Sie mit mir oder ich mit ihr
Verfasst: 24. Aug 2012, 09:49
Hallo zusammen,
ich melde mich nach längerer Zeit nochmal hier. Einige von Euch haben meine Geschichte mitverfolgt. Ich habe meine vergangenen Posts nochmal gelesen und bin mit der Distanz von mehr als einem Jahr über Art und Inhalt meines Auftritts hier erschrocken. Im Nachgang möchte ich mich deshalb zunächst in aller Form bei denjenigen entschuldigen, die meinen geballten Frust in unsachlicher Weise "abbekommen" haben. Es tut mir wirklich leid.
Damit bin ich aber auch schon beim Thema. Sie mit mir, oder ich mit ihr. Will in Bezug auf den Forumstitel Umgang mit der Krannkheit sagen, ihr Umgang mit mir, oder mein Umgang mit ihr.
Diese Frage zu stellen und zu beantworten war für mich einer der schwierigsten Dinge, denen ich mich bislang stellen musste.
Zu Beginn meiner Erkrankung und lange Monate darüber hinaus, ist die Depression nämlich mit mir umgegangen. Sie hat mich physisch und psychisch übernommen und mich zu ihrer Marionette in meinem eigenen Körper gemacht. Ich habe mich ihr ausgelieffert, weil ich keine Kraft besaß, ihr gegenüberzutreten, ihr in die Augen zu schauen und ihr zu erklären, wie nichtig sie doch sei.
So habe ich mich treiben lassen. Ich habe getan, was die Depression mich tuen ließ und geredet, was sie mich sagen ließ. Stets hatte die Krankheit dabei die volle Kontrolle über mich. Die Depression ließ mich glauben, dass ich wertlos, ein Versager sei, der es nicht verdiene glücklich zu sein oder gar zu leben.
Die Depression ließ den Blick auf Realitäten nicht mehr zu und schottete mich vor jeder Form guter Erfahrung oder Hilfestellung ab. Sie richtete den Fokus ausschließlich nur noch auf Zweierlei. Auf sich und mich.
Sie ließ mich beginnen, mich selber zu zerstören. Langsam aber nachhaltig. Und die Depression wollte genährt werden. Sie suchte nach Konfrontation und Rausch. Eines der größten Probleme war eben dieser Rausch und zwar in jeder Hinsicht. Die Krankheit berauschte sich daran, Bestätigung für all ihr negatives Gedankengut zu bekommen. Dies führte zu eben erwähnten Konfrontationen in meinem sozialen Umfeld. Ich war nur noch Aggressiv und jeder, der mich nicht leidenschaftlich bedauerte wurde von mir aus meinem Leben aussortiert. Daneben berauchte sich die Depression in und an Alkohol. Es dürften im Jahr 2011 nur wenige Tage vergangen sein, die ich ohne Alkohol geblieben bin.
Die Depression ließ mich im nächsten Schritt Gewalt gegen mich selber ausüben. Sie ließ es zu, nein sie verlangte danach, dass ich mich selber verletze. Sie suggerierte mir, ich müsse aus dieser Welt scheiden, damit eben diese Erlösung finde. Als wenn ich der Heiland in Person wäre, versuchte mir die Depression zu vermitteln, dass mein persönliches Umfeld durch mich von mir erlöst werden müsse, um selber wieder in Frieden leben zu können.
So geschah es, dass ich am 2.2.2012 versuchte, den Plan meiner Depression in die Tat umzusetzen. Vielleicht war ich zu betrunken, vielleicht war es aber auch ein letzter Funke Lebensmut, jedenfalls habe ich die Depression getäuscht. Ich habe nämlich ohne deren Wissen, alles so gemacht, dass ich überleben würde ( wenn alles glatt läuft ). Zwei Freunde haben mich zuhause aufgefunden, mit fast 2,0 Promille Alkohol und aufgeritzten Pulsadern.
Ich konnte mich nicht mehr dagegen wehren und so brachten sie mich in die Klinik, wo ich unvermittelt in die geschlossene Abteilung aufgenommen wurde.
Ich blieb dort eine Nacht. Da ich letztlich freiwillig eingeliefert wurde, musste die Klinik mich am nächsten Tag entlassen, wobei ich erwähnen muss, dass es wohl auch einiger Überzeugungs- oder Überredungskunst meiner Lebensgefährtin bedurfte, denn es stand seitens der Klink im Raum, mich per richterlichem Beschluss für länger dort zu beherbergen.
Doch mir reichte bereits der eine Tag. Denn was ich dort gesehen und erlebt habe, 24 Stunden in einer geschlossenen Abteilung, das hat mich wachgerüttelt und hält heute noch an. Ich werde nicht in Details gehen. Aber ich habe Menschen erlebt, die wirklich am Boden waren und ich habe gesehen, wie sie dort verwahrt wurden.
Der eine Tag war so zynisch das klingt, einer der wichtigsten in meinem Leben. Denn nach meiner Entlassung habe ich mir geschworen, den Spieß umzudrehen, und es nicht mehr zuzulassen, dass die Depression mit mir umgeht. Ich wollte einfach wieder die Kontrolle über mich zurückhaben und zukünftig die Depression an meine "Spielregeln" gewöhnen.
Als erstes habe ich die Depression ausgetrocknet. Ich habe seit dem 3.2.12 keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken. Nicht nur das, ich mache um alles, in dem ich auch nur ansatzweise Alkohol vermute, einen großen Bogen. Schon nach kurzer Zeit habe ich festgestellt, dass die Depression ohne Alkohol beinahe beleidigt war, denn sie zog sich in ihr Schneckenhaus zurück. Beinahe könnte man sagen, die Depression wurde depressiv.
Ohne den täglichen Alkoholkonsum, ging es mir schon nach kurzer Zeit erheblich besser. Natürlich war die Depression nach wie vor mit all ihren Symptomen allgegenwärtig, aber wie zuvor geschrieben, sie zog sich zurück und zeigte sich seltener und nicht mehr so heftig, eben weil ich begann, wieder Herr meiner Sinne zu werden, und mich mit aller Macht gegen sie stemmte.
In der Folge habe ich dann versucht, sie zu bekämpfen. Ich bin mehrere Wochen in einer stationären Behandlung gewesen. Dort habe ich gelernt, dass es keinen Sinn macht, sie zu bekämpfen. Man muss eine Depression nicht überreden abzuheilen, sondern überzeugen.
Damit bin ich nun befasst. Ich durchlebe gerade ein drittes Stadium, nämlich den Umgang mit der Depression.
Ich habe mich dem Umstand gestellt, krank zu sein, und vor allem, ich habe ihn akzeptiert. So verschwende ich nicht mehr meine gesamte Energie darauf, dem Nachzutrauern, was die Depression mir genommen hat, oder sie mit aller macht zu bekämpfen.
Ich habe wieder einen halbwegs freien Kopf, um mich den Dingen zu widmen, die mir wichtig sind und die ich gerne mache.
Heute suche ich nicht mehr danach, wie ich mich selber bestrafen kann, sondern danach, wie ich mich selber belohnen kann.
Ich gehe mit kleinen Schritten zurück in ein normales Leben und belohne mich für all die kleinen Dinge, die ich wieder schaffe. Dinge, die früher für mich nicht beachtenswerte Selbstverständlichkeiten waren, lösen heute bei mir Glücksgefühle aus.
Ich habe eben gelernt, dass ich nicht mehr der alte bin, und ich natürlich der Erkrankung Tribut zollen muss.
Nicht mehr das Leben hat einen Plan für mich, sondern ich habe einen Plan für das Leben. Will sagen, früher gab das Leben den Tagesablauf vor. Einen solchen Tag aus meinem alten Leben würde ich aber kräftemäßig immer noch nicht schaffen, da ich nach wie vor unter massiven Müdigkeits- und Erschöpfungszuständen leide.
Deshalb hat mein Tag heute einen Plan. Den fülle ich je nach Befindlichkeit mit mehr oder weniger zahlreichen und aufwändigen Tagesaufgaben. Und wenn ich sie bewältigt habe, dann belohne ich mich dafür.
Ich habe akzeptiert, dass ich mich heute für Dinge belohnen muss, die ich früher im Vorbeigehen erledigt habe, oder deren Bewältigung so dermaßen normal war, dass sie keine Erwähnung Wert gewesen waren.
Ich habe vor allem damit aufgehört, mich mit mir zu vergleichen. Das heißt, ich grüble nicht mehr daraüber nach, was ich einmal alles geschafft habe, sondern freue mich über die Dinge, die ich wieder erledigen kann.
Die Depression hat mich nicht zu einem neuen Menschen gemacht, aber sie hat mich sehr verändert.
Ich lebe bewusster und setze andere Wertigkeiten. Ich bin vor allem in Bezug auf mich realistischer geworden. Und das kommt meinem Umfeld, welches ich vor nicht langer Zeit noch von mir erlösen wollte, auch zu Gute. Es geht eben auch anders.
Natürlich bin ich auch heute nicht frei von depressiven Phasen. Physisch wie psychisch bin ich nur wenig belastbar. Aber ich akzeptiere das eben im Gegensatz zu früher.
Der Weg aus der Depression, dass weiß ich heute, ist langwierig und mitunter sehr sehr steinig. Vor allem dann, wenn man, wie ich es getan habe, auf jegliche Medikamente verzichtet.
Diese habe ich vor etwa einem halben Jahr komplett abgesetzt, weil ich meinen Weg aus der Krise und Krankheit mit klarem Kopf ( mit den natürlichen Einschränkungen ) gehen wollte.
Ich habe aber die Erkenntnis gewonnen, dass es sich lohnt, diesen Weg zu gehen. War ich früher verzagt darüber, wie wenig Lebensweit mir verbleibt, sehe ich heute jeden Tag als Geschenk. Das klingt pathetisch, ist aber so. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass mir noch sehr präsent ist, dass ich bereit war, mein Leben wegzuwerfen.
So gehe ich eben die kleinen Schritte zurück ins Leben. Und wenn die Depression mal wieder hochkommt, dann freue ich mich eben darüber, dass ich trotzdem aufstehe.
Im Übrigen, mute ich mir jeden Tag ein wenig mehr zu und setze mir immer neue Tagesziele. zurzeit habe ich begonnen, mal wieder ein Buch zu lesen. Ich mache Konzentrationsübungen, iq tests usw, um meinen Kopf wieder an Arbeit und logisches Denken zu gewöhnen. Und wenn ich, was derzeit noch schnell geht, ermüde, ruhe ich mich aus, höre Musik oder gehe mit dem Hund raus.
Ich fotografiere sehr viel, weil man dadurch einen Blick für die kleinen vermeintlich unwichtigen Dinge des Lebens bekommt.
Ich öffne mich wieder. Und wenn ich den Weg weiter gehe, dann werde ich auch irgendwann wieder in der Lage sein, zu arbeiten.
Denn mit 45 ist es mir dann doch zu früh, Rentner auf Dauer zu sein.
Jetzt bin ich wieder ausgeschweift. Ich wollte das aber mal loswerden, um auch mal irgendetwas in dieses Forum zu schreiben, was anderen vielleicht Mut macht.
Meine Quintessenz aus meinen Erfahrungen lautet deshalb. Man muss sich der Depression stellen und darf sie nicht verwerfen oder gar unterschätzen. Man muss Geduld aufbringen und auf jeden Fall ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Man darf sich auf gar keinen Fall wegen der Krankheit schämen.
Und zum Abschluss noch was. Es lohnt sich zu leben. Denn wir haben nur das eine.
All das weiß ich heute. Deshalb nochmals Entschuldigung für damals.
loffi
ich melde mich nach längerer Zeit nochmal hier. Einige von Euch haben meine Geschichte mitverfolgt. Ich habe meine vergangenen Posts nochmal gelesen und bin mit der Distanz von mehr als einem Jahr über Art und Inhalt meines Auftritts hier erschrocken. Im Nachgang möchte ich mich deshalb zunächst in aller Form bei denjenigen entschuldigen, die meinen geballten Frust in unsachlicher Weise "abbekommen" haben. Es tut mir wirklich leid.
Damit bin ich aber auch schon beim Thema. Sie mit mir, oder ich mit ihr. Will in Bezug auf den Forumstitel Umgang mit der Krannkheit sagen, ihr Umgang mit mir, oder mein Umgang mit ihr.
Diese Frage zu stellen und zu beantworten war für mich einer der schwierigsten Dinge, denen ich mich bislang stellen musste.
Zu Beginn meiner Erkrankung und lange Monate darüber hinaus, ist die Depression nämlich mit mir umgegangen. Sie hat mich physisch und psychisch übernommen und mich zu ihrer Marionette in meinem eigenen Körper gemacht. Ich habe mich ihr ausgelieffert, weil ich keine Kraft besaß, ihr gegenüberzutreten, ihr in die Augen zu schauen und ihr zu erklären, wie nichtig sie doch sei.
So habe ich mich treiben lassen. Ich habe getan, was die Depression mich tuen ließ und geredet, was sie mich sagen ließ. Stets hatte die Krankheit dabei die volle Kontrolle über mich. Die Depression ließ mich glauben, dass ich wertlos, ein Versager sei, der es nicht verdiene glücklich zu sein oder gar zu leben.
Die Depression ließ den Blick auf Realitäten nicht mehr zu und schottete mich vor jeder Form guter Erfahrung oder Hilfestellung ab. Sie richtete den Fokus ausschließlich nur noch auf Zweierlei. Auf sich und mich.
Sie ließ mich beginnen, mich selber zu zerstören. Langsam aber nachhaltig. Und die Depression wollte genährt werden. Sie suchte nach Konfrontation und Rausch. Eines der größten Probleme war eben dieser Rausch und zwar in jeder Hinsicht. Die Krankheit berauschte sich daran, Bestätigung für all ihr negatives Gedankengut zu bekommen. Dies führte zu eben erwähnten Konfrontationen in meinem sozialen Umfeld. Ich war nur noch Aggressiv und jeder, der mich nicht leidenschaftlich bedauerte wurde von mir aus meinem Leben aussortiert. Daneben berauchte sich die Depression in und an Alkohol. Es dürften im Jahr 2011 nur wenige Tage vergangen sein, die ich ohne Alkohol geblieben bin.
Die Depression ließ mich im nächsten Schritt Gewalt gegen mich selber ausüben. Sie ließ es zu, nein sie verlangte danach, dass ich mich selber verletze. Sie suggerierte mir, ich müsse aus dieser Welt scheiden, damit eben diese Erlösung finde. Als wenn ich der Heiland in Person wäre, versuchte mir die Depression zu vermitteln, dass mein persönliches Umfeld durch mich von mir erlöst werden müsse, um selber wieder in Frieden leben zu können.
So geschah es, dass ich am 2.2.2012 versuchte, den Plan meiner Depression in die Tat umzusetzen. Vielleicht war ich zu betrunken, vielleicht war es aber auch ein letzter Funke Lebensmut, jedenfalls habe ich die Depression getäuscht. Ich habe nämlich ohne deren Wissen, alles so gemacht, dass ich überleben würde ( wenn alles glatt läuft ). Zwei Freunde haben mich zuhause aufgefunden, mit fast 2,0 Promille Alkohol und aufgeritzten Pulsadern.
Ich konnte mich nicht mehr dagegen wehren und so brachten sie mich in die Klinik, wo ich unvermittelt in die geschlossene Abteilung aufgenommen wurde.
Ich blieb dort eine Nacht. Da ich letztlich freiwillig eingeliefert wurde, musste die Klinik mich am nächsten Tag entlassen, wobei ich erwähnen muss, dass es wohl auch einiger Überzeugungs- oder Überredungskunst meiner Lebensgefährtin bedurfte, denn es stand seitens der Klink im Raum, mich per richterlichem Beschluss für länger dort zu beherbergen.
Doch mir reichte bereits der eine Tag. Denn was ich dort gesehen und erlebt habe, 24 Stunden in einer geschlossenen Abteilung, das hat mich wachgerüttelt und hält heute noch an. Ich werde nicht in Details gehen. Aber ich habe Menschen erlebt, die wirklich am Boden waren und ich habe gesehen, wie sie dort verwahrt wurden.
Der eine Tag war so zynisch das klingt, einer der wichtigsten in meinem Leben. Denn nach meiner Entlassung habe ich mir geschworen, den Spieß umzudrehen, und es nicht mehr zuzulassen, dass die Depression mit mir umgeht. Ich wollte einfach wieder die Kontrolle über mich zurückhaben und zukünftig die Depression an meine "Spielregeln" gewöhnen.
Als erstes habe ich die Depression ausgetrocknet. Ich habe seit dem 3.2.12 keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken. Nicht nur das, ich mache um alles, in dem ich auch nur ansatzweise Alkohol vermute, einen großen Bogen. Schon nach kurzer Zeit habe ich festgestellt, dass die Depression ohne Alkohol beinahe beleidigt war, denn sie zog sich in ihr Schneckenhaus zurück. Beinahe könnte man sagen, die Depression wurde depressiv.
Ohne den täglichen Alkoholkonsum, ging es mir schon nach kurzer Zeit erheblich besser. Natürlich war die Depression nach wie vor mit all ihren Symptomen allgegenwärtig, aber wie zuvor geschrieben, sie zog sich zurück und zeigte sich seltener und nicht mehr so heftig, eben weil ich begann, wieder Herr meiner Sinne zu werden, und mich mit aller Macht gegen sie stemmte.
In der Folge habe ich dann versucht, sie zu bekämpfen. Ich bin mehrere Wochen in einer stationären Behandlung gewesen. Dort habe ich gelernt, dass es keinen Sinn macht, sie zu bekämpfen. Man muss eine Depression nicht überreden abzuheilen, sondern überzeugen.
Damit bin ich nun befasst. Ich durchlebe gerade ein drittes Stadium, nämlich den Umgang mit der Depression.
Ich habe mich dem Umstand gestellt, krank zu sein, und vor allem, ich habe ihn akzeptiert. So verschwende ich nicht mehr meine gesamte Energie darauf, dem Nachzutrauern, was die Depression mir genommen hat, oder sie mit aller macht zu bekämpfen.
Ich habe wieder einen halbwegs freien Kopf, um mich den Dingen zu widmen, die mir wichtig sind und die ich gerne mache.
Heute suche ich nicht mehr danach, wie ich mich selber bestrafen kann, sondern danach, wie ich mich selber belohnen kann.
Ich gehe mit kleinen Schritten zurück in ein normales Leben und belohne mich für all die kleinen Dinge, die ich wieder schaffe. Dinge, die früher für mich nicht beachtenswerte Selbstverständlichkeiten waren, lösen heute bei mir Glücksgefühle aus.
Ich habe eben gelernt, dass ich nicht mehr der alte bin, und ich natürlich der Erkrankung Tribut zollen muss.
Nicht mehr das Leben hat einen Plan für mich, sondern ich habe einen Plan für das Leben. Will sagen, früher gab das Leben den Tagesablauf vor. Einen solchen Tag aus meinem alten Leben würde ich aber kräftemäßig immer noch nicht schaffen, da ich nach wie vor unter massiven Müdigkeits- und Erschöpfungszuständen leide.
Deshalb hat mein Tag heute einen Plan. Den fülle ich je nach Befindlichkeit mit mehr oder weniger zahlreichen und aufwändigen Tagesaufgaben. Und wenn ich sie bewältigt habe, dann belohne ich mich dafür.
Ich habe akzeptiert, dass ich mich heute für Dinge belohnen muss, die ich früher im Vorbeigehen erledigt habe, oder deren Bewältigung so dermaßen normal war, dass sie keine Erwähnung Wert gewesen waren.
Ich habe vor allem damit aufgehört, mich mit mir zu vergleichen. Das heißt, ich grüble nicht mehr daraüber nach, was ich einmal alles geschafft habe, sondern freue mich über die Dinge, die ich wieder erledigen kann.
Die Depression hat mich nicht zu einem neuen Menschen gemacht, aber sie hat mich sehr verändert.
Ich lebe bewusster und setze andere Wertigkeiten. Ich bin vor allem in Bezug auf mich realistischer geworden. Und das kommt meinem Umfeld, welches ich vor nicht langer Zeit noch von mir erlösen wollte, auch zu Gute. Es geht eben auch anders.
Natürlich bin ich auch heute nicht frei von depressiven Phasen. Physisch wie psychisch bin ich nur wenig belastbar. Aber ich akzeptiere das eben im Gegensatz zu früher.
Der Weg aus der Depression, dass weiß ich heute, ist langwierig und mitunter sehr sehr steinig. Vor allem dann, wenn man, wie ich es getan habe, auf jegliche Medikamente verzichtet.
Diese habe ich vor etwa einem halben Jahr komplett abgesetzt, weil ich meinen Weg aus der Krise und Krankheit mit klarem Kopf ( mit den natürlichen Einschränkungen ) gehen wollte.
Ich habe aber die Erkenntnis gewonnen, dass es sich lohnt, diesen Weg zu gehen. War ich früher verzagt darüber, wie wenig Lebensweit mir verbleibt, sehe ich heute jeden Tag als Geschenk. Das klingt pathetisch, ist aber so. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass mir noch sehr präsent ist, dass ich bereit war, mein Leben wegzuwerfen.
So gehe ich eben die kleinen Schritte zurück ins Leben. Und wenn die Depression mal wieder hochkommt, dann freue ich mich eben darüber, dass ich trotzdem aufstehe.
Im Übrigen, mute ich mir jeden Tag ein wenig mehr zu und setze mir immer neue Tagesziele. zurzeit habe ich begonnen, mal wieder ein Buch zu lesen. Ich mache Konzentrationsübungen, iq tests usw, um meinen Kopf wieder an Arbeit und logisches Denken zu gewöhnen. Und wenn ich, was derzeit noch schnell geht, ermüde, ruhe ich mich aus, höre Musik oder gehe mit dem Hund raus.
Ich fotografiere sehr viel, weil man dadurch einen Blick für die kleinen vermeintlich unwichtigen Dinge des Lebens bekommt.
Ich öffne mich wieder. Und wenn ich den Weg weiter gehe, dann werde ich auch irgendwann wieder in der Lage sein, zu arbeiten.
Denn mit 45 ist es mir dann doch zu früh, Rentner auf Dauer zu sein.
Jetzt bin ich wieder ausgeschweift. Ich wollte das aber mal loswerden, um auch mal irgendetwas in dieses Forum zu schreiben, was anderen vielleicht Mut macht.
Meine Quintessenz aus meinen Erfahrungen lautet deshalb. Man muss sich der Depression stellen und darf sie nicht verwerfen oder gar unterschätzen. Man muss Geduld aufbringen und auf jeden Fall ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Man darf sich auf gar keinen Fall wegen der Krankheit schämen.
Und zum Abschluss noch was. Es lohnt sich zu leben. Denn wir haben nur das eine.
All das weiß ich heute. Deshalb nochmals Entschuldigung für damals.
loffi