Noch eine Neue.

Antworten
Wuseline
Beiträge: 7
Registriert: 21. Jan 2012, 11:34

Noch eine Neue.

Beitrag von Wuseline »

Hallo an alle,

ich bin neu hier im Forum.
Als ich in den Beiträgen herumstöberte war ich begeistert (im positiven Sinne natürlich).
Hier gibt es Menschen denen es ähnlich geht wie mir und mit denen man sich vollkommen unbefangen und frei über DIESES Problem austauschen kann.
Bisher hat man mal so bisschen im Familien- u. Freundeskreis geredet aber so richtig kann sich keiner hineinversetzen und irgendwann möchte man die Angehörigen und die Beziehungen nicht mehr damit belasten.
Sie können einen eh nicht verstehen oder gar helfen.
Aber wem erzähle ich das. Euch geht es sicher ähnlich.

Nun möchte ich mich kurz vorstellen damit Ihr wisst mit wem Ihr es zu tun habt:
Ich bin weiblich, verheiratet, ein erwachsenes Kind, berufstätig.
Seit 8 Jahren leide ich unter komplex-fokaler Epilepsie (keine Krampfanfälle).
Meine Anfälle äußern sich mit Bewußseinsstörungen oder Sprachaussetzern.

Der Anfallsherd liegt im Nachbarbereich der für Gefühle+Emutionen zuständig ist.
Das heißt wenn ich einen Anfall bekomme so bekommt dieser Bereich auch etwas ab und ich falle in eine depressive Phase und diese löst wieder Anfälle aus. Ein Kreislauf.

Mit den Anfällen komme ich klar nur nicht mit den Depri -Phasen.
Es ist ein so extremes auf und ab.
In den Guten geht es mir so gut dass mir die Depris einfach nur lächerlich vorkommen.
Im nächsten Moment reicht es schon dass sich jemand nur ganz leicht im Ton vergreift und ich bin wieder in diesem furchtbaren Loch wo mir alles so ausweglos erscheint, es mir die Luft abschnürt und mir der riesen Brocken auf den Herzen liegt und ich einfach nur noch diese große Angst vor dem Leben habe.

Vor dem Ausbruch meiner Epilepsie stand ich viele Jahre unter Dauerdruck, Stress , schwierige Lebenssituationen und Problemen…
Als es endlich ruhig in meinem bzw. unserem Leben wurde brach dann alles in mir zusammen.
Es wurde Epilepsie diagnostiziert, keine Erklärungen was das ist, nix.
Wurde 3 Jahre mit falschen Epi-Medis behandelt und mit Antidepris zu lang und zu stark vollgepumpt.
Alles wurde sehr viel schlimmer.
Ich habe mich vollkommen von allem zurückgezogen.
Hatte einfach gar keine Kraft mehr für nix.
Dabei hätte mich meine pubertierende Tochter so dringend gebraucht und auch mein Mann.
Bis ich mir selbst eine Spezialklinik für Epilepsie gesucht habe.
Dort wurde ich super aufgefangen, behandelt und werde auch weiter betreut.
Die haben mir praktisch das Leben gerettet.
Ich glaube wenn ich dort nicht sofort die Hilfe bekommen hätte würde ich heute nicht hier sitzen.

Diese extremen Stimmungsschwankungen sind jedoch geblieben und die Depriphasen sind sehr intensiv und werden wieder länger. Mein Antiepileptikum (Lamotrigin)soll auch Stimmungsstabilisierend wirken und wird ebenso in der Psychotherapie eingesetzt.
Seit meinem Zusammenbruch vor 8 Jahren hat sich mein Kraftpotential extrem nachgelassen.
Ich gerate sehr schnell an meine Grenzen und die Regenerationszeit dauert immer länger.

Wenn ich Sprüche wie „Alles was uns nicht umhaut macht uns stark.“ höre dann werde ich wütend, da es doch genau umgedreht ist.
Man hat ein „Kraftkonto“ und bei allem was man im Leben zu bewältigen hatte zahlt man.
Man muß eben sehr auf sich schauen um bewußt damit umzugehen.

Gibt es hier noch jemanden mit Epi?
Kommen manche von Euch auch ohne Antidepris aus ?

Oh, ist doch bissel viel geworden was ich hier so geplappert habe.

Gruß Wuseline
Babi
Beiträge: 1972
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: Noch eine Neue.

Beitrag von Babi »

Hallo Wuseline,

ich kann gut verstehen, wie es dir geht.
Ich bin Angehörige und Betroffene, hab Depression seit frühester Jugend.

Und ich habe einen Kumpel, der auch Epilepsie hat und das seit der Kindheit durch eine Impfung.
DAs ist nicht einfach, damit zu leben.
Ich gehe ab und zu mit ihm aus, wir haben eine gute Freundschaft, und es passiert immer wieder, daß er währenddessen Anfälle hat. Für ihn ist es sehr schwer, damit zu leben.
Er nimmt sehr starke Medikamente, so stark, daß er immer zwischendurch weggetreten und nicht mehr ansprechbar ist. Er hat da auch Sprachstörungen, gibt unkontrollierte Laute von sich. Und Bewußtseinsstörungen hat er auch, er weiß oft hinterher nicht, daß er gerade einen Anfall hatte.

Ich weiß nicht, wie starke Medis du nimmst, aber ich weiß, wie schlimm es ist, wenn man das hat.
Mein Kumpel hat nicht viele Freunde, weil viele nicht damit umgehen können, deswegen ist er auch oft frustriert.
Er kann auch nie wirklich feiern bis spät, muß spätestens zwischen Mitternacht und ein Uhr ins Bett und darf auch keinen Alkohol trinken. Aber er raucht, er sagt, er muß sich wenigstens etwas erlauben dürfen.
Er schlägt sich so durch, Antidepressiva nimmt er nicht.

Ich kann dich auch verstehen, daß dich solche Sprüche wie du aufgeführt hast, wütend machen, denn gerade du in deiner Situation brauchst besonders viel Kraft, wie mein Kumpel auch.

Und du hast doch eine Familie, die bei dir ist. Und selbst wenn deine Familie oder dein Umfeld manchmal verständnislos reagiert, so ist das einfach Hilflosigkeit. Sie haben dich sicher lieb, gib ihnen Zeit, jeder braucht unterscheidlich lange, bis er versteht.

Liebe Grüße Babi
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
wütend

Re: Noch eine Neue.

Beitrag von wütend »

Herzliche Willkommen Wuseline

Ich finde es nicht schlimm auf Medikamente angewiesen zu sein. Denn ich habe noch weitere chronische Krankheiten und werde mein Leben lang die Symptoime dieser Krankheiten mit Medikamenten unter Kontrolle halten. Die Medikamente sorgen dafür das es mir gut geht und ich normal leben kann. So wie bei der Mehrheit aller Menschen in diesem Land.



>>Kommen manche von Euch auch ohne Antidepris aus ?<<
Ich habe in der Zeit zwischen meinen letzten Episoden, 2 Jahre lang kein Antidepressivum eingenommen.
Vor einigen Wochen teilte mir meine Psychiater und auch mein Psychotherapeut mit, eine sehr schöne Entwicklung vollzogen zu haben. Und mein Psychiater hat mir freigestellt, wenn ich es möchte einen Ausschleichversuch im Frühling starten zu können. Darauf hin habe ich beschlossen, ab Mai zu versuchen wieder ohne AD auszukommen.




>>Im nächsten Moment reicht es schon dass sich jemand nur ganz leicht im Ton vergreift und ich bin wieder in diesem furchtbaren Loch wo mir alles so ausweglos erscheint, es mir die Luft abschnürt und mir der riesen Brocken auf den Herzen liegt und ich einfach nur noch diese große Angst vor dem Leben habe.<<
He Wuseline, hast Du das Thema schon mal in einer Psychotherapie bearbeitet?
Wenn man ohne AD leben will, ist es wichtig, das einen nicht jede Kleinigkeit umhaut.
Wuseline
Beiträge: 7
Registriert: 21. Jan 2012, 11:34

Re: Noch eine Neue.

Beitrag von Wuseline »

Hallo Babi, hallo Parson!

Lieben Dank für Eure netten Antworten.

Nächste Woche habe ich meinen allerersten Termin bei einer Therapeutin.
Von daher kann ich gar nicht so viel „konkretes“ hier sagen.
Weiß nicht einmal ob es eine richtige Depri ist (im Vergleich zu den vielen schlimmen Schicksalen hier im Forum).
Ich weiß nur dass es mir immer öfter richtig schlecht geht.
Aber wenn eine gute Phase da ist geht es mir super.
Doch wie schon erwähnt ist dieses ständige auf und ab so extrem dass es mich einfach nur erschöpft und es mir immer schwerer fällt mich wieder „aufzurappeln“.
Und ich werde immer labiler.
In den schlechten Zeiten tut es mir gut wenn ich nicht allein bin.
Das lenkt mich von mir selbst ab und ich verirre mich nicht in meiner Grübelei.

Ich finde es auch nicht schlimm wenn man auf Medis angewiesen ist.
Manche Krankheiten kann man eben nur so unter Kontrolle halten.
Aber ich bin halt durch diese drei Jahre mit der falschen Medikamentenbehandlung sehr ängstlich und vorsichtig geworden.
Wie jeder weis hat halt jedes Medi auch seine Nebenwirkungen, nur erkennt man diese leider oft nicht als solche.
Und so kann man ganz schnell in einen Medikamentenkreislauf hineingeraten, was ich bei meiner besten Freundin erlebt habe.

Aber ich mach mich jetzt nicht verrückt, sondern warte erst einmal ab was die Therapeutin sagt.

Parson, ich wünsche Dir viel Erfolg für bei den Absetzen Deiner AD.

Babi, mir geht es ähnlich wie Deinem Kumpel.
Mein Tag braucht auch eine feste Struktur sonst gerate ich mit meiner Epi leicht aus dem Gleichgewicht.
Ja und Alkohol geht wenn dann nur mal ein Gläschen Prosecco.

Euch alles Gute.
LG Wuseline
Antworten