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Nicht am Leben teilnehmen wollen

Verfasst: 10. Jul 2013, 00:43
von STEX
Hallo an alle,

kennt ihr dieses Bedürfnis auch, sich teilweise einfach nur verstecken zu wollen vor der Welt? Nicht am Leben teilnehmen zu wollen?

Mir geht es im Moment so, wobei ich betonen möchte, dass dies nichts mit Suizidgedanken zu tun hat. Wenigstens damit hatte ich noch nie ein wirkliches Problem, danach hatte ich nie den Wunsch.

Ich bin gerade in einer Situation, die ich mir selbst geschaffen habe, wo ich tatsächlich auch die Möglichkeit habe, wenig bis garnicht am Leben teilnehmen zu müssen.

Ich bin jung, ungebunden, weit weg von meiner Familie (die sich sowieso nur aus meiner Mutter zusammensetzt) wohne in einer großen Stadt und habe derzeit nur eine geringfügige Beschäftigung. Die Tätigkeit ist aber auch nur sehr unregelmäßig, so dass ich viele Wochen oft keine Arbeit habe.
Ausgesucht habe ich mir die Arbeit mehr oder weniger weil ich mich mit einer Vollzeittätigkeit vollkommen überfordert gefühlt habe.

Ich wohne noch nicht so lange in dieser Stadt (2 Jahre) und habe bisher wenig soziale Kontakte aufgebaut, weil ich auf gewisse Art auch nicht anders wollte.

Im September werde ich wieder zur Schule gehen um mein Abitur nachzumachen. Zumindest ist das mein Plan.

Gleichzeitig ist mir erst in den letzten Wochen bewusst geworden, dass es mir doch arg schlecht geht und ich eben doch wohl an einer Depression erkrankt sein muss.

Obwohl ich in einer WG lebe, gehe ich auch meiner Mitbewohnerin in den letzten Wochen viel und oft aus dem Weg.

Therapeutische Unterstützung habe ich nur in Form einer Gesprächsgruppe, bei der ich mich aber auch nicht traue zu erzählen, wie schlecht es mir gerade wirklich geht.

Ich bin auf der Suche nach einem Therapieplatz oder sozialpädagogischer Unterstützung.

Was ich nur so schwierig finde ist, dass ich teilweise garkeinen Leidensdruck verspüre mit meiner Situation sondern einfach nur das Bedürfnis habe, mich vor der Welt zu verstecken. Ich lasse kaum jemanden an mich heran, es wird immer weniger mit Kontakten und irgendwie scheint es niemanden aufzufallen, dass ich immer mehr "verschwinde". Weil natürlich in dieser Stadt nur wenige Menschen einen Bezug zu mir haben.

Wenn ich darüber nachdenke, sollte es mir schon irgendwie Angst machen, dass ich eine große Einsamkeit verspüre aber ich sehe auch, dass ich diese immer wieder selbst wähle und kein Interesse daran habe, wirklich zu leben.

Das Gegenteil möchte ich auch nicht, aber ich fühle mich teiweise sogar wohl mit dem Rückzug und Alleine sein.

Wenn man das so liest, meint ihr, es steht sehr schlimm um mich, wenn es mir sogar mnchmal garnichts mehr "ausmacht" dass ich mein Leben irgendwie verpasse?

Re: Nicht am Leben teilnehmen wollen

Verfasst: 10. Jul 2013, 22:45
von Rudi-Reiter
Hallo Marie-Therese

Hast Du so viel mit Dir selbst zu tun, dass Du oft gar kein Gegenüber
mehr haben willst?

Oder fühlst Du Dich Einsam?
Unter Einsamkeit leidet man, doch Alleinsein kann schön sein.


Ich bin vermutlich doppelt so alt wie Du und habe nach und nach
akzeptiert, dass ich Rückzug und Alleinsein oft brauche und meist zu
wenig habe.

Beruflich überfordert, viel Sport, Therapie, Alanon, gute Nachbarschaft
pflegen usw.....

Ich brauche einfach Zeit, um die Seele baumeln zu lassen, zu grübeln,
das Erlernte und Erlebte umzusetzen.



LG Rudi

Re: Nicht am Leben teilnehmen wollen

Verfasst: 11. Jul 2013, 07:37
von kormoran
liebe marie-therese,

ich denke, dass dieser extreme rückzug und das desinteresse am lebendigen leben doch ziemlich deutliche hinweise auf eine depression sind, also krankheitssymptome.

ich würde dir raten, bald zu einem facharzt zu gehen und die therapeutensuche mit nachdruck fortzusetzen.

je länger man in so einer phase feststeckt, desto wirklicher kommt es einer vor, dass man einfach so leben muss und eigentlich gar nicht wirklich lebendig und froh sein möchte.
ich bin überzeugt, dass das nicht dein leben sein kann.

damit du aber wieder die sicht aufs eigentliche leben, deine lebendigkeit, mut und energie und freude an begegnungen mit menschen erleben kannst, brauchst du die ärztliche und therapeutische hilfe.

liebe grüße
kormoranin

Re: Nicht am Leben teilnehmen wollen

Verfasst: 12. Jul 2013, 00:16
von ben1
Hallo marie-therese

ich denke, das beide Postings (reiterluu und kormoranin) sehr bedenkenswert sind. Und ich möchte versuchen, beide Gedanken (stark verkürzt und eingedämpft und sehr plakativ (entschuldigung für die Vereinfachung) "Allein sein ist auch wichtig und richtig" und "Such Dir Hilfe, um wieder aktiver am Leben teilzunehmen") zu vereinen.

Ich denke, dass ein großes Problem unserer Gesellschaft ist, das wir oft viel zu viel "im Außen" leben - uns wird suggeriert, durch Konsum, Action, Up-to-date sein usw. usf. unser Glück im Leben zu finden. Und Menschen mit Depression (oder in depressiven Phasen, die ich paradoxer Weise oft für sehr gesund halte!) erkennen, das dieser Weg nicht zu einer Lebenszufriedenheit führen kann. So steht das eigene Lebenskonzept auf einmal auf einem harten Prüfstand. Was will ich eigentlich? Will ich mich "ins Leben stürzen", mit allen Gefahren, die dort lauern (ich kann Pläne schmiden, aber auch scheitern!, Ich kann mich in unzählige Aktivitäten stürzen, um mich immer wieder zu "erleben", und mich dabei völlig aus der Fühlung verlieren) oder will ich mich dem Leben total verweigern (z.B. "hat alles sowieso keinen Sinn").

Ich denke, das wir uns gesellschaftlich, wie individuell so weit emanzipiert haben, das es keine "Werte" an sich mehr gibt (die früher sehr klar durch z.B. Religionen) vorgegeben waren.

Und die Aufgabe, die jeder und jede für sich erst mal sehen und annehmen muss (oder darf?) ist die: Wie kann ich mein Leben so gestalten, das es für mich (und nur für mich!) lebenswert ist?

Die Antworten darauf sind so manigfaltig wie die Persönlichkeiten sind, die sie stellen!

Für den einen mag es völlig in Ordnung sein, gerade so viel Geld zu haben, um zu überleben und sich sonst mit sich selbst zu beschäftigen, ein anderer strebt andere Werte an - alles darf und kann sein!

Das Leben ist ein Spiel, in dem uns außer dem Würfel und der Spielfigur alles genommen wurde - und mit dieser etwas unbefriedigenden Ausgangssituation starten wir aus einer Depression oder depressiven Phase heraus.

Und hier möchte ich eine Lanze brechen für die manigfaltigen Möglichkeiten, in die uns dieser Zustand versetzt.

Ich (und nur ich) bin für mein Leben verantwortlich. Ich (und nur ich) kann wissen, was ich will und was ich (gerade mit meinen individuellen Vorerfahrungen, für die ich nichts kann!) jetzt leisten kann. Ich (und nur ich) kann meine jetzige "Leistungsfähigkeit" einschätzen und mich ihr entsprechend einsetzen.

So geshen, sind viele völlig unterschiedliche Lebenskonzepte völlig in Ordnung! Den Königsweg, der für alle gilt, gibt es meiner Meinung nach nicht!

Diesen, meinen Lebensweg zu finden, ist Aufgabe jedes Menschen. Und häufig können gute Begleiter (ob das Therapeuten oder gute Freunde sind, spielt erst mal keine Rolle) diesen Weg wohlwollend begleiten.

Also, hör mehr auf das "Was tut mir gut" (das hat viel mehr mit der Gefühlsebene, als mit der rationalen Ebene zu tun), als auf das "wie müsste es sein"

Vielleicht sind ein paar gute Gedanken dabei. Würde mich freuen!

Herzlichst

Ben

Re: Nicht am Leben teilnehmen wollen

Verfasst: 12. Jul 2013, 14:39
von Sieglinde1964
Ja, das kenne ich auch. Es gab Zeiten, da habe ich mich noch nicht mal raus über den Weg getraut zum Kompsothaufen in unserem Garten. Ich fühlte mich beobachtet und wollte nur noch drin bleiben und keinem Menschen sonstwo begegnen. Es sei denn die kamen zu mir.

Re: Nicht am Leben teilnehmen wollen

Verfasst: 12. Jul 2013, 20:43
von kormoran
hallo ihr,

ich versuche mal eine synthese, so für mich:

ich bin ja auch jemand, die sehr viel rückzug braucht. also auch wenn es mir gut geht, mag ich gerne zeit für nich haben, ist für mich früher als für andere die grenze erreicht, wo ich genug des trubels, der aktivitäten, der menschen um mich habe und mal wieder eine zeit allein und ohne konkrete pläne brauche, und möglichst in meiner gewohnten umgebung.

doch es gibt so einen qualitativen unterschied, den ich inzwischen, denke ich, schon bewusst wahrnehmen kann,
zwischen meinen "normalen" bedürfnissen, dem, was einfach ich bin,
und einem rückzugsdrang und einem nicht-freuen-wollen/können, das nicht ok ist, nicht wirklich mein leben ist, sondern teil der krankheit.

ich bin sicher, dass auch du, marie-therese, ein gutes gespür dafür hast, ob das du selbst bist oder etwas, das dir die krankheit vormacht. sonst hättest du ja nicht hier geschrieben und das so formuliert.

so lange du den unterschied spürst, kannst du dich entscheiden - das steuer hast du in der hand.

liebe grüße
kormoranin

Re: Nicht am Leben teilnehmen wollen

Verfasst: 13. Jul 2013, 00:23
von STEX
Hallo ihr Vier,

vielen Dank, dass ihr meinen Text gelesen und auch geantwortet habt.

@Rudi:
Ich würde sagen, ich fühle mich schon oft einsam aber ich suche mir das Allein sein auch aus weil auf der einen Seite grundsätzlich ein größeres Bedürfnis danach habe als die Norm, auf der anderen Seite ist der Rückzug aber auch ein Schutzverhalten weil ich mich oft für meine Gefühle und Bedürfnisse schäme, sie nicht mitteilen kann.

@Kormoranin:
Ich finde deine These gut.
Wahrscheinlich gilt es genau das herauszufinden: Wann brauche ich den Rückzug weil es einfach meiner Persönlichkeit entspricht und mir gut tut und wann wende ich es an weil es Teil meiner Krankheit ist und mir schadet. Denn es gibt momentan oft Momente, wo ich sehr gerne jemanden hätte, denen ich anrufen möchte und einfach nur reden kann. Aber da ich mich so zurückgezogen habe, fällt es mir schwer,mich überhaupt bei jemanden zu melden.
Aber ich verstehe was du meinst, dass es auf jeden Fall qualitative Unterschiede gibt im Alleine sein mit sich selbst. Das empfinde ich auch so.

@Sieglinde:
Bei mir ist es so, wenn ich alleine sein will, möchte ich auch nicht, dass jemand zu mir kommt, das kann ich dann leider auch nichtmal annehmen, selbst wenn es lieb gemeint ist. Es tut mir dann sehr leid wenn z.B. meine Mitbewohnerin an meine Tür klopft und was mit mir unternehmen will und ich muss sie enttäuschen, fühle mich noch schuldiger als ich es eh schon tue. Ich habe einfach keine Kraft für Unternehmungen oder andere Menschen.

@Ben:
Vielen Dank für das, was du geschrieben hast. Ich habe mich sehr in deinem Text wiedergefunden. Vorallem darin, dass wir heute sehr oft im Außen leben und uns mit allen möglichen Arten von Konsum zuballern und ablenken, um uns nicht mit uns selbst auseinandersetzen zu müssen. Ich kompensiere z.B. viel mit Essen weil es für mich eine Ersatzhandlung geworden ist, ich reguliere meine Gefühle damit bzw. unterdrücke sie gleich. Und es ist ein Teufelskreis weil es zwar funktioniert aber mich abschneidet von dem, was zu mir gehört (Angst, Traurigkeit, Wut etc.)

Ich weiß, dass viele, fast alle Menschen irgendein Laster haben (Rauchen, Trinken, vorallem Arbeiten ist sehr angesehen) um in ungesundem Rahmen sich selbst nicht spüren zu müssen. Und gesellschaftlich wird es absolut toleriert und gefördert. So ist ist zumindest mein Eindruck.


Du schreibst:
"Also, hör mehr auf das "Was tut mir gut" (das hat viel mehr mit der Gefühlsebene, als mit der rationalen Ebene zu tun), als auf das "wie müsste es sein"

Das ist ein wichtiger Punkt für mich. Ich weiß, dass ich genau da ansetzen muss. Nur alleine schaffe ich es nicht so, wie ich es mir wünschen würde.

Komischerweise und ich kann es mir nicht so Recht erklären, begleiten mich seit meiner Kindheit Schuldgefühle. Immer ist in meinem Kopf "das ist richtig, das ist falsch, so müsstest du sein, du bist falsch".
Glaubenssätze, die ich früh gelernt habe und manchmal habe ich den Eindruck, ich tue genau das, was ich verhindern will, um mich in meinen Glaubenssätzen und meiner "Schuld" zu bestätigen.

Klingt absurd oder? So ganz kann ich es auch nicht fassen.

Z.B. mache ich einen Termin beim Therapeuten aus, und vorher denke ich "du musst dahin gehen weil du willst ja Hilfe, das schlimmste was du tun könntest, wäre nicht hingehen".
Was ich tue? Ich verschiebe den Termin weil ich mich wie gelähmt fühle. Wieder bin ich enttäuscht von mir weil ich genau das getan habe, was ich nicht wollte. Mein Vertrauen in mich selbst sinkt immer mehr, ich traue mir kaum noch zu, überhaupt mit irgendwem Termine zu vereinbaren, denn so oft habe ich schon abgesagt und war unzuverlässig.

Ich weiß, dass ich es entscheide und in der Hand habe aber es fühlt sich momentan nicht so an. Es ist wie eine unsichtbare Kraft die mich lähmt, nur dass ich diese Kraft selbst bin aber nicht weiß, was ich verändern soll.

Jedes Mal, wenn ich mir Hilfe suche, läuft es so ab, falls ich hingehe, habe ich mich gedanklich quälend lange aufs Gespräch vorbereitet weil ich in der Situation selbst irgendwie diejenige sein "muss", die weiß, was zu tun ist, einen Plan hat, schon etwas unternommen hat, doch schon ganz schön weit gekommen ist, vielleicht doch garnicht so viel Hilfe braucht, auf einem guten Weg ist.

Ich habe schon oft die Rückmeldung bekommen, dass ich das alles so toll mache und auf dem berühmt berüchtigen guten Weg bin.

Aber ich kann nie in den Situationen zeigen, wie schlecht es mir tatsächlich geht. Ich kann nicht weinen, sagen, dass ich mich einfach nur sprachlos fühle. Nein, ich muss vorbereitet sein und diese Rolle einnehmen obwohl ich nicht möchte.

Natürlich ist das nur ein Schutz aber wie soll man mir helfen, wenn ich nicht authentisch bin?

Und wie soll ich wieder vertrauen in mich selbst finden, wenn andere sich nicht auf mich verlassen können und ich mich im Prinzip dadurch auch nicht auf mich selbst?

Das Gefühl von Schuld wächst und wächst, ich mache es aber immer noch schlimmer und "setze einen oben drauf" indem ich mich noch mehr verkrieche, wieder absage. Ich nehme es mir wirklich so fest vor aber es ist wie ein automatisches Sabotageprogramm was mir solchen Druck bereitet, dass ich mich wie gelähmt fühle.

Druck von Außen und der berühmte Arschtritt machen es übrigens noch schlimmer.

Kennt das jemand?

Re: Nicht am Leben teilnehmen wollen

Verfasst: 13. Jul 2013, 02:24
von onlynoise
Hallo,

ich kenne das sehr gut und habe mich sehr in deinen Beiträgen wiedererkannt. Auch ich befinde mich in einer ähnlichen Position wie du, was die Möglichkeit, dem Leben weitestgehend zu entgehen, betrifft.

Auch dieses "Rollenspielen" kommt mir bekannt vor. Vermutlich ist es einfach die große Angst, Schwäche zu zeigen, gerade in einer Gesellschaft, in der man tatsächlich oft stark dafür persönlich diskreditiert wird. Sodass man sich in seiner Abwehrhaltung im Endeffekt sogar noch bestätigt fühlt. Dem muss man sich wahrscheinlich erstmal bewusst sein. Auf der anderen Seite glaube ich aber auch, dass es in gewisser Weise normal ist, in verschiedenen sozialen Situationen eine gewisse Maske zum Selbstschutz aufzusetzen. Nur wenn es, wie du beschrieben hast, auch bei Freunden / Psychologen oder in der Familie stets so ist, wird es problematisch.

So richtig habe ich da auch noch keinen Weg gefunden, aber ich vermute, dass man sich einfach erstmal mit seiner Schwäche oder diesem Gefühl, ständig irgendwas falsch zu machen, annehmen muss. Das ist sicher schwierig, aber die Voraussetzung dafür, es als Bestandteil seiner Persönlichkeit zu integrieren und anderen offenbaren zu können. Denn nur dann kann dir auch irgendjemand eine Hilfe sein.

Trotzdem: Obwohl andere einem sehr helfen können, muss man das "Sabotageprogramm", diese ewige subtile Selbstschädigung durch Aufschieben etc., dann doch selbst stoppen.. Und dafür muss man aus diesen Schuldgefühlen raus. Das würde ich auch unheimlich gerne schaffen..

Re: Nicht am Leben teilnehmen wollen

Verfasst: 14. Jul 2013, 03:22
von ben1
Hallo Marie-Therese

Alles, was Du schreibst, ist sehr reflektiert! Das finde ich sehr gut und ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Z.B. hast Du eine Möglichkeit gefunden, Deine Gefühle zu regulieren - gut, die ist zwar nicht unbedingt ideal (über Essen), aber sie funktioniert und es gibt sicherlich noch viel schlechtere Möglichkeiten.

Vielleicht kannst Du mal, wenn wieder eine solche Phase auftritt, wie ein Forscher Selbstbeobachtung machen und mal gucken, welche Gefühle hoch kommen, wenn Du mal nicht zu regulieren versuchst. Nur beobachten, vielleicht aufschreiben, was da passiert. Damit bist Du erst mal aus der totalen identifikation mit dem Gefühl raus und Distanz ist immer hilfreich, wenn ich Neues oder lang Verschollenes (wieder)entdecke.

Das mit dem "funktionieren müssen" und das mit dem klaren (strengen) (Ge)wissen "das ist gut" und "das ist schlecht" ist sicherlich ein Relikt aus früheren Zeiten. Und das hat Dich auch eine ganze Weile lang irgendwie durch Dein Leben geführt, war also für irgendwas gut. Das sollte man erst mal würdigen! Und dann sollte man sich die Frechheit und Freiheit nehmen, sich von solch überzogenen, einengenden Regeln stückweise zu befreien. Das muss man genau so mühsam "verlernen", wie man es gelernt hat. Das geht nicht von heute auf morgen, da brauchts viele kleine Schritte. Einen hast Du hier im Forum gemacht - da prüsentierst Du Dich sehr authentisch (und auch sympathisch, wenn ich das sagen darf).

Wir Menschen haben das blöde Verlangen, das wir einmal gemachte Erfahrungen bestätigen wollen, um uns besser in der Welt orientieren zu können. Das kann bis zum Wiederholungszwang führen - wir machen die selben Erfahrungen immer wieder, um uns selbst deren Richtigkeit zu bestätigen (lieber ein schlechtes stabiles Selbstkonzept, als gar keins). Vielleicht kannst Du Dir (als die Forscherin, die ich oben schon geschildert habe) die Erlaubnis geben, alles mal nach und nach in Frage zu stellen und neue Erfahrungen zuzulassen. Die müssen nicht zwangsläufig positiv oder bahnbrechend sein - oft reicht es, wenn etwas sich ein kleines bißchen besser anfühlt als eine alternative Handlung. Auch hier gilt - lieber kleine Schritte, als Stillstand.
Vielleicht ist es auch hilfreich, beim nächsten Therapeutischen Gespräch mal auf eine META-Ebene zu gehen, also nicht zu sagen "eigentlich möchte ich nur Weinen, weils mir furchtbar schlecht geht", sondern "Ich würde eigentlich gerne über meine wahren Gefühle sprechen, aber ich trau mich nicht und weis nicht recht, warum". Wäre mal ein anderer Ansatz.

Ich wünsch Dir alles Gute!

Ben