Was darf man sich von einer VT erwarten?

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Thuja
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Thuja »

Liebe Sandra!

Nein, also doof bist Du ganz bestimmt nicht!
Und Du kannst sicher Deinem "Bauchgefühl" trauen, wenn Du meinst, nicht "wirklich" mit ihm reden zu können. Da wär' vielleicht doch ein Therapeutenwechsel besser...
Bezüglich dem, was in einer VT passiert oder passieren sollte, den Ablauf, kann ich Dir nichts sagen, das habe ich nie gemacht.
Aber wenn ich meiner Ärztin zwischendrin ein Fax schreibe, wenn ich 'was dringendes losbringen muß, schreibe ich immer dazu, wenn's eher für sie noch eine "Info" (eben etwas, was ich da nicht klar genug hatte zum reden oder so) zum letzten Termin ist oder eben 'was anderes, für mich grad' extrem wichtiges, wo ich eine Antwort brauche. Und im letzteren Fall kriege ich auch immer ein Antwort-Fax. Ansonsten ist mein Fax dann immer Thema beim nächsten Termin, sie vergißt das nicht!
Und bei meiner Therapeutin ist's ähnlich, wenn's 2 Tage vor der nächsten Therapiestunde ist und die Antwort vorher nicht "brennt", schreib' ich's ihr dazu, aber ich kriege dann auf jeden Fall eine Rückmeldung, daß sie mein Fax gekriegt hat!
Und diese Art Reaktion ist für mich professionell, ich will ja niemanden "zumüllen", ich schreib' ja auch nur, wenn's für mich wirklich grad' dringend WICHTIG ist, wo ich das Gefühl hab', ich kann's entweder später nicht mehr so genau "fassen", das muß ich gleich formulieren, oder ich stecke eben so zwischendrin, daß ich da dringend irgendwo noch einen "Festhaltehaken" brauche...
So etwas würde ich Dir wünschen!

Ganz liebe Grüße
Annette
Emily
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Emily »

Liebe Sun,

von einer guten VT kannst du dir in etwa folgendes erwarten:
- die krankmachenden Denk- und Verhaltensmuster werden nach und nach aufgedeckt, intensiv besprochen und die Gründe dafür, warum sie eben krank machen, werden aufgedeckt,
- es werden gesündere Denk- und Verhaltensmuster vorgestellt, angedacht und ausführlich besprochen,
- der Patient übt unter behutsamer Begleitung des Therapeuten die neuen Denk- und Verhaltensmuster ein,
- Fehler und Rückfälle, die dabei häufig vorkommen, werden jeweils thematisiert und besprochen,
- der Patient fühlt sich von dem Therapeuten ernst genommen, unterstützt und begleitet,
- alle auftretenden Fragen werden angesprochen, sowohl von der Seite des Therapeuten als auch von Seiten des Patienten,
- der Patient hat das Gefühl, auch schwierige Fragen stellen zu können und Kritik äußern zu dürfen,
- er kann evtl. Fehleinschätzungen des Therapeuten ansprechen und richtigstellen,
- auf diese Weise wird er von der Hilfe des Therapeuten immer unabhängiger, nimmt sein Leben wieder selbst mehr in die Hand,
- die Therapiestunden bestehen aus harter Arbeit, nicht aus Smalltalk.
Es gibt sicherlich noch mehr Kriterien, die ich nicht mehr alle im Gedächtnis habe, aber die obigen erschienen mir damals als wichtig.

Inwieweit die einzelnen Kriterien auf deine eigene VT zutreffen, kannst nur du alleine überprüfen und hinterfragen. Eine klare, ehrliche Bestandsaufnahme ist oft hilfreicher als ein Dahindümpeln, mit dem man immer unzufriedener wird, weil man nicht weiterkommt.

Liebe Grüße,
Emily
Emily
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Emily »

Liebe Sun,

wenn das alles so schlecht läuft für dich, und du verständlicherweise mit der Arbeitsweise deines jetzigen Therapeuten sehr unzufrieden bist, dann könntest du folgende Möglichkeit in Erwägung ziehen: Einen neuen Therapeuten suchen und solange noch bei dem jetzigen bleiben, bis die neue Therapie beginnen könnte. So hättest du keine therapielose Zeit zu überstehen, oder zumindest nicht solch eine lange.

Ich kann mir leicht vorstellen, dass dir davor graut, alles nochmals von Anfang an erzählen zu müssen. Dem könntest du dadurch zumindest teilweise entgehen, indem du alle deine Erkenntnisse, Erfolge und Misserfolge aus den vorangegangenen Therapien so exakt und so komprimiert wie nur möglich aufschreibst, um diese Notizen zu gegebener Zeit einem neuen Therapeuten vorlegen zu können.

Was ich auch gut verstehen kann, ist deine Verunsicherung, die sich darin zeigt, dass du annimmst, du wärest "zu dumm", um mehr Therapieerfolge zu haben. Dabei ist das überhaupt nicht der Fall, sondern du bekommst eben zu wenig Anleitung, Hilfestellung und Rat. Es nutzt auch nichts, in den Therapiestunden immer wieder die gleichen Fragen anzusprechen, die schon x-mal angesprochen wurden. Es müssen breite Themenbereiche angesprochen und analysiert werden. Dazu ergeben sich dann auch zwangsläufig ganz verschiedene Fragestellungen, das ist zumindest meine Erfahrung.
Rede dir nicht ein, du wärest nicht intelligent genug, um Therapieerfolge vorweisen zu können. Der Therapeut muss die Therapie leiten, begleiten, führen und immer wieder kritisch hinterfragen. Wie er das mit häufigem Schweigen, Smalltalk und den stets gleichen Fragestellungen erreichen will, ist mir leider schleierhaft....

Lass dich nicht unterkriegen, sondern überlege, ob eine Neuorientierung sinnvoll sein könnte. Und wenn du zu dem Ergebnis kommen solltest, dass dem so wäre, dann ziehe das durch - zu deinem eigenen Besten.

Gruß,
Emily
Emily
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Emily »

Liebe Sandra,

>>> ich weiß ehrlich gesagt nicht,ob ich das schaffe,und mir nochmal einen Therapeuten suchen werde.Was denkt denn dann der neue Thera,wenn er schon der dritte ist?
Hmm, gute Frage, was denkt der wohl...? Also mir wäre das heute vollkommen egal, was der in einem solchen Falle denkt. Wenn seine Therapie so fragwürdig aufgebaut wäre wie diejenige, die du hier schilderst, wäre mir das sogar noch "egaler", ehrlich gesagt. Der Therapeut, der mir geholfen hat, war übrigens mein 4. Mir ist natürlich völlig klar, dass man irgendwann die Nase voll hat, aber was nutzt einem das, wenn man Hilfe braucht und haben möchte?


>>> Zu meinen jetzigen Thera weiß ich nicht ob ich am Dienstag gehen werde,da ich Angst habe vor seiner Reaktion.Ich glaube ich würde das nicht verkraften,wenn er mich dort nieder macht.Ich kann ihn einfach nicht einschätzen,und ich weiß nicht wie er reagieren wird.
Gesetzt den Fall, er würde dich tatsächlich niedermachen für deine Kritik, dann wäre das noch ein weiteres Kriterium, das seine fehlende Kompetenz bestätigen würde. Ein kompetenter Therapeut lässt den Patienten immer seine Kritik äußern, spricht mit ihm darüber, hinterfragt diese Kritik etc. Aber er nimmt sie auf jeden Fall zunächst mal an, ohne den Patienten dafür niederzumachen. Denn Kritikfähigkeit ist für einen depressiven Menschen eben auch ein gutes Lernziel. Warum sollte das ausgerechnet in seiner Therapie dann keinen Platz haben dürfen?

>>> Mein Problem ist,das ich es immer allen Recht machen will,und immer versuche Nett zu sein,und auch versuche jeden zu verstehen,aber ich vergesse Mich dabei.
Das ist wohl in gewisser Weise auch eines der Denk- und Verhaltensmuster, die du ganz selbstverständlich erlernt und benutzt hast, ohne die Grenzen wahrzunehmen, die dieses Muster irgendwann haben muss. Gut, dass du das erkannt hast, daran wirst du vermutlich auch arbeiten müssen zu deinem eigenen Besten.


>>> Ich verstehe mich selber nicht mehr.Eine Zeitlang läuft alles gut bei mir,ich bin gut drauf,hab alles unter Kontrolle...und dann kommt wieder ein totales tief...Ich fühle mich wie ein Häufchen Elend,und verstehe nicht,warum ich mich nicht ändern kann.
Vielleicht war die Änderung nicht durchgreifend, raumgreifend und entschieden genug? Ich sehe die Sache mit den Tiefs heute so, dass man nach dieser Krankheit Depression schon den Anfängen der Tiefs wehren muss, damit sie sich gar nicht zu weit ausweiten können. Das lernt man übrigens auch in einer guten Therapie, und man lernt vor allem, WIE man die innere Befindlichkeit überprüfen, analysieren und selbstständig die nötigen Korrekturen vornehmen kann.

>>> Es ist aber wirklich so,das bei meinen Therapeuten nur Small-Talk herrscht,und ich einfach danach auch sauer bin,weil ich jede Woche sehr viel Sprit verfahre und auch alleine für die Hinfahrt eine halbe Stunde benötige.
Da wäre ich auch sauer, denn für Smalltalk wären mir meine Zeit und mein Geld zu schade.

>>> Und danach bin ich enttäuscht,hab eine Stunde verbracht seine Titel der Bücher in seinen Bücherregal zu lesen,und wir haben fast nicht miteinander geredet.Ich kann aber von alleine bei ihm nicht anfangen,und er sagt auch nichts.
Ich kann mich leider nur wiederholen: Das klingt nicht gut.


>>> Zu dem jetzigen Thera hab ich kein Vertrauen,und deshalb will ich ihn auch nichts von mir sagen,ich käme mir auch albern vor bei ihm über solche Themen zu sprechen.
Hmm, wozu geht man denn zu einem Therapeuten, wenn man die wirklichen Problempunkte gar nicht ansprechen mag, weil man ihm nicht vertrauen kann?

>>> Er ist auch echt ein "Witzbold". Wenn ich wirklich mal versuche ihm etwas zu erzählen was mir wichtig ist,und mich sehr belastet,kommt immer ein (für ihn) witziges Kommentar,das alles kaputt macht,und ich dann am liebsten aufspringen würde und aus der Tür laufen...
Auch das klingt wirklich nicht gut.

>>> Das kanns doch nicht sein,oder???
Gute Frage, die musst du dir leider selbst beantworten.... Die Konsequenzen sind hart (neuen Therapeuten suchen etc.), aber was sind die Konsequenzen, wenn du bei diesem Therapeuten bleibst?
Ich glaube, ich weiß ziemlich gut, wie dir zumute ist. Ich habe das alles ja auch dreimal hintereinander erlebt. Aber die Mühe, mich neu zu orientieren, hat sich letztlich gelohnt für mich.

Liebe Grüße,
Emily
Tim_Pfeiffer
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Tim_Pfeiffer »

Hallo sun,
also: Welchen Schluß ein Therapeut aus solchen Informationen zieht, kann ich natürlich pauschal nicht sagen. Ich für meinen Teil habe schon mehrere Pat. gehabt, die vorher mehr oder minder lange z.B. in tiefenpsych. Behandlung waren und sich dann entschlossen haben, eine VT zu beginnen, weil sie z.B. eine stärkere Alltagsorientierung zur Bewältigung ihrer aktuellen Lebensumstände gebraucht haben.
Eine wichtige Frage, die ich mir stellen würde ist: Was erwartet die Pat. von der Therapie? Ist das kompatibel mit meinen Vorstellungen als Therapeut (z.B. auch, was die Gestaltung der therapeutischen Beziehung angeht), woran macht die Pat. (in Ihrem Fall) das mangelnde Vertrauen fest? Ist es vielleicht Bestandteil des Problems, dass es schwer fällt Vertrauen zu fassen? Oder - und natürlich gibt es das auch - stimmt die Chemie zwischen Therapeut und Pat. nicht. Allerdings könnte es sein, dass die Kasse in einem solchen Fall Probleme macht, denn eigentlich sind ja die 5 probatorischen Sitzungen dazu vorgesehen, sich über viele der o.g. Fragen Gedanken zu machen, eine Therapieplanung zu machen und einen ersten Behandlungsplan und (als VTler) ein erstes Bedingungsmodell aufzustellen.

Ist das ansatzweise eine brauchbare Antwort???

Viele Grüße
Tim Pfeiffer
Tim_Pfeiffer
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Tim_Pfeiffer »

Liebe Sandra,
ist gar nicht nervig... Es gibt unterschiedliche Phasen, in die sich ein therapeutischer Prozess einteilen läßt. Das ist natürlich nur eine der vielen Modellvorstellungen - diese (an einem Herren namens Kanfer orientierten) Phasen sind aber in Kombination mit dem Begriff "Selbstmanagement" bei VTlern eigentlich sehr populär. Naja - viel zu theoretisch... Ich werde 'mal versuchen, das kurz und einfach darzustellen. Diese 7 Phasen der Selbstmanagement-Therapie bieten einen möglichen Rahmen (neben vielen anderen!!!) für eine Therapie, der für Pat. und Therapeut den Vorteil bietet, dass beide in der Regel wissen, wo sie sich gerade befinden und die Therapie damit auch hinsichtlich des möglichen Fortschritts "überprüfbar" wird, d.h. beide ggf. gegenlenken können und sich immer wieder überlegen, ob das, worüber man gerade spricht, auch mit dem aktuellen "Therapieauftrag" übereinstimmt. Die sieben Phasen sind:
1. Eingansphase: Schaffung günstiger Arbeitsbedingungen, Rollenstrukturierung, Bildung einer kooperativen Arbeitsbeziehung (therapeutische Allianz), Screening von Eingangsbeschwerden und Erwartung, optimale Gestaltung der Therapiesituation
2. Aufbau von Änderungsmotivation und vorläufige Auswahl von Änderungsbereichen
Nutzung von Motivationsbedingungen, Reduktion von Resignation, spezielle Motivierungsstrategie, Ziel und Wert-Klärung und vorläufige Auswahl von Änderungsbereichen
3. Verhaltensanalyse und funktionales Bedingungsmodell: situative Verhaltensanalyse (Bedingungsgleichung), kontextuelle Verhaltensanalyse (inwieweit ist Verhaltensweise durch übergeordnete Pläne bestimmt usw.), erstellen eines funktionalen Bedingungsmodells
4. Vereinbaren therapeutischer Ziele: Klären von Therapiezielen, Zielanalyse
5. Planung, Auswahl und Durchführung spezieller Methoden, Planung spezieller Maßnahmen, Entscheidung über spezielle Interventionen, Durchführung der Maßnahmen
6. Evaluation therapeutischer Fortschritte:
kontinuierliche Diagnostik, Prä- Postevaluation, zielabhängige E. des Einzelfalls
7. Endphase: Erfolgsoptimierung und Abschluß der Therapie: Stabilisierung und Transfer, Arbeit an restlichen Ansatzpunkten oder neuen therapeutischen Zielen, Erlernen von Selbstmanagement als Prozess, Ausblenden der Kontakte, Abschlußfeedback

Das ist natürlich ein sehr "optimiertes" Vorgehen, das in der Praxis sicherlich einiger Anpassungen bedarf - aber eigentlich sollte jeder Pat. das Recht haben, über den Therapieverlauf (oder wenigstens dessen Konzept) und das "Angebot", das der Therapeut machen kann (Was bietet er an Hilfe nach welchem Konzept an?) zu informieren.

Ich weiß aber von mir selbst, dass das oft kürzer kommt als man selber wünscht...

Viele Grüße
Tim Pfeiffer
Julimond
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Julimond »

Hallo Sun,

es ist ziemlich schwierig, auf einzelne, mehr oder weniger aus dem Kontext heraus gerissene Sätze ("Sie sind ja soooo lieb...") einen Kommentar abzugeben. Du hast ja selbst gemeint, dass Du viel zu nett bist und vielleicht stößt er Dich deshalb immer wieder (zugegebenermaßen auf ziemlich blöde Art) darauf.

Dass er Dir auf Deine Mail nicht geantwortet hat und nicht einmal ein klitzekleine Reaktion darauf gezeigt hat, wie z.B. habe Mail erhalten, nehme es als Thema für die nächste Stunde auf, finde ich persönlich nicht in Ordnung.

Ich finde auch, dass Du auf Dein Bauchgefühl hören solltest und das, was Dich stört, ansprechen solltest. Sonst kann echt kein Vertrauen entstehen. Und zwar sollte nach meiner Ansicht so lange eine Auseinandersetzung über das, was nach Deinem Dafürhalten nicht gut läuft, erfolgen, solange es aus Deiner Sicht nötig ist. Schließlich geht es um Dich und der Therapeut verdient auch an Dir. Es ist sein Job. Wenn er das nicht verträgt, dann ist er nicht der Richtige.

Natürlich darf der Bogen auch nicht überspannt werden. Aber ich erinnere mich, dass Du in früheren Beiträgen beschrieben hast, wie schlecht es Dir geht und ging. Es geht also einzig und allein um Dich. Und glaube mir bitte eines, durch eine Auseinandersetzung mit dem Therapeuten kann man wachsen und man lernt auch streiten, wenn es ein guter Therapeut ist.

Hoffentlich helfen Dir meine Worte.

Ganz liebe Grüße
D.
Julimond
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Registriert: 17. Nov 2004, 09:20

Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Julimond »

Hallo Sandra,

wie geht es Dir jetzt? Ich habe gerade in Ruhe Deine Nachricht durchgelesen und war entsetzt. Dir hilft das natürlich nicht unbedingt, aber vielleicht doch der Gedanke, dass jemand an einem PC Dich ganz ganz fest drückt. Ich kenne solche Nächte in ähnlicher Weise auch und ich weiß, wie besch***** es einem danach geht. Ich dachte immer: "Ich fühl' mich wie vergewaltigt." Depressionen hatte ich dann "natürlich" auch im Anschluss und Essanfälle (ohne Erbrechen). Ich denke, dass solche Reaktionen "normal" sind, denn das war ja purer Streß und der wird abreagiert. Es ist aber sicherlich die falsche Art des Abreagierens. Mein Vater z.B. rennt dann zwei Stunden durch den Wald und treibt Sport und schwitzt sich den ganzen Streß aus dem Leib. Das ist auf jeden Fall gesünder.

Eigentlich - wenn ich richtig informiert bin - müsstet ihr in der Verhaltenstherapie genau solche Alternativen zum Erbrechen oder bei mir zu den Essanfällen erarbeiten und dann ihre Anwendung ausprobieren. Hat Dein Therapeut jemals schon so etwas getan? Soviel ich weiß, ist nämlich genau das einer der Punkte, weshalb die VT so "erfolgreich" bei der Behandlung psychischer Erkrankungen ist.

Ich finde auch, dass Du nicht ganz so streng mit Dir sein darfst. Wenn Du Dich dreimal übergeben hast, dann ist das halt passiert. Das hört sich jetzt einfacher an als es ist, und vielleicht hört es sich so an, als ob ich Dein Problem herunterspielen möchte. Aber das ist nicht so. Je mehr Du Dich anschließend unter Druck setzt und womöglich noch bestrafst, desto eher wirst Du wieder erbrechen. Ich kenne das über die Essanfälle. Es ist wichtig, anschließend liebevoll mit sich umzugehen.

Mit meinem VT-Therapeuten habe ich auch schon hin und wieder über die Essanfälle gesprochen. Wir haben so herausgefunden, dass es wichtig ist, erste Signale zu bemerken - bei mir geht bspw. eine große Unruhe voraus und ein Gefühl von absoluter Gier - und dann zu beobachten, welche Gefühle und Gedanken ablaufen. Auf einer amerikanischen Seite über Binge Eating (das habe ich) stand mal als Manual drin, dass man sich bei einer solchen aufkommenden Gier auf den Boden oder aufs Bett/Sofa etc. legen soll und dann in sich hereinhorchen soll und vor allen Dingen, den unterträglichen Moment aushalten soll. Denn er geht vorbei, ähnlich einer Panikattacke. Blöd ist bei mir nur, dass das nicht bedeutet, dass dieser Spannungszustand dann komplett weg ist, er kann dann später wieder kommen und dann kann es auch zu einem Essanfall kommen.

Wichtig ist dann nur, jemanden zu haben, mit dem man über diese Situationen sprechen kann und über die Gefühle, die da waren. Und es ist nicht gut, dass Du das bei Deinem Therapeuten nicht kannst. Wie lange gehst Du denn schon zu ihm?

Die Beschreibungen über Deinen Therapeuten sind wirklich nicht gut. Bemerkenswert finde ich, dass Du ihm das aber sagst, also nicht wie ein kleines Mäusle in der Ecke sitzt und stumm vor Dich hinleidest, sondern Deinen Mund aufmachst und sagst, was Dich stört - mit ihm Tacheles redest. Ich tue mich z.B. mit so etwas sehr schwer und Negatives zu äußern und nicht nett und lieb zu sein, ist für mich eine große Herausforderung. Falls Du ähnlich gestrickt bist, müsste das ein großer Fortschritt in Deiner persönlichen Reife sein.

Wenn Du Dich gar nicht wohl fühlst bei dem Therapeuten (und das mit der Backerei ist total blöd), dann ist es sicher besser auch zu wechseln.

Ach je, ich könnte noch ewig schreiben, aber das ist auch anstrengend zu lesen. Auf jeden Fall hoffe ich, bald wieder von Dir zu hören. Und bitte sieh auch, dass das Geschriebene meine Ansichten und Meinung sind, ich kann mich also auch täuschen, aber das wäre ohne böse Absicht.

LG Julimond
Emily
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Emily »

Liebe Sandra,

setz dich erst einmal hin, trinke einen Kaffee oder Tee und versuche dich zu beruhigen. Dann schaue dir in Ruhe an, was dieser Mann gesagt hat: Seine Worte sind doch völlig falsch und inkompetent. Man kann auch sagen: "blöd". Ehrlich gesagt wundert es mich nicht weiter, dass diese Therapie so zu Ende gegangen ist. Aber du kannst froh darüber sein, denn von einem solch unfähigen Therapeuten, der dich ständig nur nach den schon/noch nicht gebackenen Keksen fragt, kannst du dir einfach keine Hilfe erwarten. Binde dir das aber bitte nicht selbst ans Bein, es ist sein Versagen, nicht deins! Das muss man klar trennen, sonst zieht man sich am Ende diesen Schuh auch noch an, und das ist ganz und gar nicht hilfreich. Leider neigen solche Therapeuten dann zu allem Überfluss auch noch dazu, dem Patienten dieses selten dämliche Wort "untherapierbar" hinzuwerfen, obwohl sie m. E. genau wissen, dass viele Patienten sich in ihrem mangelnden Selbstwertgefühl dieses Wort sehr zu Herzen nehmen werden. Menschlich gesehen ist es in meinen Augen einfach nur mies, dem Patienten dann quasi die Schuld an dem Scheitern der Therapie zu geben, jedenfalls macht es sich der Therapeut auf diese Weise sehr einfach. Er weist damit jede Verantwortung von sich, obwohl er vermutlich sogar ganz genau spürt, dass er mit seiner sog. "Therapie" völlig falsch lag. Zieh dir diesen Schuh aber bitte nicht an, das ist der beste Rat, den ich dir nach ähnlichen Erlebnissen geben kann!
Versuche diese Ereignisse erst einmal zu verkraften und klarer einzuordnen. Dann wirst du nach ein paar Tagen oder Wochen mit etwas Abstand merken, wie dieser Hase gelaufen ist. Und dann überlege neu, was du tun könntest. Aber lass dich auf keinen Fall von seinen Worten entmutigen. Wie dieser Mann vorgegangen ist, ist ein ganz mieser Stil.

Gruß,
Emily
Julimond
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Julimond »

Ich kann mich Emily nur anschließen. Es tut mir sehr Leid, dass Du nach der letzten Nacht nun auch noch das erleben musstest.

Untherapierbar - pah! Vergiss das ganz schnell. 60 Stunden tiefenpsych. Behandlung sind doch gar nicht sooooo viel, sondern sogar ziemlich wenig, oder (ich hörte mal von 200 Stunden, die möglich sind)? Und Du hast darin Fortschritte gemacht, denn früher hast Du viel mehr erbrochen als jetzt, nicht wahr? So schnell geht das halt alles nicht, das weiß aber jeder! Siehst Du, was für ein Vollidiot das war? Man fragt womit der seinen Titel verdient hat.

Gib nicht auf, nimm Dir Zeit und den Abstand, den Du brauchst. Und bitte übernimm' nicht die Verantwortung für das Verhalten dieses inkompententen Vollidiotens. Du hast keine "Schuld", es liegt nicht an Dir.
Nico Niedermeier
Moderator
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Nico Niedermeier »

nicht zu stark ärgern...Sun...auch unter Ärzten, Psychologen und Psychotherapeuten gibt es so manchen schwierigen Kandidaten..

herzliche Grüsse
Dr. Niedermeier Nico
Julimond
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Julimond »

Hallo Sun,

jetzt bin ich aber echt erleichtert, dass Du Dich schon positiver anhörst. In jedem Job gibt es Schwachmaten. Man fragt sich zwar, wie die durch’s Studium gekommen sind, aber … hak's ab. Wenn Du magst, kannst Du ihn auch im Geist mit Schimpfnamen bewerfen und Dir ausmalen, was Du ihm alles an den Kopf werfen würdest, wenn Du die Möglichkeit dazu hättest. Oder stelle ihn Dir in Unterhosen und schwarzen Socken (die bis zur Mitte des Schienbeines reichen, selbstverständlich) vor…, oder was immer Du magst.

Wegen der „Unfall-Theorie“ Deiner Eltern: Wenn Du dieser Glauben schenkst, kann es Dir nur schlecht gehen. Aber ich verstehe natürlich, dass es in Zeiten, in denen es einem nicht so gut geht, solche Killerphrasen hoch kommen. Glaube mir bitte: Wenn es Dich nicht hätte geben sollen, gäbe es Dich nicht auf dieser Welt. Es gibt Menschen, denen Du viel bedeutest und die Dich lieben und mögen. Was willst Du dann mit einem Menschen, Deinem Vater, der seinen Verstand in Alkohol ertränkt. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es einen fassungslos macht, wenn Eltern einem so etwas an den Kopf schmeißen, aber das ist der sehr kranke Anteil in ihnen, der durch den Alk nur noch degenerierter wird.

Ich drück’ Dich ganz doll.

LG Julimond
Frauschlotterbeck
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Frauschlotterbeck »

Sehr geehrter Herr Pfeiffer,

was ist wenn man dringend eine Therapie benötigt und es Niemand gibt der Erfahrung hat mit Traumatherapie.

War zweimal in einer Psychosomatischen Klinik für viele Wochen, einmal 15 und einmal 6.
Da wurde mir immer geraten, weiter mit ambulanter Therapie zu machen.

BfA lehnt einen weiteren Klinikaufenthalt ab, Gutachter,der mich nie gesehen hat,stellt fest ich brauch keine Therapie mehr.

Leide unter Posttraumatischen Belastungsstörungen, nach jahrelangem Missbrauch in der Kindheit und Suizid von Ehemann vor 7Jahren.

Phobie vor körperkontakt und schweren Depressionen.

Bin aber berufstätig und habe selten Ausfallzeiten.
Dadurch nehme Krankenkasse und BfA mir würde es gut gehen.

Ich würde mir so sehr wünschen endlich wieder ein halbwegs normales Leben zu haben.

Danke für alle Antworten im Voraus
Es geht aufwärts hat die Maus gesagt.............



als sie von der Katze die Treppe raufgetragen wurde
Tim_Pfeiffer
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Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Tim_Pfeiffer »

Liebe Juliane,
leider ist die Suche nach der "richtigen" Therapeutin oder dem "richtigen" Arzt für viele Betroffene ein Spießrutenlauf. Probatorische Sitzungen bei verschiedenen Therapeuten und die freie Arztwahl ersetzen nun einmal nicht die Mühseligkeit, die es vor allem depressiv erkrankte Menschen kostet, sich immer und immer wieder aufzuraffen und ggf. wieder enttäuscht zu werden.
Auf der anderen Seite gibt es wahrscheinlich nur wenige Dinge, bei denen sich für die Betroffenen eine so starke Erleichterung einstellt, wie der Erfolg dieser Suche.

Die Kombination von Depressionen und Traumata ist an sich so selten nicht und ich bin mir sicher, dass es auch für Sie den richtigen/ die richtige Behandler(in) gibt.

Für die Kostenträger sind tatsächlich die Fehlzeiten oftmals der einzig "gültige" Indikator für die Gesundheit eines betroffenen Menschen - das ist sicherlich eine sehr eingeschränkte Perspektive, die nur allzu oft die wichtige strukturierende Funktion von Arbeit vernachlässigt. Viele Patienten gehen auch noch mit letzter Kraft zum Arbeiten, weil es Ihnen einen "Sinn" gibt und den Tag strukturiert.

Die Finanzierung einer ambulanten Behandlung ist relativ unabhängig von der Finanzierung einer stationären Behandlung - die Gelder kommen i.d.R. aus verschiedenen Töpfen, so dass Sie die Hoffnung auf eine ambulante nicht aufgeben sollten, weil Ihnen im Moment keine stationäre Behandlung gewährt wird.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Ausdauer bei der Suche nach einer geeigneten Anlaufstelle, die es sicher irgendwo gibt!

Viele Grüße
Tim Pfeiffer
Frauschlotterbeck
Beiträge: 267
Registriert: 17. Dez 2004, 19:29

Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von Frauschlotterbeck »

danke für die Antwort, sie hilft mir nur grade nichts.
Hab zurzeit einfach Angst, wieder so extrem ab zu stürzen, wie gleich nach dem Tod von meinem Mann, war danach Wochen in der geschlossenen Abteilung vom BKH, da will ich auf keinen Fall mehr hin.
Bin durch meine Phobie vor Körperkontakt sehr stark eingeschränkt.
Untersuchungen beim Arzt sind mir seit Jahren nicht mehr möglich. Kino,Theater,Bahnfahren sowieso nicht.

Aber mir geht es ja so gut, Hauptsache ich arbeite und falle Niemand zur Last.
Am Besten ich wäre garnicht erst da.

Sorry, wollte nicht jammern, aber so gehts mir zur Zeit grade.
Kraft und Ausdauer habe ich keine mehr,es reicht grade so um den Alltag zu bewältigen

Grüsse und Danke, seinen Frust von der Seele schreiben hilt ja auch manchmal ein bischen
Es geht aufwärts hat die Maus gesagt.............



als sie von der Katze die Treppe raufgetragen wurde
flora80
Beiträge: 3620
Registriert: 24. Mär 2003, 18:48

Re: Was darf man sich von einer VT erwarten?

Beitrag von flora80 »

Liebe Juliane!

Meines Wissens nach wird ein Klinkaufenthalt in einer psychiatrischen Klinik auch von der Krankenkasse bezahlt und muss nicht von der BfA genehmigt werden. So war es jedenfalls bei mir. Frag doch noch einmal bei deinem Arzt nach, wie das genau ist. Zumindest hättest du dann die Chance, noch einmal stationär aufgenommen zu werden. Ansonsten ist es mit ambulanter Therapie so, wie Herr Pfeiffer das schon geschrieben hat. Vielleicht hast du ja auch eine enge freundin oder so, die dir die rumtelefoniererei abnehmen könnte???

Lieber Gruß,

Flora
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