mich selbst als Opfer zu sehen - was hilft dagegen?

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Secret
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Registriert: 16. Dez 2010, 16:15

mich selbst als Opfer zu sehen - was hilft dagegen?

Beitrag von Secret »

Hallo zusammen,

meine Depression resultiert auch daraus dass ich aus meiner Kindheit getriggert werde und mich oft an Situationen als Opfer sehe wo jemand anders diese Situation nicht so persönlich nimmt bzw. nicht an sich herankommen lässt.

Seit einigen Wochen mache ich einen Wing Tsun Kurs für Anfängerinnen. Parkplätze sind rar und ich habe bis heute abend immer auf der Strasse geparkt. Da ich heute abend weit und breit keinen Platz gefunden habe habe ich in der Nähe der Kampfsportschule an Einwohnergaragen gegenüber an einer Wand geparkt, das machen seit Wochen andere Teilnehmerinnen auch so. Aber bei mir musste es dann so kommen das sich ein Anwohner bei der Schule beschwert hat und ich meinen Wagen wegsetzten musste. Ich kam danach zurück und habe gesehen, wie ein anderer Wagen dort geparkt hat. Ich war stinksauer und beschwerte mich bei der Kursleiterin und dass ich nicht mehr komme wenn ich keinen Platz zum Parken finde und es ungerecht finde, dass auf dem Platz nun jemand anders steht und keinen Ärger bekommt.

Es ist nun leider auch so dass ich etwas weiter von der Wand als andere geparkt habe, ich wollte den Wagen erst umsetzen und habe den Gedanken verworfen. Ich habe Schwierigkeiten beim Parken, würde nie in ganz enge Parklücken fahren. Die Frage ist wie ich damit umgehe. Es ist mir peinlich etwas falsch zu machen, ich frage mich ob ich mich nicht so akzeptieren kann ohne mich vor anderen zu schämen oder ob ich rangieren mit dem Wagen in enge Parklücken unbedingt üben müsste.

Mir ist auch nach meinen Wutausbruch unangenehm was die anderen Teilnehmerinnen von mir denken. Sie fanden es ganz lustig und meinten bei der nächsten Kampfübung könne ich ja Dampf bei ihnen ablassen.

Warum ich auch immer alles so negativ sehen muss? Ich wünschte ich könnte einen Knopf zum Ausschalten finden. Dabei habe ich zu einer Teilnehmerin guten Kontakt gefunden, wir treffen uns mal zum walken. So etwas klappt bei mir mit Kontakten erst seit einigen Wochen.

Ich denke ich bin auf dem Weg aus der Depression wenn ich einen Weg finde nicht mehr mich ständig als Opfer zu sehen - ich bin es satt.

Habt ihr im Laufe der Erkrankung und eventuell Therapie ähnliche Erfahrungen gemacht?

Ich sehe noch nicht die Lösung, nur einen Teil davon will ich damit sagen.

Ich fresse nicht mehr in mir rein was mich stört, das ist schon einmal ein Fortschritt. Doch über das Stadtion mich nicht anschließend zig mal über die Sache aufzuregen bin ich noch nicht ganz drüber hinaus gekommen. Habe ich vor ein paar Tagen auch in einer anderen Situation gemerkt, als ich mich über ein Telefonat mit meinen patzigen Schwageer geärgert hatte.

Das Problem ist auch in den Moment wo ich mich über etwas oder jemanden aufrege bin ich beim Kurs, war ich bei der Tagesklinik oder früheren Arbeitsstellen so vom Gekränktsein blockiert, das erst mal gar nichts lief.

LG

Secret
LG

Secret
Bummel
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Registriert: 5. Jul 2011, 19:06

Re: mich selbst als Opfer zu sehen - was hilft dagegen?

Beitrag von Bummel »

Du bist auf dem richtigem Weg!
Du erkennst, dass Du Dich immer als Opfer siehst. Es sind leider nicht immer die Anderen, sondern es ist das was in uns passiert, beruhend auf Erlebnissen die uns irgendwann völlig überfordert haben und denen wir hilflos ausgeliefert waren.

Allein!

Mein größter Schritt war zu erkennen, dass ich in "selbstmitleid" zerfließe und jetzt erkenne ich, wie ich langsam aber sicher wieder in diese Richtung gehe. So nach dem Motto: wenn ich sonst schon nichts kriege, dann wenigstens das.

Bleib dran, Du hast zwar nicht den einfachsten und kürzesten Weg gewählt, aber den, der Dich zum Ziel führen kann.
Irgendwann das Leben anzunehmen, wie es ist und auch viele Momente genießen zu können.
Liebe Grüße
Bummel
2304.1900
Beiträge: 260
Registriert: 21. Nov 2010, 00:19

Re: mich selbst als Opfer zu sehen - was hilft dagegen?

Beitrag von 2304.1900 »

Hallo Secret ,

wenn ich das Richtig sehe bist du gerade auf eíner zwischenstufe in die richtige richtung ;O)
Du hast bereits erkannt das die Opferrolle die du einimmst unötig ist und das andere davon nicht soo betroffen sind ,es also Alternativen geben muß.
Ich würde dir Raten dich in der jetzigen Phase nicht/weniger mit der suche nach Alternativen zu belasten, die kommen von ganz alleine.Fokusiere dich dafür stärker auf das "Wing Tsun" als "innere Kampfkunst" und versuche das Prinzip als Teil der inneren Konfliktlösung zu übernehmen.
Du könntest ja den Lehrer zb. die ganze Geschichte erzählen und ihn Fragen ,was eine richtigere Lösung des Konflikts aus "Wing Tsun" sicht ,gewesen wäre, oder wie er sich hätte ganz vermeiden lassen.(innere Haltung,Ausstrahlung ,Bewegungsstil)

"Wing Tsun" ist darauf ausgerichtet den Kampf durch Innere Stärke ,Können und Wissen zu Vermeiden.Aber als offensives Kampfsystem natürlich auch sich und andere vor Angriffen zu Schützen.
viel Grüße ,
Stefan
Secret
Beiträge: 1401
Registriert: 16. Dez 2010, 16:15

Re: mich selbst als Opfer zu sehen - was hilft dagegen?

Beitrag von Secret »

Hallo Stefan,

Wing Tsun wurde mir in der Tagesklinik empfohlen, ich fühle mich zwar "nur" verbal angegriffen, benachteiligt und gemobbt, es bringt mir trotzdem entwas, einige gehen in den Kurs um sich auch spät abends z.Bsp. mit dem Hund alleine als Frau rauszutrauen.

Ich habe bei der Volkshochschule einen Schnupperkurs für 10 mal gebucht, einige Frauen möchten danach weitermachen.

Ich finde allerdings 45,-- € pro Monat sehr teuer und suche noch nach einer passenden Alternative. Vorher war ich mal zur Probe bei einem Turnverein, der nichts für Anfänger hatte, das war mir von der Fitness mit Liegestutze usw. zu viel. Ich mache zwar Nordic Walking und Yoga, doch so eine gute Kondition habe ich auch nicht.

Habe in meinem Wohnort nach Alternativen gegoogelt und bin mir noch nicht schlüssig was ich danach mache, möchte eigentlich weitermachen.

Hallo Bummel,

freut mich zu hören dass ich schon auf dem Weg aus der Opferrolle bin. Mein Problem ist zur Zeit noch, dass ich mich über Dinge, die mich ärgern noch zu lange aufrege, also hereinsteigere, zu viel grübel und nicht loslassen kann.

Morgen habe ich einen Termin bei meinen Therapeuten, wie ich feststelle brauche ich zur Zeit nicht so oft zu ihm hin. Ich habe in der Tagesklinik eine Frau kennengelernt mit der ich mich austauschen kann und etwas unternehme. Das hat mir viele Jahre schon gefehlt.

Stellt Euch vor: ich hatte mal vor einigen Jahren wegen etwas bei der Telefonseelsorge angerufen und meinem Gesprächspartner gesagt, dass es mich bedrückt keine Freundin zu haben mit der ich mich austauschen kann. Da hat er einfach aufgelegt, das Gespräch war zu Ende .....

LG

Secret
LG

Secret
Schwert10
Beiträge: 257
Registriert: 9. Mär 2011, 15:50

Re: mich selbst als Opfer zu sehen - was hilft dagegen?

Beitrag von Schwert10 »

Hi Secret,
Ein ziemlich schwieriges Thema....
Ich war früher das geborene Opferlamm, ich habe zwar gelitten, mich irgendwie aber auch ganz wohl gefühlt in dieser Rolle. Opfer sind bekanntlich immer unschuldig...

Ich bin aus dieser Rolle herausgewachsen, indem ich anfing, ein "Täter" zu werden. Zuerst habe ich mir klargemacht, daß ich Dinge zuließ, von denen ich wußte, daß sie mir schaden. Mir fehlten natürlich erstmal die Fähigkeiten, mich zu wehren, aber ich habe gelernt. So wie du jetzt lernst, nicht alles in dich reinzufressen, sondern deinen Ärger auszudrücken.

Was deine Falschparkergeschicht betrifft, so hast du natürlich einfach nur Pech gehabt wie so viele andere auch. Wer auch immer da jetzt parkt, hat vielleicht Glück, vielleicht dauert es aber gar nicht lange und der kriegt auch ein Knöllchen. Solltest du Schadenfreude empfinden, koste sie ruhig aus! Das ist zwar nicht nett, aber ein guter Schritt in Richtung Täter!

Ich benutze übrigens den Begriff "Handelnder", denn eigentlich ist das für mich das Gegenstück zum Opfer und es ist neutral. Schau dir an, wo du ein Handelnder bist, stell fest, wo du erduldest, obwohl du handeln könntest. Wo bist du der, der bestimmt? Das können auch kleine Sachen sein, zum Beispiel die Einrichtung deiner Wohnung bestimmen oder wann es Essen gibt. Je mehr du deinen Blick auf das richtest, was du tun kannst und tust, desto schwächer wird das Opferbild.

Wir alle sind weder nur Opfer noch nur Täter. Richte deinen Blick stärker auf das, was du sein willst. Die Welt bleibt ungerecht und manchmal macht uns der Zufall zum Oper.>Humormodus ein: Was allerdings nicht für falsches Parken gilt da bist du eindeutig beides! <Humormodus aus.

wenn ich mich mal wieder besonders ohnmächtig fühle, nehme ich mir meine Liste von Dingen, die ich selbst bestimmen kann. Es hilft schon ein bißchen, es zu lesen, um sich besser zu fühlen, und es tut richtig gut, diese Liste immer wieder zu erweitern!

lg wakora
Das Leben ist wertvoll

ob es nun strahlend ist wie ein diamant

oder dunkel wie kohle

beide sind aus demselben stoff.
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