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fehlende Ziele

Verfasst: 16. Jan 2013, 21:02
von BunteWolke
Guten Abend,

seit ein paar Tagen grübele ich über den Beitrag << was wäre wenn? << nach. Die Frage war, wenn ich morgens ohne Depressionen aufwachen würde, was würde ich tun?

Ich konnte darauf nichts antworten, denn ich wüsste nicht, was ich tun würde. Weil ich nach wie vor, obwohl es mir zurzeit nicht schlecht geht, keine Ziele benennen kann.

Genauso konnte ich die Frage << Wenn du nicht weißt, was du vom Leben willst, was wirst du dann wohl bekommen?<< nur mit "Nichts" beantworten, Freunde sagten mir spontan "Überraschungen".

Wie denkt ihr, wenn ihr euch solche Fragen stellt?
Wenn ich das so reflektiere, dann kommt die Angst hoch, dass ich doch vielleicht wieder nur funktioniere.

Re: fehlende Ziele

Verfasst: 16. Jan 2013, 21:28
von otterchen
Hallo BunteWolke,

ich kann mich noch erinnern, als ich keine Ziele benennen konnte - das fühlte sich sehr leer an, so ziellos dahintreibend, richtungslos...

Doch ich bin meinen Zielen nähergekommen - zunächst über das, was ich nicht will, später über meine Bedürfnisse.

Ich hoffe, dass auch Du mit der Zeit einen Zugang zu Deinen Wünschen und Zielen findest.



Re: fehlende Ziele

Verfasst: 16. Jan 2013, 21:33
von flora80
Liebe Bunte Wolke,

hm. Ich würde vielleicht eine Stufe tiefer anfangen. Ziele zu haben und konkret zu formulieren ist sehr schwer. Wie wäre es, wenn du erst einmal einfach drauf los träumst. Was wäre denn schön für dich in der Zukunft, was würdest du dir wünschen? Das können ja auch kleine Dinge sein. Daraus entwickeln sich dann Ziele, indem du anfängst darüber nachzudenken, wie man die Wünsche vielleicht erfüllen könnte.

LG, Flora

Re: fehlende Ziele

Verfasst: 16. Jan 2013, 22:20
von BunteWolke
Danke für eure Antworten, Otterchen und Flora.

Was ich nicht will - das kann ich schon gut benennen! Vielleicht ist das wirklich ein Ansatz. Auch in kleinen Schritten, mit kleinen Zielen die Sache angehen... ja, die Idee gefällt mir.
Wünsche fallen mir einfach noch nicht ein, ich überlege immer spontan, hätte ich jetzt dazu Lust?

Ich soll bis Freitag meiner Therapeutin meine "Baustellen" nennen und in welcher Reihenfolge ich diese bearbeiten möchte. Mir fehlen aber die Worte dafür. Ich finde es gerade ziemlich krampfig und vielleicht werde ich ihr genau das sagen - ich weiß nicht, wo ich anfangen soll oder was genau so schwierig ist *seufz*. Eben ziellos...

Re: fehlende Ziele

Verfasst: 16. Jan 2013, 22:32
von jep
Hallo Bunte Wolke,

ich habe da viel dran gearbeitet, und denke, zu einem Ergebnis fürs ganze Leben muss ich nicht kommen, sondern ich habe versucht herausbekommen, was ich als nächstes Ziel habe.
Dazu habe ich mir etwas angeschaut: Da mein Zusammenbruch dadurch ausgelöst wurde, das ich zu viele Erwartungen von anderen und mir selbst erfüllen wollte, konnte ich eigentlich gar nichts mehr davon machen.
Und bei welcher Sache hat mir das waas ausgemacht? Was zieht mich so richtig runter, wenn ichs nicht mehr hinbekomme?

Eins davon war mein Studium, das Erfolgreich zu beenden damit jetzt meine nächstes Etappenziel ist.
Was danach mein Ziel sein wird? Das kann warten, bis ich mein derzeitiges erreicht habe.

Ich wünsche dir erreichbare Ziele mein nächste Miniziel ist mein Bett!

Re: fehlende Ziele

Verfasst: 16. Jan 2013, 22:40
von otterchen
Hallo Bunte Wolke,

meine Therapeutin meinte, ein Ziel müsse nicht der Endpunkt eines Weges sein, sondern könnte auch die Art und Weise sein, wie man seinen Weg geht.

Beispiel: frei und selbstbestimmt leben, etwas mehr Zuneigung und Hingabe in sein Leben bringen oder auch Lebendigkeit und Leidenschaft... Wärme und Nähe verbreiten oder ähnliches.

Ich habe ebenfalls kein Ziel, das ich anstrebe, aber ich möchte das obige erreichen und mein Leben mehr und mehr so gestalten. Außerdem sind da natürlich noch die kleineren Ziele, die ich erreichen möchte, wie etwa Verschönerungen an meiner Wohnung, das Thema Haushaltsarbeit in meine Tagesstruktur integrieren, mir häufiger und regelmäßiger Wellness-Inseln gönnen usw.

Was ich NICHT mehr möchte, sind schnelle Urteile (sondern ich möchte kommunizieren und verstehen, bevor ich etwas zu einem Thema sagen kann), ich möchte keine Lieblosigkeit und Demütigungen mehr (sondern ich versuche bewusst, meinen Mitmenschen gegenüber ein positives Feedback zu geben), ich möchte kein Dahinplätschern mehr (sondern Bewusstheit und Tiefe).

Vielleicht war eine Anregung für Dich dabei?

Re: fehlende Ziele

Verfasst: 17. Jan 2013, 09:19
von Handsan
Ich kenne das auch, den Zustand nichts an Zielen formulieren zu können. Irgendwie war ich noch nicht bereit, weil Bedürfnissen fehlten und Energie. Ziele haben den Zweck zu motivieren und Motivation setzt Energie frei.

Aber wie die anderen schrieben, auch zu sagen, was man nicht mehr will, ist ein Vorhaben. Oder mit kleinen Dingen anfangen und sagen, ich möchte meine Woche so gestalten, dass ich so und so oft spazieren gehe. Ich möchte mich weiter um mein Wohlbefinden kümmern durch Bäder. Ich möchte mich öfter mit Freunden treffen etc. Ich selber habe nur sagen können, dass ich mich weiter gut um mich kümmern werde und gegen die Depression arbeiten möchte.

Meine Therapeutin stellte mit erst letztens die Aufgabe, mir mein Leben in fünf Jahren vorzustellen. Schwer für mich. Mir fiel ein was ich bis dahin nach Normen gerichtet zu erreichen hätte, nämlich Ausbildung, dann Job, ... Aber wollte ich das? Wusste ich nicht. Im ersten Moment jedenfalls nicht. Zudem blockierte meine Depression wieder meine Vorstellungskraft. Die Empfehlung meiner Thera, dass ganze mit Spaß anzugehen und dass es keineswegs ums Müssen geht oder besonders realistisch sein müsse, nahm mir den Druck. Ich habe mir das vorgestellt, was ging und ich möchte und andere Dinge wurden ein vielleicht. Bei dieser Übung kam mir jedenfalls ein kurzes gutes Gefühl.

Re: fehlende Ziele

Verfasst: 17. Jan 2013, 15:17
von BunteWolke
Danke für eure lieben Antworten und dass ihr eure Gedanken zu Zielen mit mir teilt!

Kleine Ziele kann ich schon benennen - so möchte ich meinen Alltag so gestalten, dass ich abends ohne Gedankenkarussell einschlafe und so vielleicht mal wieder durchschlafe. Ich möchte weiterhin daran arbeiten, dass die Momente mit diesen negativen Gedanken immer weniger werden. Ich möchte mind. 2 x in der Woche walken gehen (im Moment macht mir das Wetter einen Strich durch mein Vorhaben). Ich möchte mich regelmäßig mit Freunden treffen. Ich möchte darauf achten, Dinge zu tun, die mir Spaß machen. Ich will die Arbeit nicht so wichtig nehmen, damit ich abschalten kann.

Vielleicht habe ich doch Ziele und sehe sie nicht, weil ich wieder mal nur an das Große, an das Ganze denke?

Unter Baustellen verstehe ich eben, dass damit gemeint ist, welche Verhaltensmuster ich habe, die mir nicht gut tun. Und diese zu erkennen, das ist ja schon das Problem. Wenn ich sie sehen würde, wenn sie mir bewusst wären, dann könnte ich ja daran arbeiten, diese abzustellen.
Bis jetzt war es aber so, dass ich meiner Therapeutin von Erlebnissen, meinen Befürchtungen diesbezüglich erzählt habe und sie hatte dann die Erklärung dafür. So war es z.B. auch, als ich ihr erzählte, dass meine Familie wegen mir nicht in Urlaub fahren konnte, weil ich mich dazu noch nicht in der Lage fühle. Und sie stellte sofort in den Raum, dass ich mich selbst nicht genug wertschätze. Damit traf sie genau den Nagel auf den Kopf.
Vielleicht ist das auch er der Ansatz, wie ich meinen Baustellen auf die Schliche kommen kann und durch Veränderung meiner Denkweise so wieder das Gefühl bekomme, ich bin glücklich.

Otterchen schrieb, nicht nur Dahintümpeln, oder so ähnlich. Genau so empfinde ich gerade - ich stehe jeden Morgen auf, ich gehe Arbeiten, ich erledige die Hausarbeit, ich treffe mich mal mit Freundinnen, ich mache auch etwas, was mir für mich selbst Spaß macht, aber Highlights?
Mein Mann wartet nur darauf, dass ich mal sage, lass uns das oder das planen. Aber da ist nichts in meinem Kopf.

Re: fehlende Ziele

Verfasst: 17. Jan 2013, 21:02
von kormoran
liebe bunte wolke,

zum einen: du hast kleine, erreichbare ziele. und über die kommst du zu den nächsten. das ist nicht nichts!

und zweitens, wenn ich deine frage beantworten sollte, was wäre, wenn du morgen früh ohne depression aufwachen würdest?
  du würdest dich vor-freuen können auf etwas
  du würdest pläne spüren in dir und daran schmieden, mit freude
  du würdest deine wünsche, bedürfnisse, fähigkeiten wahrnehmen können und daraus würden sich ziele für dein leben herauskristallisieren.

was ich damit sagen will (nun ja, zumindest erlebe ich selbst es so): es ist ein symptom der depression dass wir zum einen uns selbst, unsere bedürfnisse und stärken nicht wahrnehmen können; und zum anderen (und infolge dessen) keine ziele, keine vorfreude, keine pläne haben. (und weil gleichzeitig die ansprüche hoch sind und immer der vergleich mit anderen da, empfinden wir diese leere, die an sich schon schmerzlich ist, als noch zerstörender)

liebe grüße
kormoranin