Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Xenia
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Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Xenia »

Liebes Forum,

ich bin ja jetzt schon eine ganze Weile hier im Forum dabei. Die meisten Postings finde ich auch richtig gut, merkt man doch, daß die meisten hier sich schon einmal mit dem Thema Depression sowie dem dazugehörigen Kram intensiv beschäftigt haben. Ich denke auch, daß die meisten hier Therapieerfahrung haben.

Was mich jedoch ein wenig wundert ist, daß es keinen thread gibt, in dem die Beziehung zwischen Therapeut und Patient diskutiert wird. Deshalb will ich mal damit anfangen, obwohl ich gestehen muß, daß auch ich mich lange nicht getraut habe, dazu zu schreiben.

Meiner Meinung nach ist die Beziehung zwischen dem Therapeuten und dem Patienten ausschlaggebend für den Erfolg der Psychotherapie. Erst wenn sich eine Vertrauensbasis zwischen beiden entwickelt hat ist es doch überhaupt erst möglich, an das „Eingemachte“ zu gehen, finde ich. Ich muß mir sicher sein, daß mein Therapeut mir glaubt und das, was ich erzähle auch aushält. Okay, bei mir ist es vielleicht noch ein wenig komplizierter wegen der Zweitdiagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung. Für mich ist es sehr wichtig, daß der Therapeut mich auch als Menschen sieht und nicht nur als Inhalt einer Diagnose oder als Konglomerat von Symptomen. Ist es denn nicht so, daß jeder Depressive auch Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich hat und sich irgendwann aus der Realität verabschiedet, wenn nicht schon vorher der „Freundeskreis“ sich verabschiedet hat? Über Freunde wurde hier im Forum ja viel geschrieben und es kam doch immer wieder durch, daß viele Beziehungen aufgrund der Erkrankung kaputtgehen, sei es aus Überforderung der anderen, sei es aus anderen Gründen.

Ich zum Beispiel habe extreme Schwierigkeiten in Beziehungen, vielleicht liegt das an der Borderline-Störung, vielleicht liegt es aber auch ganz einfach an meinem Charakter bzw. meinen Ansprüchen und Lebenseinstellungen. Spielt im Endeffekt auch nicht so eine große Rolle. Deshalb nutze ich die Beziehung zu meinem Therapeuten, mit dem ich aktuelles bespreche und die zu meiner Trauma-Therapeutin auch als Übungsfläche. Ich möchte lernen, Beziehungen auszuhalten, aufrechtzuerhalten und was es da sonst noch so gibt.

Typisches Beispiel ist eine Streit-Situation oder wenn ich den Therapeuten wütend gemacht habe durch irgendwelche Verhaltensweisen oder Sprüchen. Für mich ist es die Hölle, wenn eine solche Situation entsteht, ich merke ja sehr genau, wann etwas nicht mehr stimmt. Ich meine, mein Therapeut kann mir nicht viel vormachen, ich merke es, wenn er sich verstellt. In solchen Momenten bekomme ich die totale Panik, daß die Beziehung beendet ist, abgebrochen durch meinen Therapeuten. Erst neulich ist mir so etwas passiert. In diesem Zustand fange ich an, zu denken (und leider auch behaupten), daß alles, was mein Therapeut gesagt hat, nicht stimmt. Daß er mich angelogen hat und sowieso keinen Bock hat, mit mir zu sprechen. Daß er es halt macht, weil er damit sein Geld verdient. Ach, ich habe mit meinem Therapeuten deswegen dreimal ein längeres Gespräch gehabt. Ich wollte einen Beweis dafür, daß ich ihm wichtig bin und daß er mit mir spricht, weil er es gerne tut.

Natürlich gibt es keinen Beweis dafür. Das mußte ich im letzten Gespräch dann auch zugeben.

Was ich auch extrem wichtig finde ist Authentizität meines Therapeuten mir gegenüber. Er soll nicht so tun, als sei er mir zugewandt, wenn er gerade einen schlechten Tag hat, weil vielleicht sein Auto kaputt ist oder er Ärger mit dem Oberarzt hatte. Natürlich will ich auch nicht, daß er dann seine schlechte Laune an mir ausläßt. Aber wie soll ich über wichtige und intime Dinge sprechen, wenn ich merke, daß mein Therapeut gerade ganz woanders ist und ich ihm gerade total auf die Nerven gehe. Dann sollte man die Stunde lieber beenden und einen neuen Termin ausmachen, finde ich. Das finde ich gut, wenn ein Therapeut auch mal sagen kann, daß der Patient gerade total nervt.

Es gibt bestimmt noch viele wichtige Aspekte, die mir jetzt aber nicht einfallen. Vielleicht könnt Ihr noch welche ansprechen?

Nun aber mal zu meinem eigentlichen Grund, diesen thread zu eröffnen: Was ist, wenn sich ein(e) Patient(in) in ihren Therapeuten verliebt bzw. denkt, sie oder er sei verliebt? Wie kann das passieren, was denkt Ihr? Liegt es am Therapeuten oder an der Patientin oder an beiden? Und wie kommt man da wieder „raus“, ohne die Therapie abbrechen zu müssen?

Meine Situation ist folgende:

ich habe das Gefühl, in meinen stationären Therapeuten, zu dem ich auch ambulant einmal wöchentlich gehe, verliebt zu sein (wie manche von Euch wissen, bin ich gerade in der Psychiatrie wegen einer fetten Depression). Natürlich weiß ich, daß ich im Grunde gar nicht weiter darüber nachdenken brauche, da sich sowieso nichts entwickeln kann. Zum einen, weil er verheiratet ist und vor kurzem Vater wurde, zum anderen weil ich finde, daß es nicht richtig ist, wenn sich die therapeutische Beziehung (auch nach Beendigung der Therapie) in eine Liebesbeziehung entwickelt. Denn ich will eigentlich nicht, daß mein Partner all das von mir weiß, was mein Therapeut weiß. Zumindest soll die Beziehung nicht so beginnen. Ich bin auch der Meinung, daß ich für meinen Teil es nicht schaffen würde, die therapeutische Beziehung zu „vergessen“. Mal ganz davon abgesehen, daß ich meinen Therapeuten halt als Therapeuten kenne. Was weiß denn ich, wie er zu Hause ist? Vielleicht hat er ja Angewohnheiten, die ich absolut hasse. Oder vielleicht ist er ja total langweilig.

Aber obwohl ich das alles weiß und ja sooo gut reflektieren kann, kann ich momentan nur wenig an meinem Empfinden ändern. Ich weiß und empfinde aber dennoch, daß er unerreichbar für mich ist. Und das tut mir so weh, ich würde am liebsten schreien, „es zerreißt mir das Herz“, dieser Ausdruck paßt gerade.

Ich weiß, daß ich das ansprechen muß, wenn ich will, daß die Therapie in normalen Bahnen läuft. Aufgrund meiner Verlustängste wird das die Hölle für mich. Ich habe auch überhaupt keine Ahnung, wie ich dieses Thema ansprechen soll. Klar, mein Therapeut wird deshalb wohl nicht die Therapie abbrechen. Aber sicherlich wird sich ganz viel ändern; er wird wohl viel distanzierter sein. Wobei ich wieder beim Ausgangsproblem bin: Kann eine Therapie gelingen, wenn die Beziehung nicht paßt? Ich kann nämlich nicht Therapie machen mit Therapeuten, die so distanziert sind, daß ich keinerlei Gefühlsregungen mitkriege.

So, das ist jetzt ein zu langer Text geworden, finde ich. Aber kürzen möchte ich ihn auch nicht mehr.

Ich würde mich freuen, wenn über dieses Thema diskutiert werden könnte, Eure Meinungen und Erfahrungen interessieren mich, auch wenn Ihr noch nie in einen Therapeuten verliebt wart. Insbesondere würde mich die Meinung von Dr. Niedermeier interessieren.

Dieser thread soll so etwas wie ein Meinungsaustausch werden, es geht mir gar nicht so sehr darum, gut gemeinte Hilfestellungen zu bekommen.

Ich bin gespannt, ob sich was daraus entwickelt. Übrigens: ich bin generell neugierig und super ungeduldig....

Gespannte Grüße von Eurer Xenia
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




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Gabu
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Gabu »

Hallo Xenia,

also ich kann im Moment nur von damals sprechen, von der Zeit als ich eine Therapeutin hatte.
Sie war eine Frau, der ich mit den Monaten/Jahren, wirklich mein ganzes Leben anvertraut hatte und der einzige Mensch damals, dem ich auch Vertrauen konnte.
Manchmal dachte ich, dass ich sie lieben würde......wie eine erste Frau in meinem Leben, die meine Liebe verdient hätte. Es gab wirklich Zeiten, da hätte ich mir gewünscht sie sei meine Partnerin und bei mir Tag und Nacht. Als ich dann viel zeit später meinen jetzigen Mann kennenlernte konnte ich mich von ihr lösen und mir wurde bewusst, dass es keine Liebe war, sondern nur genau das was mir bisher niemand geben konnte: Vertrauen, Verständnis und eine Person die einfach zuhören kann)))

Ob mein Mann diesen Part wirklich übernommen hat, stelle ich heute etwas in Frage. Ich liebe ihn sehr und doch fühle ich mich viel zu oft unverstanden und das gabs bei meiner Therapeutin halt net.

Grüssle
Gaby
Leben und Leben lassen
igel
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von igel »

Hallo Xenia!

Du bist ausserordentlich sprunghaft. Ich habe auch generell die Tendenz, mit jedem verschmelzen zu wollen.

"Die Angst vor dem Alleinsein und die Notwendigkeit, alles unter Kontrolle zu haben":

Die Angst vor dem Alleinsein ist das Motiv einer ständigen Suche nach dem einem, dem richtigen Partner, der umsorgt, gibt, immer da ist, die innere Leere füllt, die eigene so instabile Identität ersetzt. Diese Angst zwingt Menschen Menschen mit einer Borderline-Beziehung jedoch auch dann zur Aufnahme einer Beziehung, wenn diese von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Die Angst vor dem Alleinsein, vor dem Verlassenwerden, macht manchmal unterwürfig bis zur Selbstaufgabe.

Besonders intime, enge partnerschaftliche Beziehungen bedeuten eine Belastungsprobe, die nicht selten ihre Fähigkeit zur Nähe-Distanz-Regulierung überfordert. Einerseits brauchen sie Nähe, enorme Nähe, um ihre eigene innere Leere und das Fehlen einer eigenen stabilen Identität durch einen anderen "Ganz-nahe-stehenden" auszugleichen.

Siehe Dein Verhältnis zum Therapeuten doch einmal unter diesem Aspekt. Anhand dieser Beziehung sollst Du idealerweise ja gerade diesen Konflikt, den Du jetzt hast, anders, zufriedenstellender lösen als sonst.

Ich weiss, eigentlich willst Du gar keinen Rat. Aber Du hast Angst, weil Du nicht weisst, was gerade vor sich geht. Aus Angst, irgendwann wieder vom Therapeuten "verlassen" zu werden, willst Du Dich vertricken.
igel
Xenia
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Xenia »

Hallo,
vielen Dank für Eure Postings. Ich denke, daß es fast normal ist, zum Therapeuten eine total enge, nahe Beziehung aufzubauen.

Mir ist auch ganz klar, daß ich nicht wirklich in ihn als Mann verliebt bin, da ich ihn im Grunde ja gar nicht kenne. Was weiß ich schon aus seinem Privatleben?? Familienstand, Kind und noch ein paar Dinge mehr. Ich hatte ja auch schon geschrieben, daß ich es eigentlich nicht möchte, mit meinem Psychiater in die Kiste zu springen oder so. Es ist die Beziehung, die es schwierig für mich macht.

Igel hat ganz recht mit dem, was er?/sie? schreibt. Diese ganze Beziehung ist Übungsfeld für die Realität. Das weiß ich schon. Und auch die Schwierigkeiten der Nähe-Distanz-Regelung kenne ich nur allzu gut.

Er ist jetzt gerade im Urlaub für drei Wochen. Mit meiner Freundin habe ich vorhin darüber gesprochen, daß es vielleicht gut so ist. Es entsteht wieder mehr Distanz, da er absolut nicht verfügbar für mich ist. Und auch diese ganze Scheiße, die ich früher aus Verzweiflung gemacht habe, um meiner Therapeutin zu zeigen, wie sehr sie mir wehtut, möchte ich auf gar keinen Fall zulassen.

Aber dennoch denke ich, daß ich diese Gefühlssache in der Therapie ansprechen sollte. Er wird mich sicherlich nicht fallenlassen, wenn ich ihm von meinen Gefühlen erzähle. Dann wäre er ein schlechter Therapeut (was er aber nicht ist). Die Angst vor einem Beziehungsabbruch kommt von einer anderen Seite, die eben mit total dysfunktionalen Verhaltensweisen zu tun haben. Verhaltensweisen, die mich vorübergehend mal auf die "Geschlossene" gebracht haben.

Da ich ja meine BPS nicht umsonst habe (ha, ha) wird es für mich verdammt hart werden, darüber zu sprechen. In meinem System muß es dann nämlich zwangsläufig zu einem Beziehungsabbruch kommen. Aber ich habe die große Chance, an einer Beziehung zu arbeiten, wenn ich darüber spreche. Und ich weiß im Grunde, daß ich ihm wichtig bin und er mich mag. Aber er liebt mich natürlich nicht, wenn das der Fall wäre, dann hätte er die Therapie mit Sicherheit abgebrochen. Ich denke auch, daß wir gut darüber sprechen können, wenn ich es schaffe, den Mund aufzumachen. Wir kennen uns schon länger und kommen normalerweise sehr gut miteinander aus. Er kann mich sehr gut einschätzen, vor allem, was ich vertrage an Themen und was mich zu sehr runterreißt. Da hat er ein gutes Gefühl für mich.

Ja, Igel, Du hast Recht, Angst vor dem Verlassenwerden, was zwangsläufig auf mich zukommen wird. Es stimmt auch, daß ich momentan nicht so die Kontrolle über das, was passiert mit mir habe. SAg' mal, Igel, wieso kennst Du Dich eigentlich so aus mit Borderline-BEziehungen?

Freue mich auf Antworten und überhaupt auf Beiträge!
Liebe Grüße, Xenia
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




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igel
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von igel »

Liebe Xenia!

Bin im Rahmen meiner Depression auf das Thema Borderline gestossen. Nicht, weil ich nach etwas gesucht habe, dass "passt", sondern Schritt für Schritt weil es da bei mir so etwas wie einen roten Faden gibt.
Ich begreife auch meine Depression und Agoraphobie/Panikstörung als Symptom von etwas.

In meiner tiefenpsychologischen Therapie werden mir zusätzlich die verheerenden Mechanismen in der Familie bewusst.

Ich fühlte mich durch deinen Beitrag wegen der Beziehung zum Therapeuten auf Anhieb angesprochen, weil ich in anderen Bereichen im Moment auch wieder verstärkt mit dieser Angst vor dem Verlassenwerden kämpfe. Habe Probleme damit, vergangene Verlusterlebnisse nicht auf das Hier und Jetzt zu übertragen und sie regelrecht herbeizuorakeln. Was stellt "man" nicht alles an, um das Verlassenwerden zu verhindern!?

Ich möchte Dir eine meiner Therapiesituationen schreiben:

Als ich die Therapie anfing, bin ich schon mehrere Monate nicht mehr rausgegangen, war nur noch zu Hause. Meine Therapeutin hatte mir die Aufgabe gegeben, jeden Tag eine halbe Stunde Fahrrad zu fahren. Mir war das aber zuwider und ich habe es natürlich nicht gemacht. Hatte dann tagelang Angst, dass sie die Beziehung abbrechen würde, wenn ich ihr sage, dass ich mich nicht an die Aufgabe gehalten habe. Dachte dann an meine Mutter, und rief sie an, um zu testen, wie sie reagiert. Die hat natürlich rumgemotzt und bei mir kamm dieses altbekannte Gefühl von Liebesentzug wegen Nichterfüllung von Aufgaben. Ich wollte dann meine Therapeutin anlügen, weil ich ja diese Angst hatte, dass sie mich dann nicht mehr behandeln will.

Ich habe ihr dann bei der nächsten Sitzung gesagt:"Und eins sage ich ihnen gleich: ich bin nicht Fahrrad gefahren!" Es war o.k.

Das ist so banal, aber ich gerate immer wieder in solche Situationen, insbesondere in meiner Familie. Und dann kommt die Wut, weil meine Mutter nicht damit aufhört, mich zu manipulieren und mich ständig zu missbrauchen als irgendeinen Ersatz. Sie verlangt doch tatsächlich, dass ich meinen Vater (sie sind jetzt getrennt) stellvertretend für sie auf den Pott setze. Wenn ich ihr dann sage, das ist nicht meine Aufgabe, kommt sie mit:"ich habe für meine Kinder schliesslich auch das letzte Hemd gegeben."

Ich lerne ja jetzt erst, mich abzugrenzen. Habe bisher gar nicht gewusst, dass ich auch Grenzen habe. Und ich muss andauernd aufpassen, das ich das nicht vergesse.

Oft kann ich es auch nicht lassen, mich immer wieder zu vertricken. Da gehe ich mit mir ziemlich gewalttätig um....
igel
Xenia
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Xenia »

Hallo Igel,

zuallererst mal: was heißt "vertricken"? Ich kenne das Wort überhaupt nicht und kann mir auch nichts aus dem Zusammenhang herleiten. Bin ich zu alt geworden für die aktuelle Sprache? Oder wohne ich einfach nur nicht im "Geltungsbereich" dieses Wortes? Egal, ich würds trotzdem gerne wissen.

Die Situation in der Therapie, die Du geschildert hast, hätte auch von mir sein können. Ich war auch oft im Zweifel, ob ich, wenn ich eine Hausaufgabe nicht gemacht habe oder irgendwelchen Quatsch angestellt habe, nicht lügen soll bzw. die Geschichte erst gar nicht erwähnen. Denn mir war immer klar, daß die Beziehung dann abgebrochen werden wird, da ich meine(n) Therapeuten ja so wahnsinnig enttäusche. Totaler Quatsch. Okay, wenn die Therapie schon länger geht, kann es auch mal Ärger geben, wenn ich mich dysfunktional verhalte. Aber das ist dann zumeist gerechtfertigt. Aber das mit dem Beziehungsabbruch ist so in mir drin, daß ich diese Angst immer wieder aufs Neue habe. Das kotzt mich natürlich an. Und immer wieder mache ich Realitätsüberprüfung, wie lange soll das denn noch gehen, bis ich es kapiert habe? Mittlerweile denke ich, daß ich diese Angst wohl nie loswerde. Ich meine, ich habe nicht grundlos diese blöden Verlassenheitsängste und ich habe auch nicht einfach so die BPS. Auch meine bipolare Störung stört mich im zwischenmenschlichen Bereich ganz schön. Und in manischen oder hypomanen Phasen habe ich auch schon Beziehungen zerbrechen lassen. Ich kann nämlich sehr fies werden, leider. Und die Beziehungen, die ich in diesen Zuständen geknüpft habe, die zähle ich eigentlich nicht zu den "wirklichen" Beziehungen. Ich habe auch zu niemandem mehr Kontakt, den ich in diesen Zuständen kennengelernt habe. Meistens waren es sowieso irgendwelche Typen, die mich in die Kiste "gezerrt" haben. Aber auf dieses Thema will ich hier nicht weiter eingehen.

Okay, Beziehung zwischen Therapeuten und Patienten.

>Habe Probleme damit, vergangene Verlusterlebnisse nicht auf das Hier und Jetzt zu übertragen und sie regelrecht herbeizuorakeln. Was stellt "man" nicht alles an, um das Verlassenwerden zu verhindern!?<

Ach je, das stimmt, was findet man nicht alles um das Verlassenwerden zu verhindern oder wenigstens zu verschieben... Was natürlich völliger Quatsch ist, an einer Beziehung festzuhalten, die es eigentlich nicht mehr gibt. So etwas gibt es natürlich auch in einer Therapie. Meine letzte Therapie war von solchen Aktionen geprägt. Immer, wenn meine damalige Therapeutin in Urlaub ging oder ins Ausland zum Forschen für ein paar Wochen, habe ich die Krise gekriegt. Und das, obwohl wir Telefonkontakte für diese Zeit ausgemacht hatten. Wenn sie weg war, hieß das irgendwie für mich, daß ich mich mindestens einmal verletzen mußte. Und bei ihrem letzten mehrwöchigen Auslandsaufenthalt trieb ich das ganze so weit, daß ich mich plötzlich in der Medizinischen Klinik an Monitoren wiederfand. Diese Zeit, es waren ungefähr 1,5 Tage, fehlen mir immer noch im Gedächtnis.

Das muß man sich mal vorstellen, meine Therapeutin war der wichtigste Mensch für mich auf Erden und trotzdem mußte ich so einen Scheiß machen! Die Therapie haben wir dieses Jahr im Februar beendet, u.a. wegen solchen Aktionen und weil ich seit letztem September eben eine Depression habe. Sie konnte meine Krisen nicht mehr aushalten. Ich auch nicht. Aber heute haben wir ein gutes Verhältnis zueinander, alle paar Wochen treffen wir uns mal und trinken einen Kaffee zusammen. Sie ist mir nämlich immer noch wichtig. Wir waren damals auch beide der Meinung, daß wir die Therapie beenden sollten.

Und auch jetzt, da mein derzeitiger Therapeut im Urlaub ist, muß ich total dagegen ankämpfen, ihn für sein Weggehen zu bestrafen. Oder was ich sonst damit bezwecke, keine Ahnung. Kurz bevor er in Urlaub gegangen ist (3 Tage vorher) bin ich so ausgeflippt, daß er mich für ein paar Stunden auf der Geschlossenen geparkt hat. Und dann, als er weg war, konnte ich mein Wochenende natürlich auch nicht normal verbringen... Das hat er zwar nicht mehr mitgekriegt, wird die Geschichte aber trotzdem auf seinem Schreibtisch wiederfinden...

Und diese Verhaltensweisen sind natürlich nicht unwesentlich an meinen Verlustängsten beteiligt. Ich denke dann, daß es meinem Therapeuten jetzt dann zu bunt ist, um noch weiter Therapie mit mir zu machen.

Diese Sachen hier öffentlich zu machen, ist gar nicht so einfach, weil ich mir natürlich total blöd vorkomme und denke, ich sei die einzige, die solche Probleme hat...

Bis bald, hoffentlich kommt 'ne Antwort...
Grüße, Xenia
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




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igel
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von igel »

Guten Abend, Xenia!

Du bist hier mit Sicherheit nicht die Einzige....

Mit verstricken meine ich, dass ich mich unbewusst in irgendwelche Rollen zwängen lasse. Insbesondere in der Familie übernehme ich aus Angst vor Liebesentzug oder sonstigen Strafen verschiedene Rollen,z.B. Partnerersatz für meine Mutter, beste Freundin meiner Mutter, Mutter meiner Mutter, Partnerersatz für meinen Vater, Vater für meinen Vater, Sündenbock für meinen Bruder.Das wurde mir in meinen Rucksack gepackt und bislang dachte ich auch, dass das normal ist. Ich muss leider auch feststellen, dass ich selbst hin und wieder Leute manipuliere.Und wenn die nicht machen was ich will, kriegen sie einen Arschtritt oder ich fange auch mit Entzug von Aufmerksamkeit an. Das alles mache ich aber ja nur aus Angst, verlassen zu werden. So nach dem Motto:"lieber schon mal vorbeugen". Das sind für mich die Vertrickungen. Ich will das gar nicht, aber oft genug passiert es automatisch, weil mein Unterbewusstsein eben ALARM meldet.

Aber wenigstens gelingt es mir schon, diese Situationen - wenn auch erst im nachhinein - zu erkennen und zu begreifen, dass ich wieder schiefgelaufen bin, nicht die anderen.

Selbstschädigendes Verhalten: Darunter fällt ja nicht nur Schneiden oder Ritzen. Auch eben zum Beispiel instabile Beziehungen oder das Festhalten an solchen, übermässiges Geldausgeben o.ä. fallen ja darein.Ich habe in einem anderen Thread schon geschrieben, dass ich an meinem Daumen eine Stelle habe, die ich immer wieder aufkratze. Zur Beruhigung, wenn ich die innere Spannung nicht mehr aushalten kann.

Xenia, ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob das hier der richtige Ort ist zum Austausch.Was meinst Du? Aber andererseits steht ja im Vordergrund auch die Depression.

Gruss,
igel
Faustus
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Faustus »

Hallo Xenia !


Ich hoffe, Du kannst die neue "Freiheit" ausserhalb der Klinik geniessen ohne dass sich dabei erneute Aengste aufbauen.

Ich habe lange ueberlegt, was ich zu diesem Thema schreiben koennte. Ich habe schon ein paar Therapeuten "verschlissen", einige waren sehr schnell unten durch weil sie z.B. mit Esoterik daherkamen. Meine erste "richtige" Therapeutin, mit der ich 3 Jahre lang eine tiefenpsychologische Gespraechstherapie machte, war ziemlich kuehl und distanziert. Wir haben uns z.B. gesiezt. Ich habe mich daran gewoehnt und mir gedacht, Therapeuten muessen so sein um kein zu grossen Bindungsverhaeltnis zum Patienten aufzubauen. Eben weil dieser irgendwann wieder alleine weiterleben muss. Liebesgefuehle hatte ich zu ihr nie (sie war auch mindestens 20 Jahre aelter), wohl aber war sie ein ruhender Pol, wenn ich mal wieder aufgekratzt war. Deswegen habe ich sie trotz ihrer Kaelte in angenehmer Erinnerung.

Mein Therapeut hier in England ist eher kumpelhaft. Wir nennen uns beim Vornamen (ist aber im Englischen haeufig ueblich) und das "Sie"-Problem gibts ja auch nicht im Englischen. Obwohl er ein Verhaltenstherapeut ist, der nicht so in der Tiefe bohrt, merke ich wie er sich auf mich einstellt, etwas mehr in die Tiefe zu gehen. Auch merke ich wie er leidet wenn ich mal wieder von einem Absturz berichten muss. Ich glaube nicht, dass es Schauspielerei ist - auch wenn ein Therapeut wenn der Patient die Praxis verlaesst sich selbst klarmachen MUSS, dass es nicht seine Probleme sind (sonst wuerde er sehr bald nicht mehr arbeiten koennen und selber zum Patienten). Ich werde ihn sogar privat nach Hause einladen, allerdings aus astronomischen Gruenden, er interessiert sich stark dafuer.

Nun, abgesehen von Liebesgefuehlen habe ich also schon viele Nuancen bei den Therapeuten durchgemacht. Das Problem ist, dass ein Therapeut einerseits die menschliche Naehe und Vertrautheit braucht, um an jemanden heranzukommen. Dazu mag es auch gehoeren, mal jemanden in den Arm zu nehmen und zu troesten. Schwierig wird es in der Tat, wenn sich daraus patientenseitig ein Liebesgefuehl entwickelt. Ich glaube, eine Beziehung mit einem verstaendnisvollen Partner ist ein wichtiges Elixier, Depressionen zu ueberwinden. Aber nicht nur der Therapeut ist verstaendnisvoll, sondern es gibt auch Mitmenschen die hierfuer in Frage kaemen. Schwierig ist nur, auf solche zu treffen, gerade wenn man durch seine Depression daran gehindert wird. Ein Teufelskreis. Der Therapeut steht dagegen als verstaendnisvoller "Partner" in exponierter Stellung.

Eine Patentloesung fuer Dein Problem gibt es bestimmt nicht. Ich wuerde in solch einer Situation dem Therapeuten reinen Wein einschenken. Klar ist das bitter, denn wahrscheinlich wird der Therapeut danach Distanz aufbauen, um diese Gefuehle abzuschwaechen. Aber abbrechen wird er die Therapie wahrscheinlich nicht - schliesslich ist das "outen" in dieser Beziehung ja auch ein Vertrauensbeweis.


Ich wuensche Dir, dass sich eine Loesung abzeichnet, die langfristig gut fuer Dich ist. Wie diese Loesung auch immer aussehen mag ... only time will tell.


Alles Gute,


Faustus
Teman
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Registriert: 5. Aug 2003, 14:12

Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Teman »

Hallo!
Meines Wissens haben die Therapeuten dafür geeignete Richtlinien, wie sie sich verhalten sollen, wenn der Patient sich verliebt. Außerdem werden sie diesbezüglich geschult und man kann schon erwarten, dass sie richtig damit umgehen können. Es ist doch normal, dass zunächst erst einmal Vertrauen aufgebaut wird und dadurch eine gewisse Nähe entsteht, aber zur Therapie gehört es auch, den Patienten das Loslassen beizubringen, schließlich muss er ja lernen, sein Leben auch ohne dem Therapeuten gestalten zu können. So jedenfalls ist mir das bekannt. Also, so ungewöhnlich ist das mit dem Verlieben nicht, ungewöhnlicher und nicht gewollt, sind sexuelle Beziehungen. Außerdem was soll das bringen, mit seinem Thera zu schlafen, es wird genauso schön oder schlecht sein wie mit jedem anderen auch. Dadurch werden die Depr. jedenfalls nicht besser, im Gegenteil, es entstehen nur neue, andere Probleme.
@Xenia:
Meiner Meinung nach ist es nicht so wichtig, dass der Therapeut dich auch an seinem Leben teilhaben lässt, im Gegenteil, das erzeugt eine Nähe, die gar nicht mehr heilsam sein kann. Deshalb muss er ja nicht gleich ohne Gefühlsregung sein. Aber Du stehst im Mittelpunkt bei einer Therapie und nicht der Therapeut.
Gruß Elifas
Xenia
Beiträge: 2051
Registriert: 20. Apr 2003, 12:31

Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Xenia »

Hallo Elifas,

Ich gebe Dir vollkommen recht: wenn ich als Patientin zu viel privates von meiner Therapeutin/meinem Therapeuten weiß, kann man die Therapie eigentlich knicken... weil, dann kann ich als Patientin nicht mehr alles so unbedarft ansprechen. Ich müßte dann aufpassen, ob ich nicht irgendeine wunde Stelle treffe... Ich hatte diese Situation (daß ich viel privates wußte) schon mal und das hat eher geschadet als geholfen.

Ich hoffe, Du hast mich nicht so verstanden, daß ich mir eine sexuelle Beziehung mit meinem Therapeuten wünsche! Nein, ich finde, daß so etwas ein Kunstfehler des Therapeuten ist, wenn er während oder vor oder danach eine sexuelle Beziehung zur Patientin beginnt. Ich denke: einmal Patientin, immer Patientin. Und damit basta! (Außerdem kommt noch erschwerend hinzu, daß ich so meine Probleme habe mit sexuellen Beziehungen, aber das ist ein ganz anderes Thema).

Eigentlich will ich in diesem thread nur lesen, was andere für Erfahrungen gemacht haben, wie sie íhre BEziehungen zu Therapeuten gestaltet haben usw.


Hallo Igel,

natürlich ist das nicht der richtige Ort zum Austausch über selbstverletzendes Verhalten. Ich muß in der Realität ganz stark kämpfen, um es nicht zu tun, daher will ich im Grunde auch nicht darüber schreiben. Aber es passiert doch immer wieder, weiß auch nicht so genau, wie das kommt...

Zu dem Rest Deines Postings brauche ich eigentlich nichts sagen; Du sagst genau das, was ich auch denke.

Liebe Grüße, Xenia
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
igel
Beiträge: 924
Registriert: 26. Jul 2003, 11:19

Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von igel »

Hallo Xenia,
hallo Faustus!

Ich glaube, in der therapeutischen Beziehung spiegeln sich die Schwierigkeiten wieder, die wir im Umgang mit Nähe und Distanz haben.

Wichtig ist doch zuerst, zu erkennen, dass es eben nicht nur in der therapeutischen Beziehung stattfindet. Um dann die ther. Beziehung als Übungsfeld ansehen. Der Therapeut spiegelt ja auch das eigene Verhalten wieder und zeigt durch sein Verhalten, wie wir angemessener reagieren könnten. Modellernen.

Faustus,

ich finde interessant, was Du bezüglich des Siezens schreibst. Fühlst Du Dich wohler, wenn Dich jemand Duzt? Mir geht es so, dass ich das gar nicht mag, weil mir dann jemand auch schnell zu nah kommen kann. Das Siezen schafft doch auch eine gewisse Distanz, die es mir erlaubt, auf meine eigenen Grenzen und auf die der anderen zu achten.

Bin gespannt auf Eure Meinung.

Gruss,
igel
Teman
Beiträge: 35
Registriert: 5. Aug 2003, 14:12

Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Teman »

Hallo Xenia und die anderen,

keine Angst, ich habe das nicht so verstanden, als ob Du eine sexuelle Beziehung zu deinem Thera wünscht. Aber manchmal entwickeln sich erotische Gefühle, ob man das will oder nicht. Ich kenne das Problem aus eigener Erfahrung und finde, dass es für eine erfolgreiche Therapie äußerst hinderlich ist. Ich habe dann nur noch versucht, dem Thera zu gefallen. Natürlich erzählt man ihm dann auch nichts, was einen selber belastet und nicht positiv darstellt und manchmal macht man auch auf Mitleid, weil man mehr seine Zuneigung spüren möchte. Das geschieht alles oft unbewusst. Eine distanzierte Beziehung halte ich deshalb genau wie Faustus für hilfreicher. Dabei ist es nicht ganz unwichtig, ob man sich siezt oder duzt. Ich würde mich nie von einem Therapeuten oder anderen *Helfer* duzen lassen.
Elifas
Annie
Beiträge: 176
Registriert: 16. Apr 2003, 20:01

Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Annie »

Hallo liebe Forumsteilnehmer,
ich bin zwei Jahre bei einem Psychiater in der Therapie gewesen, der mir außerdem sehr gefiel. Er ging mit mir kameradschaftlich um, was mir bei meinen Gefühlen für ihn im Nachhinein nicht gutgetan hat. Ich will damit sagen, daß ich ihm gefallen wollte und Dinge, die mir besonders zu schaffen machen, gar nicht erwähnt habe, den ich wollte für ihn "attraktiv" wirken. Erschwerend kommt hinzu, daß ich mich selbst nicht annehmen kann...

An meinem jetzigen Therapeuten hänge ich sehr, aber ich sehe eigentlich "nur" den Therapeuten. Manchmal überlege ich, ob ich ihn vielleicht als Freund (ich gebrauche "Freund" in seiner ursprünglichen Bedeutung) oder gar Partner überhaupt haben wollte. Ich kenne ihn ja nur in seiner ganz genau festgelegten Rolle und in der ist er mir sehr sympathisch. Vielleicht auch, weil ich praktisch nichts über ihn weiß, er ist wie eine leere Leinwand, auf die ICH malen kann, was mir gefällt. Wie er im wirklichen Leben ist, weiß ich überhaupt nicht, da er sehr professionell ist und sich durch nichts verrät. Mein vorheriger Psychiater konnte seine eigene Person von der des Therapeuten nicht so exakt abgrenzen.

Für mich mit meinem Nähe-Distanz-Problem ist dies sehr wichtig.
Viele Grüße
Annie
titanic
Beiträge: 362
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von titanic »

Hallo,
ich melde mich auch mal wieder zu Wort, weil ich mich von dem Thema ebenfalls angesprochen fühle, es geht bei mir zwar nicht um Liebesgefühle, aber um eine Art Abhängigkeit, mit der ich rumkämpfe. Es handelt sich um den äußerst sympathischen Psychiater, zu dem ich parallel zur eigentlichen Gesprächstherapie (Therapeutin) in verschiedenen Zeitabständen gehe.
Ich habe Angst davor, die hilfreichen Gespräche mit ihm finden eines Tages nicht mehr statt, er könnte wegziehen, die Klinik wechseln oder ähnliches. Bis jetzt habe ich es nicht fertig gebracht, mit ihm darüber zu sprechen. Auf der anderen Seite ergreife ich für mich selbst aber "Gegenmaßnahmen", will die Termine reduzieren und zeitlich auseinanderziehen,
will mich sozusagen selbst aus dieser Klaue der gefühlten Abhängigkeit befreien.
Ich denke, mir könnte es längst so gut gehen, dass ich die Gespräche nicht mehr brauche -schließlich bin ich AD-mäßig momentan gut eingestellt-, jedoch entwickele ich immer wieder irgendwelche Symptome, die wie ein Wiederhaken sind, sobald es scheint, dass der Stachel der Depression endgültig gezogen wurde........
Und dann kommen Schuldgefühle auf, etwas manipuliert zu haben, und mit diesen ein "Trennungsbestreben" meinerseits, doch die Symptome, die immer wieder variieren (u.a. auch SVV) führen dazu, dass er mich ohne einen neuen Termin gar nicht mehr ziehen lässt.
Auf der einen Seite bin ich dann erleichtert, weil ich dadurch Halt bekomme, auf der anderen Seite stört es meinen mir selbst auferlegten "Ablösungsprozess".
Dem Therapieende mit der Psychologin dagegen sehe ich eher gelassen entgegen, kann es mir gut vorstellen, dass nach Ablauf der 50 Stunden Schluss ist. Nachdem jetzt 30 Stunden überschritten sind, haben wir den Zeitraum zwischen den Terminen gedehnt.
So erreiche ich, dass die Begleitung zwar weniger intensiv, aber dafür noch etwas länger ist.
Vielleicht ist das ja für einige eine gute Möglichkeit, den "Therapeuten auszuschleichen", die Medikamente setzt man ja auch nicht von heute auf morgen ab.
Ich wünsche euch allen eine gute Zeit
Titanic
igel
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von igel »

Hallo Alle,

ich glaube in der ther. Beziehung geht es vor allem darum, das befürchtete Verlassenwerden von dem tatsächlichen Verlassenwerden zu unterscheiden. Und ich glaube und hoffe, dass uns der Therapeut/die Therapeutin erst verlässt, wenn wir das nötige Rüstzeug haben. Wann das ist, bestimmen bestenfalls wir. Bestenfalls verlassen auch wir den Therapeuten/die Therapeutin, nicht umgekehrt.

Tja, und dann gilt es noch, zwischendurch über die Steine zu klettern, die auf dem Weg liegen.

Das ist so anstrengend......
igel
Xenia
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Xenia »

Tja, ich habe einen Text auf Diskette, aber dieses bescheuerte Textprogramm will ihn einfach nicht hierher kopieren. Ich muß es vielleicht morgen nochmal versuchen. Schade.
Xenia
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
Unforgiven
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Unforgiven »

Hallo!
Ohne genauer zu beschreiben können, warum ich in Therapie bin möchte ich sagen, daß ich auch sowas wie verliebt bin/war/zu sein glaube in meine Therapeutin. Ich bin 21 und sie hat selbst 2 Kinder die in meinem Alter sind. Ich finde sie sieht noch sehr gut aus und da ich dieses Gefühl von Vertrauen und Zuneigung daß ich bei ihr spüre, sonst leider nicht allzu oft erfahren durfte glaube ich schon etwas in sie verliebt zu sein. Sexuell attraktiv ist sie dabei für mich auch. Natürlich weiß ich, daß da nichts draus werden kann, da sie wohl kaum mit so nem jungen Typ wie mir durchbrennen wird. Aber da ich glaube, daß eins meiner Probleme ist, Nähe nur in Form der Angst vor dem Verlust zu spüren, sehe ich die Therapie als gute Möglichkeit etwas daran zu ändern.
Dennoch hab ich mir auch öfter die Frage gestellt ob ich es ihr sage, aber eigentlich bin ich mir ja selbst nicht sicher...
Ich will leben, und ich lebe, wenn auch entgegen aller Logik (aus: Die Brüder Karamasow)
Xenia
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Xenia »

Hallo Forum!

Tut mir leid, daß ich erst jetzt antworte. Hatte keine Zeit und außerdem war’s mir zu heiß (fast 40° C); mein PC ist ja kaputt und ich muß daher z.Z. in ein Internetcafé gehen.

Ich habe mir jetzt die letzten Beiträge mit in die Kanzlei genommen und werde die Abwesenheit meiner Chefin dazu nutzen, Euch zu antworten. (Eigentlich hätte ich ja Berge von Arbeit.....)

Also, ich habe die Beiträge von Annie, Titanic, Elifas und Igel gelesen. Dabei ist mir eines aufgefallen: jede (auch ich) empfindet die Therapeuten-Patienten-Beziehung als schwierig. Auch im Hinblick auf die eigene „Grenzziehung“ und Wünsche an den Therapeuten, die aber kein professionell arbeitender erfüllen kann. Wenn ich für mich spreche, dann habe ich wohl den Anspruch an meinen Therapeuten, die netteste, die mit dem schlimmsten Schicksal habende zu sein. Außerdem will ich natürlich die Lieblingspatientin sein. Ich sag’ aber gleich dazu, daß ich diese Wünsche eher unbewußt habe und sie auch als unerfüllbar und vollkommen unrealistisch betrachte. Aber Elifas hat es schon geschrieben: Gefühle entwickeln sich und denen ist es egal ob ich sie haben will oder nicht. Ich denke, daß ich mir vom Therapeuten wünsche, daß er all das ist, was ich noch nie gehabt habe: verständnisvoll, empathisch, auf Rücksicht bedacht, helfend und natürlich auch irgendwie zärtlich....(oh Mann, das ist mir jetzt gerade voll unangenehm, so etwas zuzugeben).

Viele sehen in ihrem Therapeuten eher eine Vaterfigur, weil sie nie eine adäquate Beziehung zu ihrem Vater hatten. Ich glaube, daß das in der Therapie auch in gewissem Maße erwünscht ist. Ich habe in meinen Therapeuten bzw. Psychiatern noch nie eine Vaterfigur gesehen. Eigentlich waren sie entweder gar nichts (das galt dann auch für die Therapie) oder sie waren alles für mich. Und schließlich hat es sich so entwickelt, daß auch derselbe Therapeut entweder toll oder total ätzend ist. In letzterem Fall bilde ich mir ein, daß er mich anlügt, daß er in Wirklichkeit gar nicht mit mir arbeiten will, daß er mit seinen Gedanken ganz woanders ist und mich sowieso nicht ernst nimmt. Dieses Gefühl ist dann echt blöd für mich, weil ich mit dieser Sichtweise nicht hinterm Berg halte, sondern ihm all das vorwerfe. So sage ich z.B. „Sie sagen die Unwahrheit. Das was Sie sagen, ist gelogen.“ Und dann soll ein Therapeut noch die Nerven behalten und nicht ausrasten. Das ist dann sozusagen die Fortgeschrittenenübung für Psycho-Leute... Ich hatte auf Station so eine Phase. Irgendwelche Mitpatienten haben sich Sorgen gemacht, daß ich mir was antun könne. Aber anstatt mit mir darüber zu sprechen, war ich auf einmal Thema in deren Therapie. Und das hat mir mein Therapeut ein wenig vorgeworfen, von wegen ich würde demonstratives Verhalten an den Tag legen (später hat er sich dafür entschuldigt). Das hat mich total verletzt. In der Visite am folgenden Morgen habe ich dann auch um ein Gespräch gebeten, damit wir die Sache klären können. Wir haben dann fast zwei Stunden darüber gesprochen. Das hat dann auch kurzfristig geholfen, bis zu nächsten Visite. Da habe ich ihm dann ins Gesicht gesagt, daß er mich angelogen habe. So ging das hin und her, bis mein Therapeut sagte, daß es keinen Beweis gebe, um mir zu zeigen, daß er mich ernst nimmt. Da hat er ja recht. Egal, was er gesagt hätte, es wäre in meinen Augen sowieso nicht die Wahrheit gewesen.

Er ging dann aber gleich in Urlaub, so daß die Sache nicht geklärt werden konnte. Hinzu kamen noch zwei Zwischenfälle auf Station, die ihn nicht begeistert hatten. Dazu wollte ich ihm was erklären. Kurzum, als er weg war, bekam ich eine riesige Angst, ihn nie wieder zu sehen. Weil er die Therapie abbrechen würde, da war ich mir ganz sicher.

Er ist immer noch im Urlaub und meine Ängste sind auch immer noch da.

>Ich habe Angst davor, die hilfreichen Gespräche mit ihm finden eines Tages nicht mehr statt, er könnte wegziehen, die Klinik wechseln oder ähnliches. Bis jetzt habe ich es nicht fertig gebracht, mit ihm darüber zu sprechen. Auf der anderen Seite ergreife ich für mich selbst aber "Gegenmaßnahmen", will die Termine reduzieren und zeitlich auseinanderziehen,<

Ja, darüber sprechen, das ist schwierig und man muß ganz schön mutig sein. Aber meiner Meinung nach ist ein Gespräch darüber unumgänglich, wenn die Therapie gut weiterlaufen soll. Okay, Titanic, er ist ja „nur“ Dein Psychiater. Aber trotzdem solltest Du ihm sagen, was Sache ist. Über diese Ängste konnte ich seltsamerweise bisher ganz gut reden. Und ich habe die Erfahrung gemacht, daß der Therapeut mich auch irgendwie verstanden hat. Zumindest hielt er mich nicht für verrückt oder psychopathisch. Ich bin mir sicher, daß alle Patientinnen und Patienten, die im zwischenmenschlichen Bereich Schwierigkeiten haben, Gefahr laufen, solche Ängste zu entwickeln, daher bin ich auch sicher, daß ein Therapeut damit umgehen kann und diese Ängste zwar unangemessen aber doch nachvollziehbar findet. Und dann kann man darüber sprechen. Vielleicht findet man zusammen irgendeine Regelung für z.B. die Urlaubsabwesenheit. Für mich war/ist es wichtig, irgendein Erinnerungsstück bei mir zu haben. Das hilft mir oft weiter, wenn diese Verlassenheitsangst zu schlimm wird.

> Ich kenne ihn ja nur in seiner ganz genau festgelegten Rolle und in der ist er mir sehr sympathisch. Vielleicht auch, weil ich praktisch nichts über ihn weiß, er ist wie eine leere Leinwand, auf die ICH malen kann, was mir gefällt.<

Wäre mein Therapeut wie eine leere Leinwand, auf die ich alles projizieren kann, käme wohl eine funktionierende Beziehung zwischen uns nicht zustande. Ich muß nicht viel über ihn wissen, aber doch manches, ich möchte ihn einschätzen können. Um Vertrauen zu gewinnen (Voraussetzung für eine Therapie), muß ich mein Gegenüber auf irgendeine Art kennen. Soweit ich weiß, ist diese Leinwandsache bei analytisch arbeitenden Therapeuten sehr beliebt, sie sollen ja für den Patienten auch „nur“ ein leerer Spiegel sein, in dem sich der Patient widerspiegelt. Ich weiß nicht, ich könnte damit gar nichts anfangen. Es kommt oft vor, daß ich meinen Therapeuten frage, wie er irgendein Problem sieht oder was er an meiner Stelle machen würde bzw. was er in der gleichen Situation tun würde. Und damit spreche ich dann schon den Menschen an und nicht den Therapeuten. Natürlich muß alles seine Grenzen haben, das ist klar. Das fängt schon damit an, was in seinem Zimmer so herumsteht. Meiner Meinung nach sollten nicht so viele eindeutig private Dinge, wie z.B. für Patienten sichtbare Fotos herumstehen. Ich kann nicht begründen, wie ich zu dieser Meinung komme, es ist einfach so ein Gefühl von mir.

>Und dann kommen Schuldgefühle auf, etwas manipuliert zu haben, und mit diesen ein "Trennungsbestreben" meinerseits, doch die Symptome, die immer wieder variieren (u.a. auch SVV) führen dazu, dass er mich ohne einen neuen Termin gar nicht mehr ziehen lässt.
Auf der einen Seite bin ich dann erleichtert, weil ich dadurch Halt bekomme, auf der anderen Seite stört es meinen mir selbst auferlegten "Ablösungsprozess".<

Das kenne ich auch sehr gut. Darin zeigt sich die Ambivalenz, die ich spüre. Einerseits das Streben nach Autonomie und Angst vor einer zu engen Beziehung, in der ich ohnehin nur verletzt werden würde, andererseits diese Sehnsucht nach Geborgenheit bzw. nach jemandem, der sich Sorgen macht. Denn es ist doch so, daß „sich Sorgen machen“ Ausdruck intensiver Gefühle ist. Ich meine, macht sich jemand Sorgen um einen anderen, den er nicht mag? Für einen Therapeuten mag es zwar ein wenig anders aussehen, aber dennoch bekommt man dadurch ein sicheres Gefühl von Gemochtwerden, ernst genommen werden und letztendlich zeigt sich ja irgendwo auch eine Angst des Therapeuten vor Verlust der Patientin. Also ist man endlich mal wichtig. Und wichtig zu sein bedeutet, Macht zu haben.

In diese Macht gehört für mich auch das Manipulieren. Natürlich geschieht Manipulation in den meisten Fällen nicht gewollt und auch nicht bewußt (meine Ex-Therapeutin hat immer gesagt, daß SVV kein Ding ist, das man macht, weil man es will im weitesten Sinne). Aber gerade SVV ist für mich die Manipulation schlechthin: Mittel zur Behebung von Problemen in der Beziehung, auf seinen inneren Schmerz aufmerksam machen, leichtgemachter Abschied. Viele Therapeuten brechen wahrscheinlich die Therapie ab, sobald SVV ein zu großes Problem wird, dann kann ich mich ja gleich von mir aus verabschieden - dann gehe ich und nicht er.

Meine Ex-Therapeutin hat z.B. zu emotional auf SVV reagiert. Ich testete durch SVV immer wieder ihre Zuverlässigkeit aus; ob sie zu mir hält oder nicht. Das war gerade dann der Fall, als ich den ersten Teil der Traumaarbeit machte. Eine zeitlang ging das auch "gut", bis es dann wirklich zu viel wurde.

Bei meinem jetzigen Krisentherapeuten ist das ganz anders: ich sage es ihm, er nimmt es zur Kenntnis und das wars. Ich habe mit ihm ausführlich über das Beziehungs-Austesten gesprochen und er meinte, daß es durch solche Aktionen halt nur auf dysfunktionale Art geht und daß das auf die Dauer für einen Therapeuten demotivierend ist.

Was ich auch noch interessant finde ist die Sache mit dem Siezen der Duzen.

>mein Therapeut hier in England ist eher kumpelhaft. Wir nennen uns beim Vornamen (ist aber im Englischen haeufig ueblich) und das "Sie"-Problem gibts ja auch nicht im Englischen. Obwohl er ein Verhaltenstherapeut ist, der nicht so in der Tiefe bohrt, merke ich wie er sich auf mich einstellt, etwas mehr in die Tiefe zu gehen. Auch merke ich wie er leidet wenn ich mal wieder von einem Absturz berichten muss. Ich glaube nicht, dass es Schauspielerei ist - auch wenn ein Therapeut wenn der Patient die Praxis verlaesst sich selbst klarmachen MUSS, dass es nicht seine Probleme sind (sonst wuerde er sehr bald nicht mehr arbeiten koennen und selber zum Patienten). Ich werde ihn sogar privat nach Hause einladen, allerdings aus astronomischen Gruenden, er interessiert sich stark dafuer.<

Das was Faustus hier beschreibt ist für mich aus zwei Gründen unvorstellbar: zum einen fände ich es bedrohlich, wenn mein Therapeut in meiner Wohnung mit mir ist (womöglich noch allein). Meine Wohnung gehört mir ganz allein, sie ist meine einzige Rückzugsmöglichkeit. Man nennt es wohl Privatsphäre. Einmal hat mich meine Therapeutin am späten Abend von zu Hause abgeholt, weil sie ein schlechtes Gefühl hatte meinetwegen. Sie hat mich dann in die Klinik gebracht. Aber auch sie mußte vor dem Haus warten, ich wollte nicht, daß sie meine Wohnung betritt.

Zum anderen ist da das Ding mit der Anrede. Eigentlich will ich ja meinem Therapeuten ganz nah sein. Da würde das "Duzen" sicherlich mit dazu gehören. Aber auch das wäre eine Überschreitung der Grenzen. Ich glaube, daß ich ziemliche Schwierigkeiten hätte, meinen Therapeuten mit VOrnamen anzusprechen und trotzdem die notwendige Distanz einzuhalten. Das Duzen ist für mich der Einstieg in eine Freundschaft, in eine Verbundenheit miteinander. Aber die besteht natürlich nicht wirklich zwischen ihm und mir.

Das gleiche hat ja Igel schon geschrieben und ich stimme ihr voll und ganz zu. Die Distanz muß gewahrt bleiben. Und ich denke, daß klare Grenzen extrem wichtig sind für Menschen mit Nähe-Distanz-Problemen.

Aber natürlich hat die Anrede in den anglo-amerikanischen Ländern einen ganz anderen Stellenwert als bei uns ohnehin eher distanzierten Deutschen. Daher hat sich Faustus vielleicht damit angefreundet und es wäre für ihn seltsam, wenn man sich mit Nachnamen anspräche.

Ich bin auch der Meinung, daß die Therapie und damit auch der Therapeut "ausgeschlichen" werden muß. Quasi Entzug vom Therapeuten...

Was mir bei allen Verstrickungen jedoch erfreulicherweise nicht passiert ist, ist, daß ich nichts mehr unpassendes oder peinliches besprechen konnte. Natürlich wollte ich insbesondere für einen Therapeuten, in den ich heftigst verliebt war, attraktiv sein. Das bezog sich bei mir allerdings nur auf das Äußere und meine Wortwahl...

Manche finden meine "Macht-Gedanken" vielleicht abwegig. Ehrlich gesagt, bin ich auch nicht so sicher, ob diese Sichtweise nicht ein bißchen zu weit geht. Aber da ich mir eben unsicher bin, möchte ich diesen Teil nicht löschen. Wenn Ihr sauer werdet: ich meine es nicht böse und vor allem gehe ich da wohl auch von mir aus.

Ich bin gespannt auf Antworten!

>Aber da ich glaube, daß eins meiner Probleme ist, Nähe nur in Form der Angst vor dem Verlust zu spüren, sehe ich die Therapie als gute Möglichkeit etwas daran zu ändern.
Dennoch hab ich mir auch öfter die Frage gestellt ob ich es ihr sage, aber eigentlich bin ich mir ja selbst nicht sicher...<

Genau das ist das Problem. Die erste gut funktionierende Beziehung ist die zum Therapeuten/Therapeutin. Und da ist es verdammt hart, sich klar zu machen, daß das Gefühl von Liebe zu dieser Person nicht wirklich echt ist und darüber hinaus auch nicht gut für die Therapie.

Ich bin aber nach wie vor der Meinung, daß man das ansprechen muß. Leider habe ich für mich auch noch nicht herausgefunden, wie ich es machen soll.

Viele Grüße, Eure Xenia
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
Sarah
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Beitrag von Sarah »

igel
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von igel »

Hallo, liebe Xenia!

Ich finde, Du weisst sehr, sehr gut, worum es geht!! Du hast ganz schön viel Klarheit - und die ist sehr wertvoll, um weitermachen zu können.

Vielleicht ging es Dir auch so, dass Du streckenweise einfach überhaupt keinen Sinn in der Therapie finden konntest. Bei mir war das so, manchmal ist es auch noch so. Ich habe mitlerweile das Vertrauen gewonnen, dass meine Psychologin mich nicht "rausschmeisst", wenn ich anders mit mir und anderen umgehe, als ich sollte. Ich glaube fast, dass es nicht nur für uns ein Prozess des Kennenlernens ist, sondern auch für die Therapeuten. Die können ja nicht in unseren Kopf hereingucken. Es gibt vielleicht Eckpfeiler, aber letztendlich ist jede Lebensgeschichte anders und vielleicht lässt sich deshalb mit einer Diagnose auch nicht alles erklären.

Erst nachdem uns bestimmte Denk- und Verhaltensweisen bewusst geworden sind, können wir in der Therapie die Erfahrung machen, dass wir auch "anders" funktionieren dürfen, um gemocht zu werden.

Was Du über Idealisierung und Abwertung schreibst, kommt mir nur zu bekannt vor! Insbesondere meinem Psychiater gegenüber habe ich eine völlig instabile Meinung. Mal habe ich allergrösstes Vertrauen und fühle mich beschützt, aufgehoben, dann wieder finde ich ihn völlig unmöglich, unterstelle ihm in fast wahnhafter Form, dass er mir gar nicht helfen will und mich loswerden will. Ich habe ihm das noch nie gesagt, weil ich immer meine, soetwas mit mir selbst ausmachen zu müssen.

Ich habe Angst, meine Meinung zu sagen. Ich habe Angst, dass ich dann nicht mehr zu ihm kommen darf. So eine Beziehung besteht zu meinen Eltern. Wenn ich nicht so bin, wie sie es für richtig halten bzw. wenn ich mich wegentwickeln will, werde ich mit Liebes- und Aufmerksamkeitsentzug bestraft.

Meine Eltern trenne ich. Ich kann nur einen von beiden lieb haben. Wenn ich mit meinem Vater rede, entwerten wir gemeinsam meine Mutter. Wenn ich mit meiner Mutter rede, entwerten wir gemeinsam meinen Vater.

Weil ich es noch nicht ertragen kann, beide auch als fehlerhaft zu sehen. Dann habe ich beide nicht mehr.

Ich kann es nicht ertragen, wenn wir Streit haben. Das geht immer nur mit einem Elternteil. Mit dem anderen muss ich dann "gut" sein. Wenn ich nur einmal eine Woche lang keinen Kontakt habe, bekomme ich Panik, weil es für mich ist, als hätte ich gar keine Eltern. Meine Therapeutin meinte, mir fehlt die Sicherheit zu wissen, trotzdem geliebt zu werden.

Xenia, vielleicht ist das deshalb mit den Therapeuten so. Das wir Angst und Panik haben, wenn eine Pause ist.

Und die Ambivalenz kenne ich auch. Ich lasse mich oft schon gar nicht mehr erst auf etwas ein, aus Angst, verletzt zu werden. Um dann zu erkennen, dass ich wieder alleine da stehe.

Ich weiss, dass nicht alle Therapeuten für unsere Probleme geeignet sind. Es müssen gefestigte, erfahrene Therapeuten sein. Aber ich denke, es darf nicht unser Problem werden, uns dafür verantwortlich zu fühlen. Das muss der jeweilige Therapeut schon selbst tun.

Ich bin so froh, dass hier so eine Offenheit herrscht. In den letzten Tagen ist mir soviel bewusst geworden, und ich habe viele Dinge das erste Mal ausgesprochen. Warscheinlich wegen des Deckmäntelchens und weil ich niemandem in die Augen sehen muss, also nicht zuviel Nähe spüre.

Kann es kaum erwarten, am Montag meinem Psychiater und am Donnerstag meiner Therapeutin davon zu erzählen.....

Ich hoffe, ich konnte Dir bzw. Euch mit meiner Schreiberei auch ein bischen helfen.

Bis demnächst,
igel
Xenia
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Xenia »

Liebe Sarah,
ich denke, daß es zu "einfach" wäre, den Therapeuten zu wechseln. Denn wahrscheinlich würde Dir das wieder "passieren"... Ich bin absolut der Meinung, daß dieses Thema in der Therapie besprochen werden muß. (Ich habe es bisher auch nicht geschafft....)

Meine beste Freundin war in ihren Therapeuten verliebt, aber so richtig heftig. Sie (und mit ihr auch ich) hat natürlich hin und her überlegt, ob sie die Therapie abbrechen soll. Aber irgendwann fand sie dann doch den Mut, es ihrem Therapeuten zu erzählen. Ja, natürlich war sie vollkommen am Ende, er sagte nämlich, daß das nicht geht und so. Aber sie haben das Verliebtsein lange und auch sehr intensiv bearbeitet. Und heute? Nach vier Jahren Therapie bei ihm haben beide Ende 2002 die Therapie beendet. Die Therapie ist aber nicht abgebrochen, sei muß jetzt bloß mal alleine überleben, ohne Therapeuten. SIe schafft das ganz gut, natürlich geht es ihr auch mal schlecht, aber im großen und ganzen ist es wohl okay. Alle zwei Monate hat sie ein Gespräch bei ihrem Ex-Therapeuten.

Sie hat mir gerade neulich erzählt, daß sie ihn irgendwie immer noch "liebt", aber gleichtzeitig eingesehen hat, daß das Quatsch ist.

>Vermutlich ist die Beziehung zum Therapeuten das Schwierigste überhaupt in der Therapie?<
Ja, leider ist es das wohl. Aber auf der anderen Seite ist diese BEziehung auch ein prima Übungsfeld für die Realität. Und meiner Meinung nach ist sie auch entscheidend dafür, ob die Therapie was bringt oder nicht.

So, bis bald, liebe Grüße
Xenia
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
Xenia
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Xenia »

Hallo Igel!

Ich nehme Dein Posting mit zur Arbeit und werde Dir morgen antworten. Ich habe dann mehr Ruhe, nachzudenken.

Bis morgen dann, liebe Grüße auch an Dich, Xenia

P.S. Ich freue mich darüber, daß Sarah und Du es hilfreich finden, daß wir hier ganz offen und ehrlich über das Thema "sprechen". Ja, und ich denke auch, daß das geht, weil wir uns dabei nicht in die Augen gucken müssen. Obwohl ich mit meiner Freundin gut darüber sprechen kann. Wenn man sich gut kennt, dann geht das.
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




ТЪПАЦИ!!!
igel
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von igel »

Hallo Xenia,

dann also bis morgen, hab´noch einen schönen Abend.
igel
Sarah
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von Sarah »

Xenia
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Re: Beziehung zwischen Therapeut und Patient...

Beitrag von Xenia »

Liebe Sarah,

die Reaktion Deines Therapeuten finde ich nicht so toll. Daß er überhaupt nicht darauf eingeht; keine Reaktion zeigt. Mir ist klar, daß Du die Einstellung hast, daß man das lieber nicht offen ansprechen sollte. Vielleicht solltest Du es in etwas abgänderter Form nochmal ansprechen und eine Reaktion bzw. Eingehen von ihm auf dieses Problem bestehen? Ich weiß nicht, ob ich an Deiner Stelle das schaffen würde. Wahrscheinlich wohl eher nicht...

Ich habe einem stationären Therapeuten am Ende mal gesagt, daß ich glaube, ich möge ihn mehr als er mich. Da stimmte er mir einfach nur zu und bestätigte, daß er - im Gegensatz zu mir - gelernt hat, mit so etwas umzugehen. Auf meine Frage, ob er keine Probleme mit dem Abschied von Patienten hat meinte er einfach nur "nein." Diese Reaktion von ihm war für mich einfach nur total schlimm. Ich konnte mir nicht vorstellen, ohne ihn zu sein und fiel deshalb in eines meiner tiefsten Löcher. Ich habe mir dann geschworen, daß ich solche Gefühle nicht mehr zulassen würde. Danach hatte ich aber nur Therapeutinnen, so daß ich überhaupt nicht in die Verlegenheit kam, aufpassen zu müssen. Tja, bis Anfang diesen Jahres, als ich meinen Krisenmanager "bekam". Er ist ja momentan im Urlaub, aber wenn es nicht anders wird meinerseits und er nicht sowieso die Therapie abbricht aus anderen Gründen, werde ich es ansprechen. Ich will einfach nicht, daß die Termine bei ihm nutzlos werden für mich. Das liegt aber wohl auch daran, daß ich Schwierigkeiten habe, einen Therapeuten zu finden, weil ich eben eine relativ seltene Kombination von Diagnosen habe. Und weil ich eben eine "Trauma-Patientin" bin und letztendlich auch, weil sehr viele der Meinung sind, mir sei nicht mehr zu helfen. Ich glaube, daß diese Situation auch was mit meiner Angst, er könnte mich verlassen, zu tun hat. Er traut es sich zu, mich auszuhalten. Es gibt einen Deal zwischen ihm und dem Chefarzt der hiesigen Uni-Psych, so daß er es mit mir versucht. Und das soll einfach nicht kaputt gehen.

Liebe Grüße, Xenia
°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*




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