Wie schafft ihr das nur?

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Retep09
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Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Retep09 »

Hallo Leute

Wie schafft ihr das nur?

Jeden Tag kämpfen um ein bisschen Lebensqualität. Seid 8 Wochen Kämpfe ich nun jeden Tag.
An manchen Tagen heule ich nur, ohne Grund und keiner darf mich anspreche , sonst wird es noch schlimmer. An anderen Tagen Krieg ich wenigstens meinen Haushalt und das Abendessen hin. Wieder arbeiten zu gehen, daran ist gar nicht zu denken. Ich hab es versucht und hab mal gerade 3 Stunden ausgehalten. Hab mich voll zum Deppen gemacht mit meiner Heulerei.
Also... Was soll denn das bringen,
Kämpfen ums sich ein lächeln abzuringen,
Kämpfen um frühs aufzustehen,
Kämpfen kein schlechtes gewissen zu haben,
Kämpfen zu reden,
Kämpfen die Gedanke aus dem Kopf zu kriegen,
Kämpfen das man anderen nicht auf den Wecker fällt
usw.
Wenn alles so Sinnlos ist, was macht ihr dann um gewisse... Gedanken nicht zu denken.

Wer kann mir mit Rat helfen?
Zarra
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Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Zarra »

Hallo Sato,

ich glaube, in heftigen Zeiten ist es das erste, soweit als möglich zu akzeptieren, daß es gerade so und nicht anders ist und daß man es auch nicht mit Willenskraft ändern kann.

Mir hat es in solchen Zeiten meist geholfen, sehr nur im Hier und Jetzt zu bleiben, also nicht an morgen oder die nächste Woche und auch nicht z.B. an einen zurückliegenden Ärger zu denken, sondern: Was brauche ich jetzt? Was könnte ich jetzt tun, damit es mir zumindest nicht noch schlechter geht? (Schlafen, Musik hören, (endlich) was Rechtes essen, ausreichend trinken, einen Spaziergang machen, ...) Maximal: Was muß ich heute unbedingt hinkriegen (nicht: sollte hinkriegen! - eher so Sachen wie Essen kochen oder Müll raustragen, wenn der morgen früh abgeholt wird)?

Nicht immer, aber manchmal kam dann die Erfahrung, daß es zumindest (etwas) besser weiterging als befürchtet, nachdem ich "losgelassen" und nichts mehr erwartet und mich nicht mehr immens unter Druck gesetzt hatte.

LG, Zarra
FrauRossi
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-

Beitrag von FrauRossi »

Retep09
Beiträge: 24
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Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Retep09 »

Hallo Ihr lieben,

Danke für euren Rat.
Glaubt mir, ich bin ein Mensch der das nicht einfach so hinnehmen kann. Ich weiß das geht ganz vielen so, die damit zu kämpfen haben. Ich hab mir zig Bücher und entspannungs cd geholt. Lese im netz was es darüber gibt. Lese auch hier ganz intensiv und deshalb hab ich das Problem. Ich lese hier soviel, wie die Menschen sich aufzubauen versuchen und jeden Tag " wie ich auch" auf den Abend vertrauen, weil am Abend etwas besser wird oder man sich auch auf das erlösende schlafen freut.
Ich hab sogar ein richtig tolles Umfeld. Meine Familie und die meines Lebenspartner stehen alle hinter mir und helfen so gut sie können.
Warum empfinde ich es aber trotzdem als sinnlos und kann mich nicht freuen?
Warum empfinde ich die Sonne auf die die meisten Menschen sehnsüchtig warten, nur als störend?
Kein Mensch kann mich so weit motivieren, das ich hoch komm und ich selbst auch nicht.
Damit ich mich nicht noch mehr schämen muss, Versuch ich zumindest mich aufzuraffen um das wichtigste zu tun.
Wo sind positive gefühle wie liebe, Freude , Spaß und wollen? Wirklich etwas wollen?
Ich weiß es nicht mehr.
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Zarra »

Hallo Sato,

>Warum empfinde ich es aber trotzdem als sinnlos und kann mich nicht freuen? - Warum empfinde ich die Sonne auf die die meisten Menschen sehnsüchtig warten, nur als störend?
Genau das ist der Krankheit geschuldet.
Die Frage nach dem Warum bringt Dich vermutlich nicht weiter, - außer Dir hilft die Antwort: "Stoffwechselstörung im Gehirn". Sonst macht sie Dich eher nur noch mehr kirre, weil Du keinen Auslöser findest und womöglich die Schuld bei Dir suchst. Es gibt aber keine.

>ich bin ein Mensch der das nicht einfach so hinnehmen kann. [...] Ich hab mir zig Bücher und entspannungs cd geholt.
Hm. Ein paar Bücher und einige wenige Entspannungs-CD sind sicher nicht verkehrt ..., doch vor allem hinter dem ersten Satz und dem "zig" klingt mir zuviel "Brachialgewalt" an. Aller meiner Erfahrung nach kann man zwar die Trägheit hinsichtlich einer einzelnen und womöglich notwendigen Aktivität niederkämpfen, doch die Depression an sich kann man nicht mit Gewalt niederringen, ... eher mit Sanftheit besänftigen.

Wenn ich Deine Sätze lese, fällt mir vor allem mein anfänglicher Umgang mit meinen Schlafstörungen ein: Was habe ich nicht alles getan?!! Hier Tee, da Bad, dort Spaziergang ... - kurz: vor lauter Aktivitäten jedenfalls keineswegs Entspannung. Und es ging immer um das Fit-Sein am nächsten Morgen. Der Knoten löste sich erst, als mir jemand den Tip gab und ich dem folgen konnte, daß "der Schlaf (und die Schlafzeit) an sich ein Recht habe(n)" (war vermutlich anders formuliert damals, kriege ich aber im Rückblick nicht mehr hin).

LG, Zarra
Czarek
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Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Czarek »

:hello:
Zuletzt geändert von Czarek am 4. Feb 2017, 10:31, insgesamt 1-mal geändert.
"Liebe Dich selbst - dann können die andere Dich gern haben"
(Hirschhausen)
Herd04
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Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Herd04 »

Liebe Sato,

wie gern möchte ich dir einen richtig guten hilfreichen praktischen Rat geben, einen, den wir uns alle wünschen. Aber gäbe es den, wäre dieses Forum nicht nötig.

Ich kann dir nur von meiner Erfahrung berichten. Du wirst vermutlich denken, ja klar, alles schon gelesen...aber das hilft alles nicht...
Ich versuch es trotzdem. Im Moment geht es mir auch nicht besonders gut. Ich bin müde und antriebslos, kann mich auch nicht so recht über das schöne Wetter freuen, bin am liebsten mit mir allein, meide Kontakte, bin erschöpft und froh, wenn der Tag vorbei ist.
Aber ich frage nicht mehr, warum das jetzt so ist. Sicher arbeitet zurzeit mein Unterbewusstsein und es sind Sorgen da, die nicht grundlos sind. Aber ich bin eigentlich zuversichtlich und auch stolz auf meine Tochter, die sich von den sie betreffenden Sorgen nicht unterkriegen lässt.

Wichtig für mich ist es, dass ich diese Depriphase aushalten muss. Es stimmt,was Zarra sagt, das ständige Grübeln über das Warum, das Lesen unzähliger Bücher usw. bringt noch mehr Druck. Man findet so schlaue Antworten, Wege aus der Depression und ist umso enttäuschter, wenn man merkt, dass sie einem selbst nicht helfen. Und schon sucht man weiter....

Ich hoffe doch, du bist in psychiatrischer Behandlung, denn ohne gelingt der Kampf gegen die Depressionen nicht.

Ich habe das Ziel, die Depressionen für immer zu verlieren, aufgegeben. Das heißt aber nicht Resignation. Ich versuche, mit ihnen zu leben, zu akzeptieren, dass vieles nicht mehr geht.

Ja, es stimmt auch, es bringt nicht viel, zurück- und weit vorwärts zu gucken. Nimm dir kleine Schritte vor.

Du bist doch insgesamt schon viel weiter als andere Depressive, die sich scheuen einzugestehen, dass ssie depressiv sind, die Hilfe konsequent ablehnen, weil sie denken, sie brauchen keine.

Sato, hab Geduld!

Liebe Grüße, E.
Retep09
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Registriert: 13. Apr 2012, 22:22

Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Retep09 »

Danke an euch alle.

Ich nehm ja schon seid 8 Wochen antidepresiva. Die ersten von meiner Hausärztin haben nichts gebracht. Sorry kann mir einfach nie merken wie die sich nennen. Jetzt hab ich von der psychologin andere bekommen. Die nehm ich seid 8 Tagen. Ich hab das Gefühl die machen alles schlimmer.
Ich schon sehr viel über meine Situation nachgedacht und bin schon immer ein ungeduldiger Mensch gewesen. Ich will das so schnell wie möglich schon schaffen, weil ich ganz furchtbare Angst habe, dass meine Familie die Geduld mit mir verliert. Je mehr ich aber tu um so schlimmer wird es. Wer soetwas nicht kennt, kann es nicht verstehen und das macht mir große sorgen.
Ich sag meinen Eltern ständig ab, damit sie mich nicht so sehen. Meine Freund ist so ein ausgeglichener Mensch und versucht auch sein bestes, aber wie lange noch. Ich weiss einfach nicht weiter. Ich Versuchs ja, aber das ständige kämpfen macht mich kaput.
Lg
FrauRossi
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-

Beitrag von FrauRossi »

Zarra
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Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Zarra »

Hallo Sato,

>ich will das so schnell wie möglich schon schaffen
Meine Erfahrung ist (und ich glaube, die vieler anderer hier), daß diese Haltung in diesem Fall - so gut sie in vielen anderen Fällen sein mag!! - nicht zum erwünschten Ziel führt, sondern eher ein Schuß in die falsche Richtung sein kann.

>Je mehr ich aber tu um so schlimmer wird es.
Ja, genau.

Ich kann es nur in anderen Worten wiederholen:

KLEINE SCHRITTE. UND: Versuch zu akzeptieren, daß Du z.B. erst mal die kommenden zwei Wochen (... siehe kleine Schritte) krank bist und nichts (!) geht. Wenn Du Dir das Bein gebrochen oder eine Lungenentzündung hättest, wäre das auch so. - Ob Du Dich trotzdem mit Verwandten und Freunden triffst, ist eigentlich zweitrangig.

>Ich Versuchs ja, aber das ständige kämpfen macht mich kaput.
Wer hat gesagt, daß in diesem Fall (depressionskrank) und zu diesem Zeitpunkt kämpfen angesagt ist?!?

... eigentlich ist die Metapher etwas abgegriffen, aber mir fällt beim Lesen Deiner Zeilen dauernd der Ausspruch von C. G. Jung ein, daß man die schwarze Dame, wenn sie denn auftauche, nicht abweisen, sondern mit an den Tisch bitten solle, Originalzitat: "Die Depression ist gleich einer Dame in Schwarz. Tritt sie auf, so weise sie nicht weg, sondern bitte sie als Gast zu Tisch und höre, was sie zu sagen hat." - ... und selbst wenn es nichts "Tiefgründiges" gibt, so sagt sie sicher, daß Du momentan krank bist, nichts so beschleunigen kannst, wie Du das gerne möchtest, Geduld brauchst, ...

Antidepressiva: Wie Du sicher weißt, tritt die antidepressive Wirkung nicht sofort ein; und nicht jedes Mittel wirkt bei jedem gleich, nicht für jeden ist das gleiche geeignet. Neben lästigen Nebenwirkungen kann es auch solche geben, die einem anfangs auch etwas helfen. Wenn Du Zweifel hast, ist es allerdings am besten, das mit dem verschreibenden Arzt zu besprechen bzw. einem Psychiater, die können am ehesten einschätzen, ob durchhalten oder wechseln angesagter ist. (Ich lese gerade "Hausärztin" und "Psychologin" - ich nehme mal an, daß Deine Psychologin auch Ärztin ist, denn sonst dürfte sie kein Rezept ausstellen.)

LG, Zarra
Herd04
Beiträge: 1358
Registriert: 19. Jan 2012, 13:16

Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Herd04 »

Liebe Sato,

du schreibst
"Ich will das so schnell wie möglich schon schaffen, weil ich ganz furchtbare Angst habe, dass meine Familie die Geduld mit mir verliert. Je mehr ich aber tu um so schlimmer wird es. "

Du hast aber auch gesagt, dass deine Familie hinter dir steht. Das wird doch hoffentlich nicht nur in gesunden Zeiten so sein. Bevor du dich zermürbst, musst du versuchen, mit allen zu sprechen und ihnen sagen, dass es sehr, sehr lange dauern wird. Anders geht es nicht. Etwas in der Depression ganz schnell zu wollen und das noch dazu hauptsächlich wegen der anderen, macht wirklich alles noch viel schlimmer. Das hast du ja schon selbst erkannt.

Ich hatte anfangs auch immer Angst, meinen Mann, meine Kinder, meine Mutter und meine Schwester zu enttäuschen, habe mir eingeredet, ich müsste mich nur etwas weniger gehen lassen und mich mehr anstrengen, dann könnten sie mit mir wieder zufrieden sein. Das war ein Trugschluss. Aber jeder von meiner Familie hatte und hat Geduld mit mir und hilft mir oftmals auf sehr praktische Weise Z.B. kocht meine Mutter , wenn es mir nicht gut geht, meine Schwester geht mit mir raus...mein Mann und meine Töchter sind IMMER für mich da. Und das zu wissen, ist manchmal schon ein kleiner Schritt auf dem Weg der Besserung. Aber man muss die Familie, wenn man Unterstützung möchte, auch gnadenlos einweihen und sie nicht mit "ist alles gar nicht so schlimm" vertrösten.

Übrigens, liebe Sato, bin ich seit 9 Jahren krank. Aber in diesem Zeitraum gab und gibt es viele Etappen-mal kürzer, mal länger- , in denen es mir gut ging und geht. Und ich habe auch Vertrauen, dass ich aus meinem gegenwärtigen Tief rauskomme. 2003/04, in meiner schlimmsten Zeit, habe ich keinem geglaubt, der mir das prophezeit hat.

Aber ehrlich, es ist so, du kannst es glauben :ES WIRD BESSER. Hab viel Geduld !

LG, E.
Retep09
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Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Retep09 »

Hi KE

Du hast diese Depressionen seid 9 Jahren?
Ich kann das gar nicht glauben.
Hast du noch nie die Hoffnung verloren, wie es weitergeht?
Oh das ist ja Wahnsinn.
9 Jahre kämpfen. Haben dir die Ärzte auch gesagt, dass es vorbei geht und sie kriegen das in griff?
Das ist eine sehr lange Zeit. Wie überstehst du nur die unterschiedlichen Zeiten. Mal geht es und dann wartet man schon auf das nächste tief, oder seh ich das jetzt falsch.
Und ich jammere über 8 Wochen.
Das whites ich nicht schaffen.
Lg sato
Herd04
Beiträge: 1358
Registriert: 19. Jan 2012, 13:16

Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Herd04 »

Liebe Sato,

jetzt habe ich schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen, dass ich dir den Mut genommen habe. Aber du wirst in den verschiedensten Foren von noch längeren Zeiten lesen. Es hilft auch nicht, wenn man sich etwas vormacht.

Ich habe ja schon in einigen Beiträgen über meine Geschichte geschrieben, will sie hier nur kurz wiederholen. Ich war als Kind und Jugendliche schon sehr sensibel, hab mir eingebildet, durch meine Größe (1,81m), meine "angeborenen" Locken immer etwas im Abseits zu stehen. Ich dachte auch, mein Vater mag meine Schwester mehr als mich, was aber keinesfalls stimmte. Jedenfalls wollte ich immer perfekt sein, alles richtig machen...

Dann kam meine erste Ehe, die ich nur eingegangen bin, weil ich wie meine Freundinnen auch verheiratet sein wollte. Es war die Hölle. Nach 6 Jahren trennte ich mich von meinem gewalttätigen, jähzornigen Mann. 1990 lernte ich meinen jetzigen Mann, mein ganz großes Glück, kennen. Wir heirateten 1994 und er adoptierte meine Töchter.

In dieser ganzen Zeit hatte ich noch keine Depressionen.
Die spürte ich seit Ende der 90er Jahre so ganz für mich allein. Da ich glaubte, keiner würde mich verstehen, habe ich nicht darüber geredet. Das ging aber nur bis 2003. Eine berufsbegleitende Weiterbildung mit Prüfung, die Sorge um Ausbildungsplätze für meine Töchter waren dann wohl der Anlass für den "offenen" Ausbruch der Depressionen.Wie meine Familie reagierte bzw. reagiert, weißt du ja schon.

Es folgte besonders im ersten Jahr ein Auf und Ab, die meiste Zeit brachte ich in der Klinik bzw. der Tagesklinik zu. Schon damals versicherten mir die Ärzte usw., dass es besser würde. Anfänglich habe ich mich gegen solche Äußerungen gewehrt, dachte, die müssen das so sagen. Andererseits habe ich bei jedem kleinen Fortschritt euphorisch reagiert, dachte, alles ist gut.
Ich hatte das große Glück, bei meinem Klinikarzt noch über 2 Jahre eine Therapie zu
machen. Mir wurde nichts vorgegaukelt, was das Loswerden der Depressionen betrifft,aber der Arzt bestärkte mich immer mehr in meiner Zuversicht und erarbeitete mit mir Strategien.
Nach einem Jahr Rente konnte ich wieder arbeiten und mir ging es 4 Jahre richtig gut. Also muss ich die schon von den 9 Jahren abziehen. 9 Jahre sollte auch nicht heißen 9Jahre durchweg depressiv. Wie gesagt, die 4 jahre war ich nahezu beschwerdefrei. Das führte bei mir aber dazu, die Warnungen meines ambulanten Psychiaters,nicht bis an die Grenze meiner Leistungsfähigkeit zu gehen, zu ignorieren. Dazu kam eine ungeklärte gesundheitliche Problematik, die sich dann als Rheuma entpuppte. Das führte dazu, dass die Depressionen 2010 zurück kamen. Diesmal habe ich nicht lange gezögert, bin sofort in die Klinik gegangen, habe Hilfe gesucht und bekommen. Mir ging es bald wesentlich besser.
Leider musste ich einsehen, dass ich dem beruflichen Druck nicht mehr gewachsen bin. Ich bekomme jetzt wieder Rente. Das nimmt natürlich enorm den Druck, unbedingt gesund werden zu müssen. Ich warte auch nicht auf neue schlechte Phasen. Mir geht es jetzt oft so gut, dass ich vieles von dem, was mir Spaß macht, auch mache. Ich kann wieder lesen. ich gehe zweimal in der Woche zum Sport. Mein Mann und ich unternehmen viele kleine Ausflüge und wir haben auch einen schönen Wochenendurlaub gehabt -also alles in kleinen Schritten. Ich freue mich über meinen kleinen Enkel und kann mich auch um ihn kümmern.

Ich warte nicht mehr auf schlechte Tage. Wenn sie kommen, merke ich das, weiß aber, es geht wieder vorbei.

Ich hätte mir zu Beginn der Krankeheit positive Erfahrungsberichte gewünscht, habe damals aber nicht ians Internet gedacht.
Als ich Anfang des Jahres dieses Forum entdeckt habe, dachte ich, dass ich hier anderen, so wie auch dir, Mut machen kann mit meinen Erfahrungen.

Also vergiss einfach die 9 Jahre.
Herd04
Beiträge: 1358
Registriert: 19. Jan 2012, 13:16

Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Herd04 »

Hallo Sato,

aus Versehen habe ich den letzten Beitrag zu schnell abgeschickt.

Bitte resigniere nicht. Ich habe während meiner Klinik-und Rehaaufenthalte viele Leute kennen gelernt, denen es ähnlich wie mir ging und geht, die trotz Depressionen ein gutes Leben führen, natürlich mit Einschränkungen.

Aber ich bin jetzt froh, dass ich mein Leben sehr oft genießen kann. Das schaffst du auch, aber eben nur mit viel Geduld.

Ganz liebe Grüße , E.
Retep09
Beiträge: 24
Registriert: 13. Apr 2012, 22:22

Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Retep09 »

Liebe KE

Ich danke dir für die Hoffnung,
die du mir gegeben hast.

Ich habe in dem Buch, " das unverstanden leiden Depression " (ist ein richtig gutes Buch)
auch gelesen uber die kindheit und du schreibst es ja auch, dass sie eine wichtige Rolle spielt im leben. Eigentlich muss ich sagen wenn ich ehrlich bin, dass
ich die Veranlagung immer etwas traurig zu sein, schon
als Kind hatte.Ich war das zweite von drei Kindern. Mein vier Jahre älterer Bruder war schon immer kränklich. (Jetzt wissen wir warum). Meine sechs Jahre junger Schwester hatte eine gehirnwasserentnahme und war dadurch ein bisschen langsamer in allem was sie tat. Außerdem war sie das Nesthäkchen. Ich war gesund und hatte natürlich meine Geschwister zu unterstützen. Ich hatte immer gedacht, dass ich eine schöne Kindheit hatte, aber eigentlich bin ich nur mitgelaufen. Ich war ja gesund, da brauchten sie wenig
nach mir zu schauen.
Ich war Einzelgänger in der Schule, das gab sich erst in der Lehre. Viele Jahre ging es gut. Meine Tochter hat
Mir viel Freude gemacht. Mit meinem Mann gings dagegen immer mehr bergab.
Schlimm wurde es dann 2008.
Mein Bruder wurde krank. Erst sah es nach Schlaganfall
aus, doch dann stellte sich heraus, dass er einen ganz
seltenen gendefekt hatte. Ich übernahm die Betreuung und war jeden Tag bei ihm. Nur wusste kein Arzt wie es weiter geht, weil es keine Erfahrungen bei dieser
Krankheit gab. Wir haben ihn dann zu uns nach Hause in Pflege genommen. Mein Elternhaus gehörte meinem Mann und mir. Meine Eltern wohnten schon seid 50
Jahren drin. Da verlies mich mein Mann, weil er sich das Elend nicht antun wollte wie er meinte. Natürlich hab ich die Scheidung eingerreicht. Es war halt das itüpfelchen was gefehlt hat. Mein Bruder starb mit 47 Jahren. Gleichzeitig musste ich das Haus verkaufen. Wohnung fur meine Eltern suchen, Haus entrümpeln und und und. Dazu muss ich sagen, hab ich noch in vier Schichten gearbeitet und keinen Tag gefehlt.
Ich war doch eine starke Frau, oder? Und jetzt anderthalb Jahre danach, wo ich keine Probleme mehr hab und es mir richtig gut gehen könnte, geht es nicht mehr. Warum denn nur? Jetzt bin ich ein frack.
Sorry, ich glaub ich hab mir alles von der Seele geschrieben. Ich hoff, es wird dir nicht zuviel zum lesen.
Glg sato
FrauRossi
Beiträge: 3165
Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

-

Beitrag von FrauRossi »

Retep09
Beiträge: 24
Registriert: 13. Apr 2012, 22:22

Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Retep09 »

Hallo Frau Rossi

Du hast recht, ich Dreh mich im Kreis.
Ist wohl auch nur wieder meine Laune heute, weil alle sich über das schöne Wetter freuen und was Unternehmen wollten. Ich hab's nicht geschafft mitzuziehen.

Ich wünsch allen hier einen guten Abend.
Lg
momadome
Beiträge: 614
Registriert: 2. Aug 2009, 15:03

Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von momadome »

Hallo Sato,

"Und jetzt anderthalb Jahre danach, wo ich keine Probleme mehr hab und es mir richtig gut gehen könnte, geht es nicht mehr. Warum denn nur?"

Was hast du die meiste Zeit deines Lebens getan? Du hast funktioniert!! Als einzige gesunde Tochter in der Kindheit, als Mutter, als Ehefrau, als Schwester, die für ihren schwerkranken Bruder sorgt, wieder als Tochter, die für die Eltern sorgt, als Ernährerin für deine Familie usw. usw.......

Jetzt hast du äußerlich alle Probleme gelöst, aber wie sieht es mit deinem Innenleben aus? Darauf hast weder du noch deine Umgebung all die Jahre Rücksicht genommen!! Und in dem Moment, in dem du nicht mehr funktionieren mußt, meldet sich deine Seele und ruft durch die Depression um Hilfe.

Ja, du warst eine starke Frau. Und ich denke du bist und bleibst eine starke Frau. Doch wer sagt, daß starke Frauen immer stark sein müssen?
Du darfst schwach sein, das gehört zum Menschsein dazu wie atmen, schlafen, essen.

Deswegen muß sich keiner schämen. Doch das haben wir nicht so gelernt.

Du schreibst viel von kämpfen, das hast du dein ganzes Leben getan. Eine Depression kann man nicht bekämpfen, das erzeugt nur neuen Druck und verlängert oder verschlimmert die Depression.

Kämpfe nicht gegen die Depression sondern versuche durch sie zu lernen. Zu lernen, was du an deinem Leben ändern solltest, an deinen Gewohnheiten, an deinen Wahrnehmungen, damit es deiner seele wieder besser gehen kann.

Ich bin seit 2004 depressiv diagnostiziert, habe die Krankheit aber schon sehr viel länger. Auch ich bin eine starke Frau, eine Macherin, die alles geregelt bekommen hat.

Die Depression hat mich völlig auf mich selbst zurück geworfen. Ich habe gelernt viele Dinge anders zu sehen, mich anders zu sehen und nicht mehr alles geregelt zu bekommen. warum auch, ich habe schließlich Menschen die mir helfen können und wollen.

Ich könnte dir noch viel mehr schreiben, aber das wird zuviel.

Depression braucht Geduld. Sie ist über einen sehr langen Zeitraum im Verborgenen gewachsen und wird eine lange Zeit brauchen um wieder zu verschwinden. Doch eines ist sicher: sie verschwindet wieder....irgendwann!

Bist du in Psychotherapie? Medikamente allein können die Ursachen der Depri nicht bekämpfen, dazu ist eine Therapie nötig.

Auch wenn du es nicht gern hörst, hab Geduld!

jojoma
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Zarra »

Hallo Sato,

die allermeisten Depressionen haben irgendwie zusammenkommende verschiedene Ursachenbündel (und manches davon muß nicht direkt gestern passiert sein!); es gibt aber tatsächlich auch welche, die wirklich wie aus heiterem Himmel kommen. - Es geht ja aber auch mehr um den Weg raus, wenn die Depression mal da ist. Wenn es klar zu benennende und zu ändernde (!) Auslöser gibt, ist das sicher wichtig. Andere Dinge unterscheiden sich wohl nicht so sehr.

Was ich Dir noch mitgeben möchte, vor allem wenn das Dein allererster ernstzunehmender depressiver Zustand sein sollte (verstimmt ist jeder mal, schlechte und traurige Zeiten gibt es auch): Du hast erst mal gute Chancen (allerdings keine 85 - 100 %), daß es zwar trotzdem länger dauert und diese Erfahrung sich auch nicht löschen läßt, daß es aber bei dieser einmaligen, wenn auch längeren Erfahrung bleiben kann, es muß sich keine chronische Entwicklung daraus ergeben. (Daß dies bei einigen anderen und mir der Fall ist, hat sicher auch mit "Verschleppen" und nicht gerade rechtzeitiger und angemessener Behandlung zu tun.)

LG, Zarra
Herd04
Beiträge: 1358
Registriert: 19. Jan 2012, 13:16

Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Herd04 »

Liebe Sato,

nein, es war mir keinesfalls zu viel, deinen Beitrag zu lesen.
Alles, was die anderen geschrieben haben, kann ich nur bekräftigen und will es nicht wiederholen.

Gestern Abend haben mein Mann und ich uns mit 2 Freundinnen und deren Männern getroffen . Ich habe mich richtig gut und entspannt gefühlt, obwohl ich ja jetzt insgesamt in einer nicht so guten Phase bin.

Nun darfst du nicht verzweifeln, wenn so etwas bei dir jetzt nicht funktioniert.
Ich wollte dir nur sagen, dass auch für dich wieder ein relativ normales und vor allem auch glückliches Leben möglich sein wird.

Vielleicht kannst du dich heute ein klein wenig über etwas freuen.

Ich wünsche es dir.E.
Nico Niedermeier
Moderator
Beiträge: 2865
Registriert: 21. Mär 2003, 11:10

Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Nico Niedermeier »

Hallo von der Moderation,
ich finde es schon immer wichtig sich auch klar zu machen, dass 50% der Betroffenen nur eine oder zwei depressive Phasen im Leben haben werden...
Beste Grüße
N. Niedermeier
Herd04
Beiträge: 1358
Registriert: 19. Jan 2012, 13:16

Re: Wie schafft ihr das nur?

Beitrag von Herd04 »

"ich finde es schon immer wichtig sich auch klar zu machen, dass 50% der Betroffenen nur eine oder zwei depressive Phasen im Leben haben werden..."

Auch wenn ich leider nicht zu den 50% gehöre, freue ich mich über diese Aussage von Ihnen, lieber Dr. Niedermeyer.

Ich denke schon, dass diejenigen, die eben nur eine oder zwei depressive Phasen haben, sicher viel weniger als z.B ich den Austausch und auch Hilfe im Forum suchen. Also könnte schon der Eindruck entstehen, jeder Depressive muss sich ein Leben lang auf wiederkehrende Depressionen einstellen.

Danke, dass Sie auch die andere Seite aufgezeigt haben und damit denen, die neu erkrankt sind, viel Hoffnung geben.

Viele Grüße, E.
Antworten