Loslsung von der Mutter

waltraut
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Loslsung von der Mutter

Beitrag von waltraut »

Hallo, ich hab hier schon manches geschrieben,heute bin ich selbst hilflos.Ich hab nach eineinhalb Jahren mal wieder meine Mutter besucht und es endete mit Tränen,Schreien und vorzeitiger Abreise. Meine Mutter ist ein herzensguter Mensch,liebt mich und meine drei Geschwister (der Vater ist schon länger tot),aber wir können sie alle nicht sehr gut ertragen. Während meine Geschwister einen Weg gefunden haben,damit umzugehen,hat es bei mir schlimme Folgen.Jeder Besuch ist mit Ängsten und Hoffnungen verbunden,daß es diesmal gutgeht,und jeder Besuch endet mit total schlechtem Gewissen,Gefühlen von Wut,Trauer und Verachtung. Meine Mutter hat mich als Sechsjährige für drei Jahre zur Großmutter gegeben,weil die es so gern wollte!Ihr Ego ist so schwach,daß sie im Restaurant etwas bestellt,was sie nicht mag,nur weil es jemand vorschlägt! Von meiner Zustimmung ist sie ganz extrem abhängig. Seit ich etwa 15 war,lag sie immer wider schluchzend und schniefend auf dem Sofa wegen irgendeiner Bemerkung von mir. Manchmal wußte ich gar nicht,womit ich sie beleidigt hatte. Sie benimmt sich als Frau über 80 (und es ist nicht eine Folge des Alters!) wie ein kleines Kind,macht sich klein,häßlich und hilflos,wenn man sich nicht ständig um sie kümmert,schmollt sie. Wenn wir versuchen,sie aus ihrem selbstgewählten Ghetto herauszuholen und ihr Mut machen wollen,beklagt sie sich bei anderen Verwandten,wir würden sie dauernd erziehen.Wir vier Kinder kümmern uns sehr um sie,Sohn und Schwiegertochter sieht sie fast täglich,eine Schwester kommte fast jede Woche,die andere etwa 3-4 mal im Jahr,nur ich seltener. Wir alle rufen sie ständig an. Mein Problem ist,daß ich diesen Zustand nicht einfach akzeptieren kann und ihre Erpressungsversuche nicht ignorieren kann,sondern von dem glühenden Wunsch besessen bin,sie aus dieser Kleinkindhaltung herauszuholen. Sie ist depressiv,und irgendwie hab ich das Gefühl,meine Depression könnte erst besser werden,wenn mein Verhältnis zu meiner Mutter besser wird. Meine Geschwister,mein Mann und mein Therapeut fragen mich,warum es für mich so wichtig ist,warum ich nicht akzeptieren kann,daß meine Mutter sich klein und schwach gibt. Ich bin auf der verzweifelten Suche nach einer Mutter,die ich nie hatte und die sie nie war. Kennt einer von Euch das Gefühl,sich von den Eltern nicht abnabeln zu können,diese Suche nach der bedingungslosen großzügigen Liebe,nach Halt und Wärme? Ich habe eine panische Angst davor,daß meine Mutter,die mich nur nervt,sterben könnte,ohne daß ich gelernt habe,sie zu akzeptieren und unser Verhältnis in Ordnung zu bringen. Kennt jemand dieses Problem? Wie habt Ihr Euch von Euren Eltern befreit? Lieben Gruß Waltraut
tiger
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Beitrag von tiger »

Hallo Waltraut, ich weis nicht, ob ich Dir helfen kann. Aber ich versuche es. Es ist schwer zu verstehen. Meine Mutter ist vor fünf Jahren an Krebs gestorben, da hatte ich auch die große Sorge um meinem Vater. Aber nach kurzer Zeit, wie er seinen Weg oder Glauben gefunden hat, habe ich Ihm vertraut. Dann ging es mir besser. Fragen: Ist neine Mutter in Not, krank oder ist Sie dem Tode nahe? Wenn es so ist, sollest Du dir Sorgen machen und Fürsorge bei Dir walten lassen. Wenn es jedoch so nicht ist, ist es besser Du vertraust Ihr, dass Sie in Ihrer eigenen Lebenseinstellung, Tag für Tag, gut über die Runden kommt. Sonst läufst Du Gefahr selber in den Wahn (Kleingläubig) zu werden. Oder ich bin nicht sehr kristlich, aber es gibt Stellen in der Bibel die sind gut: Die vielen allgemeinen Sorgen über das, was sein könnte, sind umsonst, sie bringen nichts ein. Sie verändern nicht die Situation. Sie bringen nicht vorwärts, sie rauben nur den Schlaf. Es ist umsonst. Und Jesus fragt: Wer kann seinem Leben eine Spanne an Lebenslänge zufügen. Sich allgemein zu Sorgen, ist nutzlos. Aber genauso nutzlos ist es, Menschen, die unter solchen Sorgen leiden, zu sagen: Mach dir doch nicht so viele Sorgen. Denn der Verstand und der Wille können da wenig ausrichten. Da muß eine Änderung des Herzens geschehen. Das Herz ist das emotionale Zentrum unserer Existenz. Doch wie kann das gehen? Nette Grüße tiger
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Danke,Tiger,für deine guten Worte, liebe Grüße Waltraut
heike
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Beitrag von heike »

Hallo Waltraut, ich habe für mich gelernt zu sagen, meine Eltern haben ihren Lebensweg selber gewählt und müssen damit klarkommen. Ich bin nicht für ihr glücklich oder unglücklich sein zuständig. Pass auf dich selber auf. Deine Mutter hat ihre Gründe so zu sein. Ich verstehe aber auch, dass sie dich mit ihrem Verhalten nervt, denn sie appeliert damit ja ständig auch an dich. Mein Vater hat auch Depressionen und er ist ständig unzufrieden, ich gebe es allmählich auf, es ihm recht machen zu wollen. Es geht gar nicht. Ich hoffe, in der Therapie findest Du einen Weg besser damit zurechtzukommen. Lieben Gruß von Heike
gisi
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Beitrag von gisi »

Hallo Waltraut ! Ich hoffe, diesmal kann ich Dir behilflich sein. Natürlich komme ich als erstes mit den eigenen Erfahrungen: Bei mir war ich die Schwache, die um Sanktionen (insbesondere Schlägen) zu entgehen das gegessen hat, was sie nicht mochte (im übertragenen Sinne, aber auch exakt bei solchen Banalitäten). Meine Mutter war aber nicht warm, weich und liebevoll wie Deine. Kurz vor ihrem Tod 1995 fragte sie mich einmal, ob ich ihr böse sei wegen der ganzen Prügeleien. Nein, das nicht, aber wegen der Zeit, die ich dadurch verloren habe, die ich brauchte, um mich durchsetzen zu können und aufzuhören, das zu essen, was ich nicht mag, nur um (ein weiteres Mal) zu erreichen, daß sie mich lieb hat. Dieses Gespräch war mir ganz wichtig, damals habe ich meinen Frieden -nicht ihren, darauf kommt es nicht an- mit ihr gemacht. Mittlerweile bestrafe ich sie dadurch, daß ich den Friedhof verkommen lasse. Zum einen glaube ich nicht, daß Deine Mutter schwach ist, denn sie war -im Gegensatz zu meiner- trotz (oder wegen ?) dieser Schwäche in der Lage, Dich und Deine Geschwister zu lieben und aus Euch verantwortungsbewußte und warmherzige (das merkt man Dir an, Glückwunsch) Menschen zu machen. Wenn man schwach ist, gibt man Schwäche und Angst weiter. Und zum anderen: Du wirst ihr nichts mehr beibringen können, Du regst nur Dich und sie auf, ohne das diese Investition sich jemals auszahlen würde. Kostet nur Kraft und Lebensqualität, Euer beider. Versichere ihr, daß Du ihr behilflich sein wirst, wann immer sie deutlich danach verlangt und schone Dich. Du bist schon stark und gibst doch selber Halt. Die Verzweiflung darüber, daß die Mutter schwach ist -oder man dies meint- ist völlig natürlich; es schließt sich ein Kreis: Zuerst bekommt man von ihr die Brote gemacht und sie regelt alles und dann dreht es sich langsaam um. Das ist erschreckend, aber auch sehr natürlich und daher beruhigend. Irgendwann wirst Du die warme, weiche, nachgibige Mutter sein. Ich war nach dem Tode meiner Mutter völlig verzweifelt, weil ich meinte, nun mutterseelensolo (ein besseres Wort gibt es nicht) zu sein, bekam die Depression und mittlerweile eine Riesenwut auf meine Mutter; ich habe original 5 (in Worten:fünf) Jahre j-e-d-e Nacht von ihr geträumt, natürlich, das ich was falsch gemacht und Angst vor Entdeckung hatte. Laß` es nicht so weit kommen. Mache Deinen -der gehört Dir- Frieden mit ihr. Alles Gute, Gisi
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Heike,liebe Gisi, herzlichen Dank für eure Antworten,die mir vor allem eines klarmachen: ich muß meine Mutter loslassen,d.h.darauf verzichten,sie ändern zu wollen und mich damit abfinden,wie sie sich gibt. Vielleicht ist es mir auch deshalb so schrecklich,sie so klein und kindisch zu sehen,weil ich in mir selbst manchmal die Tendenz spüre,Zuwendung durch Hilflosigkeit zu erpressen. Und es erschreckt mich,wenn ich bei ihr sehe,wohin das führt. Danke,Gisi,für deine lieben Worte. Lieben Gruß euch allen Waltraut
susan
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Beitrag von susan »

Liebe Waltraut, Ich habe Deinen Beitrag gelesen, es hat mich sehr bewegt, was Du geschrieben hast, ich kann es nachempfinden, was Du fühlst, diese Wut auf der einen Seite und dieses ständige Sichverantwortlichfühlen auf der anderen Seite. Ich habe auch große Probleme, das Loslassen betreffend, insbesondere meiner Mutter gegenüber. In meiner Kindheit haben sich meine Eltern oft gestritten, sehr oft, wegen Kleinigkeiten, Geld, Eifersucht, K indererziehung.....Als ich klein war, habe ich dann oft geweint, abends im Bett, weil ich traurig war, daß ER ihr wehtat, meiner Mutter. Je älter ich wurde, je mehr fühlte ich mich verantwortlich für sie, ich stellte mich auf ihre Seite, beschützte sie. Mein Vater war sehr streng, sein Wort galt. Ich bin "wohlerzogen": "K inder haben den Mund zu halten, wenn Erwachsene reden", "Sei nett und freundlich zu jedermann"( auch wenn Dir nicht danach ist), "Es wird aufgegessen, was auf dem Teller ist" (auch wenn Du es Dir nicht selbst aufgetan hast)....Dies waren einige der Regeln, die er aufstellte. Freunde, die ich mir aussuchte, waren oft nicht der richtige "Umgang" für mich. Er entschied, was gut für mich war. Das war die eine Seite meines Vaters, ich muß fairerweise auch sagen, daß er sehr k inderlieb (auf seine Art) war, er hat mir und meinen 2 Geschwistern sehr geholfen, die Schule betreffend, und viel mit uns unternommen (als ich klein war, hat es ich mich überhaupt nicht gestört, daß nur e r das Ziel und den Ablauf bestimmte). Mit K indern kam er also gut zurecht, sie durften nur keine eigene Meinung entwickeln.... Als ich mit 20 von zu Hause auszog, stand ich unter "Hochspannung". Ich war erleichtert, mich seinem Regim nicht mehr unterordnen zu müssen. Mein Vater hat, nachdem ich ausgezogen war, eine Therapie gemacht, er hat sich geändert. Ich kann diese Änderung nicht annehmen. Für meine Eltern bin ich immer noch das artige Kind, ich wiederspreche nicht, sage nichts "Böses" Meine Eltern kommen, seitdem wir K inder aus dem Haus sind, gut zurecht, Streit gibt es auch noch, aber das ist mit dem von früher nicht zu vergleichen. Sie sind füreinander da, tun viel für die K inder und Enkelk inder. Ich habe, wenn ich mit ihnen zusammen bin, ständig Angst, etwas falsch zu machen bezw zu sagen, habe Angst, daß ER ausrastet und meine Mutter alles "abkriegt" Ich hoffe, in der Therapie, die ich jetzt mache, zu lernen, besser mit dieser in mir steckenden Wut umzugehen. Zur Zeit gehe ich ihnen aus dem Weg, suche sie nur im "Notfall" auf. Ich meide sie. Meinen Eltern hoffen immer, daß ich bald wieder gesund bin, und merken nicht, daß ich auch durch sie krank bin. Woher sollen sie das auch wissen, ich sage es ihnen nicht, mir fehlt der Mut...... Ich habe auch Angst, Schuld daran zu sein, daß es ihnen dann gesundheitlich schlechter geht... Liebe Waltraut, ich hoffe, daß auch Du es lernst, dich zu "lösen", dich nicht mehr für alles verantwortlich zu fühlen. Es ist unheimlich schwer, Eltern zu "Kritisieren" Liebe Grüße Susan


waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Susan, ja,vieles was du schreibst,kommt mir bekannt vor,ich will auch immer noch das artige Kind sein. Ich würde ja auch die Besuche bei meiner Mutter auf das Nötigste beschränken,aber obwohl sie einigermaßen gesund ist,ist sie doch in einem Alter,wo man immer damit rechnen muß,daß sie mal nicht mehr da ist. Und ich könnte mir nie verzeihen,im Bösen von ihr geschieden zu sein. Gut,ich war jetzt die Böse,es war auch berechtigt,aber trotzdem quält es mich furchtbar zu wissen,daß sie jetzt daheim sitzt und auf ein Zeichen von mir wartet. Wieder hab ich eine Macht über sie,die ich nicht will.Und sie hat Macht über mich... Diese Geschichte zieht mich herunter. Du schreibst,daß dein Vater sich durch eine Therapie verändert hat und du das nicht akzeptieren kannst. Wie hat er sich denn verändert und inwiefern kannst du es nicht akzeptieren? Das interessiert mich unabhängig von meiner Geschichte. Danke für Dein Mitgefühl,liebe Grüße Waltraut
susan
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Beitrag von susan »

Liebe Waltraut, danke für deine Zeilen, ich will Dir auf Deine Frage meinen Vater betreffend, antworten. Er war, als ich Kind war, wie auch schon beschrieben, ein schnell aufbrausender, nervöser, mit sich selbst und seiner Erziehung unzufriedener Mensch. Sein Verhalten war oft verletzend. Er hat während der stationären Therapie, die 3 Monate dauerte, gelernt, anders mit sich und anderen umzugehen. Er hat Entspannungstechniken wie autogenes Training erlernt, Gruppengespräche gehabt u.s.w. Er ist ruhiger, gerechter geworden. Für meine Mutter ist es somit ein schönes Zusammenleben im Vergleich zu damals. Sicherlich, und das habe ich als Erbanlage von ihm mitbekommen, war er einfach nicht in dem Maße belastbar, wie es erforderlich war. 3 K inder, ein Fernstudium, Arbeit, es war irgendwas zuviel, er war überfordert. Was mich an der ganzen Sache so traurig macht, ist, daß er nie mit mir über etwas g e r e d e t hat, mich immer noch wie ein kleines Kind behandelt, mir immer noch erzählen will, daß man den Ellenbogen beim Essen nicht auf dem Tisch hat....Für mich hat sich einfach gar nichts geändert. Ich habe meiner Mutter so ein ruhiges, zufriedenes Leben immer gewünscht und nun, da es so ist, bin ich traurig.... Liebe Grüße Susan


waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Susan, kann es sein,daß du traurig bist,weil dein Vater dich bei seiner Veränderung nicht "mitgenommen" hat? Er hat dir sein Erbe gegeben,hat sich dann selbst geholfen,aber du bist für ihn das Kind geblieben. Und bisher hast du deine Mutter vor deinem Vater schützen müssen,nun ist das plötzlich nicht mehr nötig und du bist nur noch das Kind,das erzogen wird. Ich kann mir vorstellen,daß du dir wie verraten vorkommst? Ich glaube,wir haben beide einen schwierigen Loslösungsprozeß vor uns,wir müssen nicht nur die Eltern loslassen,sondern auch unsere Gefühle für sie. Aber ich finde,das ist schrecklich schwer. Mein Vater ist schon 20 Jahre tot,und ich konnte ihm nie sagen,daß ich ihn geliebt habe (ich war immer bockig und er so streng wie deiner),und nun meine ich,ich müßte die Liebe zwischen mir und meiner Mutter erzwingen,bevor es zu spät ist. Aber das geht halt nicht. Also doch loslassen,meinen eigenen Weg suchen und sie lassen,wie sie ist und nicht weiter dagegen ankämpfen. Nur eins noch: hast du mal versucht,deinen Vater zu fragen,was ihm geholfen hat,sozusagen von betroffenem zu Betroffenem? Oder ist so ein Gespräch nicht möglich? Ganz lieben Gruß Waltraut
susan
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Beitrag von susan »

Liebe Waltraut, ja, ein Teil meiner Traurigkeit besteht sicher darin, daß sich mein Vater nur um SICH gekümmert hat. Er will mit meinen jetzigen Problemen nichts zu tun haben, erzählt mir zwar von seiner Therapie, aber das hilft mir auch nicht weiter. Dabei ist er derjenige, der sich am besten in mich hineinversetzen könnte. Ich habe manchmal das Gefühl, er will damit nicht mehr konfrontiert werden, vielleicht aus Angst, einen "Rückfall" zu bekommen, wieder in die alten Verhaltensmuster zu fallen. Und sicher ist es dann auch nicht einfach, sich evtl. gemachte Fehler einzugestehen. Diese Distanz spüre ich deutlich und ich habe Angst, etwas anzusprechen, weil für meine Eltern die Welt gerade "in Ordnung" ist. Ich denke auch oft, daß es sowieso nichts bringt, in der Vergangenheit zu sehr zu "stöbern", nichts kann ungeschehen gemacht werden. Ich wünsche mir, daß es mir mit Hilfe der Therapie gelingt, alles aus einem anderen "Blickwinkel" zu sehen, die Vergangenheit so zu akzeptieren, wie sie ist, und nicht auf ewig mit dieser Wut im Bauch rumzulaufen. Sicher braucht das auch seine Zeit. Auch Dir wünsche ich alles Gute auf Deinem Weg, zu Dir zu finden. Vielleicht kannst Du Deiner Mutter auch zu verstehen geben, daß Sie Dir viel bedeutet und Du immer für sie da bist, wenn sie dich braucht, aber Du nicht für ihre Gefühle verantwortlich bist. Sie machen Dir Probleme, und erzeugen wiederum Schuldgefühle. Es ist mir schon oft an meinen Reaktionen aufgefallen, daß ich vieles mit mir in Zusammenhang bringe, mich für Dinge verantwortlich fühle, für die ich nichts kann. Wir laden uns zuviel auf, und können die Last irgendwann nicht mehr tragen. Nahestehende Personen, wie Eltern, Geschwister, zwar loszulassen, aber nicht fallenzulassen, das fällt uns deshalb besonders schwer. Alles Gute, liebe Grüße Susan


susan
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Beitrag von susan »

Liebe Waltraut, ich habe nach meiner letzten Therapie "entdeckt", daß es einen Weg gäbe, daß es mir besser geht, und damit vielleicht auch ihr, meiner Mutter. Ich glaube, daß beruht auf Gegenseitigkeit, daß wir uns beide noch nicht voneinander gelöst haben. Ich habe durch das Therapiegespräch erkannt, daß meine Mutter mit großer Wahrscheinlichkeit auch depressiv ist, habe zwar ihre Traurigkeit immer gesehen, habe an eine Depression nie gedacht (da stecke ich selbst mitten drin und bin sooo blind!) Meine Mutter ist auf der einen Seite abhängig von ihren Kindern (ich habe noch 2 Geschwister), abhängig in sofern, daß sie nicht gut fühlt, wenn sie nicht weiß, daß es uns gut geht. Nun denke ich, macht sich jede Mutter Gedanken, wie es ihren Kindern geht, auch wenn diese aus dem Haus sind, aber bei ihr ist es krankhaft. Sie wird immer betrübter, wenn wir uns nicht melden. Hat sie ein paar Tage mal nichts von uns gehört, kann sie nicht schlafen, ist traurig... Auf der anderen Seite beschäftigt sie sich viel mit dem Tod, mit dem Sterben. Sie ist 68, sie ist relativ gesund und hat meinen Vater an ihrer Seite. Ich kann nicht sagen, wie es mir später geht, aber ich sehe, daß sie gar nicht mehr richtig leben kann vor trüber Gedanken. Das macht mich traurig, daß es ihr nicht gut geht. Nach dem Gespräch mit der Therpeutin erschien es mir ganz deutlich, ich muß unbedingt mit ihr reden, muß ihr klar und deutlich sagen, daß ich mich nicht ständig dafür verantwortlich fühlen will, daß es ihr schlecht geht. Bis jetzt habe ich immer meine Probleme für mich behalten, habe ihr gesagt, daß es mir gut geht - damit es ihr gut geht. Ich habe vor, sie demnächst einzuladen und mit ihr darüber zu reden.... Der Gedanke an so ein Gespräch erleichtert mich, und ich denke, es ist ein Schritt nach vorn. Natürlich habe ich auch Angst davor, Angst, mich noch schlechter zu fühlen, weil es ihr dann sicher schlecht geht..... Liebe Grüße Susan


waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Susan, das ist sehr interessant,wie sich da plötzlich neue Zusammenhänge zeigen. Es ist genauso wie bei meiner Mutter,die auch ihr Wohlergehen von unserem abhängig macht. Das geht so weit,daß sie sich,wenn man ihr mal von irgendeinem Problem erzählt,noch 3 Tage später mit Grabesstimme meldet,obwohl bei mir vielleicht alles schon vorbei ist. Sie lebt in unseren Gefühlen. Ich hab schon als 12jährige mit schwerem Asthma gelernt,vor ihr zu verheimlichen,wenn es mir schlecht ging. Und das war natürlich falsch!!! Finde ich ganz toll und mutig von dir,daß du sie zu einem Gespräch einladen willst. Ich bin sicher,es geht ihr nachher nicht schlechter,sondern besser. Solche Abhängigkeiten tun ja beiden Teilen nicht gut. Vielleicht könnt ihr beide besser damit umgehen,wenn es euch mal schlecht geht,weil ihr es nicht verbergen müßt und auch nicht die Angst habt,den andern zu belasten. Jeder ist für sich zuständig!! Ich wünsche dir ganz viel Glück für dieses Gespräch! Waltraut
susan
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Beitrag von susan »

Liebe Waltraut, danke für die lieben Zeilen, die mir auf jeden Fall Mut machen... Die Theorie ist immer das eine....... Ich werde sicher bald wieder zu diesem Thema was schreiben. Ich finde, Du hast eine sehr einfühlsame Art, wünsche Dir auch bei der Lösung Deiner Probleme immer genug Kraft. Ich "schöpfe" viel aus diesem Forum. Liebe Grüße Susan


susan
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Beitrag von susan »

Liebe Waltraut, es geht alles, schon sehr lange, nur in kleinen Schritten voran, und das sicher nicht nur bei mir..Damit habe ich Probleme, besonders dann, wenn die Schritte nicht vorwärts, sondern rückwärts gehen. Ich hatte vor, meine Mutter einzuladen, und ihr dann zu sagen "ich will mich nicht mehr schuldig fühlen, wenn es Dir schlecht geht" Also rief ich sie vorgestern an. Das Hörer abnehmen und wählen fiel mir schon schwer, weil eigentlich gar nicht w i l l !! Ich will nur meine Ruhe haben. Mir ist aber klar, wenn ich nie etwas sage, dann wird sich auch nie etwas ändern. Oder wie es meine Therapeutin ausdrückte: "Dann brauchen sie immer ihre Depression, dann darf ihre Krankheit nie weggehen" Mit diesen Gedanken im Kopf rief ich also an. Ich erkannte mich selber nicht mehr, redete allen möglichen Unsinn, fragte nach dem Befinden....Mann, war das schwer, rauszubringen "Du wolltest mich doch mal besuchen" Kein "Ích möchte mit Dir reden..." Sie sagte "JA,machen wir noch mal, .... wir sind jetzt gerade beim Abendbrot" Damit war das Gespräch mit ihr beendet. Und ich hatte mich wieder mal nicht klar und deutlich ausgedrückt... Gestern rief sie an, fragte mich, ob es mir Montag oder dienstag paßt. Wir haben uns für Montag nach dem Mittag verabredet, vormittag wäre mir viel lieber gewesen, aber sie muß ausschlafen, duschen, in Ruhe frühstücken...Sie hat alle ihre Belange deutlich angesprochen und ich? Kein Wort des Widerspruches "Ja, machen wir so" kam da nur raus. Mir ging es den ganzen Abend mies, ich hatte Kopf- und Rückenschmerzen ,hohen Blutdruck. Und warum?? Weil ICH nicht meine Wünsche ausgesprochen habe, ich habe mich wieder einmal verbogen und bin darüber sehr traurig. Ich habe schon Bedenken, daß auch das Gespräch am Montag so läuft, überlege schon, ob es besser ist, abzusagen. Ich bin nicht gerade das, was man als mutig bezeichnet....... Liebe Grüße Susan


waltraut
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Beitrag von waltraut »

liebe Susan, ach das kenne ich so gut: man legt sich genau zurecht,was man sagen will und kaum hat man den Hörer hingelegt,kann man sich nur noch beschimpfen. Mir geht es manchmal so,daß ich jemanden anrufe,um ihm mit guten Gründen abzusagen - und obwohl ich es nicht will,sag ich zu!! Weil wir immer die Bedürfnisse der anderen ernster nehmen als unsere eigenen. Was heißt ernster - unsere eigenen registrieren wir kaum. Schließlich,wer sind wir denn? Aber aufgeben tun wir nicht!! Man kann das üben. Ist doch eigentlich klar,daß du Bedenken hast. Es ist nicht leicht der eigenen Mutter unangenehme Dinge zu sagen,noch dazu wenn sie sich offenbar recht gut artikulieren kann. Vielleicht kannst du in Gedanken mal druchspielen,was sie wohl sagen wird und wie du drauf reagieren kannst? Du machst es zwar sicher anders,aber du bist besser gewappnet. Und wenn es bei diesem Gespräch noch nicht ganz hinhaut,kommt eben noch eins. Ich versteh natürlich gut,daß du am liebsten deine Ruhe haben möchtest,aber du weißt ja,daß das eine Vorbedingung ist. Und ich find dich ganz schön mutig. Du bist ganz allein zu ein paar wichtigen Entscheidungen gekommen. Du hast in mehreren threads sehr bemerkenswerte Dinge geschrieben und bist für dich eingestanden. Du schaffst auch das Gespräch mit deiner Mutter. Ung laß dich von deiner Therapeutin nicht hinhalten. Vielleicht will sie bloß,daß du Zeit hast,dir sicher zu sein. Und den liebevollen Ton miteinander lassen wir uns auch nicht ausreden... (nicht bös gemeint,wer es liest!) Bleib dran, Waltraut
susan
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Beitrag von susan »

Liebe Waltraut, danke für Dein Verständnis. Ist keine schlechte Idee, alles mal in Gedanken durchzuspielen, habe mir schon überlegt, ob ich mir einen "Spickzettel" mache (klingt zwar albern, aber andererseits habe ich Bedenken, daß nur Kauderwelsch rauskommt...) Hier im Forum kann ich das besser "für mich einstehen" Ich spüre die Offenheit anderer und kann mich auch öffnen. Meine Mutter redet nie "direkt" mit mir, sie redet immer noch mit dem Kind. Ich aber bin schon lange kein Kind mehr, habe mich weiterentwickelt, und das übersieht sie, oder will es nicht wahrhaben. Ich will ihr da auch nichts unterstellen, aber dieser Zustand nervt mich, macht mich traurig, nicht als die wahrgenommen zu werden, die ich JETZT bin... Natürlich bleibt es bei dem liebevollen Ton Er tut mir gut und ich finde es sehr schön, daß wir so miteinander umgehen. Und ich denke, auch Dr. Niedermeier ist kein kleines Kind mehr, wenn es ihn stört, daß wir ihn mit "Lieber Dr. Niedermeier" anreden, dann wird er sich bei uns melden. Dir noch einen schönen Abend Liebe Grüße Susan


susan
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Beitrag von susan »

Liebe Waltraut und alle, die hier lesen, es ist immer schwer für mich, hier etwas zu schreiben. Zu alledem kämpfen seit dem Besuch meiner Mutter das Gefühl der Gelähmtheit mit dem Gefühl der Erleichterung. Sie zerren aneinander und kein Gefühl kann sich durchsetzen. Ja, meine Mutter war da... Sie kam mit einem wunderschönen Blumenstrauß und einer Tafel Vollmich-Nuß Schokolade, die ich wirklich sehr gerne esse. Alles in mir auf "Ablehnung" programmiert und anstatt sie freundlich zu begrüßen, brachte ich nur raus: " Ich habe doch gar nicht Geburtstag... Und nasche auch nicht mehr so viel, weil ich schon so zu genommen habe..."(Hätte mich schon beim Reden am liebsten gestoppt, aber es ging nicht, dieser Quatsch mußte raus) Sie war genauso unsicher und angespannt, das merkte ich an dem was sie sagte: "Willst Du Deiner Mutter nicht erst mal Guten Tag sagen....das macht man doch so?" Damit hatte sie einen meiner wundesten Punkte erwischt, "Das macht man so, das macht man nicht so...!" ich kann das nicht mehr hören!!!Das lief schließlich meine ganze Kindheit, Jugend... so. Nach dieser ungeschickten, eisigen Begrüßung war ziemlich lange Ruhe, wir haben über "Bla, bla..." geredet. doch es war eine Spannung da und sie fing an, zu reden, zu fragen..Alles durcheinander...von der Kindheit, meiner Krankheit, ihren Schuldgefühlen, meinem Vater... Es war ein sehr offenes Gespräch und auch wenn mein Blutdruck auf "180" war, meine Stimme zitterte und mein Kopfschmerz immer stärker wurde, so spürte ich doch, daß es auch erleichterte. Und ich habe ihr dann gesagt, daß es unnötig ist, Vergangenes ändern zu wollen. Es geht nicht !!!ICH bin dabei und ich habe ihr deutlich gemacht, daß ich noch am Anfang bin, eine andere Einstellung zu vielen Dingen, meine Kindheit betreffend, zu erlernen. Habe auch gesagt, ich will einfach nur meine Ruhe haben, keiner soll sagen "Du bist doch so, und nicht so.." "Wir kennen Dich doch..." Ich bin so wie ich bin, und wie, das weiß ich heute selbst noch nicht genau - ich bin auf dem Weg zu mir. Das zu sagen, hat erleichtert, und ich habe ganz genau gemerkt, was sie akzeptiert und was sie einfach nicht begreift, z.B. das ich nicht solchen engen Kontakt mit meinen Geschwistern haben möchte wie sie mit ihren. Das ist eben so!! Und bei vielen Sachen mußte ich ihr sagen: "Das ist nicht die Krankheit, das bin ICH!!" Ich bin nunmal sehr gern allein, genieße Spaziergänge allein, mag keine Familiefeiern mit 14 Personen, wo alles drunter und drüber geht. ...Es waren etliche Sachen dabei, die sie enttäuschen, denn obwohl sie es versucht hat, nicht zu zeigen, es war so, auch ich kenne sie ja in vielem. Das Entscheidende ist, es beschäftigt mich zwar, aber es tut mir nicht mehr unendlich weh. Es ist nicht meine Schuld, wenn sie sich schlecht fühlt, weil sie mich nicht annehmen kann wie ich bin. Ich hab mich nicht unbedingt gut gefühlt nach dem Gespräch, kann auch jetzt erst darüber schreiben, aber es war an der Zeit, ich muß ansprechen, was ich denke und fühle, sonst.....weiß niemand, wer ich bin!!! Liebe Grüße Susan


waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Susan, ich bin ganz begeistert. Du hast es fertig gebracht,deiner Mutter zu sagen "das ist nicht die Krankheit,das bin ich!". Was für ein toller Satz! Weißt du,ich möchte ihn am liebsten einrahmen und uns allen als Motto hinsetzen: Wir sind geheilt,wenn wir sagen können "das ist nicht die Krankheit,das bin ich!" Natürlich hat dich das Gespräch mitgenommen,aber du hast es durchgeführt. Ich kann mir so richtig vorstellen,wie du am Anfang gedacht hast, sch...,läuft schief,aber du hast dich nicht unterkriegen lassen. Und ich finde es sehr positiv,wie deine Mutter reagiert hat. Ich freu mich, lieben Gruß Waltraut
Thomas

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Beitrag von Thomas »

Liebe Susan, was für eine großartige Leistung, ganz ehrlich, mir kamen die Tränen, als ich es gelesen habe. Da zerren 2 Seiten in dir- das ist ja auch klar. Du warst immer die liebe Tochter, da steckt ja auch ein ängstliches Kind in dir, das Strafe, oder schlimmer, Liebesentzug befürchtet! Lieber Gruß Thomas
susan
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Loslsung von der Mutter

Beitrag von susan »

Liebe Waltraut, lieber Thomas, danke für Eure lieben Worte. Sie tun sehr gut. Ich fühle immer mehr, auch durch Euch, durch das Forum, das ich auf dem richtigen Weg bin. Lieber Thomas, ich habe gelesen, daß es auch dir zur Zeit nicht besonders geht. Ich glaube, so geht es mir jedenfalls, durch die Beiträge, die man hier liest, wird vieles in einem aufgewühlt, man erkennt sich wieder in dem, was andere schreiben.... Es geht uns dann nicht immer gut, aber das ist dann auch etwas, was wir noch nicht "verarbeitet" haben. Es ist WICHTIG, daß wir es noch einmal hervorholen....auch wenn es uns erst schlechter geht, auf lange Sicht geht es uns besser.... Liebe Grüße......natürlich an alle anderen... Susan


christabelle
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Beitrag von christabelle »

Hallo, Waltraut! Also, ich bin NICHT geheilt, wenn ich sagen kann "das ist nicht die Krankheit, das bin ich" - mich hat die Krankheit verändert (Wut, Ängste, Handlungsunfähigkeit, Entscheidungs-, Schlaflosigkeit und was der Symptome mehr sind) - höchstens in dem Sinne "das ist nicht MEHR die Krankheit, das bin WIEDER ich" könnte ich zustimmen, aber so hörte es sich für mich bei Susan nicht an (gehört das jetzt wieder unter "Akzeptanz"?) - ich möchte wieder die werden, die ich war (im Gegensatz zu wohl allen anderen hier); also: sprich für Dich selbst! (Ich weiß schon; wenn ich so toll war, wieso bin ich dann krank geworden? Das lag nicht in mir, sondern an äußeren Umständen, die ich einfach nicht ändern konnte, die mich aber langsam zermürbt haben, bis ich keinen anderen Weg sah als Selbstmord (warum nennt jeder das hier vornehm "Suizid"?) - aber als letzte Chance für meine Familie bin ich zu einem Nervenarzt gegangen und habe mir Tabletten verschreiben lassen, quasi als Krücke bis genug Zeit gewonnen war, die äußeren Umstände doch anzugehen). An Susan: Auch ich bewundere Deine Stärke, Deiner Mutter alles so offen zu sagen und das gg. innere Widerstände durchzuziehen - aber ich bewundere und wundere mich auch, daß Deine Mutter (wenigstens zum Teil) versteht; das war bei meiner Mutter nicht möglich (ich werde nie erfahren, ob sie nicht konnte oder nicht wollte); vielleicht seid Ihr ja beide auf dem Weg zum wahren Du? Gruß Christabelle
susan
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Loslsung von der Mutter

Beitrag von susan »

Liebe Christabelle, weiß auch nicht so recht, wo das hingehört...aber ich schreib einfach hier weiter. Ich bin als Kind sehr streng erzogen worden (bin nicht die Einzige hier im Forum, die daran heute noch zu "knabbern" hat) Meine Eltern, meine Großeltern, mein ganzes Umfeld, haben soviel an mir herumgeformt, das ICH in mir konnte nie raus. Und nun hat es sich "gemeldet"... Ich habe schon etliche Jahre Migräne, habe diese versucht, zu minimieren, mit Dingen, die mir guttun, hab auch erreichen können, daß ich nicht mehr 14 Migräneanfälle, sondern nur noch 6-8 im Monat habe. Und, so wie ich es heute sehe, bewege ich mich auf dieses immer wieder erstickte ICH zu. Da tauchen dann typische Symptome der Depression wie der Rückzug aus dem sozialen Umfeld auf und ich habe bemerkt, daß diese Krankheitsmerkmale mir gut tun (natürlich nicht alle !!!!) für meine Eltern, für die Familie, gehört aber ALLES, was ich jetzt tue, wie ich z. Zt. bin, unbedingt zur Krankheit, und ist ihrer Ansicht nach verschwunden, wenn ich wieder gesund bin. Dabei habe ich durch die Depression u. a. herausgefunden: Ich bin so, ich mag vieles alleine tun! Das ist für mich neu, ich bin seit meiner Kindheit so gewesen, wie es andere von mir verlangt haben. Und deshalb muß ich allen, die auf die Gesundung hoffen, in Bezug auf Dinge, die mir guttun und die ich auf keinen Fall mehr missen möchte, sagen: DAS IST NICHT DIE KRANKHEIT, DAS BIN ICH!!! Ich bin sehr froh, daß meine Mutter mich in einigen Punkten versteht, es hat mir auch gezeigt, daß es richtig war, diesen Schritt zu gehen. Es bleibt noch sehr viel Unverstandenes übrig, aber es wäre schade, wenn das, was sie versteht, nie ausgesprochen worden wäre. Liebe Grüße Susan


jenny
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Loslsung von der Mutter

Beitrag von jenny »

Hallo Christabelle und Susan, An Christabelle - na, da spricht wieder die Kämpferin, oder? (egal ob in ÜBersichtlichkeit oder Akzeptanz oder sonstwo) Und das ist doch auch gut so - Du bist die Kämpferin, und darin liegt eine enorme Power, die Kraft, die Dir helfen wird, die zu sein, die Du sein willst. "Christabelle ohne Symptome" - ob das nun die ist, die Du vorher warst, oder die, die verändert aus der Krankheit rausgekommen ist, ist doch letztlich egal. Wichtig ist ja nur, dass Du die bist, die Du magst und die Du annehmen kannst und Dich nicht ablehnst - so wie Du halt die Symptome ablehnst, die Dich quälen. ICh möchte auch wieder die werden, die ich vorher war (also nicht alle anderen nicht...) - aber daran glaube ich nicht. Es ist zu viel passiert. Ich werde nie mehr hinter die Wut der letzten Jahre zurück gehen können. ICh werde einfach diese Zeiten nicht vergessen können - und für mich ist es auch nicht gut, sie wieder zu vergessen (siehe Akzeptanz, für mich liegt darin eine Gefahr) Ich spüre zwischen Deine Zeilen oft viel Wut und die spricht mich an, da merke ich, wie in meinem Adern das Leben brodelt. Aber das ist anders, als die alte Jenny, die hatte nämlich vor Wut Angst. Jetzt ist Wut für mich das Leben. Aber ich bin wütend geworden, durch die Krankheit, aber Leute im meinen Umfeld sollten sich sehr hütend zu sagen, "Ach, dass ist jetzt nur weil sie krank ist" und so habe ich verstanden, was Susan geschrieben hat, dass alles was an ihr neu ist, als "krank" abgestempelt wird. Die Wut ist eine Befreiung für mich. Und da werde ich richtig zickig, wenn alles, was fürs Umfeld unbequem ist damit ertragbarer gemacht wird, dass Jenny halt krank ist und nix dafür kann... Ich persönlich tue mich mit zu viel Empathie schwer, weil sie mich entmutigt, klein macht, wieder das Kind, das biegbare Opfer rauskehrt. An Susan: jetzt hat mich irgendwie der Überblick verlassen, dabei wollte ich doch auch zum Ausdruck bringen, wie toll ich finde, dass Du das auf Deine Weise hingekriegt hast. Jetzt bin ich leider gerade auf der Wut Schiene und mich hat die sanfte Empathie verlassen, tut mir leid, ist aber nicht weniger ernsthaft und wirklich beeindruckt gemeint Jenny
waltraut
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von waltraut »

hallo jenny, das mit der Empathie,die klein macht,wenn man zu viel davon kriegt,finde ich einen sehr bemerkenswerten Satz! Das ist auch etwas,was ich zwar gespürt,aber so klar nicht gesehen habe. Eine große Hilfe! Gruß Waltraut
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