Woher diese Schuldgefühle?

Antworten
OMG
Beiträge: 224
Registriert: 18. Jul 2012, 14:02

Woher diese Schuldgefühle?

Beitrag von OMG »

Hallo liebe Forianer,

ich als Angehörige hatte gerade wieder eine (für mich) seltsame Situation.

Eine eigentlich spaßige Situation mit ein paar sarkastischen Äußerungen meinerseits haben in meinem Partner einen kleinen Einbruch hervorgerufen, vielleicht kann mir das einer von euch noch mal erklären, warum das so ist, damit ich ihn besser verstehe:

Wir reden also im Spaß und wenig später kamen ein paar ironische Einwürfe von mir, die er ernst nahm. Dann wieder Spaß, dann sagte ich etwas wo es bei ihm aus war und er "meldete sich direkt ab". Ich war also durch meine Äußerung ganz klar schuld, dass er so drauf war.
Wenig später bekam ich via Mail eine Erklärung in der stand, dass ich nichts dafür kann und ich daran ja überhaupt nicht schuld sei. War ich aber!!
Ich habe das auch erklärt, doch er war fest davon überzeugt ich hab damit nichts zu tun und er sei schuld, da er mit der Trennung zwischen Spaß und ernst nicht umgehen konnte und aus Selbstschutz es ernst nahm und dann in eine Grübelschleife geraten ist.

Wie kann ich dieses Schuldgefühl verstehen?

Herzlich
Ursula
----------------------------

"Wenn Euer Leben Euch wie ein mühseeliger Aufstieg vorkommt, dann denkt an die Aussicht, die Ihr von dort oben haben werdet!" Anonym
FrauRossi
Beiträge: 3166
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: Woher diese Schuldgefühle?

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Ursula,

weiß nicht genau ob ich deinen Beitrag richtig verstehe, geht es um dein Schuldgefühl oder um seines?

Ich Antworte dir mit einem Beispiel:

mein Ex und ich haben auch immer viel rumgealbert, ironisch geredet und uns kleine Streiche gespielt.

Eines Abends alberten wir herum, es ging mir nicht schlecht oder so. Dann schubste er aus Spass die Wasserflasche an aus der ich gerade trank und etwas Wasser tropfte auf mein Oberteil.

Nichts schlimmes, eigentlich lustig, eigentlich hätte ich es lustig gefunden und es wäre eine weitere Kebbelei daraus entstanden.

Aber es war anders. Ich war tief schockiert, tat zwar so als fände ich es witzig, spielte ein Lachen vor, weil dass was ich eigentlich empfand für mich selbst unverhältnismäßig war.
Ich lachte also und ging ins Bad um mich umzuziehen, angeblich (die paar Tropfen, dafür hätte ich nie und nimmer ein neues Oberteil angezogen oder anziehen müssen)
aber ich musste der Situation entfliehen, im Bad bin ich in Tränen ausgebrochen, bin abgestürzt.
Habe das aber vor meinem ex verborgen.

Hätte ich es gezeigt, hätte er es wohl nicht verstanden, so wie du nicht verstehst was mit deinem Freund los war, nach der ironischen Bemerkung.

Ich habe mich damals selbst nicht verstanden. Ich hätte es meinem Freund nicht erklären können und ich kann es dir jetzt nicht erklären. Ich weis schlicht nicht was los war.

Ich denke so ist es bei deinem Freund auch, er weis nicht warum er so reagiert. Daher sagt er es liege bei ihm und es liegt nicht an dir.
In gewisser Weise stimmt das auch, denn es liegt an seiner Krankheit.
Du denkst du bist Schuld weil eine Bemerkung, seine Reaktion hervorgerufen hat. Auch das ist natürlich in gewisser Weise so, aber es ist keine Frage von Schuld. Du kannst tatsächlich nichts dafür. Möglicherweise hat es ihm irgendwie getriggert, ohne dass er in den komplexen und verwirrenden Struckturen des Znterbewusstseins, eine Erklärung dafür ausmachen kann.

Generell, jedoch halte ich die Überlegung für Sinnvoll, ob Sarkasmus und Ironie in einer Unterhaltung, insbesondere in einer Partnerschaft, insbesondere in einer Depression, angebracht ist.
Warum sich der Ironie bediehnen?

Als Beispiel: (ironisch vorgetragen) och deine Locken sind aber heute morgen mal wieder besonders hübsch.

Was wollen wir damit sagen? Soll es tatsächlich ein Kompliment sein? (wenn ja könnte ich es auch als solches gestalten)
Eher, soll es aber doch wohl ein Hinweis sein, in der Art: Mensch käm dich mal.

Wenn wir das denken, warum sagen wir es nicht? Vielleicht um den anderen nicht zu kränken.

Wir haben also ein Anliegen und wollen nicht kränken, oder zurückgewiesen werden, also verpacken wir es in Ironie.
Die Bozschaft kann aber trotzdem ankommen, der Ernst dahinter, verstanden werden und trotzdem Kränken.


Meine morgentlichen Gedanken zu deinem Post

LG FrauRossi
OMG
Beiträge: 224
Registriert: 18. Jul 2012, 14:02

Re: Woher diese Schuldgefühle?

Beitrag von OMG »

Guten Morgen FrauRossi, Hallo auch nochmal an alle,

vielen lieben Dank für deine Gedanken dazu, es ist für mich wirklich interessant zu lesen.

>weiß nicht genau ob ich deinen Beitrag richtig verstehe, geht es um dein Schuldgefühl oder um seines?

Ich meinte seine Schuldgefühle. Wie kommt er überhaupt auf die Schuldfrage, fragte ich mich danach. Er sagte, als wir durch ein ziemlich langes auf und ab und hin und her gestern dann etwas ganz interessantes, als ich mich für sein Vertrauen und seine Offenheit was seine Gedanken anbelangte, bedankte: Besser wäre es, wenn es gar nicht erst so weit kommt.

Da habe ich mich wieder gefragt - Konflikte gibt es doch immer wieder. Was ist jetzt so schlimm daran. Und vor allem, warum sich deswegen schuld einreden. Ich hab mich eindeutig im Ton vergriffen, dennoch sucht er die Schuld bei sich.


>Hätte ich es gezeigt, hätte er es wohl nicht verstanden, so wie du nicht verstehst was mit deinem Freund los war, nach der ironischen Bemerkung.

Er hat es mir gezeigt und schrieb mir eine SMS, dass er sich "abmeldet"... ich dachte, das kann nicht wahr sein, wegen diese Lapalie.

>Ich habe mich damals selbst nicht verstanden. Ich hätte es meinem Freund nicht erklären können und ich kann es dir jetzt nicht erklären. Ich weis schlicht nicht was los war.

Und in diesen Zustand rutscht man so hinein? Dieses "ich weiß nicht was gerade los ist"? Ich habe das Gefühl das paart sich mit dem Hang zur Überbewertung, Übertreibung oder des nicht Einschätzen Könnens? Kann das sein?
Ich frage mich, ob da auch Angst eine Rolle spielt.

>Ich denke so ist es bei deinem Freund auch, er weis nicht warum er so reagiert. Daher sagt er es liege bei ihm und es liegt nicht an dir.
>In gewisser Weise stimmt das auch, denn es liegt an seiner Krankheit.Du denkst du bist Schuld weil eine Bemerkung, seine Reaktion hervorgerufen hat. Auch das ist natürlich in gewisser Weise so, aber es ist keine Frage von Schuld.Du kannst tatsächlich nichts dafür.

So hab ich das noch nicht gesehen, darüber werde ich mal in Ruhe nachdenken. Danke.


>Generell, jedoch halte ich die Überlegung für Sinnvoll, ob Sarkasmus und Ironie in einer Unterhaltung, insbesondere in einer Partnerschaft, insbesondere in einer Depression, angebracht ist.
>Warum sich der Ironie bediehnen?

Manchmal schlittert man doch in solche Situationen hinein oder? Ich provoziere das ja nicht, mache es nicht mit Absicht und natürlich sage ich heute, hätte ich nur nicht....


>Wir haben also ein Anliegen und wollen nicht kränken, oder zurückgewiesen werden, also verpacken wir es in Ironie.
>Die Bozschaft kann aber trotzdem ankommen, der Ernst dahinter, verstanden werden und trotzdem Kränken.

Daher sage ich ja, rein faktisch bin ich die Schuldige und ich habe mich auch für meine übertriebene Bemerkung entschuldigt, dennoch denkt er weiter darüber nach, was er falsch gemacht hat und landet in einer Grübelei.

Herzlich
Ursula
----------------------------

"Wenn Euer Leben Euch wie ein mühseeliger Aufstieg vorkommt, dann denkt an die Aussicht, die Ihr von dort oben haben werdet!" Anonym
FrauRossi
Beiträge: 3166
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: Woher diese Schuldgefühle?

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Ursula,

"schlittert man da einfach so hinein"?

Ja, bei dem Beispiel was ich dir von mir schrieb, war es so. Wegen quasi "nichts" saß ich plötzlich da und heulte. Mir ging es vorher gut, gelöste lustige Stimmung und plötzlich viel ich in ein Loch.

Ich habe extra dieses Beispiel gewählt, weil selbst ich die (Ironie Modus an) Königin der Reflextion, beim besten Willen, da nichts reininterpretieren konnte, geschweige denn einen versteckten Bezug zu etwas
anderem anderem ausmachen konnte.

Natürlich gab es andere Situationen, wo es mir genau so ging und es so war wie du vermutest, dahinter steckten Ängste, Kindheitstraumata wurden angetriggert. Damals befand ich mich in der Situation, dass alles von einer unfähigen Therapeutin wahlos nach oben geholt wurde, ich war sehr empfindlich und angreifbar, sehr verletzlich.

Ich weis nicht wie es bei deinem Freund ist und wie seine Art der Schuldgefühle aussehen. Aber für mich ist klar dass er sich jetzt im Grübelmodus befindet. Warum das alles so ist. Kann ich nicht erklären. Ich könnte in einem Abendfüllendem Gespräch einen Versuch unternehmen, auf Grundlage dessen was ich bisher über die Krankheit gelernt habe. Aber hier wäre es zu viel Text. Ob ich dann damit richtig läge, Stände zudem in den Sternen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn ich nur Versuche zu erklären wie sich etwas für mich anfühlt dass ich damit nur auf Unverständnis stoße. (nicht weil niemand es verstehen will, sondern weil man es schlicht nicht nachvollziehen kann) Füge ich dann noch die komplexen Gründe hinzu, ist in der Regel Feierabend.

Mach du dich also nicht fertig. Du hast keine Schuld, auch wenn du etwas gesagt hast.

Und klar in den Ironiemodus fällt man leicht, gerade in so einer rumblödel Situation. Ich wollte auch nicht sagen: mach das nicht so. Ich wollte dir nur beschreiben dass ich für mich in der Depression festgestellt habe, dass eine Differenzierung kaum möglich ist und ich es daher nicht mehr mache und auch nicht möchte dass jemand so mit mir redet.

Genau deswegen, weil eben Ängste dahinter stehen. Das hast du wohl gut erkannt.

Dein Freund ist mit Sicherheit genervt von seiner eigenen "überreaktion" daher sucht er die Schuld bei sich. Er wird sich fragen was mit ihm nicht klar geht.

Darauf wird jeder seine eigene Antwort finden müssen.

Versuche du bei dir zu bleiben, Depressionen sind oft irrational und schlicht die Hölle, von Normalität darfan sich da getrost verabschieden.

LG FrauRossi
OMG
Beiträge: 224
Registriert: 18. Jul 2012, 14:02

Re: Woher diese Schuldgefühle?

Beitrag von OMG »

Hallo FrauRossi,

vielen Dank für deinen ausführlichen Versuch mir das näher zu bringen. Genau wie du es darstellst, dachte ich mir es auch schon. Dennoch ist der Versuch ja da, es einfach verstehen zu wollen. Mein ständiger Begleiter sozusagen...

>Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn ich nur Versuche zu erklären wie sich etwas für mich anfühlt dass ich damit nur auf Unverständnis stoße. (nicht weil niemand es verstehen will, sondern weil man es schlicht nicht nachvollziehen kann) Füge ich dann noch die komplexen Gründe hinzu, ist in der Regel Feierabend.

Er startete den Versuch mir das aufzuschreiben, was in ihm abgeht. Fand ich super von ihm. Er beschrieb es quasi genau wie du es beschrieben hast. Am Ende kam er immer wieder in dieses Warum, wieso, weshalb Ding. Obwohl eigentlich kein Anlass dazu bestand und für mich auf der Hand lag - Schuld? Warum denkt er, er sei daran jetzt schuld? Er betonte immer wieder, dass es an ihm liegt und es nicht meine Schuld sei.
Er sagte auch, das Problem sei wohl, dass es ihm dann auch körperlich ziemlich schlecht geht und das er das so gar nicht mag. Meint er diesen Angstzustand?

Und ja sicherlich versuche ich bei mir zu bleiben, es war halt die eine Situation jetzt und da er von selbst kam, um mir eben den Versuch zu starten zu erklären, was Phase ist, wollte ich gern für ihn da sein. Der Schritt, dass er mir sein Innerstes anvertraut hatte war toll fand ich.

Viele Wochenendgrüße von
Ursula
----------------------------

"Wenn Euer Leben Euch wie ein mühseeliger Aufstieg vorkommt, dann denkt an die Aussicht, die Ihr von dort oben haben werdet!" Anonym
Schwert10
Beiträge: 257
Registriert: 9. Mär 2011, 15:50

Re: Woher diese Schuldgefühle?

Beitrag von Schwert10 »

Hallo Ursula,
Schuldgefühle muß keiner von beiden haben. Deine Bemerkung war völlig unvorhersehbar ein Auslöser für etwas, das dein Freund selber nicht versteht. Daß er darauf empfindlich reagiert liegt natürlich an ihm oder seiner Erkrankung, aber das hat mit Schuld nichts zu tun.

Ich hatte auch schon solche Situationen, wo eine Bemerkung, die nicht mal an mich gerichtet war, mich in ein tiefes Loch schubste. Ich habe erst viel später verstanden, daß diese Bemerkung an tiefe Ängste und Erinnerungen rührte . Sowas ist nicht vermeidbar, es sei denn, man redet gar nicht mehr miteinander.
Außerdem kann so ein Schubser einen auzch dazu bringen, mal darüber nachzudenken, was eigentlich dahintersteckt. Ich kann mir auch schönere Wege der Genesung vorstellen, aber gelegentlich hat man nur diese Chance.
Übrigens bin ich eine Vollzeit-Ironikerin. Das ist ein Teil meiner Persönlichkeit, ich würde mich verbiegen müssen, wenn ich damit aufhöre. Allerdings bin ich anderen gegenüber liebevoll-ironisch und sehr achtsam, nur mich selber haue ich auch mal etwas kräftiger indei Pfanne...

Im übrigen finde ich, daß du sehr rücksichtsvoll mit deinem Freund umgehst - und ich denke, er weiß das zu schätzen, weil er dir versucht zu erklären soviel er kann.Toll!
lg wakora
Das Leben ist wertvoll

ob es nun strahlend ist wie ein diamant

oder dunkel wie kohle

beide sind aus demselben stoff.
crosswalker
Beiträge: 17
Registriert: 25. Jul 2012, 12:08

Re: Woher diese Schuldgefühle?

Beitrag von crosswalker »

Hallo,
ich bzw. mein Partner und ich kennen diese Schldgefühle auch.
Aber bei uns ist es so, dass er sie mir zu weist, bzw. verstehe ich das meist so, wenn ich durch irgendeine Äußerung, bzw. ein Verhalten ein Tief bei ihm auslöse, triggere.

Das ist bei uns ein echtes Problem.
Da finde ich das Verhalten Deines Freundes richtig gut. Er hat seine Krankheit anerkannt.

Crosswalker
OMG
Beiträge: 224
Registriert: 18. Jul 2012, 14:02

Re: Woher diese Schuldgefühle?

Beitrag von OMG »

Guten Abend zusammen,

vielen Dank für eure aufklärenden Antworten. Ich finde es interessant, wie eure Erfahrungen sind.
@Wakora: Danke für deine Worte, das gibt mir Kraft es weiter so zu tun. Ich fand das Feedback von ihm auch großartig und es war ein großer Schritt von ihm.

@crosswalker: Findest du das zeugt von der Anerkennung der Krankheit? Nun ja, leider ist es in der Tat so, dass er gerade erst letzte Woche wieder meinte, er sei nicht krank... Er zeigt mir deutlich, dass er versucht damit umzugehen, allerdings arbeitet er nicht wirklich daran (an sich um konkret zu sein), dass es besser wird. Viel mehr sucht er nur einen Weg, wie er besser damit umgehen kann und findet sich damit ab. Nun könnte man philosophieren, ob das nicht das gleiche ist.

Prinzipiell fand ich außerdem die Äußerung gut, dies zum Anlass zu nehmen nach dem warum. Diesen Gedankenansatz fand ich einen wertvollen Tipp. Ich frage mich jetzt natürlich welche konkreten Ängste bei ihm da höchstwahrscheinlich hervorgerufen wurden...

Herzlich
Ursula
----------------------------

"Wenn Euer Leben Euch wie ein mühseeliger Aufstieg vorkommt, dann denkt an die Aussicht, die Ihr von dort oben haben werdet!" Anonym
Antworten