VT und Sozialphobie

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ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

VT und Sozialphobie

Beitrag von ndskp01 »

Hallo Ihr Lieben,

vor mehrere Jahren war ich öfter hier, vielleicht erinnert sich ja noch jemand.

Seit über 20 Jahren lebe ich offenbar mit einer Depression und erst jetzt mache ich endlich eine professionelle Therapie. Hintergrund ist, dass ich nicht "nur" eine Depression habe, sondern, wie die erfahrene Psychiaterin sehr bald sah (zu der ich seit 3 Jahren gehe und die mich medikamentiert und sich viel Zeit für mich genommen hat), auch eine starke Sozialphobie. Es ist nicht so, dass ich vorher nicht nach Hilfe gesucht hätte, aber die Phobie macht es viel schwerer, die nötigen Schritte zu gehen.

Selbstverständlich hat der Hausarzt, der die Depression gesehen hat, mir zu einer Psychotherapie geraten, aber die Phobie steht im Weg. "Da denkt man sich alle möglichen Ausreden aus, nur um das jetzt nicht machen zu müssen". Im Kopf gehen Sätze um wie: "So krank bin ich doch gar nicht." "Ich nehme doch nur anderen die ohnehin schon knappen Plätze weg." Oder, wenn der Versuch einer telefonischen Kontaktaufnahme fehlgeschlagen ist: "Es gibt ja sowieso keinen Therapieplatz für mich." Telefonieren mit Fremden ist für Sozialphobiker manchmal sehr sehr schwierig. Immer diese Angst zu stören. Und wenn dann eben das erste Telefonat nicht erfolgreich ist (nur der AB rangeht oder niemand, auch kein Rückruf kommt), dann versucht man es nicht ein zweites mal.

Ein Teufelskreis.

Weitere Argumente, auch schon vor dem Gang zur Psychiaterin, waren: "Wenn der Chef erfährt, dass ich eine Therapie mache, verliere ich meine Arbeit." "Falls ich demnächst in eine private KV wechseln muss, und es steht eine Depression bei den Vorerkrankungen, dann wird es richtig teuer." "Wenn du eine Depression diagnostiziert bekommen hast, kannst du nicht mehr verbeamtet werden."

Manches davon stimmt ja auch, aber, das wollte ich mit euch teilen: Ich bin unendlich froh darüber, dass ich jetzt eine Verhaltenstherapie mache, meine Therapeutin wöchentlich sehe, ihr die Ängste, wenn sie gerade da sind, erzählen darf und sie mir zeitnah hilft. Es ist auch alles sehr vernünftig was da geredet wird. Es geht einfach nur eine Stunde in der Woche um mich, mein Leben, meine Hoffnungen und die konkrete Angst, die hinter der großen Unbekannte Ogottogottangst steht, die zum Ausweichen führt.

Ich wünsche euch, wenn es euch ähnlich geht, dass ihr schneller seid als ich Schnecke.

Es grüßt euch eure Puk
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: VT und Sozialphobie

Beitrag von kormoran »

liebe puk,

ich hab dich vermisst!

von diesen ängsten hast du nicht oder nur wenig hier geschrieben, oder? ich habe das nicht in erinnerung.

(so einiges davon klingt für mich sehr vertraut ... gerade das mit dem telefonieren. ist aber besser geworden.)

aber wie es auch sei, auch wenn du sie lange mit dir geschleppt und keine therapie gemacht hast: jetzt war der zeitpunkt auch für dich der richtige, und es klingt echt gut so. glückwunsch! und weiterhin alles gute mit der therapie.

ganz lieber gruß
kormoranin (auch immer weniger hier)
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: VT und Sozialphobie

Beitrag von ndskp01 »

Hallo Kormoranin,

ja, jetzt war der richtige Zeitpunkt. Als ich öfter hier war wusste ich nicht, dass die Angst im Kern des Problems stand. Das Ausweichen wird ja "rationalisiert", die Ausreden scheinen gute Gründe zu sein. Naja,
lieb dass du mich vermisst hast, dich konnte ich auch immer gut leiden und fühlte mich nah ...
Aber wünschen tue ich dir und mir natürlich auch, dass das Forum bald gar nicht mehr nötig ist für uns.

GLG Puk
ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: VT und Sozialphobie

Beitrag von ndskp01 »

Hallo nochmal,

irgendwie bin ich ein bisschen enttäuscht, dass niemand reagiert und ähnliche Erfahrungen schildert... Kennt ihr es alle nicht, gibt es sonst niemanden mit dieser Kombination von Diagnosen, oder schreibt ihr nur alle nicht, weil ihr euch nicht traut?


Puk
katyfel
Beiträge: 1181
Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: VT und Sozialphobie

Beitrag von katyfel »

Hallo PUK,

ich hab hier grad zum ersten Mal reingeguckt, und da sind mir mehrere Dinge aufgefallen...;

Ich habe zwar nicht die Diagnose Sozialphobie, aber kenne trotzdem viele Dinge, die du schilderst...
Vielleicht ist das dann was anderes in der Ausprägung,
aber so Gedanken wie "So krank bin ich doch gar nicht." "Ich nehme doch nur anderen die ohnehin schon knappen Plätze weg." kenne ich nur zu gut.
Telefonieren, vor allem mit Leuten, von denen ich was will, fällt mir riesig schwer und geht manchmal erst nach mehreren Anläufen, eben aus genau dieser Angst zu stören, jemandem was aufzubürden, was der gar nicht will,...
Auch die Ängste bezüglich einer eventuellen Verbeamtung (studiere Lehramt) tauchen bei mir schon seit der ersten Diagnose auf- und das, obwohl das noch mind. ein paar Jahre hin ist...

Und das alles trotz 2 Klinikaufenthalten und seit dem ersten auch einer ambulanten Therapie (seit fast einem Jahr)...
Da geht es ehrlich gesagt auch weniger um solche Dinge als um andere, die eben im Moment vielleicht mehr "stören" bzw. im Vordergrund stehen.

Ich wollte damit eigentlich nur sagen, dass ich diese Gedanken und Gefühle irgendwie nachvollziehen kann, auch mit "nur" einer schweren Depression als Diagnose...

Liebe Grüße, Sinfonia
So ist das Leben, sagte der Clown und malte sich ein Lächeln auf
Hank
Beiträge: 80
Registriert: 8. Feb 2011, 12:15

Re: VT und Sozialphobie

Beitrag von Hank »

Ich kann Euch nur beipflichten. Fremde anzurufen, ein Anliegen dann zu formulieren, sich ggf. beharrlich durchzufragen, und bei einer als feindlich/unfreundlich eingeschätzten Stimme ganz klein zu werden, das kenne ich nur all zu gut.

Ich bin immer bedacht was andere denken, wenn ich Nein sage, ein Treffen absage.

Die Begabung Wünsche, Bedürfnisse anderer Menschen zu antizipieren ist dann wirklich ein Nachteil, auch ihr macht bestimmt die Erfahrung, einiges voraus schon erkannt zu haben, bzw. sensibel Menschen "richtig" eingeschätzt zu haben.

Nicht immer geht es mir so, nach langer Zeit, das Gefühl von Sicherheit, und gewonnener Routine, führt dazu, dass ich selbstbestimmt bin, locker, im gewohnten wohlwollenden Umfeld schlagfertig und lustig.

Ich nehme Certralin und vorher Cipralex gegen Depressionen und diese wirken auch bei sozialer Phobie, allerdings merke ich nicht so viel davon, ich mache eine Verhaltenstherapie und die Erkenntnisse helfen mir, mein Verhalten zu überdenken.

Es geht sehr langsam vorwärts, man merkt es nicht da schwer zählbar/erfassbar. Es kommt zu Rückschlägen, und der Arbeitsalltag "behütet" einem vor neuen Kontakten und "Trainings" bzgl. Sozialphobie.

Was macht ihr, was hilft Euch?

Hank
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