Annahme II - positive Erlebnisse

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La_crimosa
Beiträge: 468
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Annahme II - positive Erlebnisse

Beitrag von La_crimosa »

Annahme: positive Erlebnisse, Rückmeldungen ins Selbstkonzept aufnehmen

Ich stelle immer wieder fest, dass ich positive Erlebnisse oder positive Rückmeldungen von meinen Mitmenschen nicht aufnehmen kann. Sie zerplatzen wie eine Seifenblase - ohne bestaunt zu werden, wertgeschätzt zu werden... Was übrige bleibt ist - um im Bild zu bleiben - verteilte, nasse Sprenkel, bei denen die Gefahr besteht, drauf auszurutschen...

Kleinste negative Geschehnisse, Aussagen hingegen bleiben wie schwere Steine liegen, häufen sich an - vielleicht bin ich da manchmal sogar wie eine Sammlerin: jeder Stein wird genau betrachtet, jeder Stein bekommt einen exponierten Platz in der Sammlung. Und ich kann nie genug davon bekommen...

Verkehrte Welt?! - auf jeden Fall depressionsfördernd und keinesfalls lebensfördernd...

Was mache ich mit der Erkenntnis? - Meine Versuche, mich auf das Positive zu konzentrieren scheitern kläglich...

Was nützen Euch solche eigenen Erkenntnisse?
Flotti
Beiträge: 46
Registriert: 11. Mai 2011, 14:27

Re: Annahme II - positive Erlebnisse

Beitrag von Flotti »

Oh ja... das kenne ich nur zu gut.

Bei mir geht das ganze so weit, das ich teilweise sogar positiv gemeinten Zuspruch als entwürdigend interpretiere.

In der Klinik kamen von den Therapeuten / vom Personal oft aufmunternde Worte, die ich überhaupt nicht so annehmen konnte.

Bsp.:
Oh, Sie haben aber was schönes gebastelt > meine Gedanken: das hat mir zuletzt meine Kindergärtnerin gesagt.

In der Visite sagt ein Krankenpfleger, wir haben gestern ein richtig sportliches Tischtennismatch gespielt > meine Reaktion: na toll, das wird mir im Alltag richtig viel nützen

Sie könnten ja erst einmal mit XY anfangen, es muss ja nicht gleich YZ sein > meine Interpretation: na prima, jetzt halte ich mich nicht nur selbst für bescheuert, andere denken das jetzt auch schon


Positives immer gleich abzutun und gar nicht an sich heran zu lassen, ist eine "richtig harte Nuss".

Was mir ein wenig hilft sind Anstöße aus CBASP. Dort macht man zuerst eine Situationsanalyse, d.h. man beschreibt möglichst emotionslos und objektiv einfach die Situation, ohne etwas hineinzuinterpretieren. Manchmal gelingt es mir, die Dinge daraufhin nicht mehr so negativ, sondern ein wenig realistischer zu sehen.
Rakang
Beiträge: 82
Registriert: 30. Apr 2011, 19:26

Re: Annahme II - positive Erlebnisse

Beitrag von Rakang »

Hallo suse72,

so bildlich wie du das Problem schilderst ist das echt beeindruckend.

Die Psychologie nennt das Entwertung.

Als Kind wollte ich z.B. bei meiner Mutter unbedingt kochen lernen und hatte (auch heute noch) sehr viel Spass damit, doch meine Großmutter meinte damals, das sei nichts für Jungen. Ich sollt nicht mehr in der Küche helfen und bekam noch nicht einmal eine Puppenküche als Spielzeug wie bei Mädchen üblich - aber ein Spielzeug wirkt ohnehin dann sehr enttäuschend und hat überhaupt nichts mit echter Küche zu tun.

Leider treffen die meisten Angebote nicht meine verdeckten inneren Wünsche oder genauer umschrieben die Sehnsucht des Herzens. Änlich fühlt ich mich dann wie auf ein Spielzeug verwiesen nicht ernst genommen.
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Annahme II - positive Erlebnisse

Beitrag von Antiope »

Leider ist es so, dass Depression die "Filterfunktionen" erheblich stört/verändert.

Das Gehirn kann oft nur Erinnerungen abrufen, die zur emotionalen Lage passen. Wenn ich gut drauf bin, sind die Tore zu positiven Erinnerungen offen, mein innerer Archivar kann sie einsammeln.
Bin ich depressiv, sind diese Tore geschlossen, die Wege dorthin "zugewuchert" und nicht mehr benutzbar. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.

Auch die Vorverarbeitung läuft so ähnlich ab: ausgeglichen, dann kann ich die Kommentare anders "bewerten" wie in einem unausgeglichenen Zustand.

Daher fällt es überaus schwer, Anerkennung anzunehmen.

Ich versuche, den inneren Kritiker zu bremsen, einen solchen Satz nicht zuzulassen, mit einem Stop-Schild oder einem Nein. Ist verdammt schwer, wenn der Kritiker gerade herumgeifert.

Die Vorgehensweise, wie Flotti sie schildert, finde ich interessant.
Kannst Du kurz darstellen, wie Du, Flotti, es mit diesen Deinen vernichtenden Sätzen gemacht hast? Würde es gerne bei mir umsetzen lernen.. Danke!
Flotti
Beiträge: 46
Registriert: 11. Mai 2011, 14:27

Re: Annahme II - positive Erlebnisse

Beitrag von Flotti »

Bei der CBASP, aus der ich mir das abgewandelt habe, werden Situationen zwischen Patient und Umwelt analysiert und überlegt, wie man durch Veränderung des eigenen Verhaltens zu einem erwünschten Ergebnis kommen könnte.

In der originären CBASP ist es so, dass man sog. Coping Survey Questionnaires - Fragebögen zum Bewältigungsverhalten - bearbeitet.

Zunächst beschreibt man möglichst nüchtern und sachlich, was sie ereignet hat, d.h. man beschreibt es so, als ob man ein Außenstehender, ein Beobachter wäre. (das ganze muss auch zeitlich abgrenzbar sein, d.h. man muss einen Anfangs- und Endpunkt festlegen).

Dann beschreibt man, wie man die Ereignisse interpretiert hat, also den subjektiven Eindruck.

Danach beschreibt man, was man in der Situation getan hat.

Nun beschreibt man, wie die Situation für einen ausging, das, was tatsächlich Ergebnis war.

Dann beschreibt man, wie man sich den Ausgang dieser Situation gewünscht hätte und bewertet, ob man das erwünschte Ergebnis erreicht hat oder nicht.

Schon das allein hilft einem manchmal, die Situation neu zu bewerten, spätestens die folgende Lösungsphase bringt aber neue Impulse und führt meist dazu, sich besser zu fühlen.

Im ersten Schritt werden irrelevante und unzutreffende Interpretationen revidiert.

Dann wird darüber nachgedacht, wie man das eigene, unangemessene Verhalten verändern muss, um zum erwünschten Ergebnis zu kommen.

Zuletzt wird mit dem Therapeuten zusammengefasst, welche Lernprozesse sich daraus ergeben und wie man das Gelernte Generalisieren und auf den Alltag übertragen kann.

Außerdem wird besprochen, wie man die Erkenntnisse aus der Situationsanalyse auf zukünftige Ereignisse übertragen kann. Man plant und probt vorhersehbare zukünftige Situationen.
La_crimosa
Beiträge: 468
Registriert: 28. Mär 2010, 22:05

Re: Annahme II - positive Erlebnisse

Beitrag von La_crimosa »

Vielen Dank für Eure Antworten!

Ja, jede Emotion beeinflusst unser Urteilsvermögen, unser Gedächtnis und unsere Haltung zu bestimmten Geschehnissen. Hier gilt es wahrscheinlich, Kreisläufe zu unterbrechen...

Genau das, was Ihr,Flotti und Antiope, beschreibt, beinhaltet mein Gedanken- bzw. Verhaltensmuster... Den Aspekt des "Filters" ist da, glaub ich, sehr zentral. Und natürlich die Arbeit mit dem "inneren Kritiker"...

Einen interessanten Aspekt finde ich Deinen Gedanken, Rakang: hieße es, in Bezug auf positive Rückmeldungen ist einen Annahme nicht möglich, da diese das eigentliche Bedürfnis, die tieferen Wünsche und die Sehnsucht nicht treffen?! - Ich kann es also deshalb nicht wahrnehmen und annehmen, da es nicht den Kern trifft?!

Flotti, Danke für Deine Schilderung Deines Vorgehens in Anlehnung an CBASP. Auch hier wird wieder die "Macht der Emotionen" deutlich und wich wichtig es doch erstmal ist, Subjektivität außen vor zu lassen und soweit es möglich ist, objektiv an Situationen heran zu gehen.
Da ist vielleicht wirklich erstmal von Vorteil, einen Begleiter/eine Begleiterin zu haben, die eine Außensicht hat und Struktur gibt. Und ich muss annehmen können, was irrelevante und unzutreffende Interpretationen sind...


Letztendlich frustriert mich alles, da ich mir dessen schon länger bewusst bin - und trotzdem keine Veränderungen bei mir sehe... (wahrscheinlich ein Gruß vom "inneren Kritiker".. ) Mensch, ist das eine anstrengende Arbeit... (und jetzt würde ich, wenn es das hier gäbe, gerne ein kotzendes Emoticon aufführen... )

Vielen Dank für´s Mitdenken!
Susanne
La_crimosa
Beiträge: 468
Registriert: 28. Mär 2010, 22:05

Re: Annahme II - positive Erlebnisse

Beitrag von La_crimosa »

Zur "Filterfunktion" noch eine kleines Erlebnis (das wahrscheinlich auch ein Auslöser für den Thread war):

Bei einem Weiterbildungsseminars, an dem ich auch als Dozentin mitgewirkt habe, hat meine Kollegin jetzt zum Ende hin ein Gesamtfeedback der Teilnehmerinnen eingeholt.
Ich habe mir es durchgelesen. Alle negativen Aussagen habe ich auf mich bezogen und war ziemlich frustriert.
Meine Kollegin sagte mir zwar, dass sie wüsste, auf wen die negativen Bemerkungen gemünzt seien, ich solle mir keine Gedanken machen, trotzdem...

Daraufhin habe ich lange überlegt, ob ich überhaupt noch ein Individual-Feedback einholen soll. Sollte ich mir die Bestätigung für meine Unfähigkeit holen?!
Ich habe es doch getan (auch, weil ich um mein negatives Selbstbild weiß).

Nun habe ich ein Feedback erhalten mit dem Endergebnis "gut". Und: obwohl ich mit einem "Mangelhaft" gerechnet habe und nun ein "gut" erhalten habe, bin ich trotzdem unzufrieden, kann das "gut" nicht annehmen, denke: Mist, nur ein "gut", kein "sehr gut". und bin frustriert.
Die kritischen Anmerkungen bringen mich natürlich weiter, da ich versuchen werde, damit konstruktiv umzugehen, aber...

Die "Seifenblasen" sind schon lange geplatzt, die "Steinesammlung" wächst.

Verrückt, oder?! Um nicht zu sagen: krank...

Vielleicht sollte ich mal Flottis Schritte durchgehen... (obwohl es sehr mühsam klingt...)
La_crimosa
Beiträge: 468
Registriert: 28. Mär 2010, 22:05

Re: Annahme II - positive Erlebnisse

Beitrag von La_crimosa »

Na, und eigentlich passt das ja auch alles wieder in Kiwilanas Thread:
http://www.diskussionsforum-depression. ... 1304786551

Sorry.
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