Nachträglich zum "Forumstreffen München"

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lebenwollen
Beiträge: 33
Registriert: 11. Jun 2005, 16:11

Nachträglich zum "Forumstreffen München"

Beitrag von lebenwollen »

Hallo,

ich bin erst seit heute hier, und das Forumstreffen in München habe ich ja inzwischen mit Sicherheit verpasst .
Ich bin 47 Jahre alt, verheiratet, drei Kinder - und auch darüber hinaus habe ich noch einige Aufgaben zu bewältigen.

Erst zum Grund meines Hierseins: Ich leide eigentlich "schon seit immer" an Depressionen - jahrelang wohl nur in der Form, die man "depressive Verstimmung" nennt, allerdings auch immer wieder mit deutlich stärkeren Episoden dazwischen. Seit einem knappen Jahr bin ich nun tief hineingerutscht, nahm auch eine Zeitlang ein AD (SSRI - Fluoxetin), zunächst mit gutem Erfolg, dann half es aber nicht mehr so sehr und wegen einer plötzlich auftretenden Allergie dagegen musste ich die Therapie abbrechen. Seither nehme ich nichts mehr.

Seit ca 10 Monaten sind auch Probleme mit Alkohol dazugekommen, quantitativ eher auf einem niedrigen Niveau - ich betrinke mich nicht, aber ich merke, dass ich inzwischen doch mehr oder weniger abhängig bin. Auch Essstörungen gehören seit meiner Kindheit zu meinem Leben.

So, das war jetzt das Jammern! Ich möchte es aber eben nicht dabei belassen. Ich mache eine Gesprächstherapie, bei der die Abstände dazwischen aber immer sehr groß sind, da ich oft zu wenig Zeit finde und da mir andererseits auch bewusst ist, dass sie mir immer nur Impule geben kann - die eigentliche Arbeit muss und möchte ich alleine schaffen. Ich habe hier irgendwo das Stichwort "Ressourcen" gelesen - auch für mich ein sehr wichtiger Begriff. Aber es gibt Zeiten, da gehen eben auch diese Ressourcen irgendwann mal zu Ende oder werden zumindest äußerst knapp.

Ich bin nicht mehr auf dem Tiefstpunkt meiner Depression. Und trotzdem empfinde ich mein Leben bzw. meine Lebensfreude als "chronisch sehr eingeschränkt".

Dass ich gerade unter diesem Thema geschrieben habe, das ja eigentlich zeitlich gesehen schon überholt ist liegt daran, dass ich zwar 120 km entfernt von München wohne, aber mehr oder weniger regelmäßig dort zu tun habe. Es müssen aber auch keine persönlichen Begegnungen entstehen - würde mich einfach über jede ermutigende Antwort freuen (und solche auch, wenn ich kann, selber an Betroffene geben).

Lieber Gruß

Anima

P.S.: Ich hatte diesen Beitrag ursprünglich unter dem bereits erwähnten Thema geschrieben, aber jetzt denke ich, das war doch keine so gute Idee - vielleicht liest das ja niemand mehr, da zeitlich ja schon überholt... Sorry also für diese Wiederholung!
Emily
Beiträge: 1217
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Nachträglich zum "Forumstreffen München"

Beitrag von Emily »

Hallo Anima,

willkommen im Forum.
Kennst du denn die Auslöser und Ursachen deiner Depr.? Und wie erlebst du die Therapie? Oft ist es schwer, die Auslöser zu erkennen und zu verändern. Aber die Mühe lohnt sich.
Erzähle einfach mehr, sofern du magst.

Grüße von
Emily
lebenwollen
Beiträge: 33
Registriert: 11. Jun 2005, 16:11

Re: Nachträglich zum "Forumstreffen München"

Beitrag von lebenwollen »

Hallo Emily,

vielen Dank, dass du geantwortet hast und danke für deinen Willkommensgruß.

Du fragst mich nach den Auslösern und Ursachen für meine Depression. Ja, ich glaube, dass ich über beides mittlerweile Einiges weiß. Aber irgendwie hab ich auch echt ein Problem, meine ganze "Leidensgeschichte" hier raus zu jammern - mittlerweile bin ich ja auch nicht mehr so sehr emotional verstrickt darin sondern sehe mehr die rationale Ebene. Was natürlich nicht heißt, dass der emotionale Leidensdruck durch die Depression nicht teilweise sehr groß ist. Das klingt jetzt widersprüchlich, aber ich kann es nicht anders ausdrücken - vielleicht wird ja im Lauf meines Hierseins noch manches verständlicher.

Die Auslöser sind halt immer wieder akute belastende Ereignisse, seien es längere Zeiten der "Dürre" in meiner Ehe oder sei es der tragische Unfalltod eines sehr lieben Freundes von uns im letzten Sommer. Er war für mich eine große Stütze, und als diese dann wegfiel, bin ich so tief in die Depression hineingerutscht wie noch niemals zuvor.

Die (möglichen) Ursachen zu erklären, das dauert etwas länger, und ich habe immer Angst, dann auch als die große Jammerin dazustehen. Aber ich möchte versuchen, es mal ganz nüchtern-psychologisch zu erklären -soweit es sich mir erschlossen hat und soweit ich richtig liege mit meinen Erkenntnissen.

Ich denke zum einen, dass ich eine gewisse familiäre Veranlagung dazu mitbringe: Meine Mutter war eine emotional äußerst labile Frau (ich kann nach so langer Zeit nicht mehr beurteilen, ob das Depressionen waren), und auch meine älteste Schwester ist wegen Depression in therapeutischer Behandlung und nimmt ein Medikament. Wobei natürlich schwer zu sagen ist: Was ist genetische Veranlagung und was ist einfach das "Lernen am Modell" (meiner Mutter).

Ein weiterer ursächlichen Faktor, der jetzt speziell mich betrifft, liegt in meiner sehr frühen Kindheit: Ich erkrankte im Alter von sechs Monaten lebensgefährlich, musste für ein halbes Jahr ins Krankenhaus und war somit während dieser ganzen Zeit von meinen Eltern und meinen damals drei Geschwistern getrennt, ohne sie auch nur ein einziges Mal sehen zu können - das wurde damals (im Gegensatz zu der Besuchspraxis heute) in den Krankenhäusern so gehandhabt (ich bin ja 47 Jahre alt). Meine Mutter erzählte mir oft, dass ich hernach keinen aus der Familie mehr erkannte, und ich habe während meiner ganzen früheren Kindheit in der Angst gelebt, nur ein adoptiertes Kind zu sein (ein Blödsinn, wie ich mir später natürlich selber erklären konnte, denn meine Eltern hatten am Ende ja insgesamt sechs Kinder, und das Geld reichte ohnehin hinten und vorne nicht für uns).

Ich weiß nicht, ob du schon mal was von der Bindungstheorie von John Bowlby gehört hast, aber falls sie zutrifft (und das denke ich), liegt in dieser frühen, langen Trennung von meiner Familie sicher auch ein Schlüssel zum Verstehen meiner psychischen Probleme, die sich durch mein ganzes Leben ziehen.

Wie ich aber schon in meinem ersten Beitrag geschrieben habe, möchte ich nicht den Rest meines Lebens in dieser depressiven Stimmung verbringen. Und ich muss sagen, dass auch die Tatsache, dass ich selber drei Kinder habe, manches von meinen Verletzungen zumindest abgemildert hat. Aber das Defizit an Lebensfreude ist irgendwie chronisch geworden - kein Wunder nach so langer Zeit.

Medikamente möchte ich keine mehr nehmen - ich will es mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln anders, auf meine Art, versuchen. Das ist schwer und bedeutet jeden Tag wieder aufs Neue sich zu motivieren, manchmal auch ohne Erfolg, wenn die Schwere zu intensiv ist. Aber ich versuche eben solche Dinge wie körperliche Bewegung (siehe auch meinen Beitrag an Kroki unter "Laufen gegen die Depression").

Liebe Emily, das war jetzt viel auf einmal - vielleicht zu viel, das täte mir Leid. Aber ich bin ja neu hier und war bisher noch ein völig unbeschriebens Blatt.

Nun danke ich dir fürs geduldige Lesen, und es würde mich auch interessieren, wie dein Weg (und natürlich auch der von anderen) verlaufen ist / verläuft.

Mit lieben Grüßen -

Anima
Emily
Beiträge: 1217
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Nachträglich zum "Forumstreffen München"

Beitrag von Emily »

Hallo, liebe Anima,

falls du mich anmailen magst, antworte ich dir per Mail. (Profil ist offen, die e-mail-Addy erscheint, wenn du das Kopfsymbol über dem Nick anklickst.)

Grüße,
Emily
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