Prinzipientreue

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Nini33
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Prinzipientreue

Beitrag von Nini33 »

Hallo Ihr,

ich habe mich selbst wieder ins Depriloch katapultiert.

Grund: Mein Arbeitgeber gibt mir seit Jahren immer nur befristete Arbeitsverhältnisse. dies ist rechtlich korrekt und möglich, habe ich überprüft. Nun hat er mir den Arbeitsvertrag nur bis Ende des Jahres verlängert und mir keinerlei Optionen für die Zeit danach gegeben. Bzw. er hat mir den Auftrag erteilt, für meine Arbeit eine Finanzierung zu finden. Dies ist seit ca. 10 Jahren im meinem Arbeitsgebiet die neue Masche.

Für mich sehr schwierig, weil ich meine Arbeit so nicht verstehe und weil ich der Meinung bin, dass das eine Form des "Verkaufens meiner Selbst" ist, die ich nicht gut finde. Aus Prinzip bin ich da erst mal dagegen.

Meine Konsequenz daraus war, wenn der Arbeitgeber mich nur so will, dann will ich nicht und ich habe mir vorgenommen zu gehen.

Problem: Ich war schon mal arbeitslos und es war sehr hart und ich habe eine Sinnesbehinderung, so dass ich mit meinen fast 40 Jahren und der Behinderung Angst vor dem Stellenwechsel habe.

Jetzt hat heute ein Gespräch stattgefunden, bei dem es darum ging, ob ich meine Prinzipien nicht nochmals auf den Prüfstand stelle. Weil sie vielleicht in meiner Kindheit richtig und wichtig waren, jetzt aber vielleicht nicht mehr angemessen sind.

Ich finde, dass Prinzipien für das ganze Leben gelten und nicht einfach mal so verändert werden sollen. Auf der anderen Seite habe ich in den letzten 10 Jahren gelernt, dass das Leben variabel ist und Veränderungen unterworfen.

Habt ihr Ideen dazu oder könnt ihr mir noch einen anderen Gedankengang nahe bringen?

LG Nini
Phosphor
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Registriert: 5. Dez 2010, 14:19

Re: Prinzipientreue

Beitrag von Phosphor »

Hallo Nini33,

dieses Ablehnen von - nennen wir es - Selbstvermarktung kenne ich von mir auch. Bei mir war es allerdings so, dass ich dahinter schlicht meine Unfähigkeit verbarg, mich selbst ins rechte Licht zu setzen. Vor wem? Vor allem vor mir selbst.

Die notdürftige Übertünchung mit hehren Prinzipien hat sogar einige Jahre gehalten. Aber ich bin froh, dass sich das inzwischen geändert hat.

Vielleicht ist es bei dir ja ganz anders, und du lehntst tatsächlich aus tiefer Überzeugung ab, was da von dir verlangt wird. In solchen Fällen gilt es mit den Konsequenzen zu leben.
Haferblues
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Registriert: 21. Okt 2012, 12:50

Re: Prinzipientreue

Beitrag von Haferblues »

Hallo Nini,

ich weiß ja nix über deine Arbeit – aber ist es nicht Sache des Arbeitgebers Finazierungen für sein Geschäft zu finden?????

Wieso sagst du: Du hättest dich in ein Löch manövriert??? Es würde doch fast jeden Menschen deprimieren, wenn er/sie über Jahre nur unsichere befristete Arbeitsverträge hätte. Wenn ich dann auch noch selbst eine Finazierung für meine Arbeit als Angestellte finden müsste, würde ich mich auch ausgebeutet und nicht besonders wertgeschätzt fühlen. Ich denke, das hat mit Prinzipienreiterei nix zu tun.

Andererseits hat dein Chef vielleicht was ganz anderes gemeint.

Ansonsten denke ich, Prinzipien sind gut, solang sie funktionieren. Man kann schon mal davon abrücken. Du solltest aber auf deinen Bauch hören. Es gibt immer eine Alternative.

Alles Gute
Rifka
Lebenskünstler sind Menschen, die schon vollkommen glücklich sind, wenn sie nicht vollkommen unglücklich sind.
Danny Keye
Zarra
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Re: Prinzipientreue

Beitrag von Zarra »

Hallo Nini,

vielleicht wäre es ja eine Variante, zu schauen, was für andere, passende (!) Stellen es gibt, Dich zu bewerben, ggf. im Vorstellungsgespräch zu prüfen, ob Dir dort nicht dasselbe blüht (... wenn das "die neue Masche" ist - das ist es oft ja nicht nur im Einzelunternehmen) (!) - ... und dann zu entscheiden.

Ist es ein "hehres" Ideal, dem man in Anbetracht der Zeitentwicklungen auch etwas anderes entgegensetzen darf, oder kratzt es wirklich an ethischen Grundsätzen? Das kann ich nach Deiner Umschreibung nicht beurteilen, und ein bißchen ist das natürlich eh subjektiv, weil es letztendlich für Dich stimmen muß.

LG, Zarra
Nini33
Beiträge: 81
Registriert: 18. Jul 2012, 19:27

Re: Prinzipientreue

Beitrag von Nini33 »

Hallo Phospor,

ja, das stimmt schon. Ich mag diese Selbstvermarktung und Selbstdarstellung nicht, die so oft im beruflichen Bereich vorhanden ist. Ich denke auch, dass ich das nicht so gut kann. Aber - andererseits kann ich mich bei Vorstellungsgesprächen gut verkaufen, von dem her kann ichs also doch.

Ich verabscheue dieses Konkurrenzdenken und "gut verkaufen" unserer Gesellschaft. Grundsätzlich benötigen wir ein anderes System. Nur - bisher hat noch keiner ein System erfunden, dass realistisch ist und umsetzbar. Utopien bringen mich ja doch nciht weiter. Und ich denke, dass wir uns nichts vormachen müssen, hinter und neben Zielen, Prinzipien und Werten stecken nicht nur "gute" Anteile, sondern auch egoistische Motive.

Ja, die Konsequenzen: Die sind es eben, die mir Angst machen.

Aber darum geht es nicht nur, sondern eben auch um die Frage, bin ich bereit, für meine Prinzipien aus Prinzip zu streiten, oder versuche ich einen Kompromiss zu finden. Und, sollten die Prinzipien über allem stehen, auch wenn es mir schadet?

Ich bin am Nachdenken.

Hallo Rifka,

ich habe auch mit Absicht meinen Beruf nicht genannt.
Aber so wie du habe ich auch am Anfang reagiert. Finde ich nämlich auch, dass der Arbeitgeber die Gelder bereitstellen muss. Ist aber eben in meinem Beruf in den letzten Jahren nicht mehr unbedingt üblich.
Und ja, es ist anstrengend, immer wieder zittern zu müssen, ob man einen Arbietsplatz hat oder nicht. Fällt mir auch nicht leicht.

Darf ich fragen, zum Verstehen, weils mir im Moment schwer fällt, diesen neuen Gedanken in mich hineinzubekommen: Warum kann man von Prinzipien abweichen? Wenn es doch grundsätzliche Strukturen sind, dann sind sie doch absolut. Und eben nicht nur situationsabhängig. Ich möchte nicht so agieren, dass ich heute so und morgen anders bin. Ich finde Kontinuität wichtig. Von dem her fällt es mir schwer zu denken, dass man von Prinzipien abweichen kann.


Danke für eure Gedanken. Ich versuche mal weiter mich damit zu bescchäftigen.

LG
Nini
Tabarka1
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Registriert: 10. Feb 2013, 13:34

Re: Prinzipientreue

Beitrag von Tabarka1 »

Hi Nini,

Was ist ein Prinzip?

Ist es eine Grenze, die ich selbst nicht überschreiten kann? Fühlt sich für mich nicht so an.

Ist es eine moralische Leitlinie, die Entscheidungen leichter machen kann? Alle?
In diesem Fall scheint das ja nicht zu passen, da die Entscheidung eher schwieriger wird, da Du neben Deinen Gefühlen und Bedürfnissen noch mehr berücksichtigen musst.

Welchen Vorteil hat das "Gegendasprinzipverstossen" für Dich? Du könntest Dein berufliches Schicksal selbst in die Hand nehmen. Dich in Selbständigkeit erproben. Denn was Du beschreibst ist ja die Situation von Menschen die selbständig tätig sind.

Was hindert Dich beides zu tun? Also eine Finanzierung zu suchen, um Deine Angst zu regulieren und eine neue Stelle zu suchen - aus Prinzip!

Einen guten Tag!
Tabarka
Wann, wenn nicht heute... ?
lucya
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Registriert: 4. Aug 2010, 11:39

Re: Prinzipientreue

Beitrag von lucya »

Puh, schwierig, schwierig!

Sich selbst verkaufen ist eine Sache, die ich auch hasse.

Mit Prinzipien verhält es sich bei mir inzwischen etwas anders. Ich war früher absolut prinzipentreu. Ich bin echt nie von einem Prinzip abgewichen. Damit bin ich aber irgendwann nicht mehr weiter gekommen. Ich habe gemerkt, daß ich mir damit oft selbst im Weg stehe. Ich war kompromisslos. Habe mein Ding gemacht ohne auf die Folgen zu achten. Hatte ja meine Prinzipien. Aber die haben manchmal weder mich noch meinen Gegenüber weitergebracht.

Und da fing ich an mal an meinen Prinzipien zu rütteln. Sie in Frage zu stellen, mal fuenfe gerade sein zu lassen. Am Anfang kam ich mir vor als würde ich mich selbst betrügen. Aber so war es nicht. Ich komme so viel öfter zum Ziel und habe mich trotzdem nicht verkauft. Diplomatie lautet für mich das Zauberwort. Kompromisse eingehen, ohne sich dabei zu verleugnen.

Prinzipien sind gut, ich hänge sehr an meinen. Aber sie gehören von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand.

Ich arbeite im Moment leider nicht. Ich kenne dieses Eingehen von Kompromissen sehr gut, weil ich in einem Zweig arbeite, in dem ich sehr eng mit anderen Personen zusammenarbeite. Da muß ich ständig schauen was geht und was nicht. Und das muß sehr schnell und intuitiv funktionieren. Wir können erst später über die Situationen reden, manchmal erst Tage später!

Also, ich denke Prinzipien sind gut, aber Du verkaufst Dich nicht, wenn Du mal ein bißchen von Ihnen abweichst. Vielleicht merkst Du dann, daß auch andere Wege nach Rom führen,
Die lucya

_________________________________________

Nicht weil es schwierig ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwierig!
Haferblues
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Registriert: 21. Okt 2012, 12:50

Re: Prinzipientreue

Beitrag von Haferblues »

Hallo Nini,

ich hasse dieses „sich verkaufen“ müssen auch. Das klingt für mich immer ein bisschen nach Prostitution und Verlust der Würde. ABER: du schreibst, du kannst dich in Gesprächen gut präsentieren. Man kann das ja auch sehen wie eine Perfomance bei einem Künstler.

Wenn du einen Finanzier für deinen Job findest, dann kauft der nicht dich als Person sondern bezahlt für deine Arbeit, weil er sie wichtig findet. Es könnte dir gelingen, diese Finamzierung mit deiner Person zu verknüpfen, dass du deinen Chef für die Alternative stellen kannst: unbefristeter Vertrag oder keine Kohle. Ich weiß ja nicht wie viel Konkurrenz euer Betrieb hat. Du könntest ja auch wechseln mit samt der Finanzierung.

Ich fantasiere mal vor mich hin: wenn ich mir mein Leben als Straße vorstelle, dann sind meine Prinzipien sowas wie die Leitplanken. Sie sichern mich ab, dass ich nicht vom Weg abkomme. Jetzt kommt aber ein dicker LKW entgegen, der die ganze Straße einnimmt. Was nu???? Wenden und zurück fahren ist ganz schlecht. Drüber klettert ist schwierig. Also muss ich wohl einige Prinzipien übertreten und mich neben dem eigentlichen Weg voran tasten. Dabei habe ich immernoch auf der einen Seite die Leitplanken/Prinzipien im Blick, auf der anderen Seite ist das Unbekannte.

Kannst du was damit anfangen?? Ich bin leider nicht soooo gut im erklären.

Viele Grüße
Rifka
Lebenskünstler sind Menschen, die schon vollkommen glücklich sind, wenn sie nicht vollkommen unglücklich sind.
Danny Keye
Nini33
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Registriert: 18. Jul 2012, 19:27

Re: Prinzipientreue

Beitrag von Nini33 »

Hallo @all,

erst mal muss ich meinen Ärger loslassen. Ich kann doch manchmal ganz schön bescheuert sein. Ich sitze nämlich heute schon den ganzen Tag vor dem PC und quäle mich immer wieder daran, mir mein Arbeitszeugnis zu schreiben.

Eigentlich bin ich ja krankgeschrieben von meiner Psychaterin, aber mein Gespräch mit meiner Thera am Montag war ja so, dass sie mich schon sehr direktiv angegangen ist und nach diesen blöden Prinzipien gefragt hat. Und auch mich aufgefordert hat zu machen und nicht nur zu reden.

Und jetzt ärgere ich mich über mich selbst, dass ich vor lauter Wut und Trotz eben mein Zeugnis schreibe, weil ich weis, dass ich während der Arbeitszeit eh nicht dazu komme. Und wenn ich meine neuen Bewerbungen schreiben will, dann brauche ich dieses Zeugnis. *grummel*

Erst mal, danke Zarra für deinen Post, ich hatte es übersehen, auch den anderen allen danke. (ich kann mir Namen so schlecht merken *entschuldigung*).

Ich denke ich habe jetzt drei Möglichkeiten mit der Situation fertig zu werden:

1. Mir gleich einen anderen Arbeitgeber suchen und schauen, dass ich in ein anderes Arbeitsgebiet komme, wo die Finanzierung grundsätzlich sichergestellt ist. (Gibt es auch noch...)
2. Das Projekt schreiben und trotzdem gehen. So nach dem Motto: Ich kann das zwar, aber ich hab keinen Bock es zu machen. Und: Wenn du versuchst, mich unter Druck zu setzen, dann gibt es eben einen Tritt in den A****. Das meine ich bezogen auf meine Chefin, die den Finanzierungsdruck von oben an ihre Mitarbeiter einfach weiter reicht.
3. Das Projekt schreiben und durchführen. Dafür halt mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Kompromisse im Leben dazu gehören; dass die Arbeitswelt sich verändert und ich mich anpassen muss. Und *schrecklich, die Vorstellung* das Prinzipien gut und richtig sind, aber eben nicht immer angemessen. Das es eben nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern auch diese vielen, vielen Graustufen dazwischen...

Ich habe noch keine Ahnung für was ich mich entscheiden werde...

Ich stelle nur fest, dass ich denke, dass dieses Thema sich verkaufen, bei mir ziemlich den Nagel auf den Kopf trifft. Dieses Arbeitszeugnis schafft mich. Ich versuche dabei eine wahrheitsgetreue, wohlwollende Beschreibung meiner Arbeitsfähigkeiten zu verfassen... Find ich total schwer.

So, jetzt habe ich mir dne Frust von der Seele geschrieben. Ich geh dann mal eine Rauchen und dann sehe ich zu, dass ich diese Zeugnis fertig kriege...

LG
Nini
Cuore
Beiträge: 59
Registriert: 18. Apr 2013, 22:04

Re: Prinzipientreue

Beitrag von Cuore »

Hallo Nini33,

entschuldige bitte, dass ich bei Deinen drei Möglichkeiten erstmal schallend lachen musste - hat gar nichts mit Dir zu tun, sondern mit der Tatsache, dass ich vor fast genau drei Jahren vor der gleichen Herausforderung stand.

Projektarbeit heißt heute eben oft, den passenden "Geldtopf" selbst zu finden. Aber es kratzt das Ego auch sehr an, wenn der Arbeitgeber einen mit dieser Situation ganz allein lässt. Ich habe mich damals gefragt, wo die Wertschätzung des bisher über Jahre Geleisteten geblieben ist.
Ich habe mich dann sehr intensiv beworben und das Glück gehabt, eine für mich passende Stelle zu finden. Und wählte dann Deine Möglichkeit 2 - ich wollte damit meinem ehemaligen Arbeitgeber so richtig zeigen, auf wen er nun verzichten muss.
Meinem Ego hat das seeeehr gut getan. Ich hatte aber auch viel Glück, zum einen eine adäquate Arbeit zu finden zum anderen für den alten Arbeitgeber das Projekt tatsächlich durchzubekommen.

Ursächlich für mein Handeln war für mich allerdings mein gekränktes Ego - mit Prinzpien halte ich es nicht mehr so, bin schon zu oft völlig unnötig über die eigenen gestolpert.
Einen lieben Gruß und viel Kraft und Erfolg für Deinen Weg
Rike
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