Wut und Aggressionen

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DarkRaven
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Wut und Aggressionen

Beitrag von DarkRaven »

Antiope
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Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von Antiope »

Hallo DarkRaven,

oh ja - Wut und Aggressionen gehören dazu, und wie ...

Das "Explodieren" kenne ich sehr gut - genau diese Art von Dünnhäutigkeit, von Schutzlosigkeit, das Nicht-Mehr-Abschirmen-Können.

Bei mir ist eigentlich auch die hilflose Sorte der Wut dabei. Also nicht eine Wut, die hochsteigt, sondern mehr die verkapselte, nach innen oder zurückgekehrte Sorte.
Für mich war die Wut, der Zorn auch nicht ansehbar, ertragbar. Einfach, weil ich das Gefühl hatte, dass ich dann die Kontrolle darüber verliere, oder auch, weil ich merkte, sie ist der Situation nicht angemessen oder ich kann die Motive der Wut nicht durchsetzen.
paco
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Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von paco »

Ja DarkRaven,

das kenn ich alles. Und ich weiß nicht, wie das genau in Beziehung zur Depression steht, aber einen Zusammenhang gibt es m.E.

Wut und Aggression sind Emotionen bei allen Menschen. Die Kunst ist, damit gut umgehen zu können. Und da, meine ich, liegen wir Depressive etwas schief.

Das was Du als explosionsartig beschreibst, ist das der Jähzorn? Den kenne ich sehr gut. Ich halte ihn für einen Teil meines depressiven Ichs. Er ist verflucht zerstörerisch. Ich meine inzwischen, er hat die Folgen meiner Depression besonders schlimm gemacht, weil ich zu oft im Leben trotzig und aus dem Jähzorn heraus reagiert habe. Letztlich falsch reagiert habe. Manchmal sogar mit Zeitverzögerung.

Und die langsam innerlich ansteigende Wut? Die Du vorerst für Dich behältst? Die frisst sich rein in Dich, wenn Du sie nicht verarbeitest und verschlimmert, vielleicht in ganz anderen Situationen, den Jähzorn. Oder setzt sich in Form eines Depri verstärkenden oder auslösenden Faktors in Dir fest.

Wut ist als aggressive Reaktion auf Stressfaktoren ganz normal, mein ich. Was dann den Unterschied macht, ist der vernünftige Umgang mit der Wut.

Ein friedliches, sonniges Wochenende wünscht

paco
otterchen
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Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von otterchen »

Moin Moin!

Oh ja, das kann zur Depression gehören -
besonders wenn man diese Wut unterdrückt und nicht rauslassen will oder kann.

Ich hatte damals in der Klinik eine "Einzelstunde", in der ich meine Aggressionen abbauen konnte (die, die sich seit Jahren in mir angestaut hatten), und das war sehr erlösend.

Ansonsten ist Wut auch oft ein "Deckelchen" für andere Gefühle, die sich dahinter verbergen: nicht weiterwissen, ängstich sein, überfordert sein usw.

mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Antiope
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Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von Antiope »

Hallo Otterchen,

ich denke, nicht nur die Wut ist ein "Deckel" für andere Gefühle, sondern die Traurigkeit, die Depression selbst ist der Deckel für Wut und Zorn.
Wenn ich frustriert wäre, weil etwas nicht so funktioniert, wie ich es will oder erwarte, dann kann ich entweder wütend werden oder ich kann die Wut "abschnüren" und werde hilflos und traurig.

Jähzorn sehe ich manchmal einfach als nicht mehr kontrollierter oder kontrollierbarer Gefühlsausbruch, in dem auch eine massive Angst oder andere starke Emotionen deren Energie "mitabgeben" und sie auf diese fremde Art "kanalisieren".

Im Moment bin ich am Überlegen (für mich), inwieweit ich dann depressiv werde, wenn mir Handlungsmöglichkeiten fehlen. Also Energie an Depression abgeben, damit sie mich nicht zu irgendwelchen mir nicht geheuren/nicht erlaubten/... Aktionen antreibt. Dann würde ja die Energie trotzdem noch da sein ...


Wie würde für Dich, DarkRaven, eine "akzeptierte Wut" aussehen können? Oder sind alle diese Gefühle "nicht angemessen"? Gibt es für Dich auf Vorteile, wenn jemand seinem Zorn und seiner Wut Ausdruck verleiht - also hätte dieses Gefühl für Dich bei jemand anderem auch irgendwann und unter bestimmten Bedingungen eine Berechtigung?
DarkRaven
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Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von DarkRaven »

FrauRossi
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Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von FrauRossi »

Hallo,

ich bin früher auch Jähzornig gewesen. Ich wollte es nicht aber ich bin auch wegen Kleinigkeiten hochgegangen.

Heute weis ich das passierte wenn ich mich in die Ecke gedrängt fühlte. Ich aus einer Situation nicht herauskam. Damit meine ich eher die gesamt Situation die mich umgab, weniger einzelne Situationen.

Das hab ich damals aber nicht erkannt. Erst als ich mein Leben komplett geändert habe, hörte der Jähzorn auf und ich begann mich zu fragen warum.

Vieleicht schaust du dich in deinem Leben um. Wo werde ich überfordert, wo werde ich beschnitten? Wo verhalte ich mich dauerhaft gegen meine Natur?

Vielleicht nützt's was.

LG FrauRossi
otterchen
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Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von otterchen »

Hallo!

Du fragst
Darf ich fragen, wie diese Stunde ausgesehen hat?

Es war in der Sporthalle. Unter Anleitung einer Therapeutin meines Vertrauens machten wir Atemübungen, wobei ich mit einem speziell ummantelten Schlagding (?) auf die Turnmatten einschlug.
Zunächst kam ich mir total bescheuert und fehl am Platz vor, aber durch die gute Führung der Therapeutin gelangte ich an den Punkt, wo ich wirklich meine Wut spürte, quasi Menschen und Situationen vor meinem inneren Auge aufsteigen sehen konnte, und ich habe darauf eingeschlagen.

Ich kann mich nur noch vage an die erinnerten Situationen erinnern, denn sie sind seitdem verschwunden und belasten mich nicht mehr.



Zum Deckeln:
ich habe während einer recht düsteren Phase meines Lebens oft gedacht "alles wird Wut" (in Abwandlung zu alles wird gut), weil mich so viele Sachen auf die Palme gebracht haben.
Heute weiß ich, dass viel Unsicherheit, Angst, Hilflosigkeit usw. dahinter steckte.

mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
DarkRaven
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Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von DarkRaven »

otterchen
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Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von otterchen »

Hi DarkRaven

Was, wenn ich zum Beispiel sauer auf meine Familie werde? Ist das nicht ungerecht?

Nein... denn stell Dir vor, Du kannst Deine Wut bei der Therapiestunde rauslassen, und Deine Familie bekommt das nicht einmal mit.

Du darfst doch auch wütend auf sie sein. Es ist nur ein Gefühl, und Gefühle gehen vorüber.
Ich kann doch jemanden lieben und dennoch mal sauer auf ihn werden. Sowas schließt sich ja nicht aus. Und wenn Du das Gefühl von Wut haben solltest, sagt das doch immer noch nichts über Dich als Gesamtheit aus. Du bist durch die Wut nicht minder dankbar oder zugewandt oder was auch immer.

Und wieso ungerecht? DARFST Du nicht wütend werden, wenn Dir etwas Gutes widerfährt? MUSST Du dankbar sein und alles schlucken?



Hinter dieser Wut könnte verschiedenes stecken:
vielleicht staut sie sich an, weil Du sie Dir nicht "erlauben" willst?
viellicht wirst Du wütend, weil Du Dich nicht abgrenzen kannst?
vielleicht baut sich Wut auf, weil die Dinge halt nicht eindimensional sind - wie ein Kuchen... Du findest den Kuchen toll, und er ist speziell für Dich gebacken worden, aber er enthält eine Zutat, die Du absolut nicht magst (blödes Beispiel, sorry).



Übrigens: ich war bei der Aggressionsübung total fix und fertig, und natürlich auch in Tränen aufgelöst.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
wütend

Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von wütend »

He DarkRaven

>>Was, wenn ich zum Beispiel sauer auf meine Familie werde? Ist das nicht ungerecht?<<

Vielleicht ist deine Wut auf das/die Familienmitglied/er ja berechtigt.
Schwert10
Beiträge: 257
Registriert: 9. Mär 2011, 15:50

Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von Schwert10 »

Hi alle,
seit einiger Zeit ist Wut und Agression ein fester Bestandteil meiner Talfahrten. Meist bin ich einen Tag lang einfach nur muffelig, aber ich kann mich drauf verlassen, daß ich am nächsten Tag sauer auf alles und jeden bin. Die Angewohnheiten meiner Mitmenschen, die mich einschränken, meine Bedürfnisse übergehen, meine Wünsche ignorieren. Wenn ich unbedingt noch wütender werden will, sehe ich Nachrichten.

Hinter meiner Wut steht immer das Gefühl von Ohnmacht oder Hilflosigkeit. Tage vorher gab es meist eine Situation, die mich an diese Ohnmachtsgefühle erinnert hat, es können Kleinigkeiten sein, die nicht mal schlecht ausgegangen sind oder die mich normalerweise auch nicht besonders stören. Diesmal weiß ich, wo der Hase im Pfeffer liegt und welche Baustelle sich da aufgetan hat. Ich mußte aber ziemlich intensiv nachforschen, bis ich drauf kam!

Den richtigen Umgang mit Agression habe ich leider auch nicht gelernt. Ärger so ausdrücken, daß es nicht alles nur noch schlimmer macht oder mich am Ende beschämt zurückläßt...Ich kenne das Maß nicht, entweder schlucke ich einfach alles runter oder fauche jeden an, egal ob schuldig oder unschuldig. Wobei Letzteres nicht so schlimm ist, denn ich kann mich auch entschuldigen und um Verständnis bitten. Manchmal sage ich schon vorher, daß ich ungenießbar bin und mir bitte keiner Quer kommen soll! Ich ernte zwar manchmal verwunderte Blicke, aber zu meinem eigenen Erstaunen werde ich ernstgenommen.

Wut und Zorn, Ärger, Agression sind für mich heute ganz angemessene Gefühle, die genauso eine Berechtigung haben wie alle anderen. Gefühle stecken voller Energie, bei Wut spürt man das am Deutlichsten. Ich unterdrücke sie heute nur deshalb noch, weil ich halt noch nicht gut damit umgehen kann, nicht, weil ich sie für schlecht halte. Da ich kein Sportfan bin, nutze ich die Energie manchmal für den Hausputz Fliesen schrubben geht prima, wenn man wütend ist! Und das, obwohl ich nicht mal ein Fan von Haushalt bin...
lg wakora
Das Leben ist wertvoll

ob es nun strahlend ist wie ein diamant

oder dunkel wie kohle

beide sind aus demselben stoff.
Susi_Sun
Beiträge: 37
Registriert: 26. Jun 2010, 23:52

Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von Susi_Sun »

Hallo DarkRaven,

Wut/Aggression - war das Gesprächsthema Nr. 1 der letzten beiden Therapiestunden bei mir!

Was bei mir genau dahinter steckt, weiß ich noch nicht. Eines hab ich schon herausgefunden: Lieber werde ich aggressiv, als dass ich Emotionen wie weinen etc. zulasse...

Was das subjektive Gefühl angeht, dass man meint, man würde überreagieren, also nicht der Situation angepasst: Ich musste feststellen, in den meisten Situationen, in denen ich die Kontrolle darüber verloren habe, bekam ich die Resonanz: Endlich hast du mal selbstbewusst deine Meinung gesagt! Selbst in Situationen, wo völlig unbeteiligte davon betroffen wurden, war keine böse auf mich oder so. Allerdings gab es auch Situationen, bei denen es wirklich ein ein Disaster geendet wäre, wenn ich nicht ein stückweit Kontrolle zurückerlangt hätte...

Aber wie schon viele sagten: Es ist oft eine Wut, die man jahrelang nicht zulässt und verschluckt - von sich wegschiebt. Aber sie ist immer noch in dir drin. Und irgendwann kannst du sie nicht mehr halten. Das ist wie bei einem Vulkan. Der Vulkan kocht und brodelt, manchmal steigen nur Rauchwolken hoch, aber scheinbar ist er unter Kontrolle. Und dann ganz plötzlich schießt die Lava heraus... Wäre es nicht besser, seine Wut dann, wenn sie auch entsteht, rauszulassen? Dann ist es nicht jedesmal so viel, das raus muss, nicht explosionsartig.

Die Schwierigkeit besteht ja darin, erstmal zu akzeptieren, dass Wut auch wichtig und richtig ist. Dieses Gefühl wertzuschätzen und dafür dankbar zu sein. Genauso wie Angst uns vor gefährlichen Situationen bewahrt, bewahrt uns die Wut davor, ungerecht behandelt zu werden z. B.

In meiner Therapie sind wir drauf gekommen, dass ich mein Leben lang nach dem Motto gelebt habe: "Sei stark und für andere da, ohne dominant zu sein." Ein Widerspruch in sich. Wie soll man denn stark sein, wenn man nicht auch mal den Ton angibt? Ich war also immer für andere da, aber alle Emotionen, die mit Dominanz assoziiert wurde, u. a. Wut, wurden "weggesperrt". Das geht jahrelang gut, aber irgendwann ist der Behälter halt voll.

Ich versuche gerade nach einem neuen Motto zu leben: Lerne dich selbst kennen und nimm dich so an! Ist alles andere als einfach. Aber es fühlt sich gut an.

Finde heraus, warum du nicht wütend sein durftest. Finde heraus, warum dein System trotzdem oft wütend reagiert hat: Welche Funktion hatte es? Es wollte dich auf alle Fälle beschützen. Vor was? Und dann stell dir vor, dein Freund wäre in so einer Situation. Würdest du von ihm erwarten, ohne Emotion zu bleiben? Oder dürfte er wütend werden? Ich muss dann jedesmal zugeben, dem anderen würde ich Wut zugestehen - nur mir nicht. Damit wird mir klar, dass ich mich damit nur schade. Dass es nur normal ist, in so einer Situation wütend zu sein.

Ich gebe dir auch recht, dass gerade in der Therapie diese Wut sich zeigen möchte. Dein Unbewusstes hat offenbar gewisses Vertrauen gefunden, dass man dort offen sein darf, und über alle Probleme reden darf und dafür Verständnis erhält. Du hast deine Sichtweise der Probleme genannt, jetzt möchte auch mal dein Unbewusstes zu Wort kommen. Wir haben das all die Jahre nicht anhören wollen und verdrängt. Hat nicht jeder das Recht, gehört zu werden? Wäre es nicht besser, wenn du und dein Wutpotenzial zusammenarbeitet, anstatt euch gegenseitig schlecht zu machen? Bestimmt hält dein Wutpotenzial dich für einen Schwächling, weil du immer tust, was andere wollen und nie, was dir guttut, oder? Bei mir ist das jedenfalls so...

Möchte dich dazu ermuntern, dich darüber zu freuen, dass sich ein von dir verdrängter Emotionsanteil im Rahmen der Therapie heraus traut und eine Lösung sucht!!!

Liebe Grüße

Susi_Sun
FrauRossi
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Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von FrauRossi »

Hallo,

bei mir war es eher so dass ich dann schon direkt auf meinen Partner sauer war und auf die "Situation in die er mich gebracht" hat. Die Wut richtete sich ganz konkret gegen ihn.

Aber das fand ich erst viel später raus. Eigentlich war ich wütend auf ein Einengung und Missachtung die ich viel viel früher erlebt habe. Ich habe aber nie gelernt mit solchen Situationen umzu gehen. Ich empfand immer große Hilflosigkeit!

Da arbeite ich jetzt dran.

Klar ist es ungerecht wenn sich die Wut gegen Unschuldige richtet. Daher ist es ne gute Idee sie in der Therapie rauszulassen.

Aber vielleicht hat Parson auch recht und es gibt einen Grund in deiner Familie?

Das kannst nur du heraus finden.


LG FrauRossi
Antiope
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Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von Antiope »

Hallo DarkRaven,

die beiden Situationen, die Du beschreibst - (ich kann beide sehr gut nachvollziehen ...) - mein Eindruck ist "Hilflosigkeit", jemand kommt an seine Grenzen und findet keine Hilfe.

Gleichzeitig verbietest Du es Dir, dahin zu kommen, wütend zu werden.
Und jetzt hast Du sehr viel Stress, wo Du sowieso viel Energie, viel Kraft brauchst, um irgendwie durchzukommen.
Ich denke, es ist verständlich, dass dann manche Dinge nicht mehr so "flutschen". Also beispielsweise die Wohnung nicht so aussieht wie bei "Schöner Wohnen".

Zukunftsangst und das Alltägliche nicht mehr ohne weiteres zu schaffen - für mich sind das Auswirkungen der Depression. Das ist jetzt nicht die große Entschuldigung, sondern einfach eine Erklärung, ein Grund für liebevolle Nachsicht mit Dir selbst.

Leider denke ich schon, dass viele andere negative Gefühle unter einem Deckel ruhen - und wenn sie nicht geäußert werden können, durch irgendetwas ausgelöst hochschießen und "explodieren". Also dass Trauer und Angst und Hilflosigkeit sich in blinder Zorn verwandelt. Oder dass Situationen, die sich immer wieder wiederholen und wieder alte Verletzungen aufrühren, *alles Alte* hochschleudern (der berühmte "Rote Explosionsknopf").
Und wenn dem so ist, dann wäre es nützlich, die Gefühle, die hinter der blinden Wut stecken, spüren zu können und die alten Verletzungen zu sehen.

Für manche Leute ist eine Wut auch "nützlich": weil sie dann Dinge durchsetzen, weil sie damit andere zum Schweigen bringen, weil sie sehr viel Energie freimacht, weil sie Respekt von anderen fordert. Wut ist nicht nur zu verachten.
Aber auch für mich ist es ein ganz ganz langer Weg, dieses zu akzeptieren - und ich bin immer noch nicht am Ende . Ich kann mich auch nicht mögen, wenn ich rasend wütend bin. Aber inzwischen sehe ich es auch als Teil von mir, als Zeichen, dass irgendetwas sehr Wichtiges, sehr Tiefes zertrampelt worden ist in der Situation.

Erg.: Ich hatte auch schon Jähzornanfälle, wo ich dann die Eingangstüre meines Elternhauses zerschmettert habe. Seitdem weiß ich, dass "rot sehen" für wütend sein die vollkommen korrekte Beschreibung ist. Ich *habe* rot gesehen.
Jetzt ist es mir nicht mehr passiert. Vor einiger Zeit konnte ich sogar diese hellglühende Wut "kontrolliert" halten (mehr oder weniger), weil der Druck der vergangenen Wut- und Trauergefühle nicht mit hochkam.
Sham
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Registriert: 14. Feb 2011, 11:35

Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von Sham »

Hallo zusammen,

ich kenne auch Wut und Aggressionen. Ich habe inzwischen herausgefunden, wann ich wütend werde und wann meine Wut in Aggression übergeht.

Ich hatte, wie vermutlich einige andere auch, das Problem, dass ich mich nicht gut bzw. ausreichend abgenzen konnte. Die Ursache war, dass dahinter auch diverse Ängste steckten.

Also habe ich mir immer viel zu viel zugemutet, wenn es gar nicht mehr ging und ich noch etwas machen sollte, wurde ich wütend und manchmal reagierte ich aggressiv, weil das Maß voll war.

Inzwischen habe ich gelernt mich abzugrenzen und komme nur noch selten in diese Situation.

Wut ist auch eine Schutzreaktion, weil man sich gewissen Ängsten, seelischen Schmerzen nicht aussetzten will bzw. kann.

Das habe ich erst letzte Woche wieder erfahren. In der Therapie bin ich inzwischen ziemlich weit gekommen. Meine Probleme (Ängste) begannen etwa im Alter von 6 Jahren. Bei mir ist das eine generalisierte Angst. Ich will nur ein Beispiel nennen, ich schleiche um Geschäfte herum und gehe dann doch nicht rein. Wieder ein anderes Mal kann es sein, dass ich mir nicht traue jemanden eine Tasse Kaffee einzuschenken. Die Angst flottiert regelrecht,sie ist mal da und mal nicht.

Als ich das mit meiner Therapeutin vor zwei Wochen besprach, sagte sie, dass ich damals vermutlich unter einer Angsstörung litt und dass das in einem so frühen Alter nur passiert, wenn etwas schreckliches passiert ist oder wenn die frühkindliche Bindung zur Mutter gestört ist bzw. sich nicht entwickeln konnte.

Alles was ich wusste, war, dass ich als Kind in der Psychiatrie lag und dass ich einmal in einem Zimmer war, wo der Nachtschrank brannte. Ich war allein in diesem Zimmer, meine Mutter war nur kurz bei der Nachbarin. Von dem Brand wusste ich nur aus Erzählungen meiner Mutter, über den Rest schweigt sich meine Familie aus.

Nach der Therapiestunde habe ich mir alte Fotos angesehen woraus ich schlussfolgerte, dass die frühkindliche Bindung zu meiner Mutter nicht gestört sein konnte. Jedenfalls sahen die Bilder nicht danach aus. Ich überlegte und überlegte, irgendwann war das kein bewusstes Überlegen mehr, es dachte in mir selbst ohne dass ich den Prozess hätte aufhalten können. Ich merkte noch, wie die Wörter immer weniger wurden, ich sah nur noch Bilder und irgendwann sah ich keine Bilder von meiner Mutter, in mir kroch eine Panik auf, dann habe ich nach meiner Mutter geschrien.
Mir ging es danach so miserabel, es war als ob ich gerade in dem Moment etwas schreckliches erlebte. In dem Zustand rief ich meine Eltern an und fragte, wann der Brand war. Meine Mutter sagte, dass ich etwas 3 Jahre alt war.

Nach dem Erlebnis ging es mir fast eine Woche lang schlecht. Ich hatte überall Schmerzen, ich habe mir so leid getan und nur geheult. Irgendwann wurde ich wütend, weil ich allein zu Hause war und die Schmerzen und das Leid kaum auszuhalten waren. Ich merkte, dass es mir besser ging, wenn ich wütend bin.
Daraufhin habe ich das Bewusst gesteuert. Immer wenn mich der Schmerz und das Leid und die Angst übermannten, habe ich mir ein neues "Opfer" gesucht, auf welches ich wütend sein konnte. Danach bin ich mit meinem Mann Badminton gespielt um meine Aggression abzubauen und einen freien Kopf zu bekommen.

Flucht, Angst und Aggressionen liegen nah beeieinander.

Wenn man Angst hat, ist die einfachste Reaktion die Flucht. Wenn man nicht flüchten kann und in die Enge getrieben wird, wird man wütend und aggressiv, weil man sich verteidigen muss.

Das sind für alle Lebewesen nützliche und überlebenswichtige Funktionen. Wenn es irgendwo eine Störung gibt, dann treten diese Verhaltensweisen leider auch in völlig unbegründeten Situationen auf.

Man sollte hier vielleicht immer überlegen, wann tritt die Wut auf, warum und welche Ängste liegen ihr zugrunde. Was kann man an der Situation ändern, wie kann man anders mit der Situation umgehen.

Lg
Elke
Glück ist, nicht mehr zu wollen als man kann und nicht zu müssen, was man nicht will.
ghm
Beiträge: 1665
Registriert: 25. Dez 2010, 12:38

Re: Wut und Aggressionen

Beitrag von ghm »

Hallo DarkRaven,

in der "Erziehungswelt" meiner Eltern war kein Platz für "undifferenzierte" Gefühle.

Merksatz "wer sich nicht selbst beherrscht, den beherrschen Andere"

Für Wut, Ärger, Aggression von mir war kein "Platz"

Bis ich etwa 10 war hatte ich "gelernt" diese Gefühle "zu bearbeiten".

Aber ich habe sie nie beherrscht (dafür hätte ich sie erleben und kennenlernen dürfen)

Ich habe sie, wenn sie auftraten in Autoaggression, Traurigkeit und Selbstzweifel "umgewandelt".

Diese Gefühle mussten nicht "raus", die haben in mir gewütet.
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
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