Eigentlich sollte ich glücklich sein, glaube ich...

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Rizzo
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Registriert: 14. Okt 2013, 22:06

Eigentlich sollte ich glücklich sein, glaube ich...

Beitrag von Rizzo »

Hallo,
ich bin hier neu und eigentlich niemand, der viel in Foren schreibt, aber irgendwie geht es gerade einfach nicht mehr. Ich habe auch niemanden, um darüber zu reden und hoffe, dass es vom Schreiben vielleicht etwas besser wird.

Eigentlich läuft/lief alles gerade ziemlich gut: Ich studiere, was ich schon immer studieren wollte und habe gute Noten, man hat mir zwei fachbezogene kleine Jobs angeboten (hab ich auch angenommen), die echt toll sind; zum ersten Mal in meinem Leben entwickle ich sowas wie nähere Bekanntschaften oder Freundschaften (bin eigentlich ein sehr zurückgezogener Mensch).

Trotzdem ging es mir irgendwie nie schlechter. Ich habe die ganze Zeit nur noch Angst, Fehler zu machen (und mache sie dann erst recht). Gerade ist es besonders schlimm: Ich versage an allen Ecken und Enden. Und dabei ist mir eigentlich die schlechte Note egal, ich finde es nur scheußlich, die Menschen, die ihr Vertrauen in mich setzen und so nett zu mir sind, zu enttäuschen. Das ist das allerschlimmste und es tut mir so leid. Ich traue mich schon nicht mehr, Ihnen in die Augen zu sehen.

Allerdings kann ich darüber natürlich mit niemandem reden, 1.: da ich mich so komplett ins Abseits katapultieren würde (wenn es denn noch geht) und 2.: weil dort jeder nur diese absolut lebensfrohe, humorvolle, immer lächelnde Fassade kennt, die selbst in den schlimmsten Situationen noch das Positive sieht und einen lustigen Spruch auf den Lippen hat. Und das ist genau das, was sie an mir schätzen (habe ich verschiedentlich gehört).
Im Moment habe ich also das Gefühl an diesem selbstsicheren, strahlenden Panzer, den ich mir seit meiner Kindheit über mehr als zehn Jahre hinweg angelegt und immer verdickt und aufpoliert habe, zu zerbrechen. Man könnte auch sagen, ich habe ein Monster geschaffen... das jeder mag. In Wirklichkeit ist es wohl eher so rum, dass das Monster einen Menschen geschaffen hat.

Ich habe schon öfter schlimme Phasen gehabt (auch da, für meine Begriffe, grundlos), war während der Oberstufe auch in Therapie (ist aber ganz blöd gelaufen) und hab danach gesagt, dass ich mir wohl besser selbst helfen muss. Aber ich kriege es nicht mehr hin und bin praktisch nur noch am Heulen, Zittern und mir ist die ganze Zeit schlecht, bis ich dann aber wieder das Lächeln aufsetze, weil ich vor die Tür muss (ich würde am liebsten gar nicht gehen). Kleine Dinge kosten mich große Kraft (z.B. so einen Mist zu entscheiden wie: kämmst du dir jetzt erst die Haare oder putzt du die Zähne? Ich würde mir am liebsten selbst ins Gesicht dafür schlagen) und ich kann einfach nicht mehr. Und wenn mir klar wird, was für ein Wrack ich gerade bin, werden die Schuldgefühle den anderen gegenüber noch größer, weil ich das Gefühl habe, sie zu betrügen.

Ich weiß auch überhaupt nicht, woher das kommt, ich hatte keine schlimme Kindheit oder so, aber einen Ärztemarathon zum Ausschließen physischer Ursachen habe ich auch schon hinter mir. Ich hatte vielleicht in der Schulzeit nicht so viel Glück mit meinen Mitschülern. Deshalb habe ich wohl das Gefühl, Menschen, die nett zu mir sind, dafür etwas zu schulden. Aber ich war auch schon immer "anders", seit ich mich erinnern kann, in mich versunken bzw. nachdenklich, ziemlich menschenscheu und mit dem Laufe der Zeit und der Erfahrung sogar -ängstlich und deshalb an sich stolz auf mich, dass ich jeden Tag vor die Tür gehe, mit dem Bus fahre etc. Dafür lege ich dann den Strahlepanzer an, und auch wenn es mir gerade so schlecht mit ihm geht: ich weiß genau, wie wichtig er für mich war und was ich ihm schulde. Nur jetzt, wo die Leute anfangen, den Panzer zu mögen, trete ich quasi mit mir selbst in Konkurrenz. Es ist ähnlich wie die große erfolgreiche Schwester, der man nacheifert, aber deren Ideal man nie erreichen kann. Im Endeffekt mögen die Leute diesen Panzer, ich gehöre - genauso wie all die Jahre davor - immer noch nicht dazu. Die ganze Freundlichkeit jetzt aber so hautnah spüren zu müssen und gleichzeitig zu wissen, dass es auf einer von mir inszenierten Täuschung beruht, ist unerträglich und nach einem Nachmittag im Café oder so geht's mir immer grottenschlecht.
Ich wäre gerne nur der Panzer, sprich: all das, was die Leute in mir sehen, aber ich lüge sie eigentlich nur an. Dieses Innere... ich weiß gerade nicht was, bringt mich gerade um den Verstand. Ich zweifle im Moment einfach an allem, in erster Linie an mir selbst. Was ist nur los mit mir? Ich habe gerade große Angst vor allem, am meisten vor mir selbst.

Irgendwie ist gerade alles zu viel, wahrscheinlich auch zu viel Text und etwas wirr, aber so sieht es derzeit in mir auch aus. Ich kann keinen klaren Gedanken greifen.
Vielen Dank schon mal an die Leser, die das hier durchgehalten haben! Vielleicht kann mir jemand mit seinem Blick auf die Dinge neue Denkanstöße geben.
Viele Grüße,

Rizzo
jolanda
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Registriert: 16. Okt 2003, 10:29

Re: Eigentlich sollte ich glücklich sein, glaube ich...

Beitrag von jolanda »

Hallo,

erstmal Willkommen im Forum

Deine Geschichte hat mich irgendwie berührt

Ich glaube, du bist beides: das was du als Strahlepanzer bezeichnest und das, was in deinem inneren vorgeht (der scheue, ängstliche Teil)
Weder das eine noch das andere ist falsch oder wahr.
Ich kenne das, sich dann gegen diese Fassade auf zu lehnen. Irgendwann (ist noch nicht soo lange her) habe ich dann begriffen, dass ich viele verschiedene Anteile habe. Und der starke selbstbewusste Teil ist genauso echt, wie der veletzliche Teil oder der mit den Schuldgefühlen.
Die Aufgabe ist es, die alle zusammen unter einen Hut zu bekommen und dass sie sich nicht bekämpfen.

Es ist schade, dass du schlechte Therapieerfahungen hast. Ich glaube nämlich, dass du Hilfe brauchst. Es klingt schon etwas depressiv, was du so schreibst.

Eine relativ unkomplizierte Anlaufstelle könnte die psychologische Studentenberatung sein, die gibts bestimmt an deiner Uni auch.


Mehr weiß ich dir jetzt leider auch nicht zu sagen. Ich wollte dir aber zeigen, dass ich deinen Text gelesen und wahrgenommen habe.

LG, jolanda


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Clown
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Re: Eigentlich sollte ich glücklich sein, glaube ich...

Beitrag von Clown »

Hallo Rizzo,

auch von mir willkommen im Forum, gut dass du hier geschrieben hast!

Bei deinem Bericht über deine Verfassung musste ich sofort an ein Buch denken:

"Sie haben es doch gut gemeint - Depression und Familie" von Giger-Bütler.
http://www.buecher.de/shop/buecher/sie- ... /11969285/

Du bekommst es sicher auch in der Bücherei, es ist ein Klassiker. Ich stelle mir vor, dass du bei der Lektüre dieses Buches eine andere Sicht auf dein Leid bekommst, in dem Sinne, dass du viel besser verstehen kannst, was gerade mit dir los ist - und dass du dich dann richtig ernsthaft auf die Suche nach guter therapeutischer Hilfe machst!

Denn ich glaube, die wäre ganz wichtig und wertvoll für dich! Ein erster Schritt dahin wäre vielleicht die psychologische Beratungsstelle deiner Uni?

Alles Gute,

Clown
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Rizzo
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Re: Eigentlich sollte ich glücklich sein, glaube ich...

Beitrag von Rizzo »

Vielen Dank für's Lesen und eure schnellen Antworten, jolanda und Clown!

Ich habe schon überlegt zu der zuständigen Stelle in der Uni zu gehen, aber ich habe Angst, dass die mich nicht ernst nehmen, da ich wirklich sehr überzeugend meine Probleme verbergen kann. Es ist zum Automatismus geworden vor anderen Menschen, ich kann es gar nicht abstellen. Selbst hier authentisch zu schreiben und meine Gefühle zu schildern (über Gefühle zu reden ist eh nicht mein Spezialgebiet, bin eher analytisch), ohne meine Situation wieder ins Lächerliche zu ziehen, fällt mir nicht leicht. Ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn die mir sagen: Was willst Du? Dir geht's doch gut. Du lachst, du scherzt... Stell Dich mal nur nicht so an.

@ jolanda:
Es fällt mir schwer zu glauben, dass dieser tolle Mensch, den jeder sieht, ein Teil von mir ist, denn ich habe überhaupt kein Gefühl dafür.
Es ist irgendwie schwer zu erklären: Ich habe dann das Gefühl, dass da jemand anderes sitzt, den ich von außen beobachte, so, als ob ich zweimal anwesend bin: einmal aktiv und sichtbar aber ohne jegliches Gefühl und einmal passiv und unsichtbar und voll von all diesen Zweifeln und immer den nächsten Schritt vorausplanend. Wenn ich das andere auch bin, wieso fühle ich es dann nicht? Müsste sich nicht jeder Teil gleichermaßen richtig und echt anfühlen?
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich oft zu 100% der verzweifelnde und ängstliche Teil bin, aber nie zu 100% der selbstsichere Teil, da der andere wirklich immer, wenn auch versteckt anwesend ist. Sollte man nicht zu einer Zeit ganz ein Teil sein? Ich weiß es nicht, es ist schon so lange so, aber ich traue mich nicht, jemanden zu fragen. Aber es gibt nur einen Teil, der ich manchmal ganz bin und der alles andere dann ausschaltet.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier jetzt gut rüberbringen konnte, was ich meine. Hört sich alles irgendwie ziemlich Dr. Jekyll und Mr. Hyde-mäßig an...

@ Clown
Vielen Dank für den Buchtipp! Ich habe über deinen Link mir schon mal die Leseproben angeschaut und werde mir das Buch mal besorgen. Ich schätze, ich brauche eine neue Sicht der Dinge, da ich jeden Gedanken schon tausendmal in alle mir sichtbaren Richtungen verfolgt habe und mich gerade einfach nur im Kreis drehe und totlaufe.

Ich habe wahnsinnige Angst vor heute, weil ich einen der Menschen zum ersten Mal sehe, nachdem ich denjenigen wahrscheinlich abgrundtief enttäuscht habe. Das Dumme ist: ich weiß, was ich falsch mache, während ich es falsch mache, aber ich kann es irgendwie nicht ändern. Deshalb wird er mir aber auch zum Glück keine Kritik entgegenbringen können, die ich mir nicht schon selbst gegeben hätte. Ich will gar nicht hin, aber nicht hingehen macht es wohl nur noch schlimmer...
Ich weiß schon jetzt nicht, wie ich dieses Semester schaffen soll. Ich bin so unglaublich müde...

Vielen Dank nochmal für eure hilfreichen Worte.

Viele Grüße,
Rizzo
Clown
Beiträge: 4337
Registriert: 8. Nov 2004, 18:22
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Re: Eigentlich sollte ich glücklich sein, glaube ich...

Beitrag von Clown »

Hallo Rizzo,

>Ich habe schon überlegt zu der zuständigen Stelle in der Uni zu gehen, aber ich habe Angst, dass die mich nicht ernst nehmen, da ich wirklich sehr überzeugend meine Probleme verbergen kann.
Wenn es einigermaßen Profis sind, müssten sie in der Lage sein, hinter deine Fassade zu schauen - warum nicht einfach mal probieren? Mehr als schiefgehen kann es nicht.

Finde ich gut, dass du nach neuen Sichtweisen suchst, du hast wohl erkannt, dass deine jetzigen Wahrnehmungsfilter auf dich und die Welt dir nur Leid bringen? Du ahnst, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen, nicht wahr?

Welche Fachrichtung studierst du denn? (Sorry, falls ich das überlesen habe.)

Viele Grüße,

Clown
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Eckhart Tolle
Rizzo
Beiträge: 3
Registriert: 14. Okt 2013, 22:06

Re: Eigentlich sollte ich glücklich sein, glaube ich...

Beitrag von Rizzo »

Hallo Clown,

vielen Dank für deine Antworten.
Ich merke im Moment halt ganz stark, dass, wenn ich so weiter mache wie bisher, ich schon sehr bald in einen Abgrund falle, endgültig. Dass ich dann entweder in der Klinik oder auf dem Friedhof lande. Das will ich nicht. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass andere Menschen jeden Tag den gleichen Gedanken haben und damit glücklich durch's Leben gehen. Also muss etwas an meiner Wahrnehmung nicht stimmen. Alles logisch, oder? So bin ich eigentlich, wenn's mir nicht gerade total mies geht.

Ich studiere ein Fach aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich. Mehr will ich dazu aber nicht sagen, da es eher speziell ist und ich das mit der Anonymität ganz gut finde hier. Tut mir leid.

Viele Grüße,

Rizzo
clk
Beiträge: 13
Registriert: 27. Okt 2013, 21:37

Re: Eigentlich sollte ich glücklich sein, glaube ich...

Beitrag von clk »

Hallo Rizzo,

zwei der Verhaltensweisen, die du in deiner längeren Antwort beschreibst, kenne ich selbst sehr gut.

1. Das Gefühl, neben sich zu stehen und sich selbst zu beobachten, wenn man nach außen gut gelaunt bzw. selbstbewusst und fröhlich daher kommt. Der Unterschied zwischen uns ist vielleicht, dass ich dieses Verhalten von mir nicht als negativ sehe, sondern als positiv, weil es eine Veränderung gegenüber früher bedeutet: ich arbeite aktiv an meinem Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen und dazu gehört es, offen anderen gegenüberzutreten. Nichtsdestotrotz kenne ich das Gefühl des Neben-sich-stehens. Das hab ich aber nicht nur, wenn ich nach außen positiv verhalte, sondern generell. Manchmal analysiere ich einfach jedes Wort, das ich sage, jede Bewegung, die ich mache. Als ob ich eben neben mir stehe und mich beobachten würde, mir selbst Regieanweisungen gebe, pausenlos.

2. Dass man sich gegenüber bestimmten Menschen oft nicht anders als destruktiv verhalten kann, auch wenn man das gern würde und wenn man eigentlich weiß, was am eigenen Verhalten schlecht ist. Mir passiert das v.a. in engen emotionalen Bindungen, sprich in Partnerschaften. Ich denke, dass es was mit familiären Mustern zu tun hat. Ich verhalte mich so in Beziehungen, wie sich meine Eltern mir gegenüber und untereinander verhalten haben. Das zu wissen, hat mir aber auch noch nicht geholfen, mein Verhalten zu überwinden, wenn es vielleicht auch ein bisschen besser geworden ist. Bestimmte Verhaltensweisen meiner bisherigen Partner haben einfach immer bestimmte Verhaltensweisen meinerseits getriggert. Ganz instinktiv: ich reagiere sofort wie ein Tier, das in Bedrängnis gerät und kann einfach nicht anders, weil ich sonst das Gefühl hätte, die Kontrolle zu verlieren.

Ich habe keinen konkreten Ratschlag, weil ich ja wie beschrieben die gleichen Probleme habe. Aber vielleicht hilft es dir, wie mir, zu wissen, dass du nicht alleine mit diesen Gefühlen und Handlungsmustern bist. Ich hoffe, ich habe deine Gedanken richtig wiedergegeben und nicht zu viel von meinen Problemen in deine projiziert. Falls dies der Fall sein sollte, bitte entschuldige.
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