Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Emmari
Beiträge: 44
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Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Emmari »

Hallo liebe Forianer,

wenn ich die Beiträge hier im Forum so lese, sind viele mit den chemischen AD nicht so ganz zufrieden. Die Nebenwirkungen scheinen das Leben bei einigen massiv zu beeinträchtigen.

Ich frage mich da wirklich, ob es immer gleich chemische AD sein müssen?

Mein Arzt hab mir zu Beginn (22.11.2011) meiner mittelschweren Depression zwei Sachen vorgeschlagen.

1. EFT, Akupunktur, Laif900 und Omega3
oder
2. chemisches AD

Er hat nach ca. 3 Wochen (als es mir ziemlich schecht ging den Tag) nochmals gefragt, ob er mir ein chemisches AD verschreiben soll. Ich habe das verneint und bin heute sehr froh darüber.

Ich habe zur Zeit zwar noch keinen ständigen Zugang zu meinen Gefühlen, hoffe aber, bei Beginn der Psychotherapie und der beantragten Reha, dass sie dann wiederkommen. Nebenwirkungen habe ich gar keine.

Ich möchte mit diesem Beitrag niemanden angreifen aber vielleicht hilft er dem einen oder anderen bei der Wahl der Therapie.

Wenn sich jemand findet, der ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht hat, würde ich mich über einen regen Austausch sehr freuen.

Kommentare, dass Akupunktur nicht wirkt, habe ich bereits über einen anderen Beitrag bekommen.

Liebe Grüße
Emma
Andreas01

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Andreas01 »

@Emma44,
>>>Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?<<<

diese Frage stellt man sich m.E. viel zu selten und übersieht dabei manch andere Möglichkeit mit der Depri umzugehen.

>>>Kommentare, dass Akupunktur nicht wirkt, habe ich bereits über einen anderen Beitrag bekommen.<<<

Ob Akkupunktur hilft oder nicht kann ich nicht sagen, denke aber dass sie von Fall zu Fall durchaus helfen könnte.

Gruß
Andreas
Erdgespenst
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Registriert: 2. Mai 2011, 16:52

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Erdgespenst »

Meine Ansicht ist: Bei leichten Depressionen nein. Sobald aber die Krankheit Folgeschäden nach sich zieht: Ja, unbedingt!

Depressionen werden auch von vielen Patienten unterschätzt. Was die Auswirkungen auf die Lebensqualität, die Leistungsfähigkeit, die Belastungen auf das Umfeld und die Lebensgefährdung des Patienten angeht, sind selbst mittelschwere Depressionen mit einer schweren organischen Krankheit vergleichbar. Natürlich kann man Depressionen auch ohne Medikamente behandeln, ist ja die letzten Jahrhunderte über gemacht worden. Man kann auch eine Lungenentzündung nur mit Wadenwickeln und Kamillentee behandeln, wurde auch über Jahrhunderte über gemacht, bei einem Teil der Patienten hat das ja auch funktioniert.

Depressionen haben die üble Nebenwirkung, dass sie nicht nur zum Suizid führen können, sondern in der Regel auch andere Erkrankungen - seelischer wie organischer Natur - nach sich ziehen. Sowohl beim Patienten selbst, als auch bei seinem engeren sozialen Umfeld. Lebensgefahr geht nicht nur vom stark unterschätzten Thema "Suizid" aus, sondern auch vom stark erhöhten Risiko einer Suchterkrankung oder auch durch die reduzierte Konzentrationsfähigkeit im Alltag.

Demnach geht es gar nicht darum, die Depression unbedingt mit einer vermeintlichen "Glückspille" (die man in Antidepressiva sowieso nicht findet!) wegzublasen, sondern es geht erstmal darum, die weitere Verschlimmerung der Krankheit zu stoppen. Und darum, dass die Krankheit nicht das soziale Umfeld und den Alltag des Patienten vollkommen zerschlägt.

Bei chemischen Antidepressiva zögern die meisten Patienten die Einnahme hinaus, da sie Angst vor den Nebenwirkungen haben. Das ist meines Erachtens der falsche Weg, da die Medikamente erstens erst nach einigen Wochen wirken und zum Zweiten auch nicht auf Anhieb das richtige Medikament gefunden wird. AD unterscheiden sich nicht nur in Nebenwirkungen und Stärke, sondern auch im Wirkungsprinzip. Nicht jedes Medikament schlägt bei jedem Patienten an. Insofern ist es völlig falsch zu sagen "Ich nehme Medikamente erst, wenn es nicht mehr anders geht." Fakt ist: Wenn es nicht mehr anders geht, muss das richtige Medikament schon bekannt sein!

Zum anderen beissen sich "sanfte Methoden" wie die Psychotherapie gar nicht mit der Medikation und manche "Naturheilmittel" sind in den Nebenwirkungen heftiger als die verträglichsten Pharmaprodukte. Insofern kann man ruhig auf die Psychotherapie setzen und nebenher Psychopharmaka nehmen. Was konkret dann zur Heilung geführt hat, wird der Patient vielleicht nie erfahren, aber die Chancen überhaupt geheilt zu werden, sind durch diese Kombination erheblich größer.

Ich selber kann sagen, dass Medikamente die Krankheit zwar nicht wegblasen, aber die Krankheit kann gewaltig reduziert werden. Zum anderen wirken chemische AD wesentlich schneller als die Psychotherapie. Damit verkürzt Du den Zeitraum, in denen die Krankheit einen Folgeschaden anrichten kann.

Meine eigene Geschichte ist die, dass mir die Ärztin in der Tagesklinik das Absetzen aller AD empfohlen hat, da diese bei mir sowieso nicht wirken würden (ich hatte zwei Wirkungsprinzipien ausprobiert) und ich keine Depression, sondern eine Persönlichkeitsstörung hätte. Diese sei medikamentös ohnehin nicht behandelbar.

Meine ambulante Ärztin hielt diese Diagnose für sachlich vollkommen falsch und verschrieb mir ein Medikament aus einer anderen Wirkstofffamilie. Dieses dritte AD schlug nach 2 Wochen an, meine Krankheitssysmptome sind drastisch gelindert, ich kann wieder meinen Alltag in Angriff nehmen, durch die bessere Konzentration und Selbstkontrolle ist der Alltag auch weniger gefährlich und störende Nebenwirkungen hat dieses Medikament für mich gar keine! Keine schwächelnde Libido, kein nächtliches Schwitzen, nichts!

Meiner Ansicht nach, werden chemische AD nicht zu häufig, sondern zu selten und zu spät eingesetzt. Ausserdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass nicht nur Patienten, sondern auch Fachärzte viel zu schnell die Suche nach dem richtigen Medikament aufgeben. Die Risiken der Krankheit (und ihrer Folgeschäden) überwiegen bei Weitem die Risiken der verträglichsten Antidepressiva. Und wenn jemand wirklich so krank ist, dass es schon ernsthafte Auswirkungen auf das Berufs- oder Privatleben hat, dann sollte er in jedem Fall die Ressentiments gegen chemische AD über Bord werfen! Dann hat nämlich eine schnelle Heilung Vorrang, damit die Krankheit nicht noch mehr zerstört. Sanfte Methoden kann man dann immernoch nebenher laufen lassen. Man muss sich ja nicht zwischen Psychotherapie und Medikamenten entscheiden, man kann auch beides sehr gut zusammen wirken lassen.
Salvatore
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Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Salvatore »

Guten Morgen Emma,

die erstgenannten Kombination, die dein Arzt vorgeschlagen hat, ist schon sinnvoll. Johanniskraut in hoher Dosierung kann bei leichten bis mittelschweren Depressionen eine gute Wirkung haben - aber genau wie bei "chemischen" AD kann niemand vorher genau sagen, wem es hilft und wem nicht, da ist dein persönlicher Eindruck gefragt.

Vielleicht könntest du für die ganz schlechten Tage mit deinem Arzt über Bedarfsmedikation sprechen, d.h. du nimmst nur dann zusätzlich etwas wenn du dich wirklich mies fühlst.

Dass du beim Lesen hier im Forum den Eindruck bekommen musst, dass AD üblicherweise schreckliche Nebenwirkungen haben verwundert mich nicht.
Leider ist es fast nie so, dass der erste Versuch gelingt. In der Regel muss man verschiedene Präparate "ausprobieren", bis man "seins" gefunden hat.
Es gibt heute viele Antidepressiva, die nebenwirkungsarm sind. Die Nebenwirkungen, die auftreten, verschwinden vielfach nach wenigen Tagen wieder - leider tritt die eigentliche Wirkung aber erst nach 2-4 Wochen ein, daher braucht es ganz viel Geduld.
Bleiben die Nebenwirkungen oder stellt sich keine Verbesserung ein, versucht man es mit einem anderen Präparat.

Das ist nervig und niemand wünscht sich das.
Wenn aber der Leidensdruck zu groß wird und die Einschränkungen im Alltag bedenkliche Züge annehmen, sollte man sich auch nicht scheuen, diesen steinigen Weg zu gehen. In den allermeisten Fällen nimmt man die Medikamente ja nicht "für immer" ein.
Wenn du mit Laif + Akupressur/Akupunktur aber gut klarkommst, dann bleib dabei!

Lg, Salvatore
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Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
rosecottage
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Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von rosecottage »

Hallo Emma,

Ich habe in 30 Jahren, die ich mit der Depression lebe, noch nie ein chemisches Antidepressivum genommen, obwohl ich sehr schwere Phasen hatte, die zu Beginn mehrere Jahre andauerten.

Es war meine persönliche Entscheidung und ich habe viel Kritik von anderen Betroffenen einstecken müssen - deshalb rede ich eigentlich nicht gerne darüber.
Besagte Betroffene klagten im selben Atemzug über Nebenwirkungen und Wirkungslosigkeit... ständig "mussten" sie an der Dosierung "drehen" oder das Medikament wechseln... oder eine neue Komnination "ausprobieren"...

Mir gefällt es, dass du das Thema ansprichst.

Mir geht es heute sehr gut - fast keine Tiefs mehr, und wenn dann nur sehr Kurze (oft nicht einmal ganze Tage).

Für mich gehört eine medikamentöse Therapie nicht zwangsläufig zu einer erfolgreichen Therapie. Ich habe es nie bereut den medikamentösen Weg nie gegangen zu sein und würde mich immer wieder so entscheiden.

Liebe Grüße
mosaic
Emmari
Beiträge: 44
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Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Emmari »

@Andreas

diese Frage stellt man sich m.E. viel zu selten und übersieht dabei manch andere Möglichkeit mit der Depri umzugehen.

Danke, das sehe ich auch so.


@Erdgespenst

Meiner Ansicht nach, werden chemische AD nicht zu häufig, sondern zu selten und zu spät eingesetzt.

Deine Ansicht kann ich nicht teilen. Eine Psychotherapie mit Johanniskraut ist (zur Zeit) für MICH allemal besser, als chemische AD und Psychotherapie. Ich bin auch sehr dankbar, dass das Johanniskraut und die Akupunktur eine gute Wirkung bei mir erzielen, auch wenn meine Gefühle sich zur Zeit noch im "Vakuum" befinden.

@Salvatore

Vielleicht könntest du für die ganz schlechten Tage mit deinem Arzt über Bedarfsmedikation sprechen, d.h. du nimmst nur dann zusätzlich etwas wenn du dich wirklich mies fühlst.

Ja, das ist eine gute Idee. Einmal war es ja auch schon fast soweit. Bei Johanniskraut kann man allerdings nicht jedes AD nehmen, weil es dann zu Wechselwirkungen kommen kann.

@mosaic

Du sprichst mir aus der Seele. Wenn du magst, können wir uns auch per Mail austauschen. met@vollbio.de


An "Alle" vielen Dank für eure Antworten.

Liebe Grüße
Emma
Andreas01

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Andreas01 »

@mosaic

>>>Es war meine persönliche Entscheidung und ich habe viel Kritik von anderen Betroffenen einstecken müssen - deshalb rede ich eigentlich nicht gerne darüber. Besagte Betroffene klagten im selben Atemzug über Nebenwirkungen und Wirkungslosigkeit... ständig "mussten" sie an der Dosierung "drehen" oder das Medikament wechseln... oder eine neue Komnination "ausprobieren"...<<<

Es war vor über 4 Jahren auch meine persönliche und über alle !!! Köpfe hinweg getroffene "Entscheidung" mich von der Chemie zu trennen.
Erlebe und höre seitdem von Betroffenen exakt dasselbe wie Du es beschreibst.

>>>Ich habe es nie bereut den medikamentösen Weg nie gegangen zu sein und würde mich immer wieder so entscheiden<<<

Ich beneide Dich darum ! leider.

Gruß
Andreas
rosecottage
Beiträge: 378
Registriert: 22. Dez 2011, 18:58

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von rosecottage »

@Andreas
Ich denke es gibt viele Wege mit der Depression umzugehen und jeder muss seinen eigenen finden und der sollte dann akzeptiert werden - ist leider nicht immer so.

Ich wünsche dir alles Gute!

@Emma
Du hast Post

Viele Grüße von mosaic
Caroline1
Beiträge: 831
Registriert: 19. Mär 2003, 16:48

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Caroline1 »

hallo emma,

ja klar soll jeder patient selbst entscheiden, wieviel chemie oder sonstwas er schlucken möchte. allerdings ist es ein trugschluss, zu glauben, johanniskraut sei keine "chemie".

johanniskraut wirkt wohl durch seine inhaltsstoffe (in erster linie zb hypericin), welche genau so in den hirnstoffwechsel eingreifen wie synthetische antidepressiva. und johanniskraut kann auch nebenwirkungen hervorrufen, genau wie synthetisch hergestellte medikamente.

auch pflanzliche arzneimittel sind arzneimittel mit potentiellen vor- und nachteilen. die ansicht, pflanzlich ("natürlich") ist besser als synthetisch ("chemie") ist ein weit verbreiteter irrtum, weil manchmal trugschluss. das gilt übrigens auch für eine ganze reihe weiterer pflanzlicher arzneimittel jenseits der depressionsbehandlung.

ich freue mich für dich, wenn dir johanniskraut gut hilft. für mich war und ist es nicht das passende medikament.

alles gute,

caroline
Erdgespenst
Beiträge: 99
Registriert: 2. Mai 2011, 16:52

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Erdgespenst »

@ Emma

[quote] Eine Psychotherapie mit Johanniskraut ist (zur Zeit) für MICH allemal besser, als chemische AD und Psychotherapie.[/quote]

Das freut mich, wenn Johanniskraut bei Dir ohne spürbare Nebenwirkungen anschlägt. Allerdings entfaltet Johanniskraut bei schwereren Depressionen meist keine zufriedenstellende Wirkung. Des Weiteren kommt es auch sehr auf die persönliche Lage des Patienten an, ob überhaupt die Zeit für ein langsamer wirkendes Heilverfahren bleibt.

In meiner Gegend haben die Psychotherapeuten locker 3-5 Monate Wartezeit und nicht immer ist der erste Psychotherapeut der Richtige. Ausserdem verschlimmert es die Krankheit, wenn sie das Berufsleben, die Beziehung etc. komplett zum Einsturz bringt. Ich persönlich bin ausserdem in Depri-Phasen oft äußert unkonzentriert (sogenannte Pseudo-Demenz), was einerseits im Strassenverkehr selbst als Fußgänger eine ernsthafte Gefährdung mit sich bringt, die selbständige Meisterung des Alltags komplett verhindert und mir vor Jahren einmal fast ein strafrechtliches Verfahren eingebracht hat, da mir wohl kaum ein Richter geglaubt hätte, dass ich einen bestimmten, äußerst brisanten Gegenstand tatsächlich vergessen habe. Glücklicherweise wies mich ein Freund im letzten Moment darauf hin, dass sich der Gegenstand noch beimir befindet und ich habe bloß ein schockiertes Kopfschütteln geerntet. Und ich rede hier von etwas wirklich Brisantem, bei dem die Behörden keinen Spaß mehr verstehen. Kein Richter hätte mir unter den damaligen Umständen das "Vergessen des Gegenstandes" geglaubt, wenn mich mein Freund nicht wirklich in letzter Minute darauf hingewiesen hätte.

Mir liegt meine Mutter in den Ohren, dass ich Antidepressiva absetzen solle, mein Psychiaterin in der Tagesklinik hat mir eingeredet, dass Antidepressiva bei mir nicht wirken würden und ich die Krankheit ohnehin nur vorspielen würde, sämtliche Heilpraktiker haben mir nur was von der inneren Einstellung erzählt, bei der keine Medikamente was bringen würden. Lediglich meine ambulante Psychiaterin blieb am Ball und probierte das dritte Wirkungsprinzip aus (einen reversiblen MAO-Hemmer). Seit den Tagen vor Neujahr gehören Pseudo-Demenz, Sekundenschlaf, Hypersomnie und Suizidalität der Vergangenheit an. Die Angststörungen (an deren Existenz die Klinik-Psychiaterin ebenfalls gezweifelt hat) sind zurückgegangen, aber noch immer ein ernstes Problem, die Libido ist so, wie sie nahtlos in meine Persönlichkeit passt und so, wie ich mir die optimale Sexualität in einer konventionellen Beziehung vorstelle.

Johanniskraut habe ich auch ausprobiert, aber bei mir hat es einfach nicht gewirkt. Ebenso wie die häufig verschriebenen SSRI bei mir relativ schwach anschlagen.

Meine Mutter leidet ebenfalls an mittelschweren Depressionen und lehnt radikal jede Medikation ab. Stattdessen versucht sie dann immer, ihre Launen an mir auszulassen und mich von den Medikamenten wegzumissionieren. Von daher bin ich vielleicht durch das subjektive Erleben ein wenig radikal gegen diesen Natur-Trip eingestellt.

Jedenfalls habe ich nicht die Erfahrung gemacht, dass die Ärzte einem Medikamente aufzwängen würden. Im Gegenteil: Die Suche nach einem wirkungsvollen Medikament wurde bei mir persönlich viel zu schnell aufgegeben - trotz sehr ernsthafter Beeinträchtigung und Gefährdung durch die Krankheit.

Klar, manche Menschen kriegen die Krankheit alleine durch Sport und Psychotherapie hin. Aber einerseits bleibt nicht immer die Zeit dafür, die Wirkung (oder gar den Beginn) einer Psychotherapie sinnvoll abzuwarten, Medikamente wirken einfach schneller. Zum anderen können Medikamente dafür sorgen, dass eine Psychotherapie überhaupt wirken kann. Wenn z.B. jemand aufgrund einer Angststörung keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen kann, wegen Pseudo-Demenz und Hypersomnie alle Termine verpennt oder einen so extremen Antriebsmangel hat, dass an Sport gar nicht zu denken ist (und nein, es ist der falsche Weg, jemanden dann zum Sport zu zwingen), dann ist es geradezu kriminell, jemanden von den Pharma-Produkten wegzumissionieren.

Wenn man es sich leisten kann, erstmal die eher langwierigen sanften Methoden auszuprobieren (nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch was das Schadenspotential der Krankheit angeht), dann kann man das ausprobieren. Aber die Verteufelung der Psychopharmaka treibt selbst unter Fachärzten kriminelle Stilblüten. Dass mir mitten in einem depressiven Tief meine Klinikärztin gesagt hat, ich sei psychiatrisch nicht behandelbar, weil ich nur alles vorspielen würde, Medikamente könnten bei mir auch keine Wirkung entfalten (sie hat dann auch der ambulanten Ärztin das Absetzen aller AD empfohlen) hat mich persönlich tief verletzt und vielleicht auch ein wenig vorbelastet. Ich will diese Verletzung nicht an anderen auslassen. Aber ich will auch nicht, dass andere den gleichen Fehler machen und sich von ahnungslosen Quacksalbern (die sich auch in den psychiatrischen Kliniken rumtreiben) den Weg zu einer wirksamen Medizin verbauen lassen.
Mimikri
Beiträge: 55
Registriert: 11. Okt 2009, 16:09

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Mimikri »

Hallo zusammen,

auch ich habe vor ein paar Jahren erst den naturheilkundlichen Weg eingeschlagen, Bachblütentherapie und DystoLoges haben mich begleitet.
Ich hatte regelrecht Angst vor AD´s, weil ich wie viele Andere, eine falsche Vorstellung von deren Wirkung und Nebenwirkungen hatte.

Ich habe bald gemerkt, dass die Naturheilkunde an ihre Grenzen gestossen ist und bin dann den schulmedizinischen Weg gegangen.

Auch ich hatte, am Anfang der Behandlung, Nebenwirkungen, kann aber für mich sagen, dass meine damalige Angst vor AD´s total unbegründet war und ich heute dankbar bin, dass ich diesen Weg eingeschlagen habe.

Das bisschen schwitzen nehme ich, im vergleich zu der Depressionsschwere vor 2 Jahren, gerne ich Kauf!

Jeder hat auch ein anderes Empfinden der Symptomschwere, man kann das nicht pauschalisieren.

Man kann auch niemandem etwas vorschlagen in der Behandlung, hier sollte jeder für sich seinen eigenen Weg gehen.

Liebe Grüße
Mimikri
Erdgespenst
Beiträge: 99
Registriert: 2. Mai 2011, 16:52

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Erdgespenst »

Wenn man sich die Nebenwirkungen der Patienten hier im Forum durchliest, dann sollte man auch daran denken, dass in diesem Forum vor allem Leute schreiben, die noch immer an Depressionen leiden und speziell im Pharma-Bereich schreiben überdurchschnittlich viele Patienten, die entweder noch nicht das richtige Medikament haben oder unter besonders starken Nebenwirkungen leiden.

Das ist in Ordnung, dass diese Menschen hier im Forum schreiben, denn speziell dafür ist es ja auch da und diese Patienten haben ernsthafte Probleme. Wenn man sich fragt, ob diese Berichte hier aber repräsentativ sind, dann sollte man im Hinterkopf behalten, dass die meisten Patienten für die durch die Medikation eine Genesung eingetreten ist, sich nicht mehr weiter um die Krankheit kümmern und daher nicht in diesem Forum schreiben.

Insofern ist es gut, wenn die Patienten ihre Erfahrungsberichte schreiben und vielleicht zusammen mit anderen Patienten Lösungswege finden. Aber man sollte nicht glauben, jeder Patient würde extreme Probleme bekommen, wenn er die bösen Antidepressiva nimmt. Manche Medikamente sind besser verträglich, andere machen mehr Probleme und selbst wenn ein Medikament von 99% der Menschen sehr gut vertragen wird, bleibt 1% übrig, das ein Problem hat, das möglicherweise durch die Hölle führt. Diesen Weg aber von vornherein zu verneinen und ausschliesslich auf Diäten, Sport etc. zu bauen, sowie mit einer schweren Krankheit einfach weiterzuleben, weil Medikamente (die man noch gar nicht durchprobiert hat) angeblich nichts bringen würden, ist der falsche Weg.

Die meisten pharmezeutischen Produkte haben höchstens reversible Nebenwirkungen. Das heisst, wenn die Nebenwirkungen bleiben und man entschliesst sich, dass man sie nicht tolerieren kann, lässt sich das Medikament immernoch absetzen und die Nebenwirkungen verschwinden wieder. Es gibt Ausnahmen von dieser Regel, die man beachten sollte und es gibt Medikamente (und auch jede Menge "sanfte Methoden"), die die Suizidgefahr speziell in der Anfangsphase steigen lassen.

In meinem Bekanntenkreis weiss ich von einem jungen Mann Ende 20, der unter einer schweren Depression litt, diese aber nur mit einer Diät und Sport bekämpfen wollte. Tatsächlich wirkte diese Methode, allerdings vorwiegend auf den Antriebsmangel und er führte in Folge dieser "sanften Therapie" einen Suizidversuch durch, für den ihm zuvor die Kraft fehlte. Leider das Einzige, was ihm in diesem Zeitraum gelungen ist. Seine Familie setzte ihm den Floh ins Ohr, dass eine psychiatrische Behandlung überflüssig sei, weil man durch natürliche Behandlung das Gleiche erreichen könne und sowieso alles nur eine Frage des Willens sei.

Insofern ist es ein fataler Weg, die Medikamente und auch die psychiatrische Behandlung grundsätzlich abzulehnen. Auch wenn bei manchen Medikamenten tatsächlich die Wirkung bei einem bestimmten Patienten ausbleibt, die Nebenwirkungen manchmal den Heilungseffekt überwiegen und selbst manche Kliniken contra-produktiv wirken, weil die dortige Oberärztin eigentlich zu den Patientin gehören sollte und de facto erstmal einen Suizidversuch als Beweis einer Krankheit fordert.

Solche Sachen gibt es - leider. Diese Probleme hat man aber auch, wenn man "sanfte Methoden" anwendet. Auch manche Heilpraktiker haben nicht mehr alle Tassen im Schrank und auch pflanzliche Heilmittel richten oft mehr Schaden als Nutzen an bzw. der Nutzen bleibt aus. Macht man gar nichts, ist man der Krankheit ausgeliefert und nur einem völlig ungebildeten Umfeld ausgeliefert, das gewöhnlich meint "mit Druck klappt alles". Insofern: Haltet Euch an jedem Stohhalm fest und wenn Euch ein Arzt sagt "nicht behandelbar, Sie haben nur eine Persönlichkeitsstörung" oder "gegen Impotenz infolge des Medikaments kann man nichts tun", dann sucht euch einen anderen, dem vielleicht etwas einfällt. Manche Ärzte geben die Suche nach dem richtigen Medikament noch schneller auf, als der depressive Patient, dem sowieso alles hoffnungslos erscheint.

Das größte Übel geht aber von der Verteufelung der "chemischen" Medikamente aus. Die so sehr verteufelte Schulmedizin redet keinem Patienten aus, bei Depressionen Sport zu treiben, sich künstlerisch zu betätigen oder eine Psychotherapie anzufangen. Es gibt aber jede Menge Heilpraktiker, Küchenpsychologen, ja sogar Beratungsstellen, Fachärzte und Psychotherapeuten, die gegen Medikamente, deren Wirksamkeit belegt wurde undifferenziert Sturm laufen, als wäre es der Beelzebub persönlich. Lasst Euch von denen nicht verrückt machen. Wer heilt hat Recht.
rosecottage
Beiträge: 378
Registriert: 22. Dez 2011, 18:58

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von rosecottage »

Hallo Erdgespenst,

Du scheibst:
"Insofern ist es ein fataler Weg, die Medikamente und auch die psychiatrische Behandlung grundsätzlich abzulehnen."

Ich habe für mich persönlich beides abgelehnt. Mir hat das nicht geschadet - ganz im Gegenteil.

Ich würde niemals sagen, dass die medikamentöse Therapie für alle anderen auch der falsche Weg ist - und ich lehne die medikamentöse Therapie NICHT hauptsächlich wegen der möglichen Nebenwirkungen ab - ich habe ganz andere Gründe...

Aber es stört mich dann doch, wenn mir jemand erzählt, was grundsätzlich richtig oder falsch ist.

Bei einer so komplexen Erkrankung wie der Depression mit so individuellen Ursachen, Auslösern und Verläufen gibt es meiner Ansicht nach kein GRUNDSÄTZLICH RICHTIG oder GRUNDSÄTZLICH FALSCH.

Es gibt aber jede Menge Möglichkeiten für eine KLIENTENZENTRIERTE Therapie.

Wie ich schon oben schrieb: jeder muss seinen eigenen Weg finden und das sollte dann auch so akzeptiert werden. Eigene Erfahrungen hin oder her...

mosaic
Erdgespenst
Beiträge: 99
Registriert: 2. Mai 2011, 16:52

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Erdgespenst »

OK. Deiner Ansicht kann ich voll und ganz zustimmen. Dich wollte ich eigentlich auch nicht wirklich treffen, mein Groll gilt anderen Leuten.

Entschuldigung, wenn ich Sachen an Dich gerichtet habe, die eigentlich anderen Leuten (ausserhalb dieses Forums) gelten sollten.
rosecottage
Beiträge: 378
Registriert: 22. Dez 2011, 18:58

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von rosecottage »

Nein, Erdgespenst... du musst dich nicht entschuldigen!
Ich habe genauso meinen Anteil daran, dass ich Dinge auf mich beziehe, weil ich außerhalb des Forums blöde Erfahungen mit dem Thema gemacht habe - naja, und während so einer Diskussion landet es dann hier. Das ist okay, finde ich

mosaic
Andreas01

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Andreas01 »

>>>Die meisten pharmezeutischen Produkte haben höchstens reversible Nebenwirkungen<<<

jedem seine Meinung ok ! aber ich würde mit dieser Ausage vorsichtiger umgehen.

>>>Das größte Übel geht aber von der Verteufelung der "chemischen" Medikamente aus.<<<

Wenn Betroffene von ihrer "Erfahrung" mit der Chemie, die leider nicht immer gut ist, berichten, ist das wohl noch keine Verteufelung.

Hier passt das Zitat von mosaic: >>>Aber es stört mich dann doch, wenn mir jemand erzählt, was grundsätzlich richtig oder falsch ist.<<<

Andreas
MoritzK
Beiträge: 43
Registriert: 20. Nov 2005, 16:26

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von MoritzK »

Hallo,

ich sehe den Unterschied gar nicht. Ich selbst hatte mit Johanniskraut sehr starke Nebenwirkungen, die fast dazu geführt hätten, dass ich keine anderen ADs mehr ausprobiert hätte. Dagegen hab ich das zweite "chemische" AD fast nebenwirkungsfrei vertragen.

Heroin ist auch pflanzlich - trotzdem ist es nicht harmloser als "chemische" Drogen. Es kommt doch nicht darauf an wie der Wirkstoff entstanden ist, sondern wie die Wirkung ist.

lg Moritz
Andreas01

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Andreas01 »

@Moritz K,
>>>Heroin ist auch pflanzlich<<<

wirklich ?

Heroin (griech. Kunstwort vergleiche Heros – „der Held“) chemisch Diacetylmorphin oder Diamorphin (DAM), ist ein ""halbsynthetisches"", stark analgetisches Opioid mit einem sehr hohen Abhängigkeitspotential.

http://de.wikipedia.org/wiki/Heroin

meines Wissens ist "reines" Heroin ohnehin nicht im Umlauf, sondern x mal mit x Dingen gestrecktes.

Gruß
Andreas
Emmari
Beiträge: 44
Registriert: 28. Nov 2011, 14:13

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Emmari »

Hi Moritz,

welche Nebenwirkungen hattest du bei der Einnahme von Johanniskraut? Bei alleiniger Einnahme von Johanniskraut sind in meiner Packungsbeilage nur sehr wenige Nebenwirkungen beschrieben, wie das mit der Sonnenempfindlichkeit.

Hast du vielleicht zusammen mit dem Johanniskraut auch noch andere Medikamente genommen?

Bin dankbar über alle Erfahrungen mit dem JHK.

Danke.

Liebe Grüße
Emma
Emmari
Beiträge: 44
Registriert: 28. Nov 2011, 14:13

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Emmari »

Hi Andreas,

danke für deine Aufklärung bzgl. des Heronis.

Gut, dass ich damit noch nie Erfahrungen gesammelt habe.

Liebe Grüße
Emma
katyfel
Beiträge: 1181
Registriert: 21. Aug 2011, 18:08

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von katyfel »

Hallo Emma, hey ihr alle,

ich selber habe kein Johanniskraut genommen, kenne allerdings Leute die mit leichteren Depressionen/ Burnout mit dem Medikament ganz gut gefahren sind.

Hier nur ganz kurz was zu Wirkungen/ NW:
http://www.phytodoc.de/heilpflanze/joha ... nanzeigen/

http://www.stern.de/gesundheit/gesundhe ... 77695.html

Was ich aber eigentlich noch mal bekräftigen wollte:

Johanniskraut in bestimmten Dosen gilt in medizinischen Kreisen eben auch als Medikament. In niederigeren Dosierungen, die es rezeptfrei gibt, entfaltet es eben auch nicht die Wirkung die man bei tatsächlicher Behandlung einer Krankheit (im Gegensatz zur bloßen Verstimmung)braucht.

Damit unterscheidet es sich weder im Wirkbereich im Hirn, noch in Klassifikation als Medikament von den hier als "chemisch" bezeichneten anderen Medikamenten (SSRI, SNRI, tryziklische ADs etc).

Zu eben dieser Bezeichnung "chemische AD" gab es in einem anderen Thread mal eine schöne Bemerkung, ich hab leider vergessen, wo und von wem, möchte sie hier aber mal sinngemäß wiedergeben;
"Chemie" ist letztendlich alles- genau wie Pflanzen und damit auch pflanzliche Präparate aus Molekülen (=chem. Verbindungen) bestehen, so tun es auch die künstlich hergestellten Stoffe und eben auch wir Menschen selber...

Und nur, damit das nicht falsch verstanden wird;
Ich bin nicht prinzipiell gegen den Einsatz pflanzlicher Mittel (habe ich oben denk ich ja auch schon klargemacht).

Ich finde allerdings, dass es eine Schwelle gibt, wo die Selbstfürsorge gebieten sollte, zu einem beliebigen hochwirksamen Mittel zu greifen, dass den Körper und den Geist aus der krankhaften Situation herausholen kann.
Das in vielen Fällen nicht 1 (pflanzliches/künstliches) Medikament, nur Therapie, nur Akupunktur,... sein, sondern eben eine Kombination, die individuell ist und sich sicherlich auch verändern kann.

Liebe Grüße, Sinfonia
So ist das Leben, sagte der Clown und malte sich ein Lächeln auf
MoritzK
Beiträge: 43
Registriert: 20. Nov 2005, 16:26

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von MoritzK »

Hallo,

das Heroin sollte nur als Beispiel dienen. Heroin wird natürlich noch bearbeitet, nachem das Opium aus dem Schlafmohn gewonnen wurde. Und Opium ist zwar rein pflanzlich - aber niemand würde behaupten, dass es deswegen irgendwie ungefährlicher wäre. Dagegen wird Methadon (auch ein Opiat) komplett synthetisch gewonnen - trotzdem ist das eine nicht ungefährlicher als das andere. Es kommt einfach nicht darauf an, auf welche Weise etwas hergestellt wird.

Letztendlich wirkt auch Johanniskraut nur chemisch - man kann es also genauso einsetzen wie jedes andere AD auch. Ob und wie es wirkt kann man ohnehin nur ausprobieren. Und wenn jemand mit dem Label "pflanzlich" weniger Medikamentenangst hat, ist das für mich völlig ok.

Bei mir hat Johhaniskraut zu extremer innerer Unruhe geführt. Es war dann irgendwann so schlimm, dass ich nachts nicht mehr schlafen konnte und tagsüber mit zitternden Händen rumgelaufen bin. Ich kenne aber auch Leute, denen hat es sehr geholfen und die hatten keine Nebenwirkungen. Es lohnt also auf jeden Fall es auszuprobieren, wenn man ein AD nehmen muss. Man muss nur wissen, dass Johanniskraut auch nur ein AD ist und auch ein entsprechendes Nebenwirkungsprofil haben KANN. Ich hatte damit leider Pech - dafür hatte ich mit synthetischem AD Glück. Es ist einfach bei jedem anders.

lg moritz
wütend

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von wütend »

Bei mir hat das verordnete Johanneskraut eine anhaltende arteriele Hypertonie ausgelöst und zu massiven Sonnenbränden der Haut ohne Sonnenbad geführt, und damit meine Hautkrebsrisiko dauerhaft deutlich erhöht.

Zudem verstärkte es meine innere Unruhe und erhöhte und verstärkte meine Angstsymptome.
Emmari
Beiträge: 44
Registriert: 28. Nov 2011, 14:13

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von Emmari »

@Parson

Deine Nebenwirkungen finde ich erstaunlich, da sie so teilweise gar nicht angegeben wurden.

Hast du vielleicht auch noch andere Medikamente während der Einnahme von JHK genommen und es kam zu Wechselwirkungen?

Welche Medikamente nimmst du zur Zeit?

Liebe Grüße
Emma
triste
Beiträge: 1061
Registriert: 22. Jun 2003, 16:38

Re: Müssen es denn immer gleich chemische AD sein?

Beitrag von triste »

Hallo!

Ich möchte in dieser Diskussion auf einen Umstand hinweisen, den ich für sehr relevant halte: Unbehandelte Depressionen können chronisch werden.
Ich sage bewusst: "können", denn es gibt auch immer wieder Patienten, die eine depressive Episode durchleben und diese heilt von selbst aus.

Es gibt jedoch Studien, die zeigen, dass mit jedem Rückfall, also jeder neu auftretenden, depressiven Episode das Risiko steigt, dass die Depression chronifiziert.

Ich selbst bin dafür das beste Beispiel: Meine erstmalig auftretende depressive Episode wurde nicht, bzw. nicht adäquat behandelt, ich wurde lediglich au geschrieben und erlitt in dieser Zeit eine weitere Derpression, die sich manifestierte.
Die Folge war: zweieinhalb Jahre Arbeitsunfähigkeit, innerhalb derer ein schwieriger, leidvoller Weg der Selbstfindung, des Verstehens und der Entwicklung eigener Kompetenzen im Bereich Depressionsbehandlung stattfinden musste.
Ich stand kurz vor der Frühberentung und der Selbstaufgabe und mich haben 2 Faktoren davor bewahrt, mein selbständiges Leben aufzugeben:
1. Ein endlich wirksames AD (nach 7 Versuchen)
2. Meine Therapeutin, die mich ermutigte, in kleinen Schritten wieder im Arbeitsleben Fuß zu fassen und mich NICHT berenten zu lassen.
(Diese Therapeutin war im übrigen auch die bereits 3./ 3. Therapieform, die ich ausprobierte).

Aus heutiger Sicht wäre mir der Verlust von Lebenszeit sowie das große Leid, das mit der Depression einherging, erspart geblieben oder verkürzt worden, wenn ich gleich zu Anfang der Diagnose eine richtige Behandlung erfahren hätte.
Damit meine ich: ein wirksames (und von den NW tolerables)Antidepressivum sowie eine Psychotherapie, die mich erreicht.

Dies soll kein Plädoyer FÜR Antidepressiva sein, da ich es für möglich halte, dass es Leute gibt, denen auch pflanzliche Stimmungsaufheller helfen. Jedes Individuum braucht eine individuell passende Behandlung.

ABER: ich halte es für falsch, zu lange mit pflanzlichen Mitteln zu experimentieren, da die Erkrankung in dieser Zeit chronifizieren kann.
Denn die Gründe, warum viele Betroffene Antidepressiva ablehnen, sind zumeist Angst (nicht zuletzt irrational) vor den Substanzen, Vorurteile gegenüber Psychopharmaka und - sicher nicht zu unterschätzen- die oft unangenehmen Nebenwirkungen dieser Medikamente.

Was leider oft nicht gesehen wird: Man kann ein AD finden (manchmal dauert es), dessen NW auszuhalten sind und das antidepressiv wirkt.
Und ich kann nur jedem hier attestieren:
Es lohnt sich. Es lohnt sich, wieder zu leben. Es lohnt sich, wieder zu arbeiten und ein autonomes Leben führen zu können.
Ich nehme nun seit 2003 AD und das allein ermöglicht mir, dass mein Leben weiter geht, dass ich mich entwickle, dass ich mich immer besser kennen lerne.

Leider gibt es kein allgemein gültiges Rezept gegen Depressionen , leider muss jeder für sich herausfinden, was ihm hilft, was manchmal längere Zeit braucht und das Leiden verlängert und leider gibt es nur wenige, gute Ärzte.
Aber selbst herumzudoktern und aufgrund von Ängsten vor Psychopharmaka die Erkrankung nicht richtig zu behandeln, halte ich für fahrlässig, zumindest bei mittelgradigen bis schweren Depressionen.

Letztlich ist es eine Abwägung, was schwerer wiegt: Nebenwirkungen (die meistens nach 14 Tagen abklingen) und Ängste vor den Substanzen - oder ein Leben mit dieser Erkrankung, das (in meinen Augen) kein Leben ist.

Insofern ist mein Beitrag zur Diskussion "synthetische vs. pflanzliche Medikamente" folgender:

1. ausprobieren, und zwar alles - bis es einem besser geht.
2. dranbleiben, bis man etwas gefunden hat, das hilft. Zur Not auch gegen den Widerstand der Behandler.
3. Kein Behandlungskonzept verwerfen aufgrund von Ängsten oder Vorurteilen.

Meiner Meinung nach kann sich ein Depressiver keine Vorbehalte gegen Medikamente leisten, dazu ist diese Erkrankung zu leidvoll. Wer es dennoch tut, darf sich nicht beschweren, wenn die Depression nicht weichen will.

Viel Erfolg allen!
Virginia
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