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Unterschied tiefenpsychologische und analytische Therapie

Verfasst: 12. Aug 2011, 13:39
von Lady_Godiva
Kann mir den bitte jemand genau erklären? Die Sozialberaterin meiner Krankenkasse hatte nur erklärt, was das heißt, aber was es im Einzelnen bedeutet, weiß ich nun nicht.

Re: Unterschied tiefenpsychologische und analytische Therapie

Verfasst: 14. Aug 2011, 23:45
von Strampeltier
Hallo Emerahl,
wirklich genau kann ich das auch nicht erklären, aber ich versuche mal einen Anfang.
Mir wurde zuerst gesagt, dass bei der Krankenkasse das Stundenkontingent sehr viel höher bei der analytischen PT ist als bei z.b. der Tiefenpsychologischen PT (25h - 300h Unterschied).
Inhaltlich gehören beide Therapieformen zur Psychoanalyse und es wird jeweils mit Übertragung - Gegenübertragung zwischen dem Patienten und Therapeuten gearbeitet. Allgemein bedeutet das, dass der Therapeut die Aussagen und Verhaltensweisen des Patienten deutet und auffällige für den Patienten unbewusste Zusammenhänge oder Kopplungen zwischen dem Denken und Emotionen für den Patienten (z.B. mittels seinem Verhalten oder offenem Ansprechen) sichtbar macht. Ob der Patient der Interpretation zustimmt, muss er selbst entscheiden. Die Psychoanalyse hat sich allerdings nach Freud in verschiedene Schulen aufgespallten und entsprechend unterschiedliche theroretische Annahmen entwickelt, die das Vorgehen in der Therapie beeinflussen. DIE Tiefenpsychologie als solche gibt es so weit ich das überblicke nicht mehr direkt, da sich in den letzen Jahren viel in Richtung integrative Therapieformen entwickelt hat. Dennoch beruhen viele Therapiekonzepte in der TPT speziel auf dem Herausarbeiten von sogenanten "Objektbeziehungen" (nach Kernberg), d.h. es wird z.B. daran gearbeitet die "inneren Eltern" oder "das innere Kind" zu explizieren um damit verbundene Affektzustände und deren Wurzeln im hier und jetzt des Patienten positiv beeinflussen zu können. ...So viel zu dem, was ich über TPT gelesen habe und in meinen Therapiestunden erlebe.
Für die analytische Therapie hat man mir erklärt, würde man sich besonders stark mit der Verhangenheit/Kindheit auseinandersetzen und dort Konflikte nachträglich ausfindig machen und bewälltigen, die einen früher überforderten und bis heute nachwirken. Die Theorie dazu geht auf C.G. Jung zurück.
Was mir an der Stelle aber nicht klar ist, ist der genaue Unterschied, nach dem du fragst. Denn auch in der TPT wird die Vergangenheit betrachtet und deren Konflikte exploriert. ... Kann jemand weiter helfen?

Schöne Grüße
Strampeltier

Re: Unterschied tiefenpsychologische und analytische Therapie

Verfasst: 15. Aug 2011, 00:37
von wütend
>>Inhaltlich gehören beide Therapieformen zur Psychoanalyse und es wird jeweils mit Übertragung - <<

He Strampeltier und Emerahl

Andersrum wird ein Schuh daraus. Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die analytische Psychotherapie gehören beide zu den tiefenpsychologischen Verfahren oder psychodynamischen Therapien.
Und sie beruhen auf der Psychoanalyse.

Grob kann man sagen,

- das in einer TfP vor allem die Außenkonflikte (Konflikte in Leben des Patienten) bearbeitet werden, vor dem Hindergrund der Kindheit. Der Psychotherapeut beteiligt sich aktiv an der Psychotherapie. Übertragungen werden beachtet, aber nicht gefördert.

- In einer AP geht es vor allem um das Erleben der Konflikte in der Beziehung zum Psychotherapeuten/Analytiker. Das setzt eine gezielte Förderung der Übertragung vorraus, z.B. durch konträres und streng abstinentes Verhalten des Analytikers. Der Konflikt wird so richtig in der Psyche des Analysanten zum Kochen gebracht. Der Analytiker versucht, wenn der Analysant bereit ist den Konflikt zu klären, diesem durch Deutung der inneren Ursachen im Analysanten offen zu legen z.B. "Sie sind so sauer auf mich, weil Sie in mir ihren Vater sehen, der sie ignoriert hat".

Neben diesen beiden beschrieben Standartverfahren gibt es jede Menge Störungsspezifische Vorgehensweisen und Methoden als Varianten der beiden Standartverfahren, so z.B. die Transference-Focused-Psychotherapy von Kernberg zur Therapie der Borderline-Störung.

TfP
- Kurzzeittherapie bis 25 Sitzungen, - Langzeittherapie bis maximal 100 Sitzungen

AP
- Langzeittherapie bis maximal 300 Sitzungen

Re: Unterschied tiefenpsychologische und analytische Therapie

Verfasst: 15. Aug 2011, 11:51
von Regenwolke
Hi Emerahl,

meine beiden Vorschreiber haben schon viel wichtiges erwähnt.

Die TfP ist eine "abgespeckte" Variante, bei der meist der Fokus auf einem konkreten aktuellen Konflikt/Problem liegt.

Die AP hat eine grundlegende Aufarbeitung innerer psychischer Konflikte und Umstrukturierung der Persönlichkeit zum Ziel, die Behandlung ist nicht auf bestimmte Themen eingeschränkt, sondern es wird frei assoziiert, d.h. man kann alles erzählen, was einem in den Kopf kommt.

TfP findet meist einmal wöchentlich statt, normalerweise im Sitzen.
Bei AP gibt es bis zu drei Sitzungen in der Woche, oft im Liegen, d.h. der Patient liegt ganz klassisch auf einer Liege und sieht den Therapeuten, der hinter ihm Sitzt, nicht. Wie Parson schon geschrieben hat, gibt es aber spezielle Ansätze für einige Störungsbilder, bei denen dann doch im Sitzen und inhaltlich strukturierter gearbeitet wird.

LG, Wolke

Re: Unterschied tiefenpsychologische und analytische Therapie

Verfasst: 15. Aug 2011, 19:32
von Lady_Godiva
Danke für eure Antworten. Hmm, macht es mir dennoch nicht leichter, mich dann zu entscheiden, in welche Richtung ich mich begebe, um meine Probleme aufzuarbeiten. Da es allerdings in näherer Umgebung wohl nur 2 Ärzte gibt, die die analytische TP anbieten, ist die Auswahl doch sehr begrenzt. Etwas mehr sind es, die die tiefenpsychologische TP anbieten, die meisten jedoch eine Verhaltenstherapie, doch die lehne ich momentan ab. Ich will ja wissen, was vorgefallen ist, an was ich mich nicht mehr erinnern kann. Im Kurantrag stand auf jedenfall drin, daß eine tiefenpsychologische Therapie besser wäre.

Nun ja, jetzt habe ich erst mal bei einer Therapeutin, die die tiefenpsychologische Therapie anbietet, online ein Fragebogen am Freitag abend ausgefüllt, sie wird sich dann demnächst melden. Dann sehn wir weiter.

Re: Unterschied tiefenpsychologische und analytische Therapie

Verfasst: 15. Aug 2011, 23:07
von Strampeltier
...Danke für die Aufklärung Parson und Wolke. Ich freu mich immer, wenn etwas mehr Klarheit ins therapeutische Theorie Wirrwar kommt.

An Emerahl:
Das Problem einen TPT zu finden kenne ich auch. Nach ewigen Wartezeiten wollte ich zwischenzeitlich lieber eine VT anfangen als gar nichts zu tun, aber mein Psychiater riet mir Geduld zu haben und wenn möglich verschiedene Therapeuten im Erstgespräch kennen zu lernen, da die "Chemie" stimmen sollte. Wenn du also die Möglichkeit hast, geh zu verschiedenen Therapeuten und such den Besten für dich raus.

Schöne Grüße...