Mit Liebe wird alles gut?

Sommerland
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Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Sommerland »

Hab mal bei den „Angehörigen“ angefragt, was sie von ihren „Betroffenen“ erwarten / verstehen (da wird aktuell heiß diskutiert)...

Meine Erwartungen wurden leider mehr als übertroffen! Soooviel Frust über das Nichtkönnen von Depressiven... Dabei kann ich die Leute ja verstehen – ich weiß ja, dass es schlimm sein muss zu erleben, wie ein geliebter Mensch sich durch die Krankheit verändert…

Mich hat das aber in dem Wissen bestärkt, dass man einem Gesunden die Krankheit nicht erklären kann. Und dass Angehörige immer auf eine Gesundung hoffen/warten.

Die Erwartungshaltung ist, dass der Erkrankte gesund wird und wieder so "tickt" wie "früher".

Mich frustriert das!

Denn ich werde (nach 8 Jahren!) nie wieder „mein altes Ich“ sein. Ich frag mich, wie ich das meinen Angehörigen erklären kann. So das sie es verstehen! Ich behalte „Folgeschäden“ – bin nicht mehr so belastbar wie früher und habe sensiblere Antennen für Stress, Lärm, Aggression usw. – reagiere oft mit Rückzug um mich zu schützen… Und "alte Muster" haben mich ja erst krank gemacht...

Habt ihr eine Idee oder Erfahrungen damit, Angehörigen zu erklären, dass es nie wieder so wie früher werden kann?

Bianca
Irgendwas is ja immer...
Stepha
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Stepha »

Liebe Bianca,
vielleicht müssen wir uns gar nicht erklären, sondern "nur" konsequent so verhalten, wie es für uns richtig ist. Das ist zwar zunächst schwer, weil es verstört und dadurch Widerstand erzeugt. Mit der Zeit bringt es aber Veränderungen bei anderen hervor. So behauptet es zumindest die Systemtheorie.

Leider verlangt das Kraft, die ich nicht immer zur Verfügung habe, aber auch in kleinen Schritten kann es vorwärts gehen.
Ich versuche dies z.B. bei der Arbeit: früher war ich ansprechbar für jede Art von Unterstützung. Jetzt mache ich nur noch das, was ich leisten kann. Das war verwirrend für andere, klappt aber ganz gut.

Gruß
Stepha
-----

Hinfallen, aufstehen, Krone zurecht rücken, weitergehen.
Tabarka1
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Tabarka1 »

Hi Bianca,

Darf ich?
Falls das für Dich nicht o.k.ist bitte bemerkbar machen, dann antworte ich hier nicht mehr. (Ich bin eine der Angehörigen)

Zumindest für mich kann ich sagen: dickes Missverständnis. Es gibt Tage, da unterschreibe ich Dir: die Depression meines Mannes war und ist ein Geschenk. Eben weil die Dinge nicht mehr sind, wie sie sind. Also ich will das Alte - vor der Depression ( und das waren ca. 9 Jahre) nicht zurück.

Durch seine und dann meine und unsere Krise bin ich mir näher, als je in meinem Leben zuvor. Und dafür bin ich dankbar.

Mehr von mir hier nur auf Deinen Wunsch. Das musste ich nur loswerden. Und ein dickes Danke für die Diskussion, die Du angezettelt hast.

Warme Grüße
Tabarka
Wann, wenn nicht heute... ?
Ulysses
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Ulysses »

Hallo Bianca,

auch von mir danke für die Diskussion, sowohl "drüben" als auch hier. Genau durch solche Wellen kommt hier im Forum jedesmal viel in Bewegung.

Ich schreibe hier in diesem Thread als Betroffene, und ja, ich bin völlig mit Dir einig: Nach mittlerweile ca. 30 Jahren Erkrankung (in unterschiedlicher Heftigkeit) werde ich wohl nie "komplett ohne Spuren" der Erkrankung leben.

Viele Jahre war das gegenüber meinen Familienmitgliedern ein heftiger Kampf, für mich gefühlt wie gegen Windmühlen. Gab deshalb auch einige Jahre Kontaktabbruch.

Dann habe ich in der Therapie entdeckt, dass meine "andere Art zu leben" immer besser akzeptiert wird, je mehr ich selber dahinter stehe. Und nicht mehr groß herumdiskutiere oder mich rechtfertige.

Ich muss mich eben häufiger zurückziehen, ich kann (oder will) vieles nicht, und ich mache kein großes Thema mehr draus. Je gelassener ich dahinter stehe, desto stärker wurde (und wird) die Akzeptanz in meinem Umfeld. Und wenn es Unverständnis gibt, dann ist es eben so und ich kann es nicht ändern. Dass ich das Recht auf "meine Art zu leben" habe, das lass ich mir dadurch nicht mehr anzweifeln.

Viele Grüße

Ulysses


P.S.: Dass für Dich als Fazit aus der Angehörigen-Diskussion ein Satz wie dieser herausgekommen ist:

Die Erwartungshaltung ist, dass der Erkrankte gesund wird und wieder so "tickt" wie "früher".

das finde ich persönlich schade. Sicherlich gibt es solche Wünsche und Vorstellungen, vor allem wenn man als Angehöriger erst ganz kurz mit der Krankheit in Berührung gekommen ist.

Aber vieles von dem, was in Wellen bei den Angehörigen immer wieder hochschäumt, das entsteht gerade in den langjährig mit der Erkrankung lebenden Partnerschaften, die auf einen gemeinsamen, schmerzhaften Heilungsprozess hoffen. Und eben nicht auf Rückkehr in alte Muster.

Und dabei ist für mich persönlich das Thema "Partnerschaft" wirklich noch eine ganz eigene Hausnummer. Dabei geht es mir nicht um Dinge wie Verständnis für Rückzug, Freiraum und gegebenenfalls das gemeinsame Suchen nach kreativen Lösungen für den "etwas anderen Alltag" mit Depression. Das ist für mich selbstverständlich, für beide Beteiligten.

Aber je nach Ausprägung geht das in schweren Phasen u.U. über lange Zeit nicht. Phasen mit völliger Lähmung im Bett, in denen kein Wort gesprochen wird, in denen wirklich keinerlei Körperkontakt erträglich ist, und das deutlich länger als nur ein paar Monate. (So von mir erlebt, als Angehörige in diesem Fall.)

Wer sich da für den geliebten Partner keine Schritte in Richtung Gesundung wünscht, der lebt völlig außerhalb meiner Vorstellungskraft.
rm
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von rm »

Guten Abend Bianca,
Stepha und Tabarka.
(und nachträglich Ulysses )

ich wollte schon vor ein paar Tagen zu Deinem Thema im Angehörigenteil etwas sagen, andererseits gibt es da schon so viele interessante Äußerungen zum Thema 'Verstehen oder Mißverstehen', daß mein Part da nur eine Wiederholung sein könnte.

Was ich allerdings schade finde, ist diese Trennung zwischen Angehörigen und 'Kranken', denn Betroffene sind alle Parteien.(da kannst Du aber überhaupt nichts zu, denn das ist hier in den Rubriken so vorgegeben und hat sich wohl so bewährt)

Ich glaube auch nicht, daß eine Wertung, wer nun 'normal' oder anders tickt, die Betroffenen in der Gesamtheit weiterbringt, denn 'Sender und Empfänger' sprechen auch im 'Normalfall' oft unterschiedliche Sprachen.

Meines Erachtens auch ganz oft abhängig von Situation, Tageszeiten, Jahreszeiten, vorher Erlebtem, Vorurteilen betreffend einer Person oder einer Gruppe, einer persönlichen Geschichte und und und....

Mißverständnisse sind vorprogrammiert und es gibt meines Erlebens nach die 'Gnade' des Verstehens und Mitfühlens, Mitschwingens... was aber in der darauffolgenden Zeit wieder in den Hintergrund treten kann. So jedenfalls erscheint mir das Leben:
Wie ein Ozean mit Wellentälern und Bergen, mit liebevollen Momenten und scheinbar lieblosen.

Was der ganz große Glücksfall wäre: Wenn eine Beziehung ein Leben lang andauern könnte, mal nah, mal ferner, aber immer füreinander da. Aber was sage ich da... alles und immer im Fluß, es kommt wie es kommen muß.

Ich mach hier mal Pause, denn ich glaube, mal wieder zu langatmig zu werden .

Abendlichen Gruß an Dich, Tabarka und alle, die hier mitlesen und schreiben.

Reinhart
Köchlein
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Köchlein »

Hallo,
habe auch das problem das ich meiner Frau nicht verständlich machen kann, was Depression ist kann es oft auch selbst nicht verstehen. Frage mich was ist die Krankeit und was bin ich?
Daran ist woll auch meine Ehe gescheitert.
Denke oft es kan doch nicht so schwer sein mit seinen Partner oder Freund auch über gefühle sprechen.
Da ich sehr viele Depressive in meinem umfeld habe, denke ich oft warum ist es so schwer offen damit umzugehen.
Das waren so meine gedanken zu dem Thema, ich das Thema sehr interessant und wichtig.
Gruß Wolfgang
Cloud59
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Cloud59 »

Hallo bianca!

Ich will mal auf den titel deines threads eingehen. Es kommt darauf an, was du unter “liebe“ verstehst.verstehst du darunter, den anderen so zu nehmen, wie er ist, samt staerken und schwaechen, keine unerfuellbaren erwartungen an ihn zu haben, dann ja.


Um auf deinen thread bei den angehörigen zu kommen, dieser ganze frust, die wut, die ganzen klagen, sie machen mich fertig.

Ich bin noch nicht so stabil um die ganzen beschwerden gegen die depressiven unberuehrt zur kenntnis zu nehmen. Dass es fuer angehoerige nicht leicht ist, wissen wir und behaupten nichts anderes. Aber mich macht das so traurig, wie teilweise über die betroffenen geurteilt wird.

Jetzt sitze ich wieder hier und weine und weine,
werde vom hass auf mich und die depression und mein leben geplagt. Habe schuldgefuehle wegen der depri, denke daran, was wir nahestehenden damit antun.

Ich muss schauen, dass ich wieder aufbauende gedanken zustande bringe. So ist das sonst kein zustand, der mir hilft. Im gegenteil.

Halt den kopf hoch bianca. Geh deinen weg, den du gehen willst.

Lg cloud
rm
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von rm »

>...dieser ganze frust, die wut, die ganzen klagen, sie machen mich fertig....<

Mensch Cloud,

mit diesen Gedanken zu Bett gehen ...oder dann eine schlechte Nacht verbringen? Warum? NEIN, es ist nicht Dein Teil, alles Gesagte auf Dich zu beziehen!

Deine Verantwortung wird es sein, ganz, ganz behuntsam mit Dir umzugehen. Liebe zu Dir selbst zeigen, Tiefen und Höhen annehmen, denn das bist Du Dir und Deiner Seele verantwortlich.

Stell Dir vielleicht eine Blumenwiese vor, voller wunderbarer Pflänzchen, stell Dich mitten in dieses Meer von schönen Farben und vielleicht kannst Du daran denken, daß diese Blumen auch für Dich blühen, für Dich da sind.

Ganz leise flüstern sie Dir ein Lied, nur für Dich und: duften so schön..ganz zart und lieb. Streif ab das hier Gelesene und laß es ziehen wie eine leichte Wolke.

Eine gute und friedliche Nacht wünsche ich Dir,
Reinhart
Cloud59
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Cloud59 »

Danke dir reinhart.

Momentan fuehle ich mich, als wuerden die blumen sofort verwelken und das duften aufhoeren, wenn ich mich zu ihnen stelle.

Aber ich werd es versuchen.

Danke nochmals fuer deine troestenden worte.

Dir auch eine gute nacht mit erbauenden traeumen.

Gute nacht an alle.

Lg cloud
Sommerland
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Sommerland »

Hallo Tabarka!
Na klar darfst Du!!!

Ich bitte Dich sogar um Austausch!

Was mich so "fertig" gemacht hat im Angehörigen-Forum war, dass ich am Anfang darauf hingewiesen habe, dass die Depression ein Teil meines Lebens geworden ist. Ich werde nie mehr zu alter Stärke zurückfinden. Ich muß ehrlich mit mir umgehen und meine jetzigen Grenzen achten. Das geht mehr oder weniger schon ganz gut. Aber wie sagt man es den Lieben, dass es jetzt so ist wie es nun mal ist und dass das schon ganz schön viel (Fortschritt) ist... Und dann kriegt man als Antwort im Forum zu lesen: Ich wünsche dir, dass Du bald wieder ganz gesund wirst.

Ich hatte nach all dem einfach die Bestätigung dafür, dass ICH, so wie ich jetzt bin, nicht akzeptiert werde. Weil meine Krankheit als "vorübergehender nicht wünschenswerter Zustand" gesehen wird. Sicher gibt es da auch andere "Strömungen", so wie dein umsichtiges Verständnis (Dank dafür!) - aber der grundlegende Tenor scheint mir doch "Ablehnung" (der Symptome) zu sein...

Liebe Grüße
Bianca
Irgendwas is ja immer...
Sommerland
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Sommerland »

Guten Morgen Stepha,

ja - Du hast recht! Ich habe zu lange versucht, den Gesunden ein gutes Gefühl zu vermitteln. Auf die Frage, wie es mir geht hab ich immer gesagt: "Alles gut! - und bei Euch?"

Hab versucht, in der Welt der Gesunden nicht negativ aufzufallen, mich so weit meine Kräfte es zuließen, anzupassen.

Aber damit sollte jetzt endlich Schluss sein. Zeit für Ehrlichkeit! Vielleicht belaste ich mein Umfeld damit - dann ist das eben so!

Bianca
Irgendwas is ja immer...
Sommerland
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Sommerland »

Ulysses,

ja - auch ich kenne das Vegetieren in der tiefen Depression. Das Ausgeliefertsein. Das totale Nichtkönnen. Da war mein Partner da - und das war gut so! Und die kleinen großen Schritte aus diesem Tief heraus, waren auch für ihn fantastisch. Natürlich wollte er, dass es mir wieder besser geht... Darüber brauchen wir hier doch keine Diskussion - oder???

Vielleicht hab ich im Moment auch selbst ein Akzeptanzproblem - weil ich mein "neues Ich", meine veränderten "Ressourcen" und die Einschränkungen durch die Depression noch nicht wirklich akzeptieren kann. Ich will meinen Tagen mehr Leben geben und krieg das nicht hin - weil ich eben nicht viel Freude empfinden kann.

Deshalb ist es auch so schwer für mich, mir was "Gutes zu tun", denn alles Gute bleibt gefühlt irgendwie bedeutungslos - im Vergleich zu früher ist das frustrierend hoch zehn.

Meine alten Empfindungen wie Freude, Spaß, Neugier, Lust usw. fehlen nach wie vor oder laufen auf Sparflamme. Es fehlt halt die Lust aufs Leben.

Bianca
Irgendwas is ja immer...
bigappel
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von bigappel »

Guten Morgen Bianca,

ich habe jetzt alle Beiträge im Angehörigenforum nochmal durchgeguckt und nirgendwo gelesen, dass Dir eine Person geschrieben hat, sie wünsche Dir "dass Du wieder Gesund" im Sinne von "normal = nicht psychisch betroffen" = zu funktionieren hast, wirst.

Vielleicht habe ich es überlesen.


Mein Mann ist seit ca. 35 Jahren psychisch krank; ich kenne ihn seit über 30 Jahren.

Ich kenne ihn also nur mit der Erkrankung, in der gemeinsamen Zeit war eine Phase, die man als "besser" im Sinne von Partnerschaft leben können, bezeichnen kann.

Mir als Angehörige ist bei dieser Länge der Erkrankung klar ( 35 Jahre!!!!!!), dass seine Belastung anders ist und seine erlernten Muster so tief sitzen, dass er immer wieder damit zu tun haben wird.

Ich lese aus den Beiträgen, dass trotzdem Veränderung möglich ist (ein Lernen mit der Erkrankung zu leben) und davon bin ich überzeugt; von allen Seiten.

Vielleicht wäre es auch eine Überzeugung, dass die Betroffenen einfach akzeptieren müssen, so wie auch die Angehörigen, dass ein wirkliches Nachspüren des Erlebens als Nichtbetroffener einfach nicht vollumfänglich möglich ist?

Viele Grüße
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
Sommerland
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Sommerland »

Hallo Cloud,

für mich war das auch zum Teil verstörend, was die Angehörigen über ihre Partner geäußert haben. Bin auch noch am verdauen...

Wir Depressiven werden durch die Krankheit irgendwann ausgebremst. Auf uns selbst zurückgeworfen - und zum Hinschauen gezwungen. Alte Überforderungen und Anforderungen müssen evtl. verändert werden. Wenn wir die Dinge, die uns in die Krankheit geführt haben nicht ändern können, müssen wir neue Einstellungen zu den Dingen finden. Das alles braucht Zeit. Aber wir stehen ja still - wurden ausgebremst. Familie, Job, sonstige Verpflichtungen - alles das muss warten.

Für die Angehörigen dreht sich das Hamsterrad derweil weiter - hinzu kommt die Erkrankung eines nahestehenden Menschen. Eine Belastung mehr! Da kann der Alltag auch mal zu viel werden - natürlich versteht man das auch als Depressiver - und das nach Jahren mal der Geduldsfaden reißen kann ist auch nachvollziehbar! Mir wär einfach wichtig, dass bei all der Belastung klar ist, dass das Nichtkönnen ein Symptom der Krankheit ist. Das Symptom ist schuld - nicht der Mensch!

Und je nach Kraft wird der Betroffene sich bemühen - denn der Zustand des Nichtkönnens wird als störend empfunden - auch von den Erkrankten!

Bianca

P.S.: natürlich kann ich hier nur mein Erleben schildern.
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krimi56
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von krimi56 »

Hallo Bianca,

ich möchte mich in deine Diskussion nur kurz einklinken.
Bereits im Angehörigen Thread hatte ich mitgelesen.
Ich bin Betroffene wie auch Angehörige.

Angehörige: Meine Tochter ist depressiv und war schon2x in einer Klinik, gestern gerade das 2. Mal entlassen. Sie hat leider eine sehr schlimme Form der Depression, geerbt aus der Linie ihres Vaters. (Weiter möchte ich nicht darauf eingehen, zu traurig.)
In der Anfangszeit ihrer Krankheit war es sehr schwer für mich damit umzugehen, sie war so für gar keinen Rat und Unterstützung empfänglich.

Dann wurde ich selbst Betroffene. Ich muss nicht so schwere Phasen durchleben wie viele hier. Meine Depression entstand dadurch, dass ich schwer krank wurde und im Laufe der Zeit Freundschaften aufhörten, einschliefen. Ich konnte das nicht verstehen, kann es bis heute nicht. Ich habe mir psychotherapeutische Hilfe gesucht und gelernt mit dem veränderten sozialen Umfeld umzugehen.

Meine Tochter ist mittlerweile verheiratet. In vielen und langen Gesprächen haben wir ihrem Mann zu erklären versucht was auf ihn zukommt und dass er auch sagen kann: Ich schaffe das nicht.
Ich hoffe er hat die Kraft und Ausdauer die er brauchen wird.

Ich wollte damit jetzt nur kundtun, dass ich beide Seiten in einer Familie/Ehe verstehen kann. Mein Mann tut mir auch sehr leid.
Er ist derjenige der seine Tochter und seine Frau so nehmen muss wie wir jetzt sind.
Wogegen er bei mir eher meine anderen Krankheiten als Ursache für bestimmte Verhaltensweisen von mir ansieht.
Und auch da haben wir viele Differenzen miteinander, weil er es nicht akzeptieren kann, seine Frau hat sich auch dadurch verändert.

Ich danke dir für deinen Mut diese Diskussion in Gang gebracht zu haben.

Liebe Grüße

krimi

Ich kann in den Diskussionen hier im Forum meist nicht mithalten, weil sie mir oft zu schnell sind. Und ich bin nicht den ganzen Tag online.
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
Sommerland
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Sommerland »

Hi Pia,

hab grad gesehen, dass "die andere Seite" noch sehr aktiv ist - werd da auch gleich noch mal reinschauen. Gerbera meinte : "Ich wünsche Dir verständnisvolle Angehörige/Freunde etc. an der Seite, die Dich nie im Stich lassen - und dass Du bald ganz gesund wirst."

.. das war sicher gut gemeint, ist aber genau, was ich seit Jahren höre und eben nicht mehr hören mag - weil es mir Druck macht! Ich möchte jetzt so akzeptiert werden, wie ich bin! Mit meinem Nichtkönnen!

Verdammte Kiste - sprech ich eine andere Sprache????? Warum kapiert denn das keiner????????????????????????????????

Bianca

sorry - bin ich ungerecht?
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bigappel
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von bigappel »

Nein, liebe Bianca,

bist Du nicht!

Aber ich möchte darauf hinweisen, dass Gerbara B e t r o f f e n e
ist.

Dein Posting, dass Du möglicherweise Deine Erkrankung derzeit nicht akzeptieren kannst, fand ich mutig und mir kommt es so vor, als wäre da etwas dran.

Ich möchte Dich ermutigen, in erster Linie Dich selber zu akzeptieren, mit Erkrankung, mit Einschränkungen, das "Gesamtpaket".

Du bist liebenswert und o.k, wie Du bist!

LG
Pia
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Sommerland
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Sommerland »

Hi Pia,

ja das stimmt. Mich hat die Erkrankung verändert. Und wenn es mir schon schwer fällt, meine neuen Grenzen, Reaktionen und mein Nichtkönnen einzuschätzen, wie schwer muss es dann erst für mein Umfeld sein???

Bianca
Irgendwas is ja immer...
bigappel
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von bigappel »

Liebe Bianca,

für mich sind Deine Worte sehr wohlwollend und sie tun mir gut.

Ich hoffe, Dir auch.

Es gibt ganz sicher immer Ar..... im Leben auf die man trifft, aber im Grundsatz gehe ich mal davon aus, dass ein Paar (das ist jetzt meine Ebene) eigentlich ein gemeinsames Ziel verfolgt: ein gemeinsames Leben miteinander.

Gegenseitige Akzeptanz: das dass manchmal echt schwer ist, tut einfach gut.

Auch die negativen Gefühle müssen wohl oder übel "raus", sonst verbleiben sie tiefdrinnen..... das ist nicht gut!

Ich danke Dir!

LG
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
Sommerland
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Sommerland »

Hilfe!!!

War grad zum letzten Mal bei den Angehörigen, kann gar nicht glauben, was ich da gelesen hab!!! Kann mir das mal jemand übersetzen? Oder lese ich richtig, wenn ich verstehe, dass Depressive "schlechte Menschen" sind??? Dass man aus ethischen Gründen bleibt und die Hoffnung auf Gesundung die Motivation dazu ist? Dann ist es doch wieder das, was ich meine - die Erwartung, die man nicht erfüllen kann und das schlechte Gewissen, nur noch eine Belastung zu sein - ein Klotz am Bein...


- Zitat:

"... Wenn man aber über viele Jahre mit einem schwer psychisch kranken Menschen zusammenlebt wird es nach meiner Erfahrung etwas problematisch mit der Ehrlichkeit.
Wie reagiert denn der Mensch, wenn ich sage, dass ich seinen Gesichtsausdruck, seine schlechte Laune, seine verzerrte Wahrnehmung etc. kaum noch ertragen kann? Was passiert, wenn ich das in einer Phase sage, in der derjenige eh schon stark suizidgefährdet ist?

Tausend Mal habe ich erlebt, dass meine Ehrlichkeit völlig fehl interpretiert wurde und ich danach die "Hölle" auf Erden hatte.
Frei nach dem Motto: Ein Satz verändert die Welt!

Ich kann "Eure Wut" gut verstehen, denn die hatte ich auch. Aber ich musste letztendlich erkennen, dass diese Wut auch gegen mich selbst gerichtet war, denn ich hätte ja selbst viel früher den Schlusstrich ziehen können. Leider habe ich das nicht geschafft, weil ich immer Hoffnung auf Genesung hatte und aus ethtischen Gründen dachte, dass man einen kranken Menschen nicht allein lassen kann. Ganz abgesehen davon, habe ich diesen Menschen mal sehr geliebt.

Irgendwann fing es an, dass ich meine eigenen Gefühle ignoriert habe und ich war auch nicht mehr ehrlich mir selbst gegenüber.
Ja... und da wären wir wieder beim Thema Co-Abhängigkeit!


Seid nicht zu hart mit Euch und versucht wieder bewusst die schönen Dinge wahrzunehmen, denn auch das verlernt man in so einer Beziehung. Ich versuche jeden Tag immer eine halbe Stunde zu spüren, was mir gut tut und plane danach den nächsten Tag.

Mein Beziehungsende liegt jetzt schon einige Jahre zurück und ich bin aus anderen Gründen noch ab und an hier im Forum und kann Euch wirklich versichern, das es besser wird mit "Doktor Zeit". Wir können aus unserem eigenen Verhalten lernen und ergründen, warum uns dies oder jenes passiert ist und dann in Zukunft andere Wege gehen. Es war nicht alles umsonst, denn es hat uns reifen lassen.

Ich wünsche allen Lesern hier einen schönen Tag und Zeit für schöne Augenblicke!

Love it, leave it or change it!

- Zitat Ende -


Bianca
(ich weiß, das ist eine Einzelmeinung eines Angehörigen...)
Irgendwas is ja immer...
Sommerland
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Sommerland »

Hab mehr und mehr das Gefühl, den Zugang zum normalen Erleben zu verlieren.

Wie in "Die Wand". Sie trennt mich von der Realität, von Gefühlen und Erleben. Vom Leben.

Ich mache depressiv ???? !!! ??? !!! ??? !!!

Ich glaub, ich werd jetzt langsam doch verrückt - auf einen psychischen Deffekt mehr oder weniger kommts ja jetzt auch nicht mehr an.
Vielleicht lebt es sich dann ja ganz ungeniert - traurig und hoffnungslos sein zu dürfen ;-(

Mal ehrlich.

Eine rat- und hilflose
Bianca
Irgendwas is ja immer...
bigappel
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von bigappel »

Liebe Bianca,

Du machst nicht depressiv.
Es ist die Angelegenheit von jedem höchstpersönlich dafür Sorge zu tragen,
sich abzugrenzen bzw. dafür zu sorgen!

Es gibt solche und solche Angehörigen,
wie auch Depressive.

Ich hab hier auch schon verallgemeinernde Statements von "gesunden" Angehörigen gelesen, da kräuseln sich einem die Fußnägel.

Geschrieben wurde: Depressive sind nicht die besseren Menschen, weil sie krank sind.

Fein.
Hunde sind auch keine Katzen.
Ich gratuliere zu der Erkenntnis.

Liebe Bianca,

so manches Mal tut eine Forenpause sehr, sehr gut und vor allem dann, wenn es anfängt, dass bla-bla Beiträge auf sich selber bezogen werden.

Ich selber habe gute Erfahrung mit Forenpause gehabt und kann Dir diese nur an ´s Herz legen.

Sei es Dir wert, nicht jede Erfahrung, jeden Bericht, jeden Ansatz auf Dich zu nehmen.

Das bist nicht Du und es geht nicht um Dich.


Ein eigener Therapeut für den Angehörigen kann helfen, ja.
Aber in unserem Gesundheitssystem fehlt meines Erachtens die Möglichkeit eines bezahlten Familientherapeuten, der die Gesamtheit der Betroffenen hört und nicht den Betroffenen, den Angehörigen.

Denn letztlich, wie Du auch schon geschrieben hast, ist nicht nur der Betroffene, betroffen.

LG
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
rm
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von rm »

Liebe Bianca und
guten Morgen !

Ich muß gleich zum Arzt und bedaure es ein wenig, Dir nicht mehr Unterstützung im Moment geben zu können.

Pia sagte aber doch schon einfühlend sinngemäß das sehr Wesentliche zu Dir: So wie Du bist, bist Du ok. Kannst Du das für Dich annehmen?

Vielleicht kann es es auch für Dich ganz sinnvoll sein, einfach mal den PC zu schließen, statt dessen einen kleinen Spaziergang zu machen, um andere, ganz andere Eindrücke auf Dich wirken zu lassen.

Pausen in der Betrachtung der Dinge wirken bei mir jedenfalls manchmal Wunder und bringen mich auf neue Gedanken und lassen die alten verblassen (nicht zu verwechseln mit Vergessen.)

Lass Dir Zeit und versuch einmal, Dich zu erden, Kontakt nur und allein zum Hier und Jetzt zu suchen. Schritt für Schritt. Wär das einen Versuch wert?

Liebe Grüße von einem,
der es jetzt etwas eilig hat,
einen Termin nicht zu verbaseln

Reinhart
sunshine45
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Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von sunshine45 »

Liebe Bianca,
ich folge Dir jetzt gerade mal in den Betroffenen-Teil, da Du mich ja zitiert hast.

Du machst nicht depressiv und andere depressive Menschen machen das auch nicht.

So habe ich das nicht gemeint in meinem posting. Die Wut von der ich spreche, ist die Wut auf die Krankheit!!! und nicht auf den Menschen selbst. Dann kommt noch die Wut auf das eigene Unvermögen dazu, dass man auch als Angehöriger manchmal damit nicht fertig wird. Es ist für alle Beteiligten sehr anstrengend und die Emotionen fahren Achterbahn.

Den Film "Die Wand" habe ich übrigens auch gesehen und fand ihn so bedrückend, dass ich es kaum aushalten konnte.

Ich wollte Dich mit meinem posting nicht schocken, ablehnen etc. Aber ich habe im Angehörigenforum gepostet und dort ging es unter anderem auch um das Thema Ehrlichkeit.
Und da gehört es auch dazu, dass man auch mal schreiben darf wie man es als Angehöriger manchmal empfindet.

Im Angehörigenforum sind Menschen unterwegs, die sehr wohlwollend und fürsorglich mit ihren Angehörigen umgehen möchten, denn sonst würden sie sich dort nicht informieren bzw. austauschen. Jeder kämpft dort auf seine Weise und will die Krankheit verstehen und alles richtig machen, denn sonst wäre ja wohl keiner dort.

Wie Reinhart und Pia schon geschrieben haben, wäre es vielleicht gut, wenn Du mein posting mit etwas Abstand noch einmal liest und hoffentlich mit Hilfe meiner Erklärung auch anders verstehen kannst.

Liebe Grüße
von der Koboldin
Love it, leave it or change it!
Blümli
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Registriert: 18. Jan 2011, 18:41

Re: Mit Liebe wird alles gut?

Beitrag von Blümli »

Liebe Bianca,

hab grad drüben bei den Angehörigen diesen Beitrag in Deinem thread geschrieben und jetzt erst gesehen, dass Du auch hier über dies Thema schreibst, deshalb setzt ich ihn Dir hier nochmal rein, falls Du da drüben nicht mehr mitliest ( was ich vollkommen verstehen und Dir sogar raten würde ).


>>>> Jetzt will ich mich aber doch hier,
zumindest mit einer Sache, zu Wort melden, weil ich es unsagbar finde, wenn eine wirklich gute Diskussion hier in diesem Thread durch Verallgemeinerungen ins verletzende " rundumschlagen" abtriftet.

Menschen die mit Depressionen leben müssen sind die unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Wenn ein Partner sich in, vor oder nach einer depressiven Phase von einem Partner trennt, oder diese "Trennung" in gewisser Weise in der aktuellen Beziehung lebt, dann tut das dieser Mensch nicht alleine aufgrund oder mit seiner Depression, sondern eben zu einem ganz großen Teil mit und durch seine Persönlichkeit.

So kann ich z.B. von mir erzählen, dass mein langjähriger Ehepartner (nicht depressiv) mich " wie einen alten Schuh entsorgt " hat, mein depressiver Freund sich hingegen um eine sehr achtsame und äußerst respektvolle Auseinandersetzung mit mir bemüht hat und dies auch geschafft hat, was ihn sicher unsagbar Kraft und wahrscheinlich auch zusätzlich depressiveste Tage gekostet hat.

Also dies verletzenden Verallgemeinerungen finde ich, auch hier in dem Angehörigenteil, absolut unangebracht und sie bringen auch - selbst wenn sie Wut gegen den Partner entstehen lassen können - einen nicht weiter.

Und ein ganz herzliches Dankeschön an die Betroffenen, die sich hier, trotz "Faustschläge gegen sie", immer wieder zu Wort melden. Ihr macht es uns möglich, uns mit dem Thema Depression überhaupt so effektiv auseinanderzusetzen, weil genau diese "Gespräche" mit unseren Freunden/Partnern ja nicht laufen.

Liebe Biancas, zieh Dir das hier nicht alles an, es ist nicht für Dich bestimmt !
Und... ich kann inzwischen, so denke ich zumindest, euch "Depressive", zumindest in manchen Bereichen, verstehen, nur ist es in manchen Beziehungskonstellationen und -situationen nicht leicht dieses Verständnis mit dem Leben zu integrieren. Da gibt es immer wieder innerliche, aber auch äußerliche Auseinandersetzungen und solche sind wohl hier ( im Angehörigenteil) zu lesen.

Grüße

vom Blümli
^^ Vielleicht muss man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen^^ Nicolas Chamfort
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