Gehen oder bleiben?

Antworten
Levinia
Beiträge: 34
Registriert: 7. Mai 2006, 11:17

Gehen oder bleiben?

Beitrag von Levinia »

Hallo zusammen,
es ist schon eine ganze Weile her, dass ich hier selbst gepostet habe, aber mir fehlt momentan ein bisschen eine Meinung von Außen, von jemandem, der vielleicht ähnliches erlebt/gefühlt hat.

Mein soziales Umfeld ist für mich inzwischen mehr Belastung als Hilfe. Jede Nachricht, jede SMS, jeder Anruf lösen in mir Panik, Magenkrämpfe und schlaflose Nächte aus. Es gibt einige Wenige, denen ich wirklich vertraue und die mir „gut tun“, aber der Großteil macht mir halt Sorgen.

Und an Tagen wie heute frage ich mich, ob ich nicht einfach den Kontakt abbrechen soll. Getreu dem Motto „schneid die toten Zweige ab, damit der Rest wachsen kann“ aussortieren, wer mir nur noch Magengrummeln bereitet und wer mir wirklich etwas bedeutet. Damit würde ich zwar erstmal Leuten vor den Kopf stoßen, aber letztlich ginge es MIR dann besser (und das sollte für mich ja gerade das Wichtigste sein).

Andererseits habe ich jahrelang diese Kontakte gepflegt, mir ihre Sorgen und Nöte angehört und mich gefreut, dass ich menschenscheues Wesen soviel erreicht habe. Ich würde zwar nicht zum abgeschotteten Menschen werden, aber muss ich gleich so rabiat sein und meine Krankheit da für mich entscheiden lassen? Ich meine, das sind jetzt nicht gerade „Freunde“ sondern mehr „Bekannte“ , aber auch die verdienen ja einen gewissen Aufwand meinerseits.

Mir bereitet das Alles wirklich Probleme und wenn man bedenkt, dass bei mir gerade vieles im Argen liegt (Studienabbruch, Ausbildungssuche, Probleme mit der Familie, die schlimmeren Depressionsphasen...) möchte ich doch etwas Ruhe finden und nicht dauernd Angst vor der nächsten Kontaktaufnahme haben.

Wie würdet ihr da herangehen? Tabula Rasa oder Durchkämpfen und hoffen, dass es besser wird?

Liebe Grüße,
Levinia
Dum spiro, spero.
Elbi
Beiträge: 205
Registriert: 31. Aug 2012, 21:04

Re: Gehen oder bleiben?

Beitrag von Elbi »

Kieselstein
Beiträge: 179
Registriert: 18. Aug 2011, 16:07

Re: Gehen oder bleiben?

Beitrag von Kieselstein »

Hallo Levinia,

die Situation, die du bechreibst, kenne ich mehr als gut!!! Mir ging es sehr ähnlich. Ich hatte sogar das Gefühl, dass meine Bekannten (wirklich gute Freunde habe ich nur 2-3) mir die Kraft geraubt haben.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Kontakte entweder von allein eingeschlafen sind (das passiert häufig, wenn man jung ist...) oder ich die Freundschaft beendet habe.
Das muss natürlich jeder für sich entscheiden. Ich habe mich aber genauso gefühlt wie du.
Klar tut es weh, Menschen vor den Kopf zu stossen- aber wie heisst dieser schöne Spruch: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!
Mir geht es jedenfalls viel besser, seit ich aussortiert habe!
Die Kontakte mit meinen wirklichen Freunden haben sich automatisch vermehrt und diese Menschen geben mir viel mehr!
Hör am besten auf dein Bauchgefühl. Es wird dir sagen, was richtig ist.

Alles Liebe für dich!
Insa40
Beiträge: 1165
Registriert: 25. Mär 2011, 20:44

Re: Gehen oder bleiben?

Beitrag von Insa40 »

Hi,

es kommt drauf an, ob denn die Bekannten oder weniger engen Freunde oder wie man sie auch nennt von der Krankheit wissen.
Denn wenn sie davon wissen, ist es (in meinen Augen)kein Vor-den-Kopf-stossen mehr.
Schließlich gibt es für den Abbruch der Kontakte ja eine Erklärung.

Wenn einfach nicht genug Kraft da ist, um weiterhin auf Anrufe zu reagieren, ab und zu Mails zu schreiben und sich zu treffen finde ich es nicht brüskierend, denn man ist schließlich krank.
Bei den Leuten, die das, wenn es nett erklärt wird, nicht verstehen können/möchten liegt ja durch deren Verhalten eine Brüskierung vor.
Da würde ich mir dann auch keine Sorgen mehr machen.

Ich muss zugeben, bei mir wissen nur 3 Freunde von meiner Krankheit und die haben alle Verständnis.
Sie haben nicht merkwürdig reagiert, sondern viele Fragen gestellt.
Wenn ich Anrufe oder Treffen absage und erwähne, dass es mir grad nicht gut geht oder ich mich zu k.o. für das Treffen fühle kam von denen noch keine blöde Reaktion.

Aber wie gesagt, es sind nicht Bekannte. ie die reagieren würden, weiss ich bei mir nicht.

Liebe Grüße, Insa
Elbi
Beiträge: 205
Registriert: 31. Aug 2012, 21:04

Re: Gehen oder bleiben?

Beitrag von Elbi »

RegenamMeer,

ich beneide Dich für diese Menschen an Deiner Seite. Die einfach es so annehmen, nicht beleidigt sind, wenn man nicht so kann, keine Vorwürfe für einen haben oder sich immer mehr zurück ziehen. Sag ihnen das mal, dass sie ein Geschenk sind.
nescius
Beiträge: 132
Registriert: 12. Jun 2012, 09:22

Re: Gehen oder bleiben?

Beitrag von nescius »

Hey,

ich kann dich gut verstehen ... das ist ein Problem und irgendwie muss man damit umgehen.

Ich hab in meinem Freundeskreis auch 3 Leute, die mir (bisher) nahe standen und ebenfalls große Pakete mit sich rumschleppen.
Mit 2en ist alles prima.
Bei Nr. 3 realisiere ich immer mehr, dass diese Person mich regelrecht aussaugt.
Und nach einem Gespräch mit meinem Arzt war ich mir sicher: Diese Person tut mir nicht (mehr) gut.
Ich werde den Kontakt abbrechen, weil ICH an MICH denke.

Stell dich mehr in deinen Fokus.
Freundschaften muss man pflegen, ja. Aber nicht um jeden Preis.
Manchmal lebt man sich auseinander, es passt nicht mehr.
Solange ich krank bin und mich so etwas belastet, werde ich mich möglichst davon fernhalten.
Was danach passiert ... wer weiß.
Wenn man wieder stabiler ist, kann man ja noch mal einen Annäherungsversuch starten.

Ich habe selbst wenig Freunde (größerer Bekanntenkreis, aber eben wenige Freunde). Und es ist nicht so leicht, sich von Freunden zu trennen, selbst wenn die einem nicht gut tun. Ich tu mich auch schwer damit (dann ist man ja quasi noch mehr allein), aber bringt es etwas, solche Freundschaften aufrecht zu erhalten, wenn sie einen beständig immer wieder niederdrücken?

Ich habe für mich beschlossen: Ausbalancierte Freundschaften, die mich nicht runterziehen, werde ich pflegen und hegen wie bisher. Vom Rest trenne ich mich.
Jetzt bin ich auch mal ein bisschen Egoist.
Levinia
Beiträge: 34
Registriert: 7. Mai 2006, 11:17

Re: Gehen oder bleiben?

Beitrag von Levinia »

Hallo zusammen,

danke für eure ehrlichen Antworten. Letztlich gibt es kein richtig und kein falsch, sondern nur, was mein Bauchgefühl sagt.

Ich werde wohl rigoros aussortieren. Vielleicht überrascht mich ja jemand und fragt nach. Aber wahrscheinlich fällt vielen gar nicht auf, dass ich aus ihrem Leben verschwinde.

Abwarten.

Liebe Grüße,
Levinia
Dum spiro, spero.
Kroki
Beiträge: 814
Registriert: 15. Mär 2004, 17:50

.

Beitrag von Kroki »

Levinia
Beiträge: 34
Registriert: 7. Mai 2006, 11:17

Re: Gehen oder bleiben?

Beitrag von Levinia »

Hallo Kroki,

wie du schon selber sagst, haben soziale Kontakte immer Erwartungen, die ich nicht erfüllen kann (oder auch will).

Telefonate sind mir immer schon sehr schwer gefallen, aber auch andere Nachrichtensysteme liegen mir nicht, weil ich vieles als so sinnloses Geplänkel erachte, dass ich nichts zum mitteilen habe. Getreu dem Motto "Solange nichts Aufregendes passiert ist, habe ich nichts zu melden."

Kurz: Small-Talk kann ich nicht. Und gerade der hält eine oberflächliche Bekanntschaft am Laufen.

Und Andere finden meine Erkrankung befremdlich. Die wenigen positiven Meldungen wiegen ihrer Meinung nach meine Depressionen nicht auf. Aber mehr geben kann ich auch nicht.

Und irgendwo zwischen der Angst, ihnen nicht zu genügen oder einen Fehler zu machen und den Erwartungen, die mir so unereichbar erscheinen frage ich mich, ob sich der Aufwand für MICH lohnt. Angst und Zurückweisung dafür, dass ich mehr als meine drei sehr wichtigen Kontakte aufrecht halten will.

Mir ist ja nicht der Kontakt zu Menschen an sich zuwider, sondern die Anforderungen die einige Viele stellen.

Versteht man, was ich meine? Ich bin gerade ein wenig konfus

Alles Liebe,
Levinia
Dum spiro, spero.
CHF
Beiträge: 172
Registriert: 9. Feb 2012, 20:04

Re: Gehen oder bleiben?

Beitrag von CHF »

Hallo,

ja auch ich kenne dieses Problem.

30 Jahre habe ich gebraucht um mich erst von meiner Pflegefamilie lösen konnte. Und das hat auch nur geklappt, weil mein Mann mir sehr sehr geholfen hat. Dies nachdem er die ganz Wahrheit wusste.

Dann ist mir als nächstes bewusst geworden, dass es einige Menschen um mich herum gab die mir einfach nicht gut tun. Ich habe einige Lebenslagen immer wieder in Gedanken durchgespielt um zum Schluss zu kommen, dass es hier einige gegeben hat die mich nur ausnutzten. Entweder indem sie mir immer wieder ihre Sorgen aufzwängten und von meinen nix wissen wollten. Oder ich war gut wenn es darum ging Zweitbesetzung zur Begleitung zu spielen. Oder auf Arbeit, wenn es darum ging eine Arbeit zu verteilen die keiner will bekam ich sie immer.

Dann habeich auch in diesem Bereich, also Bekannte und Freunde, eine fAuswahl getroffen. Das war sehr schwer, aber bei einigen habe ich einfach den Kontakt im Sand verlaufen lassen.

Kürzlich noch habe ich eine Dame kennen gelernt, die anfangs sehr abwechslungsreich schien. Dann hat sie aber begonnen mir immer und immer wieder ihre Beziehungsprobleme zu erzählen. Immer und immer wieder das Gleiche. Und wenn ich etwas von mir erzählen wollte, gab es ein kurzes Ja oder nein und dann fing sie wieder mit ihrer Geschichte an.

Sie hat auch nie bei mir angerufen, sondern ich immer bei ihr. Nun habe ich entschieden einfach mal nicht mehr anzurufen. Und sollte sie sich bei mir melden und mir wieder immer das Gleiche erzählen, muss ich ihr irgendwie zu verstehen geben, dass auch ich meine Probleme habe, wenn auch nicht immer.

Aber wie gesagt, eine pauschale Antwort oder Rat ist schwer zu geben.

Drücke dich und hoffe, dass du für dich die richtigen Entscheidungen triffst.

Würde mich freuen von dir zu hören.

Gruss
CHF
Antworten