
Hmm, hat irgendjemand hier vielleicht damit Erfahrungen?
Viele Grüße
Wombat
gelberosen
Beiträge: 560
Registriert: 26. Jul 2003, 08:20

Re: Reha-Maßnahme/Sorry, etwas lang

Beitrag von gelberosen »

Hallo Wombat,

ich bin selber schon länger arbeitslos und auch schon länger krank. Von daher kann ich deine Befürchtungen nachvollziehen.

Und ohne wirklich zu wissen, was in dem Brief steht, ist es schwer, dir Tipps zu geben, so halb ins Blaue zu schreiben.

Ich glaube nicht, daß du dir so viele Sorgen machen mußt. Es wird vermutlich so ähnlich laufen, wie es der Amtsarzt vorgeschlagen hat. Das ist nämlich die Grundlage für die Arbeitsberater und Rehaberater. Denn sie sind keine Spezialisten für die Erkrankungen der Rehabilitanden.

Eins verstehe ich nicht: Für einen Vollzeitjob wirst du nicht für geeignet gehalten, für eine Vollzeit-Integrationsmaßnahme schon. Hat dir das der Amtsarzt begründet? Oder ist das wieder mal ein strukturelles Problem? Ich mein damit, daß es keine Teilzeit-Integrationsmaßnahme gibt?

Weniger Geld als den Regelbedarf des ALG II steht niemandem zu. Solltest du ein Teilzeit-ALG bekommen, müßte das evtl. vom Sozialamt gezahlt werden, damit du mindestens soviel bekommst wie das ALG II, denn der Regelsatz der Grundsicherung (früher Sozialhilfe) ist ebenso hoch wie das ALG II. So ein Teilzeit-ALG kenne ich nur vom ALG I, nicht vom ALG II. Kann aber sein, daß ich mich da täusche. Das ALG II berechnet sich sehr ähnlich wie die Grundsicherung und die Sozialhilfe und ist auch gleich hoch: Regelbedarf plus Miete. Die Regelbedarfe des ALG II und der Grundsicherung sind gleich hoch, und auch die Mieten, die gezahlt werden, sind sicher sehr ähnlich. Wohnst du denn so teuer, daß die Miete nicht in voller Höhe übernommen werden würden? Selbst dann gewähren die Behörden meist eine Frist von ½ Jahr, in der man Zeit hat zum Umziehen. Das alles wird aber scheinbar regional sehr unterschiedlich gehandhabt, so daß man mit den Behördenmenschen reden muß und auch kann. Da kann dir die Beraterin vom Arbeitslosenzentrum sicher eher weiter helfen als ich.

Hm, und das Gespräch lief blöd. Das kann man leider hinterher nicht mehr rückgängig machen. Damit zu deinen Fragen:

1. Maßnahmen werden scheinbar heute meistens erst mal abgelehnt, so daß man sie erst mit Widerspruch bekommt. Bei älteren Menschen erst recht, weil da die Chancen auf Eingliederung am schlechtesten sind und damit auch die Chance der Behörden, Geld zu sparen. Inwieweit da immer noch versucht wird, die Menschen von einer Behörde zur anderen zu schieben, damit man selber nicht zahlen muß, weiß ich nicht. Auch nicht, ob die Behörden mittlerweile etwas schneller arbeiten und auch kundenorientiert.

2. Während der Maßnahmen wurde früher – soweit ich weiß – immer das Geld weiter bezahlt, daß man vor der Maßnahme bekommen hat. Ich bin nicht auf dem Laufenden, ob das noch so ist und ob es das Übergangsgeld überhaupt noch gibt. Leider bin ich da nicht mehr so genau informiert. Daß da Unterschiede bei Älteren und Jüngeren gemacht werden, wäre mir neu, kann aber seit Hartz IV durchaus sein. Dir müßte mindestens ein Geld in Höhe des ALG II zustehen, wie immer es während einer Rehamaßnahme auch heißen möge. Genauere Auskunft kann dir da das Gesetzbuch helfen (selber mal reinschauen), oder eine fitte Gruppe Arbeitsloser, oder die Gewerkschaft (speziell deren Anwälte für Sozialrecht) oder auch Rechtsberatungen, die manchmal von Sozialrechtsanwälten in Einrichtungen angeboten werden. Nach meiner Erfahrung müßte dir aber mindestens ein Regelbetrag in Höhe des ALG II und eine angemessene Miete zustehen.

3. Ja, gegen amtsärztliche Entscheidungen kann man generell Widerspruch einlegen. Das ist schon sinnvoll, wenn es so ein großes Mißverständnis gab. Es sollte ja eigentlich darum gehen, wie es dir heute geht, was du jetzt brauchst, sprich was dir „zugemutet“ werden kann und was nicht. Das ist der Sinn einer solchen Begutachtung und nicht die Rechtfertigung einer langen Krankheit, die eh schon gelaufen ist, auch wenn man als Depressiver gerade dieses Bedürfnis hat. Komisch daß der Arzt das nicht durchschaut hat und dir nicht früher die entsprechenden Fragen gestellt hat. In Sachen Widerspruch wissen meistens die behandelnden Ärzte gut Bescheid. Behörden sehen eine neue Begutachtung meistens nicht so gerne, weil sie sauteuer ist.

4. Ja, falls du ALG I bekommst und der Amtsarzt festgestellt hat, daß du nur halbtags arbeiten kannst, steht dir tatsächlich nur das halbe ALG zu. Du kannst allerdings gegen diesen Bescheid Widerspruch einlegen, wenn er kommt. Es gibt aber glaube ich keine aufschiebende Wirkung mehr. Das heißt, trotz Widerspruch würde dir dann ab dem Datum, der im Bescheid steht, das halbe ALG zustehen bis zur Aufhebung des Bescheids. Du müßtest dann zum Sozialamt gehen, damit die das aufstocken wenn das Geld unter deinem Bedarf liegt. Sozialämter machen immer eine Berechnung nach Bedarf, das heißt sie stellen Einkommen und Bedarf gegenüber. Einkommen ist alles was man an Geld erhält. Bedarf ist Regelbedart (West 345 €, Ost weniger) plus angemessene ortsübliche Warmmiete abzüglich Warmwasser (mal stark vereinfacht). Die Differenz übernehmen sie dann. Wenn man Eltern oder erwachsene Kinder hat, die viel Geld haben, so sind die verpflichtet, Unterhalt zu zahlen. Lebt man in einer Ehe, Familie oder Lebensgemeinschaft, wird eine Bedarfsgemeinschaft gebildet, in der ein Bedarf für alle errechnet wird und alle Einkommen zusammen gezählt werden. Was dann zuwenig an Geld da ist, bekommt die Bedarfsgemeinschaft. Ist mehr Einkommen als Bedarf da, gibt’s nix. (Auch wieder mal stark vereinfacht gesagt). Und auch zum Umzug müssen sie einem Zeit lassen. Das Problem ist, daß man die Kosten für einen Umzug ansparen muß, und das ist nicht wenig und macht auch in meinen Augen keinen Sinn, wenn man erst umgezogen ist. Wie die Behörden denken, steht auf einem anderen Blatt.

Hm, was hinterläßt das bei mir für einen Eindruck? (Laut nachdenk)

Mach dir nicht so viele Sorgen wegen des Geldes. Weniger als ALG II steht dir nicht zu, da bin ich mir sicher, auch wenn ich die Rechtslage seit der Hartz-IV-Umstellung nicht mehr so genau kenne.

Das mit dem Widerspruch ist zu überlegen, aber nicht zwangsläufig durchzuziehen. Das mußt du entscheiden. Es kann durchaus sinnvoll sein, es zu tun, wenn die Chancen gut sind, schnell einen Job zu finden. Es kann aber auch gut sein, das ganze nicht zu tun. Nämlich dann, wenn die Aussichten schnell einen Job zu finden eher schlecht sind und so eine Rehamaßnahme doch Sinn machen sollte (Geld hin oder her). Deine Angst vor einer solche Maßnahme scheinen zu einem großen Teil daher zu kommen, daß du zu wenig Geld zum Leben bekommst. Zumindest kommt das bei mir so an. Versuche das bitte auseinander zu halten, dann wird dir die Entscheidung leichter fallen, weil du noch andere Aspekte der Sache betrachten kannst. Übertriebene Angst und Wut und Hilf- und Ratlosigkeit sind schlechte Ratgeber.

In solche Entscheidungen fließen leider auch übertriebene Ängste anderer Leute ein. Hier hilft nur, die Lage objektiv zu sehen (ggf. Infos einholen) und zu formulieren, was man wirklich braucht, was Sinn macht. Ist nicht so einfach, aber mit Beratung bei einer Vertrauensperson, die sich umfassend auskennt und die einen wirklich kennt, kann man da schon sicherer werden.

Und einen erneuten Umzug vermeiden ist tatsächlich ein wichtiges Argument. Das muß in meinen Augen auch das Arbeitsamt verstehen. Aber würde deine Miete denn wirklich nicht übernommen? Hast du dich da schon erkundigt? Dafür gibt’s Richtlinien und Tabellen, die je nach Region unterschiedlich sind.

Ich wünsche dir, daß du das alles erstmal sacken läßt, dir das alles nochmal durch den Kopf gehen läßt und dann zu der für dich stimmigen Entscheidung kommst. Und ne wirklich gute Beratung. Wenn nochwas ist, das Forum ist noch da. Und auch mein Profil ist freigegeben, man kann mich auch anmailen (falls ich mal das Lesen nicht schaffe oder das Antworten im Forum).

Alles Gute dir
die Besserung

PS:
Das ganze ist nicht als Rechtsberatung anzusehen. Und wirklich fit bin ich rechtlich seit Hartz IV nicht mehr. Aber das Gefühl dafür ist nicht weg. Ich habe versucht mich so auszudrücken, daß man verstehen kann, wo ich sicher bin und wo nicht.
Wombat
Beiträge: 9
Registriert: 9. Jun 2005, 21:16

Re: Reha-Maßnahme/Sorry, etwas lang

Beitrag von Wombat »

Hallo Besserung,
ja, vielen Dank für Deinen Beitrag! Tja, wegen dem Geld sich keine Sorgen zu machen, ist wirklich schwierig. Ich war immer im Glauben gewesen, dass ich zumindest dieses eine Jahr hier noch sicher wohnen kann, weil ich mit meinem ALG 1 die Miete bezahlen kann. Ich dachte, ich hätte jetzt noch ein Jahr Zeit, mir ganz in Ruhe eine neue Stelle zu suchen. Wenn es wirklich so sein sollte, dass ich während einer Reha-Maßnahme nur so viel bekäme wie ALG II, hätte ich ein ernsthaftes Problem, weil die Stadt mir als Alleinstehende kaum meine 72-qm-Wohnung finanzieren wird.
Ich bin erst vor 2 Jahren hier eingezogen, weil das Haus, wo ich vorher wohnte, verkauft wurde. Ich musste ganz schnell, innerhalb kürzester Zeit, eine neue Bleibe finden, da ich damals schon wusste, dass mein Betrieb pleite gehen würde und ich in wenigen Monaten arbeitslos werden würde - deshalb entschied ich mich in aller Eile für diese Wohnung hier. Welcher Vermieter hätte mir als Arbeitslose schon eine Wohnung vermietet? In den Wochen, in denen ich auf Wohnungssuche war, wurden IMMER Verdienstbescheinigungen gefordert, immer ging es auch darum, wo ich arbeite. Ich habe wirklich Angst davor, dass das Theater jetzt wieder von vorne losgeht. In meinen Gedanken sehe ich mich und meine Katzen schon in einem 20 qm Wohnklo im 10. Stockwerk eines Plattenbaus, vollgepisste, dunkle Flure und kaputte, mit Graffities verschmierte Aufzüge... Und das alles nur, weil ich dieses eine Gespräch bei diesem Amtsarzt total vergeigt habe...
Ich muss unbedingt morgen dieses Einschreiben abholen und dann direkt zur Gewerkschaft. Zu blöd, dass ich ausgerechnet diese Woche auch noch ein Bewerbungstraining vom Arbeitsamt aufgedrückt bekommen habe. Fehle ich da, wird mir das ALG auch gekürzt bzw. gesperrt. Weiß noch nicht, wie ich das alles auf die Reihe bekommen soll... Manchmal frage ich mich, wie man diese ganzen gesellschaftlichen Verhältnisse ertragen kann, OHNE depressiv zu werden.
Auf alle Fälle noch mal vielen Dank
für Deine Rückmeldung
und liebe Grüße
Wombat
Antworten