Funktionier-Modus

Vaf-2Gal
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Funktionier-Modus

Beitrag von Vaf-2Gal »

Hsllo zusammen,

ich habe in einem anderen Thread den Ausdruck "Funktionier-Modus" gefunden.
Das entspricht in etwa dem, wie es mir geht. Nach außen hin funktioniere ich, solange keine besondere Belastung/Stress/Konflikt auftaucht. Ich kann "völlig normal" Smalltalk mit Nachbarn führen, usw.
Aber dahinter gibt es ein trauriges, erschöpftes "Ich", die Müdigkeit, die Antriebsschwäche.
Ich war beim Arzt, nehme Citalopram und Trimipramin seit 3 Wochen (außer besserem Schlaf bisher keine positive Wirkung) und kann Ende Januar eine Psychotherapie beginnen.

Aber weil ich nach außen hin so gut funktioniere, frage ich mich immer wieder, ob ich überhaupt krank bin. Ich kann doch, wenn ich will - fehlt es mir nur an Willenskraft?

Wie erlebt ihr das?

LG
Lächeln
FrauRossi
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-

Beitrag von FrauRossi »

jonesy
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von jonesy »

Hallo lächeln,
auch der " Funktioniermodus" fällt irgend wann aus, wenn man ihn überstrapaziert.
Gib den Dingen Zeit, dir Zeit.
Medikamente wirken meist erst voll, wenn du sie 4-6 Wochen nimmst.
Es ist gut, dass du Ende Januar mit der Therapie beginnen kannst und dann kommt sicher auch ein bisschen Bewegung in die Sache.
Das du mit dem Willen vieles beeinflussen kannst, ist klar. Nur wie lange noch?
Diese Erschöpfung und Traurigkeit erst einmal so an zu nehmen und Rücksicht auf sich selbst zu nehmen ist wichtig für dich.
Gib dir reichlich Ruhephasen, wenn du sie brauchst und nimm dich und dein Befinden ernst.
Ich für mich habe gelernt, Geduld und Annahme dessen, was jetzt gerade ist, hilft mir am meisten.
Dir ja vielleicht auch?
LG v. Pauline
katyfel
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von katyfel »

Hallo Lächeln,

bei mir ist genau dieses Funktionieren, die Maske und Fassade, mit das letzte, was überhaupt noch geht...
soll heißen; auch, wenn es mir richtig schlecht geht (und vielleicht vor allem dann) schaltet sich das quasi automatisch ein und wenn ich nicht bewusst jemanden an mich ran lasse, würde ich mal behaupten, dass die Menschen um mich rum auch nur das sehen.

Ich würde es fast schon als einen möglichen Teil der Krankheit beschreiben; bei mir tun sich da so Einstellungen wie: anderen nicht zur Last fallen, perfekt sein müssen, es gar nicht verdient haben, dass sich jemand kümmert,... irgendwie zusammen und resultieren dann darin- so erkläre ich es mir zumindest.

Das hat dann, wie die anderen auch schon sagten, nichts mit "nur mal eben zusammenreißen" etc. zu tun, sondern ich begreife das als Schutzmechanismus. Häufig, so im Alltag, ist der sinnvoll, in Situationen, wo es Menschen (Therapeuten, Freunde, Arzt,...) wirklich interessiert, wie es mir geht, ist er eher schädlich.
Aber man kann auch lernen, damit umzugehen, ... hoffe ich zumindest!

Liebe Grüße,
Sinfonia
So ist das Leben, sagte der Clown und malte sich ein Lächeln auf
Vaf-2Gal
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Vaf-2Gal »

Wenn ich einzelne Sätze aus eiren Antworten herauspicke:
achte auf dich selbst, nimm Rücksicht auf dich selbst,
Schutzmechanismus, das letzte, das noch funktioniert ....
dann denke ich, ihr habt vollkommen recht, aber ich erlaube mir das nicht, solange der Funktionier-Modus noch da ist. Andererseits ist es ja blöd. zu warten, bis es einem noch schlechter geht, bevor man die entsprechenden Maßnahmen ergreift, gell?

Ich würde mir wünschen:
- einen aureichenden Zeitraum, um gesund werden zu können
- so blöd das klingt: ich wäre gerne in einer Klinik, einem Schutzraum ....
- einen anderen Arbeitsplatz, der nicht so hohe Anforderungen stellt (hab eine leitende Funktion im Sozialbereich)

Und statt dessen werde ich mich nächste Woche wieder zur Arbeit schleppen (nach knapp 4 Wochen Krankschreibung und Urlaub), ohne mich der Arbeit wirklich gewachsen zu fühlen.

LG
Lächeln
Zarra
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Zarra »

Hallo Lächeln,

auch zu Deinem Eingangsposting: Stell Dir die Frage doch einmal anders: Besteht erfülltes, wirklich gelebtes Leben nur (!) aus "Funktionieren"?! - Sicher nicht. "Funktionieren" gehört auch dazu (ich habe z.B. niemanden, der allein die Alltagsdinge für mich erledigen würde, wenn ich das nicht mehr auf die Reihe kriege), ist aber eben und vor allem dauerhafter nicht alles. (Für kürzere Zeit kennt das wohl jeder. Wenn es hingegen droht, zum "Lebensstil" zu werden ...) "Funktionieren" ist an sich ja nichts Schlechtes, es sollte nur dauerhafter halt etwas darüber hinaus geben.

Ich finde es übrigens gut, daß Du Deine Wünsche benennen kannst und sie auch geschrieben hast (letztes Posting). Damit kommst Du dem, daß Du sie Dir auch zugestehst, nämlich näher. Und blöd klingt daran für mich überhaupt nichts (genannt bei Punkt 2), weil ich das nur sehr gut nachvollziehen kann. Außerdem: Wünsche sind das eine. Was man davon versucht (!), in Realität umzusetzen, das andere; da spielen ja noch ein paar mehr Faktoren eine Rolle, reale und solche, die nur in einem selbst existieren.

Alles Gute!

Zarra
^^
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von ^^ »

Hallo Lächeln,

ich kenne diesen Modus auch recht gut, Hauptsache keiner merkt, wie schlecht es einem wirklich geht, keinen an sich ran lassen.

Bei mir ging es irgendwann nicht mehr. Die Kraftreserven waren leer. Man kann lange auf Sparmodus laufen, der Körper hält einiges aus, aber irgendwann ist das vorbei. Ich hatte dann auch stark den Wunsch in eine Klinik zu gehen. Habe dann mit der Psychaterin darüber geredet. Sie hat mich dabei unterstützt. Zuerst dachte ich, ich bin doch garnicht so krank - ich schaff das schon irgendwie. Ich wurde aufgenommen. In der Klinik selbst ging es mir schon besser, weil es etwas gedauert hat bis ich dort hingehen konnte. Und allein die Tatsache, dass ich dort war, gab mir ein Gefühl der Zufriedenheit. Als ich manchen davon erzählt habe, dass ich in eine Klinik gehe, waren sie etwas überrascht - ist ja kein Wunder gewesen, hab nicht viel von der Traurigkeit gezeigt. Es fällt mir immer noch schwer authentisch zu sein. Ich möchte die Menschen nicht verlieren, die zu meinem Leben gehören. Aber es lohnt sich wirklich andere Menschen am eigenen Leben teilnehmen zu lassen. Diese gute Erfahrung durfte ich machen als ich angefangen habe mehr über mich und meine Krankheit zu erzählen. Es lohnt sich. Versuche es... . Du kannst eigentlich nichts verlieren.

LG Grünpflanze
Rosenkranz
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Rosenkranz »

Halle Lächeln

dieser Modus funktioniert bei mir auch sehr gut nach außen, aber hinter der Fassade sieht es ganz anders aus. Es kostet natürlich sehr viel Kraft und dann streikt dieser Modus in Form von körperlichen Beschwerden bis zum Zusammenbruch. Meine Ärztin hat vor kurzen zu mir gesagt, wenn man so lange psysisch krank ist, sagt der Körper irgendwann ich kann nicht mehr.

lg Rosalie
Vaf-2Gal
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Vaf-2Gal »

Jetzt habt ihr mich sehr überrascht. Ich dachte eher, es kommen "ermutigende" Kommentare nach dem Motto: solange du noch funktionierst, bsit du gar nicht sooo krank".

Besonders Grünpflanze. Ich dachte ja schon, ich bin völlig abgedreht mit meinem Wunsch, mich in einer Klinik in Ruhe meiner Genesung widmen zu können.

Allerdings findde ich es schwierig, die Grenze zu finden:
Wann ist es besser zu kämpfen, Eigenverantwortung zu übernehmen, wenigstens das zu tun, was möglich ist.
Und wann ist es besser, rechtzeitig, die Notbremse zu ziehen, bevor man ganz auf dem Boden ist.

LG
Lächeln
Emmari
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Emmari »

Hi Lächeln,

du schreibst mir aus der Seele. Mir geht es genauso, bin seit 6 Wochen mit der Depressionen krank zuhause.

Habe leider gerade nicht viel Zeit, bekomme gleich Besuch von 2 lieben Freundinnen. Wenn du magst, können wir uns dann nächstes Jahr mal ausfühlicher austauschen.

Allen bis dahin einen "guten" Rutsch.

Liebe Grüße
Emma44
Vaf-2Gal
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Vaf-2Gal »

@Emma,

viel Spass mit den Freundinnen!

LG
Lächeln
Rosenkranz
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Rosenkranz »

Ich glaub das ist eine Gratwanderung, das was meine Ärzte möchten und das was mein Arbeitgeber möchte sind zwei ganz verschiedene Dinge, von dem was ich selber will ganz zu schweigen. Bisher habe ich immer versucht die Verantwortung selber zu tragen, bis auf wenige Ausnahmen, habe es nie mit dem Krankschreiben ausgenutzt, um nicht zu sagen, bin immer viel zu früh wieder auf Arbeit und erst zum Arzt als es nicht mehr ging. Lasse es mir nicht anmerken auf Arbeit und schleppe mich oft zu lange durch, jammern wie die anderen kann ich nicht auf Arbeit, deshalb stößt es auch auf unverständnis, wenn ich dann krankgeschrieben bin. Da ich dieses Jahr fast 4einhalb Monate gefehlt habe, kann ich mir fast kein krank mehr erlauben, es sollte geprüft werden ob ich überhaupt noch tauglich für meine Arbeit bin, konnte ich grade noch abwehren, was das heißt brauch ich wohl nicht weiter erläutern. Manchmal frage ich aber wozu ich noch kämpfe, momentan lebe ich nur noch für die Arbeit, sonst läuft fast nichts mehr und da frage mich ob es das wert ist.

lg Rosalie
Zarra
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Zarra »

Hallo Lächeln,

>Allerdings findde ich es schwierig, die Grenze zu finden: - Wann ist es besser zu kämpfen, Eigenverantwortung zu übernehmen, wenigstens das zu tun, was möglich ist. - Und wann ist es besser, rechtzeitig, die Notbremse zu ziehen, bevor man ganz auf dem Boden ist.
Ja, es IST SCHWER!! Und ich glaube fast, es ist die Krankheit selbst, die es noch schwieriger macht.

Tun, was möglich ist, finde ich nicht falsch, immer gut. - In einem allerdings etwas anderen Zusammenhang sagte ein Therapeut mal, daß man auch ETWAS tun könne, wenn/obwohl man krank sei. Und das stimmt. Und das wirkt der absoluten Lethargie und Resignation entgegen. "Etwas tun" heißt ja nicht die Berge stemmen oder oder.

Das andere ist so etwas wie angemessene (!) "Selbstfürsorge". ... und darin sind wohl die wenigsten Depressiven Meister. ... doch wir brauchen ja auch noch Aufgaben für das neue Jahr, oder?!

... und "selbstfürsorglich" verlasse ich jetzt auch das Medium Internet und Notebook.
Ein gutes 2012 uns allen!

Zarra
Vaf-2Gal
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Vaf-2Gal »

Hallo miteinander,
zunächst möchte ich euch allen ein gutes neues Jahr wünschen - wir können es ja alle brauchen, dass das Jahr wirklich ein gutes für uns wird.

Ich hatte heute morgen ein gutes Gespräch mit meinem Mann. Ich war sehr überrascht, dass seine Einschätzung der Situation meiner eigenen sehr ähnlich war. Er vermutet auch, dass ich meinen Job in nächster Zeit nicht packe, dass ein stationärer Aufenthalt (egal ob Klinik oder Reha) sinnvoll wäre.

Als nächstes brauche ich also einen Termin bei meinem Hausarzt, eine Überweisung zu einem Psychiater, damit ich die Überweisung zur Psychotherapeutin bekomme. Und dann auf einen Termin beim Psychiater warten. Die Psychotherapeutin meinte, ich kann die Überweisung zu ihr vom Psychiater erhalten, auch wenn ich auf den eigentlichen Termin bei ihm noch warten muss.

Meinem Arbeitsversuch ab morgen stehe ich sehr pessimistisch gegenüber. Ich glaube aber, ich brauche für mich selbst die Bestätigung, dass es wirklich nicht geht.
Mein Funktionier-Modus bricht schnell zusammen, sobald Stress auftaucht.

Wir haben gestern Silvester mit Freunden gefeiert und das Gespräch wurde sehr ernst, mehrere haben von ihren beruflichen und seelischen Schwierigkeiten erzählt. Das hat mich dann voll runtergezogen, ich konnte es aber aussprechen und die Gesprächsthemen haben sich dann geändert.

Danke, dass ihr ein Stück meines Weges mit mir geht. Ich lerne gerade sehr viel von euch!

LG
Lächeln
Zarra
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Zarra »

Hallo Lächeln,

Dein Hausarzt kann Dir sowohl eine Überweisung für Psychiatrie und eine für Psychotherapie ausstellen, für letzteres muß Du nicht den Umweg über die Psychiaterpraxis machen. So läuft das zumindest bei mir. Und wenn Dein Hausarzt über Deinen Zustand informiert ist (wahrscheinlich war die bisherige Krankmeldung ja von ihm?), brauchst Du auch keinen Termin auszumachen, sondern kannst so telefonisch um die Überweisungen bitten - beim Abholen dann halt die Krankenversicherungskarte mitnehmen und die Praxisgebühr bezahlen.

Ich kenne das auch von mir, daß ich die konkrete Bestätigung brauche, daß etwas tatsächlich nicht geht. Obwohl man da dann ja schon auch noch dazu neigt, mehr zu machen als eigentlich geht. Doch so schnell strickt man sich halt nicht um. Und so kann man das nur gnädig mit sich selbst als eben eine Gegebenheit hinnehmen.

Alles Gute! Zarra
Vaf-2Gal
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Vaf-2Gal »

So ihr Lieben,
ich hab den ersten Arbeitstag hinter mir. Ging besser, als ich vermutet hätte. Allerdings war es ja kein typischer, sondern ein ungewöhlich ruhiger Tag. Richtig los geht die Belastung erst nächste Woche.
Ich hab aber gemerkt, dass meine Konzentration stark eingeschränkt ist.

Morgen hab ich einen Termin beim Hausarzt, ich hoffe, ich kann ihm gut erklären, wie es mir wirklich geht.

LG Lächeln
^^
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von ^^ »

Ich wünsche dir alles Gute für dein Gespräch morgen! Sag einfach wie es dir wirklich geht!

Liebe Grüße, Grünpflanze
^^
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von ^^ »

Hey,

wie war es beim Hausarzt? Wenn du erzählen magst.

Grünpflanze
Vaf-2Gal
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Vaf-2Gal »

Liebe Grünpflanze,

danke für die Nachfrage!

Beim Hausrazt war es gut, ich konnte sehr offen mit ihm reden und hatte das Gefühl, er versteht, was ich ausdrücken will.
Ich soll das Citalopram schrittweise auf 40 mg erhöhen (ab heute nehme ich 30). Wenn es in 3 Wochen noch nicht wirkt, will er ein anderes Medikament verschreiben.
Er hat mir Mut gemacht, wieder arbeiten zu gehen. Er meint, es würde mir eher gut tun. Ich kann mich aber wegen einer AU melden, wenn es gar nicht geht.
Wir haben auch die Möglichkeit eines Klinikaufenthalts besprochen. Er meinte, da seien die Wartezeiten eben auch sehr lang. Sollte die Psychotherapeutin zu der Ansicht kommen, dass es ambulant nicht geht, könnten wir das angehen.

Ich konnte ihm da gut zustimmen.
Arbeiten diese Woche ist anstrengend, geht aber. Allerdings bin ich grad gefrustet, der PC ist abgestürzt und die Arbeit von heute nachmittag war komplett weg.

LG
Lächeln
Vaf-2Gal
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Vaf-2Gal »

Liebe Forianer,

ich habe eine weitere Frage, wahrscheinlich wieder eine typische "Anfängerfrage"

Der "Funktionier-Modus" klappt gerade ganz gut. Arbeiten klappt besser als gedacht, ich komme aber völlig platt nach Hause. Das Hauptgefühl ist dann aber Erschöpfung, nicht Verzweiflung oder so.

Mein Verdacht ist jetzt, dass ich mich quasi in den Funktionier-Modus flüchte, um die Depression nicht zu spüren.

Vielleicht kann ich das an einem Beispiel besser erklären, wie ich das meine:

Gestern abend habe ich eine unangenehme dienstliche Mail gelesen, die mich aber persönlich nicht betrifft. Trotzdem ging es mir schlagartig ganz schlecht. Heute morgen habe ich den Eindruck, ich stehe vor der Wahl, die negativen Empfindungen zuzulassen - aber dann geht es mir schlecht. Oder auf Funktionier-Modus zu schalten, die negativen Gefühle zu verdrängen, dann fühle ich mich besser.

Kurzfristig wäre die 2. Möglichkeit attraktiv, aber wenn ich langfristig gesund werden will, müsste ich doch eher die erste Möglichkeit wählen, oder?

Macht das Sinn, was ich da gerde schreibe? Habt ihr ähnliche Erfahrungen? Was hilft euch langfristig?

LG
Lächeln
rosecottage
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Re: Funktionier-Modus

Beitrag von rosecottage »

Hallo Lächeln,

Wenn ich mir überlege wie anstrengend ich kleinste Anforderungen im Alltag fand, wenn es mir nicht gut ging, dann finde ich es immer wieder erstaunlich, wie gut ich meine Arbeit erledigen konnte.

Das war eben der Funktionier-Modus...

Die Erschöpfung nach der Arbeit habe ich in der depressiven Phase zwar schon als belastend empfunden, aber ich fand sie auch normal bzw. verständlich - für jemanden, der nicht gesund ist, aber die gleiche Arbeit leisten muss wie eine gesunder Mensch.

Zu deiner Frage, du schreibst:

"Gestern abend habe ich eine unangenehme dienstliche Mail gelesen, die mich aber persönlich nicht betrifft. Trotzdem ging es mir schlagartig ganz schlecht. Heute morgen habe ich den Eindruck, ich stehe vor der Wahl, die negativen Empfindungen zuzulassen - aber dann geht es mir schlecht. Oder auf Funktionier-Modus zu schalten, die negativen Gefühle zu verdrängen, dann fühle ich mich besser.
Kurzfristig wäre die 2. Möglichkeit attraktiv, aber wenn ich langfristig gesund werden will, müsste ich doch eher die erste Möglichkeit wählen, oder?"

Zunächst einmal würde mich interessieren, ob du dir vorstellen kannst in dieser Situation, weder die negativen Gefühle zu nah an dich heranzulassen noch den Funktionier-Modus einzuschalten, sondern eher Abstand zu deinen Gedanken an diese Mail zu gewinnen.

Sie betrifft dich nicht persönlich - warum gibst du ihr dann soviel Raum in deinen Gedanken und Gefühlen?

Und dann denke ich, dass es ein sehr guter und hilfreicher Ansatz ist, selbst zu entscheiden, wie du etwas sehen willst, um deine Gefühle entsprechend steuern zu können / zu lernen.

Vielleicht fallen dir nicht nur die beiden Möglichkeiten "negative Gefühle" und "Funktionier-Modus" ein, wenn du drüber nachdenkst...

Es gibt so viele Möglichkeiten mit einem Problem umzugehen. Du kannst an solchen Situationen üben und dir ein Repertoire an Umgangsmöglichkeiten zulegen.

Manchmal ist es gut in das negative Gefühl reinzugehen, um genauer hinzuschauen. Manchmal ist man aber genau dafür nicht stabil genug und dann ist es auch okay, es erst einmal nicht so genau anzuschauen.

Manchmal ist es gut zu funktionieren, weil nicht zu funktionieren unangenehme Konsequenzen haben könnte.

Auf deine konkrete Situation bezogen gibt es da z.B. noch das Abstand nehmen, das sich drüber wundern, das "och sollen sich mal die anderen drum kümmern - es geht hier gerade nicht um mich", das wütend werden und es direkt ansprechen, das mit anderen drüber reden wie sie die Situation sehen, das ignorieren, weil das Wochenende kostbar ist und man sich auch Montag noch den Tag damit versauen kann usw. usw.

Ich will damit sagen, je mehr Möglichkeiten du dir in deine "Werkzeugkoffer" packst, desto leichter machst du dir deine "Arbeit" im Umgang mit der Depression.

Ich wünsche dir einen schönen Sonntag - manchmal ist es von Vorteil bestimmte Mails am Wochenende nicht zu lesen

Und ich wünsche dir viel Freude beim Ausprobieren der verschiedenen Möglichkeiten.

Liebe Grüße
mosaic
Vaf-2Gal
Beiträge: 134
Registriert: 18. Dez 2011, 12:21

Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Vaf-2Gal »

Hallo mosaic,

vielen Dank für deine Antwort.

"manchmal ist es von Vorteil bestimmte Mails am Wochenende nicht zu lesen "

das sprichst du meinem Mann aus der Seele. Ich hab aber eine Art Rufbereitschaft für Notfälle und wenn ich zeitweise nicht erreichbar war (z.B. unter der Dusche), dann schau ich, ob ich angerufen wurde - und direkt neben der Anzeige für Anrufe ist die für Mails. Dann kann ich meist nicht widerstehen, die Mails zu lesen. Das ist eine Schwäche von mir: neugierig bin ich gar nicht, aber gewusst haben, muss ich alles.

Das mit dem Verdrängen von Schwierigkeiten praktiziere ich wohl schon lange. Daraus folgt, dass mein Gehirn zu "rattern" anfängt, sobald ich zur Ruhe komme. Dann wünsche ich mir dringend einen Ausschaltknopf für mein Gehirn.
Folge das Verdängens sind vermutlich meine langjährigen Schlafstörungen - und als ich dann immer noch nicht reagiert habe, kam die Depression.
Das muss jetzt nicht komplett richtig sein, aber es ist im Moment der Stand meiner Einsicht.
Eigentlich müsste ich mein vorheriges posting erweitern, es gibt nicht nur zwei sondern drei Möglichkeiten:
a) komplette Verdrängung, damit geht es mir kurzfristig gesehen gut, aber die Folgen s.o.
b) mich in die Depression fallen lassen, mit dem Krankheitsgewinn "keine Verantwortung" usw. aber gleichzeitig geht es mir dann sehr schlecht
c) mir zumindest gewisse Zeiträume zu nehmen, in denen ich meinen Gefühlen nachspüre und ihnen auf den Grund gehe. Auch wenn es mir dann zeitweise schlechter geht als im Funktionier-Modus, wäre es wohl der einzige Ausweg aus der Depression.

Ich bin froh, dass meine Therapie bald beginnt, weil ich bei der Möglichkeit c) befürchte, ich könnte komplett abstürzen, wenn ich mich da allein dran mache.

LG
Lächeln
rosecottage
Beiträge: 378
Registriert: 22. Dez 2011, 18:58

Re: Funktionier-Modus

Beitrag von rosecottage »

Hallo Lächeln,

Von Rufbereitschaften kann ich auch ein langes Lied singen... mir ist es nie so richtig gelungen vollkommen abzuschalten, weil ich immer dachte, gleich kann das Telefon klingeln.

Für deine Therapie wünsche ich dir, dass du noch Möglichkeit d), e), f) usw. findest
und du einen Weg findest das Rattern in deinem Gehirn zu beenden.

Manchmal muss man sich zu dem Ausschaltknopf durch einen Gedankenstop zwingen - das ist schwer, aber dabei kann dir deine Therapie helfen.

Alles Gute
mosaic
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Zarra »

Hallo Lächeln,

... es kann sein, daß ich Deine beschriebene Situation nicht verstehe (sie ist mir tatsächlich nicht ganz klar) ... und meine Antwort von daher an Dir vorbeigeht.

>Gestern abend habe ich eine unangenehme dienstliche Mail gelesen, die mich aber persönlich nicht betrifft.
Ich verstehe nicht, warum Du da "in die negativen Gefühle reingehen" solltest, wenn es Dich doch gar nicht persönlich betrifft. ... sorry, man kann sich Runterziehendes auch anziehen und es anziehen! ... und ich glaube nicht, daß dies eine antidepressive Strategie darstellt. Bei allem Sinn, der darin stecken kann, nachzuschauen, warum es einem denn so schlecht geht. Sorry, für mich klingt Deine erste Strategie, die Du nicht magst und in negativer Weise (!) als Funktionier-Modus beschreibst, einfach nur in eher positiver Weise lebensbewältigend, und das würde ich sehr wertschätzend sehen, man kann ja schließlich nicht bei jeder negativen Mail in ich-weiß-nicht-was-für-einen Sumpf versinken -- ... soweit, solange ich nicht mehr über die Situation weiß, so daß man sie vielleicht nicht anders interpretieren muß.

> [...] vor der Wahl, die negativen Empfindungen zuzulassen - aber dann geht es mir schlecht. Oder auf Funktionier-Modus zu schalten, die negativen Gefühle zu verdrängen, dann fühle ich mich besser.
... also wenn Du eine Idee hast, warum diese Dich nicht wirklich betreffende Mail so viele negative Gefühle hervorruft, dann lohnt es sich vielleicht, da hinzuschauen. Doch so, wie ich es lese, lese ich reines Zulassen der negativen Gefühle - und darin kann ich keinen Sinn sehen.

Den Satz "Sie betrifft dich nicht persönlich - warum gibst du ihr dann soviel Raum in deinen gedanken und Gefühlen?" von mosaic kann ich nur ggf. unterstreichen ...

Lösungen in einen lebenswerten Leben sind selten "schwarz" oder "weiß", also zwar im Einzelfall auch mal a) oder b), aber eben selten wirklich nur a) oder nur b).

>Der "Funktionier-Modus" klappt gerade ganz gut. Arbeiten klappt besser als gedacht, ich komme aber völlig platt nach Hause. Das Hauptgefühl ist dann aber Erschöpfung, nicht Verzweiflung oder so.
... das kannte ich auch so in den letzten Jahren. (Früher war die Verzweiflung größer. Die Schwergewichte haben sich wohl einfach verändert.)

Alles Liebe, Zarra
Loewin
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Registriert: 7. Jan 2012, 14:49

Re: Funktionier-Modus

Beitrag von Loewin »

Hi. Der "funktionier-Modus" ist meist nur 5-6 Tage die woche "haltbar". Heute war der 7.Tag. Kennt ihr das, wenn das Wetter zu schön ist fuer die Verfassung? Ich hab mich zwar Mittag noch zu einer Std walken aufgerafft, aber den Nachmittag nur mit Kloß im Hals auf der Couch rumgedrückt, Vorhang zugezogen. Die Jungs raus geschickt. Jetzt warte ich das Ende des Wochenendes ab und hoffe wenn ich morgen wieder volles programm mit buero und juniorprogramm habe dann schwappt das funktionierprogramm wieder in "ich schaff das alles" ueber. Und auch wenn's jetzt komisch klingt, aber spaetestens Dienstag glaube ich das auch wirklich. Also versteh so manchen Beitrag.
Die rueckzugsmoeglichkeit hatte ich 8 Wochen lang in 2007, aber nochmal so lang von meinem Sohn weg halte ich nicht aus. Toi toi toi! Gglg
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