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Schritt ins Unbekannte

Verfasst: 25. Apr 2005, 20:29
von albert
Was habe ich?
Zeitweise eine Wut, einen großen Zorn.
Und ich weiß, dass es mir nichts nützt.
Da steht eine Aufgabe vor mir, riesengroß,
es erscheint mir lösbar, aber zu welchem Preis?
Muss ich dafür lebenslang die Opferrolle spielen?
Und ich sehe meinen Zustand,
das zweite Haus hat Löcher,
ich selbst werfe einen Ziegelstein auf das Dach,
und ein großes Loch ist da. Autoagression.
Ich bessere das Loch aus,
sehe mir alles an
und merke meine Anfälligkeit,
meine Gebrechlichkeit als Zerbrechlichkeit,
wie das Dach herunterfällt.
Ich zögere nicht,
baue sofort alles wieder auf wie neu.
So geht es in einem fort und
Die Bedrohung von außen erscheint immer wieder.

Ich gehe mit den beiden Schutzengeln zur Seite
Zum dritten Haus,
gehe mit ihnen hinein.
Wirklich, ich stehe nicht auf dem Dach,
dort wo ich gefährdet bin zum Stürzen.
Stress, wo bist du geblieben?
Bin ich jetzt stabil?
Ich gehe zur Tür hinein
Zusammen mit den Schutzengeln
Hinein in das hell erleuchtete Haus.



Meine Stimmungsschwankungen: an einem Tag fühle ich mich gehoben, dann wieder gedrückt. Ich fühle mich unter Druck. Da spielen Termine eine Rolle. Ich möchte meine Pläne sortieren und muss sie doch entsprechend den Terminen anordnen. Fernziele – Nahziele
Einen Teil habe ich am Wochenende abgearbeitet, ich fühle mich entlastet, aber darf mir nicht zuviel aufhalsen.
Eine Entscheidung zu treffen über Umzug und das Wegwerfen oder das Verkaufen von Habe.
Nicht nur das Opfer sein und leiden. Aber: ich habe behauptet, seit drei Jahren ohne Depri-Schub zu sein. In dieser Zeit habe ich Schrott gesammelt. Sammeln und nicht Wegwerfen-wollen ist ein Symptom der Depression. Bin ich immer noch depressiv?

Ich kann wieder aufstehen, und das zerstörte Haus wieder aufbauen, ausbessern.
Ich kann wieder neu anfangen, nach jedem Zusammenbruch,
nach jeder Beschädigung.

Wo ist mein Wissen und Können gefragt?
Wo kann ich mich stellen in Auseinandersetzungen um die Sache?
Wer ist bereit, sich dieser Auseinandersetzung zu stellen?
Bin ich im falschen Film oder im falschen Land?

Die Behörden erfüllen ihren Auftrag, die Ordnung aufrecht zu halten. In dieser Ordnung zählt die Durchsetzungsfähigkeit, die Arbeit ist machtorientiert.
Der Regelbruch als Abweichung von der anerkannten Norm gilt als Störung der Ordnung und wird sanktioniert. Neue Regeln müssen deshalb außerhalb der Ordnung in inselartigen Räumen erprobt und ausgearbeitet werden.
Wenn aber auf den Inseln nur auf Ordnung gehalten wird und Abweichungen von gültigen Regeln stets von oben genehmigt werden müssen, bedeutet das Erstarrung. Neues wird erstickt. Dann gilt es, neue Inseln aufzubauen, falls es gelingt, den Schritt ins Unbekannte zu wagen.
Würde ich in eine Institution der Ordnung eintreten oder mich anbinden lassen, müsste ich riskieren, dass ich wieder verletzt werde. Ich erinnere mich mit Schauder der letzten Verletzung, welche Anstrengung und die Hilfe durch eine Gruppe es bedurfte, Heilung zu finden. Eine Verletzung bedeutet einen Zustand der Hilflosigkeit und der Bedürftigkeit. Ich muss mir von anderen helfen und mich stützen lassen. In diesem Zustand der Hilfsbedürftigkeit kann ich anderen nicht helfen. Aber in der Hilfe für Menschen liegt die Berufung. Deshalb will ich mich nicht immer wieder neu verletzen lassen.

Also suche ich mir als Arbeitsplatz eine Institution, in der das Risiko der Verletzung minimal ist. Es nützt mir nichts, auf Veränderungen in Institutionen zu hoffen. Denn das Problem ist die Grundhaltung der Institution.

Re: Schritt ins Unbekannte

Verfasst: 7. Mai 2005, 19:44
von Liebling
Hallo Albert,

es stimmt schon, daß man in der Depression mehr Eigenliebe entwickeln muß, als ein gesunder Mensch, sich Ruhepole schaffen um Kontinuität zu erleben. Die Zuverlässigkeit wiederkehrender Vorgänge, die Sicherheit der manchmal garnicht so negativen Monotonie. Aber vor Gefühlen ob negativ oder positiv, kann und soll man sich nicht dermaßen schützen, daß einem deren Tiefe und Erfahrung ganz und gar abhanden kommen. Ein befristeter Rückzug sollte das Maß bestimmen und sich nicht zu einer Kapitulation entwickeln.

Re: Schritt ins Unbekannte

Verfasst: 8. Mai 2005, 19:18
von albert
Hallo Corinna,

du hast einige Dinge erwähnt, die ich hier mehr als einmal angesprochen habe, nur mit anderen Worten oder in anderem Zusammenhang. Ich versuch mal, es von einer anderen Seite anzugehen und frage:
was führt mich zu neuen Depressionen und
was hilft mir, neuen Depressionen vorzubeugen.
Ein Blick auf meine Situation ist unumgänglich: ich bin bipolar II, also manisch-depressiv mit Betonung auf die Depression. In Zeiten mit depressiver Grundstimmung wirken berufliche oder private Verlusterlebnisse als Auslöser für Depressionsschübe. Weitere Merkmale sind eine erhöhte Empfindsamkeit und damit Verletzbarkeit sowie eine geringe Belastbarkeit bei Betriebsabläufen. Damit hoffe ich, meine persönliche Ausgangslage umrissen zu haben.
Der andere Teil betrifft die Vorbeugung. Jeder Psychiater wird mir die Phasenprophylaxe empfehlen. Tatsächlich habe ich bis heute kein Psychopharmakon eingenommen. Ich lasse dahingestellt, ob der Krankheitsverlauf bei mir schwächer als normal ausgeprägt ist, oder ob ich bisher einfach nur Glück gehabt habe.
Wenn ich mich in den letzten vier Jahren tatsächlich stabilisiert habe, frage ich, worauf das zurückzuführen ist. Ich führe dazu die folgenden Punkte an.
Bearbeitung der akuten Probleme in der Selbsthypnose auf der unbewussten Ebene.
Pflege von Hobbies zur Entspannung, viel Bastelarbeiten.
Routinearbeiten, sei es eine Probe auswerten nach einem Standardverfahren.
Möglichkeit, mich in einem Fluchtraum zurückziehen zu können gegen die Erwartungen im strukturierten Umfeld.
Kapitulation wirkt als Fremdwort fast beschönigend. Stattdessen gebrauche ich hier das deutsche Wort Unterwerfung. Letzteres widerstrebt aufs Äußerste meinem Drang nach Unabhängigkeit. Als freiberuflicher Sachverständiger bin ich durch die Industrie- und Handelskammer gehalten, unabhängig zu arbeiten. Insofern habe ich kein Verständnis für die Versuche aus Behörden, persönliche Abhängigkeitsverhältnisse zu Freiberuflern zu schaffen. Das geht oft auf die feine Art vor sich. Als Sachverständiger bin ich der Wahrheit verpflichtet und sitze zwischen den Stühlen. Die Folge ist das Leben in der Opferrolle, um die Unterwerfung zu vermeiden. Zum inneren Zusammenhalt der Gesellschaft bedarf es des gegenseitigen Vertrauens und das ist nur erreichbar mit dem offenen Aussprechen von Wahrheiten.
Der normale Mensch strebt nach Erfolg und mehr Einkommen. Ich frag mich, wie viel Bedeutung das für mich hat. Mein Streben geht eher nach Wahrheit und Transparenz und das macht mich für viele Betriebsvorgänge untragbar. Gibt es tatsächlich einen Fluchtraum?
Herzliche Grüße
Albert