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heikeg
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Beitrag von heikeg »

Hallo,

heute las ich in der Tageszeitung folgenden Artikel, der mich doch recht stutzig machte, da er für mich, so in der Art, undifferenziert ist und einiges miteinander vermengt und eher Ängste schürt als wirklich aufklärt:

Titel heißt: Medikamentesucht auf Rezept bei vielen Frauen

http://www.zeit.de/news/2012-06/26/gesu ... n-26134202

Viele Grüße Heike
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unipolar depressiv seit 2002
Lioness
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von Lioness »

Hallo Heike et al,

der Artikel ist mir heute Morgen beim Frühstück auch sauer aufgestoßen, weil er zum Einen eben sehr undifferenziert ist und zum Anderen vor Allem den Anschein erweckt, dass Antidepressiva süchtig bzw. körperlich abhängig machen.

Mich macht Letzteres regelrecht wütend, weil ich /wir hier im Forum seit Jahren immer wieder erleben, wie Betroffene zögern, ein verschriebenes AD einzunehmen, weil sie eben Angst davor haben, dass es sie süchtig macht. Immer wieder ist dann hier Überzeugungs- und Auflärungsarbeit zu leisten, Leidenszeit wird verzögert etc. etc.

Derartige Artikel tragen auch nicht dazu bei, das Bild von Depressiven in der öffentlichen Wahrnehmung zu verbessern. Wer mag angesichts solcher schlecht recherchierten Allgemeinplätze noch offen zu seinem "Antidepressivumkonsum" stehen?

Als Mitglied der DDL möchte ich daher an dieser Stelle anregen, zeitnah eine Gegendarstellung loszutreten (offener Brief?).

Grüße in die AD-konsumierende Depri-Gemeinde
Lioness



Wir brauchen den Blick nach hinten, um unser Leben zu verstehen. Wir brauchen den Blick nach vorne, um unser Leben zu LEBEN!
heikeg
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von heikeg »

Hallo Lioness,

so sehe ich das auch und hatte mir auch schon gedacht, ob da nicht eine Gegendarstellung gut wäre.

Viele Grüße Heike

PS: Das schlimme ist, dass es nicht nur in den Zeitungen steht, sondern auch im Fernsehen gesendet wird, sogar von Pressesprechern der Krankenkassen so undifferenziert wiedergegeben wird. Auch noch von der Barmer, die Kasse, die dieses Forum mit unterstützt. Also wer muß denn hier nun wen aufklären?
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unipolar depressiv seit 2002
katyfel
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von katyfel »

Hallo Heike,

ich habe den Artikel grad leider nicht gelesen, aber gestern im Radio ein INterview mit einem der Wissenschaftler gehört, der die betreffende Studie mit geführt hat.

Selbst der hat das (zumindest in diesem Interview) nur ansatzweise wieder "gradegebogen" was da an-meiner Ansicht nach falschen, aber mindestens- grenzwertigen Schlüssen draus gezogen wurde...

Vielleicht ist das beim NDR noch in der Mediothek zu finden?

Die von dir und Lioness schon bemängelten Kritikpunkte hatte ich auch und es hat mich in dem Moment regelrecht wütend gemacht...

Wenn gegendarstellung, dann wär ein hier entworfener bzw. konsensueller Text doch gut, den man dann an alle Zeitungen mit entsprechendem Artikel/ Radiostationen mit entsprechendem Beitrag (?) schickt, oder?!

Klingt jetzt vielleicht übertrieben, wär aber die meiner Meinung nach sinnvollste Konsequenz.

Ich würd da sogar sofort was schreiben, wenns mir nicht grade dermaßen.. .na ja, halt so ginge, wies grad ist (habs ja im Thread "Deadline..." auch geschildert)...

Liebe Grüße, Sinfonia
So ist das Leben, sagte der Clown und malte sich ein Lächeln auf
bodenlos
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von bodenlos »

Einen Leserbrief verfassen wäre dann ratsam! Sachlich, aber gern mit dem ausgeprägten Gefühl des Unmuts!

Liebe Grüße
SisterGoldenHair
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von SisterGoldenHair »

... na ja... der ein oder andere vernünftige Denkansatz mag evt. in dem Artikel enthalten sein... daß der ein oder andere Arzt z.B. schon mal genauer hin hören und nachdenken sollte, bevor er zum Rezept greift...

(ich hatte hier vor längerer Zeit schon mal berichtet - als ich Anfang 20 war, hatten wir in der Familie innerhalb 3 Wochen zwei schwere Todesfälle - ich ging damals am Stock, und war zum ersten Mal in meinem Leben bei einem Psychiater - ich erklärte ihm die Situation, er sagte ein paar Mal "hm... hm... hm... da haben sie ja jetzt Einiges zu bewältigen" und schrieb mir Limbatril auf - das wars - rückblickend war das nicht ganz die Hilfe, die ich erhofft hatte... Jahre später sagte mein HA mal, daß Limbatril abhängig machen kann - das Medikament war in unserem Haushalt auch schon seit Jahren präsent, aber wie es wirkte nicht... oder ... mein Bruder bekam mit 14 schon MANDRAX vom damaligen Hausarzt verschrieben... da würden heute manche Eltern laut aufschreien... evt. logisch, daß mein Bruder Zeit seines Lebens eine starke Affinität zu Tabletten hatte, leider. oder ADUMBRAN gabs hier auch mal auf Rezept...)

ABER ich bin in Medikamentenkunde nicht so super fit, und weiß nicht so genau, ob es ausgesprochene Antidepressiva gibt, die abhängig machen (können)... Tranquilizer ist klar...

wenn man in der Überschrift liest "Medikamentensucht" und ein paar Zeilen weiter wird der Begriff "Antidepressiva" erwähnt, wird das möglicherweise noch mehr Menschen dazu bringen, die Einnahme abzulehnen... wer sowieso schon Bedenken hat, und in der Sache nicht so kundig ist, wird vermuten, daß es Teufelszeug ist, das er auf gar keinen Fall einnehmen wird.

dabei sind Antidepressiva u. U. ein echter Segen... sag ich jetzt mal so, weil sie mir helfen, stabil zu bleiben ;o)

LG
Ulli

EDIT: das stand alles noch nicht da, als ich geschrieben habe - einen Brief an entsprechende Stellen würde ich jederzeit unterschreiben


***

"die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann was er will, sondern, dass er nicht tun muss was er nicht will"

:o)



(Jean-Jacques Rousseau)
heikeg
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von heikeg »

Hallo nochmal,

also es ist wirklich der schlechten Recherche zu verdanken, dass solch ein Bild entsteht, denn ich habe jetzt mal den Original-Arzneimittelreport gelesen und da steht es differenzierter drin. Nur mal kurz meine Zusammenfassung, was mir dort auffiel:

1. wird deutlich gemacht, dass in der Studienerhebung die Diagnosen nicht berücksichtigt wurden
2. Wird klar gestellt, dass zwar Frauen mehr Psychopharmak nehmen, dafür Männer eher zum Alkohol greifen
3. Wird klar zwischen Benzodiazepine und Antidepressiva unterschieden
4. das die vermehrte Verschreibung vor allem ältere Frauen betrifft und gerade da zu Problemen führt etc...

hier von Seite 9-35 zu lesen

http://www.barmer-gek.de/barmer/web/Por ... y=Data.pdf

Viele Grüße Heike

@Sinfonia, danke für die Info, werde mal nachschauen
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jonojo

Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von jonojo »

Hallo,

müssen denn AD immer nur beworben werden, obwohl die Wirksamkeit sehr umstritten ist und sie teilweise sehr unangenehme Nebenwirkungen haben?

Und ist es nicht generell sinnvoll sich vor der Einnahme von AD etwas differenzierter zu informieren als aus einer dpa-Meldung?

LG,
Norbert
tomroerich
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von tomroerich »

Hallo in die Runde,

im Grunde ist dem Artikel "nur" die fehlende Differenzierung bei verschiedenen Medikamentengruppe, im Hinblick auf das Suchtpozenzial, anzulasten. Das allerdings ist ein ärgerlicher Schnitzer.

Die DDL überlegt, wie man da gegensteuern könnte.

Viele Grüße

Thomas
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FönX
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von FönX »

Hallo,

da wurde offenbar ohne groß nachzudenken geschrieben. Ich habe schon mal per Leserbrief um eine Klarstellung gebeten. Vielleicht ist es gut, wenn dort viele Reaktionen aufschlagen.

Liebe Grüße
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
SisterGoldenHair
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von SisterGoldenHair »

... good idea

LG
Ulli


***

"die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann was er will, sondern, dass er nicht tun muss was er nicht will"

:o)



(Jean-Jacques Rousseau)
Dendrit
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von Dendrit »

Hallo Norbert,

müssen denn AD immer nur beworben werden, obwohl die Wirksamkeit sehr umstritten ist und sie teilweise sehr unangenehme Nebenwirkungen haben?

Wie meinst Du das? Ich steh wohl auf der Leitung.

LG, Manuela
Omnia
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von Omnia »

Bei vielen Antidepressiva gibt es Entzugserscheinungen. Die Pharmafirmen nennen sie "Absetzungssymptome".
Das ist wissenschaftlich belegt.
Wenn es nicht so wäre, könnte man ja die ADs ganz ohne Probleme von heute auf morgen absetzen. Das wird aber kein Mensch können, der ADs länger als ein paar Monate in höhren Dosierungen genommen hat. Es wird IMMER empfohlen sie langsam auszuschleiche wegen den Entzugerscheinungen. Das wird einen auch jeder Arzt sagen.
Klar sind es keine extremen Entzugserscheinungen, wie bei anderen Drogen oder Medikamenten, aber sie sind vorhanden.
Sie treten auch nicht auf, wenn man sie nur kurzfristig in niedrigen Dosen über einige Monate nimmt. Aber irgendwann wird sich der Körper an die zusätzlichen Substanzen gewöhnt haben.

Und sie können psychisch abhängig machen. Weil der Patient denkt, dass er nur mit den Medikamenten leben kann und nicht mehr ohne sie. Genau wie bei anderen Drogen. Vor allem weil die Entzugserscheinungen auch anfänglich erst mal zu depressiven Verstimmungen führen können, bis sich der Körper an den Entzug der ADs gewöhnt hat.

Was ist denn sonst Sucht oder Abhängigkeit?


Genauso wenig wie ich eine Verteufelung der ADs richtig finde, finde ich ihre Verherrlichung richtig. Den Leuten zu erzählen, dass sie die Medikament ohne Entzugserscheinungen nach jahrelanger Einnahme einfach von heute auf morgen wieder absetzen könne, finde ich nicht richtig. Die ADs kann man nicht einfach von heute auf morgen wieder absetzen, wegen den Entzugserscheinugen.
thekla
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Re: ADs und ein Vergleich mit Drogen

Beitrag von thekla »

"Klar sind es keine extremen Entzugserscheinungen, wie bei anderen Drogen oder Medikamenten, aber sie sind vorhanden.
Sie treten auch nicht auf, wenn man sie nur kurzfristig in niedrigen Dosen über einige Monate nimmt. Aber irgendwann wird sich der Körper an die zusätzlichen Substanzen gewöhnt haben.

Und sie können psychisch abhängig machen. Weil der Patient denkt, dass er nur mit den Medikamenten leben kann und nicht mehr ohne sie. Genau wie bei anderen Drogen."

Hallo,

da möchte ich dir widersprechen.

Entzugserscheinungen kenne ich daher, daß ich völlig rappellig werde und "die Nerven blank liegen", wenn ich mehrere Stunden keine Zigarette geraucht habe oder nicht meine tägliche Dosis Koffein bekommen habe.

Nachdem ich über längere Zeit (1 Jahr?, weiß nicht mehr genau) Citalopram in allerdings niedriger Dosis genommen hatte, habe ich versucht, es wegzulassen.

Ich hatte keine Entzugserscheinungen wie z.B. eine zusätzliche Nervosistät, sondern bin allmählich wieder dahin abgerutscht, wo ich vorher über lange Zeit gewesen war.
Ich war auch nicht psychisch abhängig, sondern habe lediglich durch das Ausprobieren erlebt, wie es mir ohne Psychopharmaka geht.
Von Nikotin dagegen bin ich voll körperlich wie psychisch abhängig: Ich würde es noch nicht mal eben so ausprobieren, zu rauchen, sondern nur mit viel " gedanklichem Energieaufwand". Auch zu einer Zeit, in der ich nur ein paar Zigaretten in der Woche geraucht hatte, war ich rückblickend wohl schon abhängig.

So oft wie ich es hier lese, daß Menschen ohne Psychopharmaka auskommen wollen, denke ich, so groß kann die psychische Abhängigkeit nicht sein.
Ich schätze Antidepressiva als Hilfmittel ein ähnlich wie z.B. in meinem Fall L-Thyroxin bei einer Schilddrüsenunterfunktion. - Es geht mir besser damit. Vorher habe ich es sehr lange ohne Medikamente ausprobiert, etwas zu veränderen, nur mit einer Therapie und mehreren Therapeuten.
Sehr viel krischer und noch mal sehr viel kitischer sehe ich den Therapeutenmarkt als Hilfe!


Durch Medikamente konnte ich endlich wieder besser denken und besser einschlafen, hatte allmählich wieder Kraft. ... und ich habe immer mal wieder versucht, nichts mehr einzunehmen, sehe mich insofern nicht als abhängig wie ich es von Nikotin oder Kaffee bin. Bin zum Glück auch nicht im Laufe der Zeit alkoholabhängig geworden, denn ohne AD hatte ich versucht, mit der Droge Alkohol wieder einschlafen zu können.



Noch eine Frage: Mit welchen anderen Medikamenten vergleichst du übrigends Drogen? Welche Medikamente hinterlassen deiner Meinung nach neben Antidepressiva noch Entzugserscheinungen, das würde mch interessieren?

VG
melancholia41
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von melancholia41 »

Ich bezeichne das ganze auch als Entzug. Mit dem Begriff Absetzerscheinungen möchte man das Ganze doch nur verharmlosen.

Ich war wegen Entzug von Cipralex mehrere Monate krankgeschrieben. War teilweise bettlägrig...Das war nicht mehr komisch und hatte auch nichts mehr mit "harmlosen Absetzerscheinungen " zu tun. Es war die Hölle.

Auch habe ich schon mehrfach vergeblich versucht, von einem winzigen Stück ( max eine Viertel, oder noch weniger) Mirtazapin weg zukommen, das ich abends zum Schlafen nehme. Am dritten Tag beginnt der Entzug, und damit die Hölle auf Erden. Ich schaff es nicht.

Das Problem beim Entzug von AD´s ist ein anderes als beim Benzo-Entzug. Das muss man hier allerdings betonen.

Der Konsum von AD´s führt in sofern zu Veränderungen im Hirn, als das sich die Rezeptorendichte verringert und auch die Rezeptoren unempfindlicher werden. Die Serotoninproduktion wird gedrosselt, da sich der Organismus an das plötzliche Überangebot von Serotonin (durch die Rücknahmehemmung der SSRI im synaptischen Spalt) anpassen tut. Nämlich in dem er die Produktion von Serotonin drosselt und die Rezeptorendichte verringert. Das nennt man dann Downregulation, und ist ein Problem, das man wohl bisher mit den heute auf dem Markt befindlichen Medikamenten nicht in den Griff bekommen hat.
Man hat herazsgefunden, das bei der Einnahme von Fluoxetin sich die Rezeptorendichte um 50 % !!! veringert.
Daher bei mir auch immer das Gefühl, die ersten Wochen wirkt z.B. Fluoextin ganz gut auf Antrieb und Motivation, und nach vier Wochen ist die Wirkung dahin, dann hat sich der Organismus an das Überangebot angepasst und reguliert dagegen.
Man brauchte wieder eine höhere Dosis...und das Spiel beginnt von vorn.
So ist es jedenfalls bei mir.
Wenn man dann irgendwann anfängt die SSRI auszuschleichen , oder abrupt damit aufhört, besteht dieses Problem ja dann weiter, aber die Rücknahmehemmung hört auf...und dann beginnt im Körper das Chaos..
Bei manchen Leuten regeneriert sich das wieder und bei manchen Leuten erst nach vielen Monaten oder Jahren, bei manchen Leuten bleibt ein dauerhafter Schaden vorhanden, Chronische Depressionen und Abhängigkeit von den SSRI können die Folge sein.

Gruss Mel
thekla
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von thekla »

Hallo Mel,

wo hast du das alles gelesen? Mich interessiert es, damit ich selbst mal nachlesen kann.

VG
melancholia41
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von melancholia41 »

Hallo,

sitze jetzt gerade in der Firma...

wenn ich aber heute abend nach Hause komme, schau ich mal in meiner Favoritenleiste,ob ich da was passendes abgespeichert habe. und setze dir dann mal ein paar Links rein.

Das was ich da oben geschrieben habe ist auch keine Übertreibung oder eine Abrechnung mit diesen Medikamenten. Ich nehme sie ja immer noch. Es sind einfach nur meine Erlebnisse/Erfahrungen mit diesen Medikamenten. Mit den richtigen Stichworten findet man dann bei "Tante google" die passenden Artikel und Infos.

Gruss Mel
no name
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von no name »

Hallo zusammen,

wie die meisten meiner Vorschreiber bin ich ebenfalls der Meinung der Artikel müsste weitaus differenzierter sein.

Im Hinblick auf eine Abhängigkeit bei Antidepressiva spricht man von einer therapeutischen Abhängigkeit, d. h. es ist so wie Thekla es beschrieben hat.
Setzt man ein SSRI ab weil es einem besser geht, kann es passieren, dass die Krankheitssymptome wieder auftreten. Das kann selbst dann auftreten, wenn es unter ärztlicher Aufsicht geschieht.

Das es zu Absetzsymptomen (vor allem bei zu schneller Reduzierung) kommen kann, denke ich wissen sie meisten hier.
Trotzdem würde ich nicht so weit gehen und bei Antidepressiva von allgemeiner oder psychischer Abhängigkeit sprechen.
Dazu vielleicht ein ganz vereinfachtes Beispiel: Würde ein Gesunder ein antriebssteigerndes Antidepressiva erhalten, würde es bei ihm keine Wirkung zeigen.
Denn würde man bei Antidepressiva generell von einem psychische Abhängigkeitspotenzial sprechen, dann bestünde auch für Gesunde die gleiche Gefahr.

Das ist jetzt alles ein wenig einfach beschrieben, da ich im Moment nicht viel Zeit habe.

Nur eines noch, bei den Wirkmechanismen der verschiedenen SSRI (die ja zu großen Teilen ähnlich wirken) spielen noch eine Reihe anderer Faktoren eine Rolle, warum das eine besser wirkt als das andere.
So z. B. pharmakokinetische Eigenschaften eines Medikament, d. h. Schnelligkeit der Resorption (Aufnahme) eines Wirkstoffs in die Blutbahn, die Verteilung im Organismus und gleichzeitig der Abbau und die Ausscheidung eines Wirkstoffs.
Und diese pharmakokinetischen Eigenschaften können bei auch bei Medikamenten aus der gleichen Wirkstoffgruppe (sehr) unterschiedlich sein.
Auch das nur in aller Kürze.

Viele Grüße

no name
Omnia
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von Omnia »

>>Noch eine Frage: Mit welchen anderen Medikamenten vergleichst du übrigends Drogen? Welche Medikamente hinterlassen deiner Meinung nach neben Antidepressiva noch Entzugserscheinungen, das würde mch interessieren?

Damit meinte ich vor allem bestimmte Schlaf- und Beruhigungsmittel, wie zum Beispiel Tavor und ähnliche.
Die Hinterlassen allerdings sehr viel stärkere Entzugserscheinungen als ADs und eine wirklich starke Abhängigkeit. Das würde ich auf keinen Fall 1:1 mit ADs gleichsetzen.

Ich finde, wie geschrieben auch nicht, dass man Medikamente nun verteufeln sollte. Nur sollte man eben wissen worauf man sich einlässt. Also zum Beispiel sollte man einem Menschen, der zu Süchten neigt nicht unbedingt jede Woche neu Tavor verschreiben.

Und ADs sehe ich halt auch kritisch. Aber gleichzeitig denke ich auch, dass vermutlich Menschen davon profitieren. Ist halt eine "Kosten-Nutzen-Abwägung" im Einzelfall. In vielen Fällen überwiegt vielleicht tatsächlich der Nutzen. Das kann ich aber nicht beurteilen.
melancholia41
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von melancholia41 »

Ja, omnia...verteufeln sollte man das Zeug nun auch nicht, denn manch einem hilft es ja auch.
Was ich eben auch immer so Scheiße finde, und hier auch schon oft zulesen war, ist die Verharmlosung dieser Med´s. Die ja dann teilweise von Hausärzten verschrieben werden, denen einfach die Kompetenz fehlt.
Es wird nicht über mögliche Folgen/Spätfolgen aufgeklärt, die Möglichkeit eines furchbare Entzugs trotz langsamen Ausschleichens.
(Ich selbst hatte damals überhaupt nicht damit gerechnet. Es waren nur noch 2,5 mg Cipralex übrig, und als ich die wegließ begann die Höllenfahrt.)

In dem Artikel wurde ja auch Prozac/-Fluoxetin genannt. Ich kann nur nochmal bestätigen, das dieser Wirkstoff ein gewisses Abhängigkeitspotential aufweist. Auch Karl hatte dies letztens im anderen Thread aus eigener Erfahrung bestätigt.
Auch meiner Kollegin ist es aufgefallen. Nach einem Jahr ständiger Steigerungen war dann die Höchstdosis erreicht und das Mittel wirkungslos. Es war wie bei mir immer nur ein kurzer Kick und dann wieder Flaute, da sich der Organismus entsprechend angepasst hat (siehe oben). Ich müsste auch ständig erhöhen, um mal wieder für ein Monat einen Kick zu kriegen...mach ich aber nicht, wegen meiner Herzprobleme.(Die werden davon nicht besser)
Das ist eine Form der Abhängigkeit...was sonst???

Was No name da erzählt, stimmt so nicht. Es gibt einen Schwarzmarkt für SSRI. Selbstverständlich haben die auch auf Gesunde eine Wirkung.
Ich bin schon mehrfach in einem Forum gelandet, wo sich (gesunde) Jugendliche darüber austauschten, wie SSRI wie Cipralx, Fluoxetin, Venlafaxin u.s.w. reinknallen, und hochschrauben....Euphoriezustände..extrem gesteigertes Selbstbewußtsein...u.s.w.
Warum soll das Zeug auf Gesunde keine Wirkung haben? Dafür hätte ich gern mal eine wissenschaftliche Erklärung. Verstehen tue ich das nämlich nicht. Sorry,dafür bin ich zu dumm.
Dieses Zeug wird ja auch bei Nicht-Depressiven verschrieben...bei Angst, Panik, ADHS, ADS, Erschöpfung.und was weiß ich...
Auch als Leistungssteigerung wird es von Nicht-Depressiven missbraucht und hat demzufolge auf Gesunde sehr wohl eine Wirkung.


Gruss Mel
Omnia
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von Omnia »

>>Warum soll das Zeug auf Gesunde keine Wirkung haben?

Das verstehe ich allerdings auch nicht.
Denn letztendlich blockiert doch der Stoff bestimmte Rezeptoren im Gehirn, nach meinem Wissen. Dadurch können bestimmte Stoffe dort nicht andocken etc. Deshalb erhöht sich dann letztendlich zum Beispiel die Serotoninkonzentration im Gehirn.
Normalerweise reguliert der Körper die Serotoninproduktion je nach Bedarf quasi selbst. Die Serotoninkonzentration schwankt also auch bei vollkommen gesunden Menschen. Wenn man dann die Serotoninkonzentration bei gesunden Menschen auf einem künstlich zu hohen Level hält durch die dauerhafte und hochdosierte Einnahme eines SSRIs muss es doch eine Wirkung haben.
Klar, vielleicht hat eine niedrige Dosierung keine gravierende Wirkung weil quasi dann dadurch die Sertoninkonzentration im Gehirn vorhanden ist, die sowieso da wäre. Aber bei höheren Dosen, die auch bei gesunden diese Konzentrationen über das Normalmaß steigern, muss es doch - rein logisch - eine Wirkung geben. Würde mich auch mal interessieren, wo man das nachlesen kann, dass es in dem Fall keine Wirkung hat.

Ich glaube übrigens, dass das psychische Abhängigkeitspotential von ADs nur (relativ) gering ist, weil diese Medikamente zeitverzögert wirken.
melancholia41
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von melancholia41 »

ja natürlich, man kann das unmöglich mit dem Suchtpotential von Benzo´s vergleichen, oder alles über einen Kamm scheren.

Es ist halt anders, und es trifft auch nicht auf jeden zu. Ist wohl auch abhängig vom jeweiligen Organismus und dessen Anpassungsfähigkeit.
Bei ist es halt so wie oben beschrieben und bei vielen anderen Leuten auch.
Selbst bei Benzo´s gibt es in Punkto Abhängigkeit zwischen einzelnen Leuten riesige Unterschiede. Habe mal gelesen, das es Leute gibt die schon seit Jahren immer die gleiche Dosis Tavor brauchen und nie erhöhen müssen. Ich selbst habe mal ein paar Wochen Tavor genommen und musste schon nach ein paar Tagen erhöhen, weil keine Wirkung mehr da war. Und dann immer so weiter, bis ich dann runtergefahren habe.

Gruss Mel
heikeg
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von heikeg »

Hallo,

ich möchte es mal aus meinem Erleben her erklären, auch was für mich der Unterschied zwischen Benzo und Antidepressiva ausmacht.

Ich kam durch meine Klinikaufenthaltn und später auch durch meine Praktika zur EX-IN-Ausbildung mit Menschen in Kontakt, die Benzoabhängig waren und entweder gerade einen Entzug durchlaufen oder durchlaufen hatten. Das muß die Hölle sein, nachdem ich deren Erfahrungen gehört hatte. Bei näherem Nachfragen stellte sich heraus, dass sie über Benzos vorher keine Aufklärung hatten und sie von ihren Ärzten immer weiter verschrieben bekommen hatten, über Monate und Jahre und wenn dann kein Rezept mehr kam, fing das Ärztehopping an. Ich selbst hatte auch Benzos bekommen, ohne Aufklärung, allerdings für mich als Notfallmedikament. Hier bedarf es für mich wirklich ein Eingreifen, denn dass das Suchtpotential dieser Medikamente sehr hoch ist, ist schon seid langem bekannt. Um kurzfristig eine Akute Phase abzuwehren,um vielleicht auch das Schlimmste zu verhindern, wird es in kontrollierter Vergabe seine Dienste tun. Aber ein Langzeitmedikament ist dies nicht.

Nun zu meiner eigenen Erfahrung mit Benzos und Antidepressiva:

Ich nahm ein Benzo (Tavor) als Notfallmedikament, wenn meine Suizidgedanken sich verstärkten und eine überbordende Gefühlslage vorherrschte. Die Wirkung des Benzos setzte schnell ein, innerhalb einer halben bis dreiviertel Stunde. Es war für mich dann wie ein Filter, so als ob alles etwas weiter weg war, Gefühle und Situationen ihre Bedeutungen verloren, ich ein wenig wegdriftete. Ich war da und doch nicht wirklich. Ich war nicht fröhlicher dadurch oder hatte jetzt mehr Antrieb, nur die Belange waren gleichgültiger, ich konnte den Tag irgendwie überstehen oder es machte mich halt müde und träge.

Mein Antidepressivum, was mir jetzt hilft, hatte eine andere Wirkung. Zunächst setzt die Wirkung nicht sofort ein, sondern brauchte so 3 - 4 Wochen. Als sie einsetzte, war es kein wegdriften, sondern ganz langsam kam eine bessere Zuversicht in mir auf, es war wie ein ganz langsames erwachen. Meine Wahrnehmung war nicht mehr nur grau in grau, sondern Stück für Stück mischten sich auch schwachbunte Farben hinzu, ich nahm tatsächlich wieder Farben wahr, ich sah die bunten Blüten der Pflanzen, die ich vorher nicht sehen konnte. Ich begann nicht mehr nur in den Tag hineinzuleben, sondern den Tag wieder ein ganz klein wenig zu gestalten. Ab einem bestimmten Level setzt dann auch die Eigenarbeit ein, bzw. sollte einsetzen, denn Pillen alleine richten es nicht.

Ich war in der Lage, nun mein Selbstaktivierungsprogramm zu starten, das Prinzip der kleinen Schritte und diese auch zu würdigen und ggf. auch zu belohnen. Den Tag zu strukturieren, mal raus zu gehen, was ich vorher nicht konnte. Sich irgend etwas vornehmen an einem Tag, nichts großes, aber irgend etwas. Ich konnte jetzt wieder von der begleitenden Psychotherapie profitieren, konnte ihr immer mehr folgen, was vorher in der akuten Phase irgendwie an mir vorbei lief. Ich erdete mich immer mehr. Dies konnte mir ein Benzo nicht verschaffen, es wirkt einfach anders.

Ich bin durch mein AD nicht geheilt, habe immer noch meine melancholischen Phasen, aber nie mehr so tief und so lang.

Bei dem Artikel werden die beiden Wirkstoffgruppen miteinander vermischt und dass halte ich für falsch. Es hat für mich nichts zu tun, dass ich für ADs werben möchte und sie für das einzig Wahre halte, das tue ich ganz bestimmt nicht.

Da differenziere ich auch, denn es gibt verschiedene Schweregrade von Depressionen und dazu noch die Unterscheidung von chronischen und nichtchronischen Depressionen. Woran es hier nach meiner Meinung fehlt, ist die Differentialdiagnostik. Dazu braucht es Zeit, aber Gesprächszeit, dass kann sicherlich auch Dr. Niedermeyer bestätigen, wird von den Kassen kaum vergütet, aber dass braucht es, um wirklich zu erkennen, ob es sich um eine Depression handelt und wenn, welcher Schweregrad vor liegt und braucht es dazu jetzt wirklich eine Akutbehandlung in Form von Medikamenten oder können Psychotherapie und andere ambulante Hilfsmöglichkeiten hier allein schon wirksam sein.

In dem Artikel finde ich, wird auch nicht so deutlich, dass Männer ihre Depression gern mit sich selber ausmachen wollen, wohl auch wegen des Rollenverständnisses, dass sie oft dadurch auch eher psychosomatische Beschwerden entwickeln und als Selbstmedikation eher zum Alkohol greifen.

Dass wir mit Antidepressiva keine Smarties zu uns nehmen, dass ist mir bewußt und sollte auch jedem von uns bewußt sein. Deshalb heißt es für mich auch: So wenig wie möglich und so viel wie nötig. Langfristig hoffe ich, dass ich mein AD irgendwann ausschleichen kann und für mich als chronisch Erkankte eine Phasenprophylaxe reicht, noch besser wäre es natürlich, wenn ich irgendwann gar nichts mehr bräuchte, dass ist ja nicht ausgeschlossen.

Ich möchte Psychopharmaka weder in den Himmel loben noch vertreufeln. Sie können helfen, aber seine eigene Mitwirkung ist ebenso erforderlich, denn sonst bekämpft man wirklich nur die Symptome und nicht dass, was sie ausgelöst haben könnten.

Viele Grüße Heike
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melancholia41
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von melancholia41 »

Hallo Heike,

ich wünschte bei mir täte das Zeug auch so wirken....immer nur ein kurzer Kick gleich zu Beginn(und das auch nur bei Fluoxetin) und dann höchstens die ersten 4 Wochen, dann ist da nur noch Dumpfheit, Gleichgültigkeit, Interessenverlust, Motivationsverlust....
kann doch nicht ständig die Dosis anheben...
heikeg
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Re: Wie findet ihr folgenden Presseartikel?

Beitrag von heikeg »

Hallo melancholie,

ich mußte lange, lange suchen, bis ich mein Medikament gefunden hatte, die anderen ADs hatten außer Nebenwirkungen keine Wirkungen. Ich nehme als AD Elontril (Wirkstoff Bupropion) in Kombination mit der Phansenprophylaxe Lamotrigin. Elontril wirkt auf den Dopamin und Noradrenalinhaushalt bei mir und dass scheint es zu sein. Melancholische Phasen habe ich auch noch, aber da erhöhe ich nicht meine Medis, da gibt es eben eigene Strategien, dagegen zu halten.

Ich weiß nicht, was du halt schon versucht hast? Denn so wie bei dir, kann das doch nicht der Weisheit letzter Schluß sein?

Viele Grüße Heike

PS: Übrigens, ich mußte neulich über 3 Tage verreisen, hatte dummerweise meine Medis zu hause vergessen. Ich hatte dabei keine Absetzsymptome und brach auch nicht ein, habe aber natürlich gleich danach wieder meine Dosis genommen. Es braucht ja auch ne Weile, bis der Spiegel komplett abgebaut ist.
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