Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

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aquamarin
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Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von aquamarin »

Hallo liebe Mitleser und Mitleidende,

im Thread-Titel seht ihr schon, was mich derzeit beschäftigt...

Bin ich allein, stresst mich das total.
Ich tigere umher, mache dies, erledige das, fühle mich von der Welt vergessen und gerate schnell in schlecht auszuhaltende Stimmungen.

Deshalb sorge ich oft dafür, dass ich unterwegs bin, unter Menschen komme, etwas zu tun habe. Und dann...stresst mich auch das.
Ich kann Gesprächen manchmal schlecht folgen, schalte mich weg, wünsche mir, dass der andere geht...
Ich hetzte von Termin zu Termin - alles für sich gesehen mag ich, aber in der Fülle ist es einfach viel zu viel...
Ich ärgere mich, dass ich so ein schlechtes Zeitmanagement habe, aber ich will auch niemanden vor den Kopf stoßen...
War da nicht mal was mit "Nein-Sagen"? Ich war auf dem Weg, es zu lernen - aber jetzt schlagen meine alten, erlernten Mechanismen wieder voll zu...

Mein Therapeutin meint, es sehe ganz danach aus, dass ich mich immer wieder der Nähe anderer Menschen versichern müsste. So nach dem Motto "wenn ich sie nicht mal kurz gesehen oder gesprochen habe, dann könnte es sein, dass sie gar nicht mehr (für mich) da sind".
Das handhabe ich genau so, mir ist es aber erst letzte Woche in der Stunde bewusst geworden.
Und jetzt?
Ich leide darunter, dass ich mir so viel aufhalse.
Aber ich leide auch, wenn ich bei mir, für mich bleibe.

Ein Dilemma, dass mich immer unzufriedener werden lässt. Ich renn wieder voll rein in meine Überforderungsfalle und kann nichts tun...

Kennt ihr das?

aquamarin
Hagebutte
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Registriert: 11. Jun 2009, 15:44

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von Hagebutte »

aquamarin schrieb:

> Ich kann Gesprächen manchmal schlecht folgen, schalte mich weg, wünsche mir, dass der andere geht...

Mir geht es ähnlich. Erst zettele ich alles mögliche an - obwohl da ein Stimmchen in mir immer wieder zur Vorsicht mahnt - und dann wird es mir plötzlich zu viel, sodass mir regelrecht übel wird. Ich kann dann auch Gesprächen nicht mehr folgenund rede eigentlich nur noch Müll, wenn ich überhaupt irgendetwas von mir gebe.

Das Schlimme dabei ist, dass ich endlos brauche, um mich von dem als mir empfundenen Marathon zu erholen. Besonders der Montag hat es dann in sich, weil am Wochenende bei uns am meisten los ist. So wie heute Bin fix und fertig. Habe aber dummerweise wieder Zugeständnisse gemacht, die ich hätte nicht machen sollen. Das zum Thema "Nein" sagen.


> Mein Therapeutin meint, es sehe ganz danach aus, dass ich mich immer wieder der Nähe anderer Menschen versichern müsste. So nach dem Motto "wenn ich sie nicht mal kurz gesehen oder gesprochen habe, dann könnte es sein, dass sie gar nicht mehr (für mich) da sind"

Schlaue Therapeutin! So war mir das bisher auch noch nicht bewusst, trifft aber den Nagel auf den Kopf! Wenn ich "es" dann mal lasse, habe ich kürzlich erst festgestellt, kann es tatächlich sein, dass Kontakte einschlafen. Na ja, dann tun sie es eben, oder? Welch ein Kraftaufwand, ständig alleine dafür zu sorgen, dass Freundschaften halten. Wenn man das überhaupt Frendschaft nennen kann...

Danke für diesen Beitrag, der auch mein ewiges Dilemma darstellt. Ich glaube, es ist an der Zeit, die Richtung zu ändern.

Das endlose Grübeln, wenn ich dann alleine bin, kenne ich auch zu Genüge. Ich habe mich die letzten Monate mich "Achtsamkeit und Akzeptanz" beschäftigt, was mir viel gebracht hat. Mir hilft es dann, wenn ich meine Gedanken dann immer wieder auf meine Tätigkeit lenke, ganz sanft, und mir gestatte, dass ich mich derzeit so fühle. Am besten klappt das im Garten

Gruß
Hagebutte
katyfel
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Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von katyfel »

Hallo Aquamarin,

von mir nur eine kurze Antwort, ich muss gleich los in die Uni... (;) )

Mir geht es sehr, sehr ähnlich wie dir;
ich will ja studieren und alles, wenn ich Zuhause bin, bin ich gleichzeitig nervös und fertig, sodass ich irgendwas anfange und dann doch nicht schaffe oder nur in der Gegend rumlaufe und mir vorstelle, was ich noch machen muss...
Und in der Uni bin ich dann vielleicht kurze Zeit "angekommen" und dann denke ich dran, was Zuhause noch auf mich wartet oder ich sonst noch tun muss und Leute treffen und ...

Leider hab ich da auch keine Lösung für, aber es ist zumindest schön zu hören, dass es offenbar anderen auch ähnlich geht- so doof das auch für uns jeweils ist.

Vielleicht hab ich später ja nochmal "nichts zu tun", dann schreib ich gern eingehender...

Liebe Grüße, Sinfonia
So ist das Leben, sagte der Clown und malte sich ein Lächeln auf
Secret
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Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von Secret »

Hallo zusammen,

nach meiner med. REHA fehlt mir die Gemeinschaft und die netten Mitpatienten und Therapeuten, die mich wieder aufgerichtet haben.

ich habe am wochenende einen theaterworkshop besucht, der mir gut gefallen hat, aber mich auch herausgefordert hat.

ich möchte nicht mehr so viel alleine sein wie vor der reha aber bin ebenfalls besorgt mich zu überfordern.

nach gespräche in der gruppe gestern habe ich gehört, dass eine feste theatergruppe bis zu dreimal die woche probt und fast alle wochenende aufführungen haben kann.

das hat mich wieder entmutigt, es muss doch möglich sein etwas zu machen ohne sich dabei direkt zu verausgaben.
LG

Secret
Vaf-2Gal
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Registriert: 18. Dez 2011, 12:21

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von Vaf-2Gal »

Mich haben in den letzten Tagen ähnliche Gedanken beschäftigt. Allerdings fällt mir das Alleinsein zur Zeit nicht schwer. Aber sobald es mir nur ein bisschen besser geht, plane ich kleine Aktivitäten, Besuche o.ä.
Inzwischen habe ich beobachtet, dass es mir an den Tagen danach deutlich schlechter geht. Beim Nachdenken über die Begegnungen mit anderen fiel mir auf, dass ich da jeweils in den "Funktioniermodus" schalte, also nicht wirklich echt bin, sondern wie mit einer Maske agiere. Mir wurde dann auch gesagt, ich würde völlig normal wirken und Freunde waren überrascht, dass ich noch AU bin.
Mir fiel dann der Ausdruck "Kräfte sammeln" ein. Was ich gemacht habe, war, jedes bisschen Kraft, das ich hatte, gleich wieder auszugeben in Aktivitäten und Begegnungen.

Ich habe jetzt beschlossen, wirklich meine Kräfte zu sammeln. Gradmesser auf meinem Weg zur Gesundung ist ja nicht, wie viel Außenaktivitäten ich schaffe. Das hat einiges an Druck herausgenommen und ich bin viel zufriedener zu Hause, male, puzzle, knuddle meine Katzen, bin im Forum ... und sammle Kräfte.

LG
Lächeln
Lerana
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Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von Lerana »

Hallo aquamarin,

das war lange Zeit auch mein Thema. Alleinsein konnte ich zeitweise gar nicht mehr aushalten. Denn dann ging es in meinem Kopf erst richtig rund. Getrieben von innerer Unruhe bin ich durch die Wohnung getigert und habe mich ständig gefragt, was ich denn jetzt mit mir anfangen soll. Heute weiß ich, ich hatte Angst!! Angst vor mir! Angst, zu erkennen, was wirklich in mir los ist. Deshalb hat die Therapie das am Anfang alles noch verstärkt, denn sie hat an die Oberfläche geholt, was ich unbedingt zugedeckelt lassen wollte.

>>Mein Therapeutin meint, es sehe ganz danach aus, dass ich mich immer wieder der Nähe anderer Menschen versichern müsste. So nach dem Motto "wenn ich sie nicht mal kurz gesehen oder gesprochen habe, dann könnte es sein, dass sie gar nicht mehr (für mich) da sind".<<
Verlustängste waren auch mein Thema. Eigentlich war ich der fetsen Überzeugung, dass mich niemand nur meinetwegen mögen könnte. Freundschaft war etwas, das ich mir verdienen musste. Deshalb habe ich mich für alle Kümmernisse meiner Freunde zuständig gefühl. Wenigstens wurde ich gebraucht. Ich wollte mich unabkömmlich machen.

Heute sehe ich das ganz anders. Mein Freundeskreis ist geschrumpft aber immer noch habe ich ein TOLLES soziales Netzwerk, denn diese Menschen mögen MICH! Das war ein langer Prozess und als Hausaufgabe in der Therapie hatte ich durchaus schon mal, meine Freunde zu befragen auf einer Skale von 0-100 wie nervig sie mich finden, wie viel ich über mich spreche ....

Jetzt kann ich es genießen, wenn ich alleine bin. Es ist ruhiger geworden in meinem Kopf!! Ich kann sogar aushalten, wenn eine Freundin sich etwas läger nicht meldet, ohne gleich zu denken, dass sie bestimmt sauer auf mich ist. Um ehrlich zu sein, denken tue ich doch noch oft, aber ich wehre mich in einem inneren Dialog und sage mir: Das ist dein altes Muster! Hör nicht auf deinen Kritiker, die Erfahrung zeigt, er hat Unrecht!

Wenn man ernsthaft anfängt, den eigenen Wert an sich zu entdecken, dann vertraut man plötzlich auch darauf, dass vielleicht der ein oder andere ihn zu schätzen weiß und nicht einfach verschwindet!

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Hagebutte
Beiträge: 198
Registriert: 11. Jun 2009, 15:44

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von Hagebutte »

Was mir bei all dem nicht in den Kopf will: Warum schaffen so viele andere diese ganzen Aktivitäten? Warum brechen die nicht zusammen? Beinahe bin ich in unserem Bekanntenkreis die Einzige, die das eine oder andere nicht mitmachen möchte. Dann muss ich mich regelrecht gegen die Nötigungen (mich nicht so anzustellen, etc.) mit allen Mittel zur Wehr setzten. Mein Mann ist auch oft beleidigt und wird dann auch beleidigend. Es fielen auch schon Sätze wie: 'Mit dir ist ja gar nichts mehr los.'

Bei mir wächst dann so der Verdacht, dass mit mir eben doch etwas nicht stimmt. Auch, wenn ich mich mal wohl fühle, Ängste und Depri sich verkrümelt haben und ich eigentlich nur so meinen Tag planen möchte. Sobald ich die Aufforderung bekomme, ich solle irgendetwas mitmachen, irgendwo mit hinfahren, irgendwen besuchen, kommen diese Gedanken, die mich sofort runterziehen. Ich habe dann das Gefühl, als wäre alle Kraft auf einmal verpufft.

Warum ich das jetzt schreibe? Weil Himmelfahrt vor der Tür steht. Und mein Mann uns schon zu einem Ausflug mit einem Verein angemeldet hat. Ich weiß genau, dass ich wieder endlos brauche, bis ich mich erholt habe. Oder streiten?
aquamarin
Beiträge: 262
Registriert: 2. Jul 2011, 19:14

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von aquamarin »

Hallo @all,

ganz vielen Dank fürs Mit-Denken! Zwar hilft es nicht konkret, aber es ist doch gut zu wissen, dass es euch ähnlich geht wie mir. Ich fühle mich manchmal auch wie der letzte Exot auf Erden, der nicht in der Lage ist, ein "normales", "geregeltes" Alltagsleben zu meistern.

Ich werde gerne noch ausführlicher antworten, wenn ich mich von den Strapazen des heutigen Tages erholt habe...
Denn just heute war es wieder genau das Gleiche und ich schaff den Absprung einfach nicht...
Jetzt bin ich völlig platt, total unzufrieden und ich habe Horror vor morgen, weil ich wieder nicht ausgeruht und energiegeladen sein werde....

Gute Nacht,

aquamarin
aquamarin
Beiträge: 262
Registriert: 2. Jul 2011, 19:14

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von aquamarin »

Es ist doch irgendwie fatal, dass mich die oben genannte Thematik sogar daran scheitern lässt, hier in Ruhe auf eure Beiträge zu antworten

@Hagebutte:
"Das Schlimme dabei ist, dass ich endlos brauche, um mich von dem als mir empfundenen Marathon zu erholen."

Diese Aussage hätte auch von mir sein können. Und ich WEIß genau, dass es immer wieder so ist - trotzdem ändere ich mein Verhalten nicht.
UND - ich ärgere mich innerlich immer wieder darüber, dass scheinbar nur ich es nicht schaffe, ein geregeltes Alltagsleben zu haben und dabei NICHT ständig an meine Grenzen zu kommen.
Wenn ich dann bei anderen einmal ehrlich hinschaue, dann haben viele meiner Bekannten und Freunde weniger Aktivität in ihrem Leben und sind vielleicht auch deshalb ausgeglichener als ich...

"Wenn man das überhaupt Freundschaft nennen kann..."
Natürlich ist es KEINE Freundschaft, wenn sie nur einseitig aufrecht erhalten wird. Also sollte es uns doch auch nicht weiter stören, wenn sie dann einschläft...sollte...

Was ich in der Realität aber auch schon erlebt habe, ist genau das Gegenteil. Melde ich mich tatsächlich mal nicht so oft, wie es - wohlgemerkt MEINEM - Anspruch genügt, dann baut der andere den Kontakt eben wieder auf - und ist noch nicht einmal erstaunt oder gekränkt oder..., weil ich mich vermeintlich zu lange nicht gemeldet habe. Im GEGENTEIL - er freut sich, mal wieder von mir zu hören... Da passt eindeutig etwas nicht

@Secret:
"es muss doch möglich sein etwas zu machen ohne sich dabei direkt zu verausgaben."

Ja sicher muss das möglich sein. Aber es liegt wohl an uns selbst, hier insofern für uns zu sorgen, dass es genau das passende Maß an Herausforderung ist. Und dann wäre es mal wieder an der Zeit, ggf. NEIN zu sagen...

@Lächeln:
"Was ich gemacht habe, war, jedes bisschen Kraft, das ich hatte, gleich wieder auszugeben in Aktivitäten und Begegnungen."

Als ich diesen Satz von dir las, musste ich an ein Buch denken, das ich schon vor Monaten zur Thematik Depression gelesen habe. GENAU DAS, was du sagst, wird dort als die größte Falle beschrieben, in die wir in unserer Depression hineinlaufen können. Sobald auch nur ein bisschen Kraft wieder hergestellt ist, wird diese dafür eingesetzt, um im alten Muster weiter zu agieren. Und das ist soooooo fatal, weil damit der eigentlich schädliche Mechanismus nicht unterbrochen wird...
Mir geht es soviel besser als in den vergangenen Monaten und schon vergesse ich alles, was ich in den schlechten Zeiten erkannt und gelernt habe. OBWOHL ich feststellen konnte, dass die alternativen Verhaltensweisen viel besser waren für mein Wohlbefinden...

@Lerana:
"Deshalb hat die Therapie das am Anfang alles noch verstärkt, denn sie hat an die Oberfläche geholt, was ich unbedingt zugedeckelt lassen wollte."

Ich fürchte, dass es bei mir genauso ist. Ich habe ja gerade erst mit der Therapie begonnen und spüre in den Stunden bereits deutlich, dass dort eine Menge an die Oberfläche geholt werden kann. Aber zu Hause sind die Gefühle ganz schnell wieder verschwunden, weil ich ihnen einfach keinen Raum gebe. Nicht gut...

"Wenn man ernsthaft anfängt, den eigenen Wert an sich zu entdecken, dann vertraut man plötzlich auch darauf, dass vielleicht der ein oder andere ihn zu schätzen weiß und nicht einfach verschwindet!"

Das ist wirklich schön und passend formuliert! Offenbar bin ich in der Wertschätzung meiner eigenen Person noch nicht so weit...


Was an der ganzen Sache derzeit irgendwie faszinierend ist: Meine innere Unzufriedenheit scheint niemand in meinem Umfeld zu bemerken. Ganz im Gegenteil, ich bekomme derzeit viele Komplimente und scheine also etwas ganz anderes auszustrahlen, als ich fühle. Das soll mal jemand verstehen...

Liebe Grüße an euch alle von aquamarin
Secret
Beiträge: 1399
Registriert: 16. Dez 2010, 16:15

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von Secret »

hallo aquamarin,

gestern wollte ich abends mein yoga ausfallen lasen und in einer 30 KM entfernte Stadt wo ich meine med. REHA beendet habe eine Selbsthilfegruppe besuchen, um mir das Konzept dort anzusehen. Mein Plan war in meinen Ort mit ehemaligen auch eine Gruppe zu gründen.

ich war seit meiner entlassung dort vor zwei wochen voller energie. doch gestern nachmittag brauchte mein 10-jähriger sohn trost und zuwendung, ich habe ihn erklärt dass es mir nun besser geht und ich weniger depression nach dem klinikaufenthalt habe und musste ihn wegen ärger mit anderen mitschülern stärken, dazu bekommen nicht einfach lust auf gar nichts zu haben und ihm sagen, dass er nicht zwangsläufig auch depri hat. nach hausaufgabenmachen war ich mit ihm zur kirmes gefahren.

da habe ich für mich entschieden, dass ich nicht zur selbsthilfegruppe gehe, denn ich mein kind hat mir kraft gekostet und ist mir wichtiger. ausserdem war ich danach beim gewohnten yoga, das hat mir gutgetan.

von keinem aus meinen wohnort habe ich mehr eine rückmeldung bekommen und fühle mich doch etwas ausgenutz wenn ich alles alleine auf die beine stellen soll.

und da es mir in der klinik sehr gut getan hat andere zum lachen zu bringen denke ich über eine hobbygruppe mit theateraufführungen nach.

doch diese beiden ziele sind zu viel und ich kann mich noch nicht entscheiden ob ich überhaupt eines von beiden mache.

ich habe die letzten tage schon viel geleistet, mädelsabend,den ich sonst immer abgesagt habe bei meiner kampfsportgruppe.

theaterworkshop ein sa und so vormittag.

doch ich bin nicht müde, sondern bekomme ein schlechtes gewissen weil mein mann sich an meine aktivitäten erst gewöhnen muss, doch ich will auch nicht mehr wie vorher weitermachen und mich dann über sein hobby ärgern, wir brauchen beide unsere interssen.

es ist für mich noch schwierig die waage zu halten.

ich kann aber in der reha nach einer wartezeit einmal die woche zur nachsorge gruppe machen, da brauche ich auch nichts selber zu organisieren, der druck ist raus.

selber etwas auf die beine stellen: da habe ich mich immer bisher zurückgezogen, doch in der reha hatte ich bei einer projektgruppe neue impulse dahin bekommen.

ach, und morgen am feiertag bin ich auch mit meinem mann vereinsmässig die vier tage unterwegs, das habe ich vor zwei jahren schon einmal gemacht, ausstellung oldies, ist nicht so mein ding, doch unterhaltung hatte ich genug.

ich bin mein einsamkeitsgefühl nun los, fühle mich aber von meinen aktivitäten etwas verunsichert zur zeit.

bis dann

secret
LG

Secret
Tesora

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von Tesora »

Hallo zusammen,

das kommt mir alles sehr bekannt vor, wie ihr eure Erfahrungen beschreibt. Die Balance zwischen Aktivität und Entspannung ist wirklich schwierig. Mein Problem ist, dass Treffen mit Freunden/Verwandten im Moment einfach sehr anstrengend sind. Habe oft das Gefühl der Unwirklichkeit und Fremdheit. Verfalle dann leicht in den Modus: Oh Gott, was ist los mit dir? Du wirst nie wieder so sein wie die anderen? Vergleiche mich und komme schlechter dabei weg. Mein inneres Vertrauen, dass ich weiß, wer ich bin und was ich will, ist leider völlig weg. Somit ist es momentan auch schwierig mich über meine Freund zu definieren. Wie geht es euch mit diesen Treffen?

Von meiner Depression rede ich dabei nicht, da ich immer Angst habe, die anderen zu überfordern und zu verlieren.

Viele Grüße
tesora
katyfel
Beiträge: 1181
Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von katyfel »

Hallo Tesora,

die Gefühle, die du beschreibst, kenne ich auch.
Bei mir ist es aufgrund von stark erhöhter Sensibilität (wie ich heute weiß) auch schon immer so gewesen, hat sich allerdings du die Depression verstärkt bzw. meine Einschätzungen für mich selber zum Negativen wenden lassen...

Eine Taktik direkt dagegen hab ich leider auch nicht,

aber mir hilft die Idee der ACT (Acceptance and Commitment Therapy), dass das alles (ich bin falsch, ich werde nie wieder so sein wie die anderen, niemand mag mich,...) nur Geschichten sind, die mir mein Verstand erzählt, mit denen ich mich aber nicht identifizieren muss und brauche, um gut leben zu können...

Die andere Idee ist die des "inneren Radios" in dem solche Dinge zwar immer laufen, dem ich aber- auch wenn ich es (noch) nicht abschlaten kann- nicht meine Aufmerksamkeit schenken muss, mich mit diesen Dingen also wiederum nicht dauernd beschäftigen und identifizieren muss...

Ich finde beide Ansätze gut und für mich sinnvoll, die Anwendung ist allerdings (noch??) nicht problemlos...

Liebe Grüße, Sinfonia
So ist das Leben, sagte der Clown und malte sich ein Lächeln auf
jonesy
Beiträge: 546
Registriert: 25. Feb 2011, 17:42

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von jonesy »

Hallo Aquamarin,
ich falle sehr oft in das andere Extrem und bin eventuell an normalen( was ist schon normal?)Maßstäben gemessen, sicher zu viel allein.
Ich versuche nach Möglichkeit nicht mehr als eine Aktivität zu planen am Wochenende. Mir ist schnell alles zu viel und ich habe aufgehört, an jedem Schwachsinn teil zu nehmen, nur weil Andere meinen, nur dann gehöre man dazu.
Sicher habe ich schon einige Leute vor den Kopf gestossen mit meiner Ablehnung, aber es geht darum, womit es mir gut geht.
Ich brauche dieses Gefühl, Zeit zu haben, dass sich der Tag endlos vor mir ausdehnt und mir alle Möglichkeiten offen stehen.
Es ist schon schlimm genug im Job immer irgend etwas zu müssen, im Privaten will ich das nicht auch noch.
Ich will wollen. Mich nur noch mit Leuten treffen, die mir gut tun und Dinge tun, die ich schön finde.
Meiner Meinung nach ist an Langeweile oder Müßiggang nichts Falsches.
Vielleicht muss man dieses Gefühl einfach mal aushalten, um dann das Schöne daran entdecken zu können. So habe ich es jedenfalls erlebt.
Zeit mit mir, ohne Angst vor mir und dem, was sich dann offenbart.
In dir ist nichts, wovor du Angst haben müsstest und du wirst auch immer noch geschätzt, wenn du mal etwas ablehnst.
Lass dir vielleicht einfach ein bißchen mehr Zeit bevor du dich entscheidest. Um in dich hinein zu horchen, was du gerade wirklich brauchst und willst.
Mein Leben hat sich verändert durch die Depression, ich gehe nich einmal mehr in die Nähe meiner Grenze, weder privat noch beruflich. Dazu bin ich mir zu wichtig geworden.
Ich hoffe, es hilft dir ein wenig.
Liebe Grüße v. Pauline
Hagebutte
Beiträge: 198
Registriert: 11. Jun 2009, 15:44

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von Hagebutte »

@ Sinfonia (und alle, die es interessiert):

In ACT übe ich mich auch. Ich habe einen dicken Wälzer von Hayes durchgearbeitet. Auf Empfehlung eines Psychologen. Zwischenzeitlich dachte ich: 'Was fürn Quatsch'. ABER! Es ging mir zunehmend besser. Ich bin mit dem Buch 1-2 Jahre in Gange, immer wieder in die Ecke gepfeffert und wieder vorgeholt.

Jetzt, nachdem ich verstanden habe, was es mit den (Lebens-)Werten auf sich hat, fühle ich mich ruhiger.

Bin mir nicht sicher, ob ich das Buch benennen darf, tu es einfach mal:
"In Abstand zur inneren Wortmaschine: Ein Selbsthilfe- und Therapiebegleitbuch auf der Grundlage der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT)" von Hayes

Nachdem ich festgestellt habe, dass es eine ganze Reihe von "ACT-Büchern" gibt, fand ich beim Hineinstöbern das eine oder andere wesentlich verständlicher.
Darf ich fragen, ob und welches Exemplar Du hast?

Kurz zur Erläuterung: Es geht im Prinzip darum, den Schmerz (was alles Mögliche bedeuten kann, einschl. Depression) zuzulassen, aber in Abstand auf die Gedanken dabei zu schauen. Und das hat Sinfonia so schön erklärt. Der Verstand plappert fortlaufend vor sich her - und wir sollten ihm nicht alles glauben.

Lieben Gruß
Hagebutte
Lerana
Beiträge: 2088
Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von Lerana »

Hallo Sinfonia,

>>Die andere Idee ist die des "inneren Radios" in dem solche Dinge zwar immer laufen, dem ich aber- auch wenn ich es (noch) nicht abschlaten kann- nicht meine Aufmerksamkeit schenken muss, mich mit diesen Dingen also wiederum nicht dauernd beschäftigen und identifizieren muss...<<
Super Tipp! Vielen Dank!

Denke im Moment andauernd: Da plappert schon wieder dieser nervige Sender, den ich nicht umgestellt kriege. Ich mach dann mal leiser!

Echt hilfreich!!

Herzliche Grüße
Lerana
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
aquamarin
Beiträge: 262
Registriert: 2. Jul 2011, 19:14

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von aquamarin »

@ Sinfonia: "Bei mir ist es aufgrund von stark erhöhter Sensibilität (wie ich heute weiß) auch schon immer so gewesen,"

Diesen Zusammenhang scheint es bei mir tatsächlich auch zu geben. Sind wir mit der Grundvoraussetzung der hohen Sensibilität also anfälliger für Depressionen?
Es gibt im Moment so viele Dinge zu erkennen und in Zusammenhänge zu setzen für mich - in der Hoffnung, dass der noch anstehende Lebensteil eher so verläuft, wie es meinem Wesen und meinen Bedürfnissen entspricht...

@ Pauline: Du bist da wohl schon ein paar Schritte weiter als ich. Den Ratschlag, mir Bedenkzeit vor einer Entscheidung für eine Aktivität zu geben, habe ich just auch von meiner Therapeutin bekommen.
Wenn ich aber in mich hineinhorche, höre ich oft zweierlei:
1. Gönn dir Zeit für dich, gib dir die Möglichkeit, spontan über deine Zeit zu entscheiden...
ABER eben auch
2. Wenn du absagst, denken die anderen schlecht von dir. Die wollen nichts mehr mit dir zu tun haben. Niemand wird dich mehr fragen, ob du was gemeinsam machen willst...

Und schließlich kommt noch
3. Ruhe, Müßiggang - das ist doch nichts wert. Schau dich doch mal um, was alles noch zu tun ist - und du sitzt faul rum... (da spricht übrigens die Stimme meiner Mutter in mir )

Wie, bitte, soll ich bei diesen Stimmen eine gute, für mich richtige Entscheidung treffen? Und davon mal abgesehen, WILL ich nicht auf alles verzichten, was mir wichtig ist, nur, weil es mich zu sehr belasten könnte...

Muss ich erst noch einmal ganz unten landen, damit ich diese Lektion lerne? Oder gibt es einen Mittelweg, auf dem ich es schaffe zu gehen?

Und jetzt sorge ich für mich, indem ich schnell ins Bettchen hüpfe

aquamarin
katyfel
Beiträge: 1181
Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: Balance zwischen Alleinsein und "sich zupflastern"

Beitrag von katyfel »

Hallo Aquamarin,

wie der Zusammenhang wischen Hochsensibilität und Depression ist, da gibts glaub ich noch keine eindeutigen Ergebnisse, aber ich persönlich würde schon sagen, dass sich das zu einem bestimmten Teil gegenseitig bedingt; wenn man sehr sensibel ist, reagiert man auf innere und äußere Unstimmigkeiten vielleicht stärker und gleichzeitig wird fast jeder durch die Krankheit auch sensibler für sich und eben auch im Umgang mit anderen, so jedenfalls mein Eindruck...
Schwer zu sagen alles, aber vielleicht forscht ja mal jemand speziell darüber =)

@Lerana,
es freut mich, dass dir diese Art der Vorstellung hilft, ich arbeite auch immer weiter daran...

Liebe Grüße, Sinfonia
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