Wie funktioniert Euer Kopf während der Depression und während Unruhezuständen?

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Ratsuchende1978
Beiträge: 28
Registriert: 21. Aug 2013, 12:15

Wie funktioniert Euer Kopf während der Depression und während Unruhezuständen?

Beitrag von Ratsuchende1978 »

Hallo Ihr Lieben!

Hier bin ich mal wieder.

Ich war jetzt 7 Wochen in einer Klinik. Dort konnte ich mich zwar ausruhen, aber ich bin noch nicht wieder hergestellt.

Was mir noch sehr sehr schwerfällt ist, zu denken und meine täglichen Abläufe innerlich zu planen und umzusetzen. Wenn ich Unruhezustände bekomme, dann ist es besonders schlimm. Dann bin ich so unter Anspannung, dass ich massive Nackenschmerzen bekomme und es mir extrem schwerfällt, überhaupt einen klaren Satz rauszubringen oder irgendwelche Dinge zu erledigen...teilweise fällt es mir sogar schwer eine Telefonnummer zu wählen....
Außerdem renne ich immernoch wie im Trancezustand herum....ich weiß nicht, ob das an den Tabletten liegt oder am Grundzustand meiner Erkrankung.... Es ist massiv belastend... vor allem weil ich auch keinen Antrieb habe.... es ist alles so schwerfällig...

Wenn die Unruhezustände mich packen, dann habe ich das Gefühl, dass gar nichts mehr geht und ich gleich den Verstand verliere.... das macht mir echt Angst.... und dann immer wieder diese Gedankenspirale, dass ich das und jenes nicht schaffe und ich versuche das schon abzuschalten, was irgendwie nicht funktioniert....

Ich habe von meinem Hausarzt das Lorazepam bekommen, traue mich aber nicht ran.... irgendwie entzieht mir das aber alles die Kraft die ich so mühsam gesammelt habe

Wie geht es Euch während Eurer Erkrankung???

Liebe Grüße

Susanne
mime
Beiträge: 1282
Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Wie funktioniert Euer Kopf während der Depression und während Unruhezuständen?

Beitrag von mime »

Hallo Susanne,

wurde dir seitens der Klinik eine Nachsorgemöglichkeit genannt oder empfohlen – ich meine damit, bist du jetzt anschließend noch in fachärztlicher / therapeutischer Behandlung? Wurde dir nach deinem Verlassen der Klinik dahingehend noch irgendetwas empfohlen?

Wenn es dir nach wie vor so geht, wie du es beschreibst, wäre es besonders wichtig, dass es Möglichkeiten der Weiterbehandlung gibt. Hast du demnächst einen Facharzttermin? Wenn du (verständlicherweise) Bedenken bezüglich dieses Medikaments hast, das dir der Hausarzt verschrieben hat, wäre ein Psychiater vielleicht ein (besserer) Ansprechpartner. Denn selbst wenn du es nimmst, soll das Medikament ja nur kurz und unter ärztlicher Aufsicht/Kontrolle genommen werden – insofern müsstest du sowieso mit den Ärzten in Kontakt bleiben.

Ich denke, dass es erst einmal schwierig ist, zu Hause anzukommen (ohne den regulären Ablauf in einer Klinik). Gibt es denn jemanden, der dich da ein bisschen unterstützen könnte in deinem Neufinden deiner Tagesstruktur?

Vielleicht gibt es ein paar Eckpunkte, an denen du dich erst einmal orientieren kannst; und wenn die klappen, könntest du Weiteres noch dazunehmen. Eckpunkte wären für mich z. B. zu einer bestimmten Zeit aufzustehen, ins Bad zu gehen, danach anziehen, einen Kaffee kochen, etwas frühstücken usw. Das muss ja erst einmal nicht schnell und unter Zeitdruck geschehen. Essenszeiten (auch dann entsprechend mittags und abends) können solche Eckpunkte sein oder ein Minispaziergang mehrmals pro Woche – wichtig wäre da eine gewisse Regel-mäßigkeit (z. B. bestimmte Uhrzeit oder wenn das nicht geht, ein bestimmter Zeitrahmen, aber das alles werdet ihr in der Klinik bis zum Abwinken gehört haben, schätze ich).

Wenn angesichts deines Weiterkommens noch wichtige Telefonate zu führen sind und du den Eindruck hast, es von der Konzentration her nicht zu schaffen und auch keine Zettel helfen, auf denen du dich wichtigsten Punkte notierst – gibt es jemanden, der dich da unterstützen könnte?

Gäbe es die Möglichkeit, dich an einen sozialpsychiatrischen Dienst zu wenden (ich kenne mich selbst da allerdings nicht aus), oder sonstige ambulante Unterstützung in Anspruch zu nehmen, die dir helfen könnte, wenn es um Alltag, Behördenkram usw. geht? Es gibt da u. U. auch die Möglichkeit von Hausbesuchen, d. h. dass jemand zu dir kommt. Wie das Ganze genau abläuft, weiß ich allerdings (mangels Erfahrung) nicht.

Welche Medikamente nimmst du denn zur Zeit? Du hattest eine Weile mal Mirtazapin, soweit ich mich erinnere. Wie wurdest du in der Klinik eingestellt? (Du musst dazu nichts schreiben!) Es ist eben immer beides möglich: Trancezustände, mangelnder Antrieb, Schwerfälligkeit sind mit hoher Wahrscheinlichkeit einerseits depressions-bedingt, andererseits könnte ein (möglicherweise nicht so geeignetes) Medikament diese Symptome auch verstärken. Da wäre es wiederum wichtig, dass sich ein Fachmann mit dir um deine Medikamentierung kümmert und ihr darüber im Gespräch bleibt, insbesondere, wenn du einerseits unter Trancezuständen und andererseits unter Unruhe leidest - da sollte eine fein abgestimmte Kombination von ADs / Medikamenten dafür gefunden werden, das für dich und deine Beschwerden stimmig ist. Doch auch da wirst du bestimmt über mehr Erfahrungen verfügen als ich.

Ich denke, dass einigen deine geschilderten Symptome auch bekannt vorkommen. Ich weiß selbst, wie es ist, wenn die Gedanken kreisen, immer kreisen – das ist schwer auszuhalten. Dass du da manchmal die Befürchtung hegst, verrückt zu werden, ist durchaus sehr gut nachvollziehbar. Man macht gleich "dicht", kann sich nicht konzentrieren, vergisst alles, weiß nicht, wo man anfangen soll, was man überhaupt tun soll, weiß nicht, wie es weitergeht usw. usw. Und man denkt: es muss doch irgendwann einmal ein Ende haben mit dem Gedankenkreisen, man muss doch irgendwann einmal "ausgedacht" haben - doch das ist schwierig, weil unser Gehirn ständig weitermacht.

Mir haben da längerfristig ein gewisses Maß an Ruhe, Psychotherapie und ein (anderes) Antidepressivum geholfen, dass es so langsam wieder besser ging. Wenn es dir erst einmal wieder gelingt, etwas zu finden, das dich ablenken kann, hilft das schon einmal ein wenig gegen das dauernde Kreisen der Gedanken um immer wieder dieselben Themen. Mir hilft da z. B. das Schreiben (doch das geht auch erst, wenn es einem ein bisschen besser geht). Es könnte aber auch Staubwischen sein (also irgendetwas Mechanisches, was das Gehirn nicht überfordert), oder Putzen (Schuhe, Fenster, Schrank) oder etwas, das dich anderweitig anspricht vielleicht Musik, einen duftenden Tee, ein Bad – vielleicht gibt es irgendetwas, das dich für ein paar Zeiteinheiten in positiver Weise in Anspruch nimmt (ohne dich zu überfordern). Doch es dauert und braucht Geduld und Zeit, bis man fündig wird oder bis man sich wieder ein bisschen ablenken kann – ein Patentrezept habe ich da nicht; es ist bei jedem anders (und richtet sich auch nach dem Schweregrad der Beeinträchtigung durch die Depression).

Wichtig wäre für mich, Alternativen zu finden, wie es nach einem Klinikaufenthalt weiter geht für mich. Oftmals hilft es, im Gespräch mit jemand Fachkundigem zu bleiben, der einem auch da Möglichkeiten aufzeigen könnte. Alleine kommt man da oft nicht weiter, weil einen die Depression in puncto Lösungssuche ziemlich lähmen kann – man findet keine Alternativen, hat keine Kraft weder zum Suchen noch zum Nachdenken; man traut sich nichts zu, denkt, dass sowieso alles sinnlos ist usw. Das muss es aber nicht bleiben! Es gibt bestimmt die ein oder andere Möglichkeit, die in deinem Fall hilfreich sein wird, wenn die ersten Hürden erst einmal überwunden sind.

Ich wünsche dir, dass sich für dich konstruktive Vorschläge / mögliche Lösungswege ergeben, die dir helfen können, deinen begonnenen Weg weiter zu verfolgen. So ein Klinikaufenthalt ist kein Pappenstiel – das ist schon mal ein großer Schritt gewesen; es wäre schön, wenn du da im gewissen Sinne nicht locker lässt.

Ich weiß, dass es in den dunklen Momenten oft an Hoffnung fehlt, doch manchmal können andere einfach mit hoffen; mir hat es z. B. geholfen, dass mich meine damalige Therapeutin nie aufgegeben hat (und ich war bestimmt auch kein einfacher Fall) – sie hat quasi für mich gehofft, ist mit mir im teilweise recht stockenden Gespräch geblieben usw. Es kann helfen, wenn du jemanden hast, mit dem du reden kannst (oder es wieder neu lernen kannst – bei mit hat das auch seine Zeit gebraucht, und ich bin froh, dass das jetzt besser geht – das macht auch das Alltagsleben mit anderen Mitmenschen wieder leichter, zumindest erträglicher).

Liebe Susanne, ich weiß nicht, ob da irgend etwas von meinen Gedanken für dich dabei war, doch versuche darauf zu vertrauen, dass es dir irgendwann auch wieder besser gehen kann – ich wünsche es dir und hoffe mit dir.

Alles Gute
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Ratsuchende1978
Beiträge: 28
Registriert: 21. Aug 2013, 12:15

Re: Wie funktioniert Euer Kopf während der Depression und während Unruhezuständen?

Beitrag von Ratsuchende1978 »

Hallo Mime!

Vielen herzlichen Dank für Deine ausführliche und liebevolle Antwort. Ich weiß Deine Mühe wirklich zu schätzen.

Ich muss sie wahrscheinlich noch ein paar Mal lesen, um alles verinnerlichen zu können. Momentan habe ich noch keinen weiterführenden Arzt. Aber ich bin auf der Suche.

Ich versuche auch dauernd mich mit allen möglichen Dingen abzulenken, nur ist das auch nicht so leicht, wenn man dabei Herzrasen hat und in keinster Weise mehr klar denken kann.

Ja, ich nehme noch das Mirtazapin. Habe auch noch das Lyria hinzubekommen.

Das Lorazepam ist ja eh nur für den Notfall.

Leider befinde ich mich auch privat in einer schwierigen Lage, weil sich viele Schulden angehäuft haben....da muss man ja auch erstmal durchsteigen....aber ich hoffe dass das mit der Zeit wird....

Liebe Grüße

Susanne
mime
Beiträge: 1282
Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Wie funktioniert Euer Kopf während der Depression und während Unruhezuständen?

Beitrag von mime »

Hallo Susanne,

danke für deine nette Rückmeldung (und sorry für die Länge des vorigen Beitrags, ich schreibe leider immer soviel bzw. umfangreich); hier mache ich jetzt mal mehr Absätze.

Die Wichtigsten Punkte oben waren: Arztsuche, die richtige Medikamenteneinstellung, und schauen, wie es weitergeht auf deinem Weg - inkl. Unterstützung durch Therapie & Co.

Hm, ja, wenn dann soviel auf einmal auf einen einstürmt, ist das nicht so einfach und man muss erst einmal langsam einen Schritt nach dem anderen tun.

Manchmal bieten auch psychiatrische Institutsambulanzen die Möglichkeit, schneller an Arzttermine zu kommen (ich bin selbst alle 4 Wochen in so einer PIA wegen der Medikamente und bei einem sehr guten Facharzt gelandet).

Es lohnt sich immer, dahingehend weiter zu machen / zu suchen. Vielleicht gäbe es da auch für dich eine Möglichkeit einer weiteren ambulanten Therapie. Des Weiteren sind dort auch oft Sozialarbeiter angesiedelt, die in einzelnen Belangen hilfreiche Unterstützung bieten können. Vielleicht gibt es ja so eine PIA in deiner Nähe (vielleicht schaust du mal im Internet)?

Hinsichtlich der finanziellen Situation gibt es bestimmt ebenfalls noch Lösungsmöglichkeiten, wenn man sich erst einmal einen groben Überblick verschafft hat. Vielleicht kann dir da eine entsprechende Beratungsstelle ein paar Tipps geben. Im Internet findest du z. B. unter http://www.forum-schuldnerberatung.de/i ... xikon.html ein Lexikon mit Fachbegriffen, die ich mir auch mal anschauen werde und unter FAQ habe ich recht nützliche Hinweise (bzgl. Prioritätenbearbeitung) gefunden usw.

Als ich mir (aus anderen Gründen) die Aktenvorgänge und Vermögensverhältnisse eines nahen Verwandten anschauen und insgesamt klären musste, war das eine recht zeitaufwendige Sache mit viel Papierkram und Unterlagen zusammensuchen müssen usw. Mir hätte es da mit Sicherheit geholfen, wenn ich jemanden da gehabt hätte, der mir hätte sagen können, welche Infos wichtig sind und welche nicht, welche Unterlagen ich für was brauche usw. usw.

Daher wäre es schön, wenn du da in irgendeiner Weise Unterstützung bekämst, damit nicht alles auf einmal wellenartig über dir zusammenschlägt. Man kommt so schnell und unverschuldet in schwierige Situationen – und es ist absolut keine Schande, sich auch da fachkundigen Rat zu suchen.

Ich wünsche dir baldige Lösungen für das Wichtigste, damit ein bisschen Last von deinen Schultern genommen werden kann und eine große Portion Zuversicht, dass sich alles im Laufe der Zeit regeln lässt, wenn du weiter dran bleibst – und das schaffst du , daran glaube ich einfach.

Lieben Gruß
Mime

P.S. Wegen der Herzrasensymptome und hinsichtlich des Denkens können auch im Laufe der Zeit noch Besserungen eintreten - (Zeit, Ruhe, Entspannungsübung, Medikament - da spielen oft mehrere Faktoren zusammen); ich weiß, dass es da schwer ist mit dem klaren Denken und Ablenken. Ich wünsche dir dahingehend auch gute Besserung.
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Schwert10
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Registriert: 9. Mär 2011, 15:50

Re: Wie funktioniert Euer Kopf während der Depression und während Unruhezuständen?

Beitrag von Schwert10 »

Hallo Susa,
Ich kennen vor allem die völlige Unfähigkeit, mich zu konzentrieren, ahnlich wie du kriegte ich keine ganzen Sätze mehr hin oder vergaß völlig, was ich sagen wollte. Ich verstand manches auch nicht auf Anhieb. Gehirn war auf Sparflamme. In der Zeit habe ich, damit ich nicht dauernd nachdenken und entscheiden mußte, Essenspläne für eine Woche gemacht und mir alles aufgeschrieben, was ich machen wollte oder mußte. Und damit ich nicht dauernd nach dem Zettel suchen muß, habe ich mir Tafelfolie auf eine Tür geklebt und mit Kreide beschriftet. Leistet mir auch heute noch gute Dienste, wenn ich mir mal schnell eine Telefonnummer oder einen Termin aufschreiben will.
Was Mime über die Eckpunkte gesagt hat, kann ich nur unterschreiben. Es ist eine Erleichterung, weil man nicht mehr mit sich selber diskutiert, ob man nun erst duscht und dann Kaffee macht oder umgekehrt. Man macht es einfach so, wie man es für sich selbst festgelegt hat und basta.
Gegen Unruhe, die bei mir eher selten ist, hilft mir nur körperliches Tun, meist räumen oder putzen, weil das ohne Aufwand (leider) immer sofort machbar ist. Wenn ich sportlich wäre, würde ich vermutlich joggen empfehlen, aber stramme Spaziergänge tuns auch. Und bloß nicht vorher nachdenken, einfach anziehen und los.Ich bin eher der Denker und Planer, es ist mir ziemlich schwergefallen, einfach mal bloß drauflos zu machen, aber es tut mir gut, obwohl ich immer noch erst meinen Inneren Schweinehund an die Leine kriegen muß...
Lg wakora
Das Leben ist wertvoll

ob es nun strahlend ist wie ein diamant

oder dunkel wie kohle

beide sind aus demselben stoff.
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