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An Tagen wie diesen....

Verfasst: 4. Okt 2011, 13:20
von MSS
Hallo,

in meinen früheren Beiträgen habe ich über die depressionen meines Partners geschrieben. Dabei leide ich seit über 5 Jahren selbst darunter. Ich wollte es mir aber nie eingestehen, weil es immer wieder Phasen gab, in denen es mir wieder besser ging und ich es verdrängt habe, weil ich eigentlich ein sehr fröhlicher und lustiger Mensch bin.

So schlecht wie jetzt ging es mir aber schon sehr lange nicht mehr. Ich bin am Boden. Ich könnte nur weinen. Ich habe festgestellt, dass ich psychisch einfach nicht wirklich belastbar bin bzw. nur in manchen Situationen. Privat bin ich nämlich sehr wohl psychisch belastbar, nur nicht beruflich. Ich habe vor kurzem eine neue Arbeit angefangen, bei der man sehr unter psychischem Druck, als auch unter Zeitdruck steht. Nie macht man etwas richtig, alles muss schnell schnell gehen. Ich bin sehr fleißig und habe auch eine sehr gute Bildung, dennoch komme ich mit diesem Druck nicht zurecht. Derzeit ist es so schlimm, dass ich einer Psychologin auf den Anrufbeantworter gesprochen habe, um schnellstmöglich einen Termin zu machen. Diese Woche hab ich mir Urlaub genommen, ich halte es auf der Arbeit nicht mehr aus, ich habe das Gefühl, ich würde dort jeden Moment weinend zusammenbrechen.

Ich fühle mich derzeit einfach total hässlich und nicht liebenswert. Ich frage mich dann auch, was mein Partner an mir findet und habe auch Angst, dass er sich eine hübschere,bessere Freundin sucht, oder mir sogar fremdgeht. Kaum geht er weg, mache ich mir Gedanken, wo er ist usw.

Kennt ihr diese Gefühle auch????? Habe schon mit meiner Mutter über vieles gesprochen, aber ich habe das Gefühl, sie erkennt den Ernst der Lage nicht und versteht mich in keinster Weise .

Re: An Tagen wie diesen....

Verfasst: 4. Okt 2011, 14:33
von Susi_Sun
Hallo miss_sunshine,

also die Angst, was der Partner in Abwesenheit macht, kenne ich nur von der anderen Seite... Und ich kann dir sagen, als derjenige, dem man Misstrauen unberechtigterweise entgegenbringt, ist das sehr niederschmetternd, ärgerlich und nervend. Aber wie du selbst schreibt, kommt das offenbar ja nicht zusammenhanglos. Du siehst den Zusammenhang mit dem Druck in deiner neuen Arbeit. Und das kenne ich sehr gut!

In beiden Situationen glaube ich herauslesen zu können, dass du große Versagensängste hast. Du hast Angst, den Druck in der Arbeit nicht gerecht zu werden, obwohl dir bewusst ist, dass du dein Bestes hierfür gibst. Und die gleiche Angst hast du wohl deinem Mann gegenüber. Du hast Angst, ihm gegenüber zu versagen, nicht mehr gut genug für ihn zu sein, vielleicht, weil die Arbeit dich schon so auspowert, dass du nicht mehr die Kraft wie in der Vergangenheit für deinen Mann zur Verfügung hast.

Hast du in all dem eigentlich schon mal an dich gedacht? Du machst dir Gedanken, ob du DER ARBEIT gerecht wirst, ob du DEINEM MANN gerecht wirst. Wirst du dir selbst gerecht???

Ich frage das absichtlich so provokativ - es war/ist genau der Punkt, an dem ich seit Jahren immer wieder scheitere! Ich schaue immer, dass es anderen gut geht, vergesse dabei mich!

Hast du dir schon mal einen Notfallplan zurechtgelegt? Also du siehst den übermäßigen Arbeitsdruck als Hauptursache. Was könnte alles passieren, wenn du in diesem Strudel weitermachst? Entweder du gehst psychisch drauf, und/Oder deine Leistung mindert sich so extrem, dass du die Stelle verlierst - mit entsprechendem Zeugnis. Und dann fehlt dir die Kraft, um eine neue Stelle zu suchen. Was wäre eine andere Variante?

Geht es Kollegen auch so mit dem Druck? Oder empfindest nur du so? Wenn es den Kollegen auch so geht, dann ist in der Firma sicherlich eine hohe Fluktuation - nicht ohne Grund. Wem fällt es also auf, wenn du schnellstmöglich wieder die Stelle wechselst? Empfinden die Kollegen nicht so/gibt es keine hohe Fluktuation, dann überlege doch, ob die Kollegen irgendwas anderes machen als du? Sagen sie zu dem Druck einfach auch mal Nein? Haben sie ein größeres LMAA-Gefühl? Wenn ja, könntest du davon etwas lernen? (Denn offenbar wird das ja dann in der Firma geduldet.) Gibt's noch eine Variante?

Was wäre, wenn dir dein Gefühl sagt, das hilft alles nichts? Du hast jetzt Urlaub. Was, wenn du deine Situation schon mal dem Arzt darüber redest? Und du parallel dich auf neue Stellensuche begibst? Jetzt, wo du vielleicht noch ein wenig Kraft mobilisieren kannst? Ich empfand es immer als das Schlimmste zu wissen: Ich darf nicht kündigen, sonst bekomme ich von der Arbeitsagentur eine Sperrfrist. Nicht aber, wenn dein Arzt hinter dir steht und dich unterstützt. Dazu ist es notwendig, dass nicht nur dein Arzt davon bescheid weiß, sondern dass du auch aktiv am Arbeitsplatz versuchst, die Stressoren zu minimieren. Auch durch Gespräche mit den Vorgesetzten.

Ein "Notrallplan" ist meiner Meinung deswegen so wichtig, weil sich die Gegenwart leichter ertragen lässt, wenn man einen Ausweg, ein Licht am Tunnelende, sieht. Es zermürbt einen nicht ganz so, man bleibt positiver, optimistischer, der Kampfgeist verschwindet nicht ganz, bzw. man kann ihn wieder entfachen.

Ich hatte immer das Pech, dass auf meiner Stirn wohl geschrieben steht: "Ich bin Opfer, geb mir ja nicht Recht! Und wehe, du hilfst mir!" Meine Vorgesetzten lachtem mich mehr oder weniger nur aus und machten mir das Leben nur noch schwerer - und so blieb mir nichts anderes über, als zu kündigen. Beim letzten Stellenwechsel habe ich jedoch schon gelernt, mir nicht mehr alles gefallen zu lassen. Mein Arzt war bereits darüber informiert und ich wusste, er steht hinter mir. Als ich an den Punkt kam, dass Suizid-Gedanken in mir hochkrochen, war mir klar, jetzt hilft nur noch "Akut-Handlungen". Also keine Überlegungen, was man tun könnte irgendwann, sondern ich musste "sofort" diese(s) Leben(ssituation) beenden. Wie beendet man die Lebenssituation Arbeit? Durch Kündigung. Und die musste, meinem Körper zufolge, sofort ausgesprochen werden. Aber wer sagt, dass ich auch ab sofort nicht mehr arbeiten darf? Ich kündigte nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt, sondern mit 3 Monaten Vorlauf, so dass ich noch Chancen für eine neue Stelle hatte. Mit der Kündigung sagte ich, dass ich drauf bestehe, diese Stressoren für die restliche Zeit rauszunehmen. Denn, ich möchte gerne bis zum letzten Tag arbeiten und weiter mein Bestes geben dürfen. Aber wenn man mich weiter überfordert, sehe ich mich gezwungen, mich krank schreiben zu lassen. Das zog. Zwar habe ich jetzt im Zeugnis drin stehen, dass ich nicht belastbar bin (natürlich positiv formuliert), aber dadurch hatte ich tatsächlich wieder die Kraft für die Stellen suche über und auf den letzten Drücker fand ich auch eine neue Stelle - die wirklich optimal für mich ist! (Ich hätte noch einige andere haben können, die ich ablehnte, weil die mir ebenfalls einen zu hohen Druck für mich auslösten und war auch bereit, deswegen mit der Arbeitsagentur zu streiten.) Und mein neuer Chef sagte mir zu dem Zeugnis: "Mir ist lieber, ich habe jemanden, dem ich keine 10 Aufgaben auf einmal geben darf, sondern nacheinander, solange ich weiß, jede einzelne Aufgabe wird zuverlässig und sorgfältig ausgeführt. Als dass ich jemanden hier sitzen habe, der zu allem ja schreit und nichts ist ordentlich gemacht!" Es gibt also durchaus auch noch Menschen als Chefs! (Wenn man sie auch suchen muss...)

Nimm dir den Urlaub wirklich als Auszeit! Schlafe viel! Und tu etwas nur für dich! So nach dem Motto: "Essen, Spielen, Schlafen!" Das ist wichtig!

Liebe Grüße

Susi_Sun

Re: An Tagen wie diesen....

Verfasst: 4. Okt 2011, 16:16
von MSS
Hallo Susi_Sun,

vielen Dank für deine Antwort, sie hat mir Kraft gegeben und gezeigt, dass es Menschen gibt, denen es ähnlich geht, wie mir. Ich werde mich jetzt definitiv nach einer neuen Stelle umsehen, wie du es auch vorgeschlagen hast. Mir ist nämlich in letzter Zeit immer bewusster geworden, dass es anders nicht geht. Das blöde ist nur, dass ich keinen Beruf erlernt habe( ich habe schon mehrere Ausbildungen abgebrochen, weil ich auch dort dem Druck nicht stand hielt). Da ist es nicht so einfach etwas Neues zu finden, aber ich denke es ist auf jeden Fall möglich. Ich will einfach nur arbeiten und mein Geld verdienen, mehr will ich ja gar nicht. Hast du vielleicht noch ein paar Tipps für mich?

Re: An Tagen wie diesen....

Verfasst: 4. Okt 2011, 17:33
von Susi_Sun
Liebe miss_sunshine,

freut mich, wenn ich dich optimistischer stimmen konnte!

Du fragst nach Tipps, hm... Weißt du, was mir da als erstes einfällt? Vor ziemlich genau einem Jahr fragte mich ein guter Freund: Meinst du, dass du den richtigen Beruf hast? Oder würdest du lieber was anderes machen? Ich schaute ihn erstmal groß an, sagte, an und für sich finde ich schon, dass ich den richtigen Beruf habe, ich komme nur mit den Arbeitsbedingungen mittlerweile nicht mehr klar. Wenn ich mit nem Ausbildungsgehalt klar kommen könnte, würde ich allerdings eine andere Ausbildung nochmal anstreben. Dann fragte er, ob es nicht in meinem Bereich trotzdem einen Beruf gäbe, den ich vielleicht nur mit einer Weiterbildung statt Ausbildung anstrenben könnte, und trotzdem zu mir besser passt. Ich bejahte und benannte diesen Beruf. Warf als Bedenken ein, dass ich dies in meiner Ausbildung als Lernfach hatte - aber nie in der Praxis gebraucht hatte. Dreimal darfst du raten, was ich jetzt beruflich mache? Genau diesen letzten Beruf. Als völliger Neuling. Zwar darf ich mich nicht als Fachkraft nennen, weil ich ja nicht diesen Beruf erlernt habe, aber trotzdem passt es zu mir. Ich dachte immer, wer will mich, ohne praktische Erfahrung dort einstellen, wo es doch zig Erfahrene auf der Straße gibt? Tja, aber wenn man es erst gar nicht versucht, kann man es auch nicht genommen werden...

Was ich sagen will: Wenn du keine Ausbildung hast, kannst du vielleicht nicht als Fachkraft eingestellt werden. Aber das heißt doch nicht, dass du die Arbeit nicht genauso gut schaffen kannst. Ich meine jetzt rein vom Thema her, nicht die Umstände, die dann in einer Firma vorzufinden sind. Falls du noch nicht so richtig weißt, welches Potenzial in dir schlummert (ob du z. B. sehr kreativ bist und gut ins Marketing, oder in so "Maler/Bastler/Näher"-Berufe passen könntest, oder mehr technisch und eher in die IT passt, oder oder oder), versuche dies mal herauszufinden. Ich hab dazu mal so einen "Persönlichkeitstest" gemacht. (z. B. ein sehr verkürzter ist unter www.typentest.de zu finden, ich hab den auf www.keirsey.com gemacht, allerdings finde ich ihn grade nicht auf deutsch. Der ist sehr ausführlich und für bisschen Geld bekommt man ihn extrem ausführlich.) Dort werden dann Beispielberufe genannt. Manche dieser Berufe sind für mich viel zu hoch gegriffen, da man akademische Grundlage bräuchte. Aber es geht ja nur ums Prinzip, dass man seine Richtung kennenlernt. Dann kann man sich ja informieren, welche Berufe es in diese Richtung überhaupt gibt, und welche du dir vorstellen könntest, dass sie zu dir passen. Für mich wären auch zwei aufgelistet gewesen, die ich bereits hatte, und die auch mal zu mir passten, aber aufgrunddessen, dass man ständig mit sehr viel unterschiedlichen Menschen zu tun hat, ist allein das schon für mich ein Stressfaktor (Also Verkäufer, Sekretärin etc). Ich brauche einen Beruf, bei dem man wenig mit Menschen zu tun hat. Aber auch keinen, in dem ich von der Menschenwelt abgetrennt bin...

Sowas kann man auch über die Arbeitsagentur erforschen. Entweder dass du verschiedene Praktika mal probierst, oder auch über den Medizinischen Dienst deine Belastbarkeit testen lasst. Ich habe vor Jahren gedacht, ich gehe zum Psychologischen Dienst, da ja die Belastung mit der Psyche zu tun hat. Aber da war ich völlig fehl am Platz. Die machten IQ-Tests mit mir und fragten mich hinterher, was ich eigentlich will, mit meinem IQ hätte ich das Abi ja mit links schaffen müssen... Völlig verdattert fragte ich zurück, was denn bitte der IQ mit der Belastbarkeit zu tun hat? Ich hab ja nie meine Intelligenz angezweifelt. Aber beim Medizinischen Dienst wird man wohl stationär für 1-2 Wochen oder so aufgenommen und dann macht man verschiedene praktische Tests, von Produktionstätigkeiten über kaufmännische Tätigkeiten, körperliche Tätigkeiten (Handwerk), PC/IT-Tätigkeiten. Eigentlich hatte ich mir sowas gewünscht. Ich war damals nur so frustriert davon, dass ich keinen zweiten Anlauf mehr wagte. Würde ich heute wieder arbeitslos werden, würde ich das jedoch nochmal anstreben. Dadurch kannst du nämlich nicht nur für dich selbst herausfinden, was dir liegt, sondern die Arbeitsagentur kann dir auch keine Stellen mehr vermitteln, die dir nicht liegen. Du darfst dann nur nicht während dieser Tests dazu hinreißen lassen zu meinen, bei allem irgendwie durchzuhalten - sonst musst du hinterher doch wieder alles machen... Wirklich ehrlich zu dir selbst sein. Was nicht geht, geht eben nicht.

Und falls man wirklich für das, was du dir ausgewählt hast, Vorkenntnis braucht, vielleicht gibt es ja auch eine Unterstützung von der Arbeitsagentur. Die bieten manchmal nämlich Weiterbildungskurse an, verbunden mit Praktika. Durch die Praktikumsstellen kann auch der Arbeitgeber dir die Chance geben, dich dort reinzufinden und bei ihm zu bleiben. Das hätte ich damals gerne wollen, wenn die nicht meinen IQ abgefragt hätten statt meine Belastbarkeit...

Vielleicht haben auch noch andere paar praktische Tipps???

Ganz liebe Grüße

Susi_Sun