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Lady_Godiva

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Beitrag von Lady_Godiva »

Ich denke, ich widme dem Thema mal einen eigenen Thread, ich muß grad ein paar Sachen aufschreiben zum Sortieren.

Hatte ja heut um elf meinen Termin bei meinem Therapeut. Nun gut, so etwa zehn Minuten nach elf hat er mich geholt und ins Sprechzimmer gebeten. Den Bericht von der Kur von 2003 hatte er vor sich liegen. Mich gefragt, ob ich mich noch an das Abschlußgespräch erinnern könne. Konnte ich natürlich nicht.
Also hat er mir ein wenig daraus vorgelesen. Darin stand dann grob, daß ich nicht in der Lage wäre, wirklich Emotionen zu zeigen, darüber zu reden, daß ich mich von meiner Mutter vernachlässigt fühlte wegen den Problemen mit meinem Bruder.

Nun stellt sich mir die Frage: Warum kann ich mich nicht daran erinnern? Ok, es sind jetzt fast 8 Jahre her, aber ich kann mich dennoch kaum an die Gespräche mit der Therapeutin dort zB erinnern. Woran ich mich erinnern kann: An die Gruppenstunde, wo wir alle von der Station uns getroffen haben. Jetzt kommen auch einzelne Gesichter wieder hoch und deren Probleme. Aber ich kann mich nicht mal mehr an die Namen der Freunde erinnern, die ich dort hatte. Nur eine Person hat einen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen und das im negativsten Sinne, allerdings erst nach der Kur. Doch das hab ich eigentlich alles abgehakt oder doch nur verdrängt? Ich weiß es nicht.

Dann hat er versucht, anhand meines Ausrasters am Sonntag dahinter zu kommen, was ich gefühlt habe, aber noch bin ich selber nicht darauf gekommen. Will ich keine Gefühle zulassen?

Nun ja und bevor wir eine Kur beantragen, will er erst mal eine bessere Grundlage schaffen als die ich damals hatte. Damals bin ich ja von meiner Hausärztin geschickt worden. Davor war ich nur 1x bei nem Psychiater, der eine Empfehlung geschrieben hat.

Zusätzlich habe ich nun neue Medikamente bekommen, zum Einen ein Antidepressivum, muß erst mal lesen, was genau und ein Schlafmittel, davon aber nur 6 Tabletten. Meinen nächsten Termin habe ich dann wieder am 31.5.
wennfrid
Beiträge: 799
Registriert: 15. Feb 2010, 08:01

Re: Gedanken sortieren

Beitrag von wennfrid »

Hi Emerahl
Ich kann mich auch nur an ein paar Situationen, die bereits Jahre her sind, erinnern. Ich denke, dass dies ein ganz normaler Vorgang ist. Ich habe schon Schwierigkeiten, mich an Details in den letzten Tagen, wieder zu erinnern. Ansonsten wünsche ich dir Alles Gute für die Zukunft.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
Lady_Godiva

Re: Gedanken sortieren

Beitrag von Lady_Godiva »

Danke, Fridolin, für deine Anteilnahme

So, nun hatte ich genug Zeit zum Nachdenken. Ich kann durchaus Gefühle empfinden, diese auch ausdrücken. Nur wenn ich, wie momentan, eine schlechte Phase habe, kann ich mich absolut nicht öffnen und fremden Leuten sowieso. Es fällt mir leichter, alles aufzuschreiben, denn da kann ich dabei überlegen, verbessern usw.
Daß die in der Kur so über mich gedacht haben, verwundert mich allerdings weniger, denn ich hatte keinen richtigen Zugang zu der Therapeutin gefunden, in der Schmerzgruppe wollt ich nicht bleiben und in der Gruppensitzung unserer Etage habe ich eigentlich auch nie gesprochen, nur zugehört. Wobei ich auch sagen muß, daß ich eigentlich ziemlich unvorbereitet in die ganze Geschichte gestolpert bin. Eigentlich dachte ich ja, es gehe nur über meine schon chronischen Schulter-, Nacken-, Rücken- und Kopfschmerzen, nichts weiter. In den 6 Wochen Kur war ich auch so ziemlich schmerzfrei. Kaum zu Hause, wieder am Arbeiten, gings ja von vorne los mit den Dauerschmerzen.

Ich habe beschlossen, für mich ein Tagebuch zu führen, wo ich alles aufschreiben möchte, was mich beschäftigt, das kann dann mein Mann lesen, vielleicht versteht er dann besser, was in mir vorgeht, denn ich kann es ihm nicht in Worte fassen und sagen.
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Gedanken sortieren

Beitrag von Antiope »

Das mit dem Tagebuch schreiben ist eine gute Idee... Alleine, dass Du dann Blitzlichter für Dich festhalten kannst, wird Dir helfen. Ich würde sogar meinen, dass der wichtigste Zweck ist, dass es für Dich selbst ist, dass Du Deinen verschiedenen Stimmen Raum geben darfst, dass Du Dich ein wenig besser verstehst.
Primär wäre es dann für Dich, Zeit für Dich, Wertschätzung für Dich.

Dass jemand anderes einen vollkommen versteht, ist leider eine Illusion. Alleine, dass jeder seine eigene Geschichte mitbringt, seine eigenen Emotionen und Sichtweisen, alleine das färbt das Verständnis. Aber das ist ja kein k.o.-Kriterium. Es geht ja nur darum, zu akzeptieren, was ist, und gemeinsam eine für beide tragbare Lösung zu finden. Kein vollkommenes Verständnis. (Ich hoffe, ich verletze Dich nicht mit dieser Feststellung. Das möchte ich auf keinen Fall ...)
Lady_Godiva

Re: Gedanken sortieren

Beitrag von Lady_Godiva »

Jetzt hatte ich mal ein paar Tage Zeit über alles nachzudenken und folgendes ist mir bewußt geworden:

Ich kann durchaus Emotionen fühlen, auch benennen, aber ich kann nicht richtig drüber sprechen, wenn mich etwas beschäftigt. Wenn ich über mein bisheriges Leben nachdenke, wird mir bewußt, daß ich nie eine beste Freundin hatte und wenn doch, die Freundschaft nie lange hielt. Nun bin ich seit 7 Jahren mit meinem Mann zusammen, 6 davon verheiratet und Freunde haben wir eigentlich gar keine. Die haben sich alle irgendwie nach und nach zurück gezogen. Die einzige Erklärung hierfür, die ich momentan finde: Ich hab damals Schichten gearbeitet, auch Frühschichten und mußte dabei sehr früh raus, war dementsprechend dauernd müde und mit Party machen wars halt nix mehr. Die Freunde meines Mannes warn halt damals alle in dem Alter, wo man noch jedes Wochenende in die Disco ging. Mein Mann hatte aber auch nie wirklich so die Lust dazu, also blieb er ebenfalls zu Hause. Der Kontakt zu meiner damaligen besten Freundin ist dann abgerissen, weil die Entfernung zu groß war, sie mit dem Studium begonnen hat und ich, wie gesagt, geschichtet hab. Seitdem hab ich auch nie wirklich jemand Neues gefunden. Da ich ja dazu noch schüchtern bin und kaum in der Lage bin, Jemanden anzusprechen, kam dann der Rest dazu. Mein Mann ist ja auch ziemlich schüchtern.

Als Kind hab ich mich am liebsten in meinen Büchern verkrochen, da konnte ich mich so schön in der Fantasiewelt verlieren. Wenn ich zB mal nicht gehorcht hab und meine Mutter mir Hausarrest angeordnet hat, konnte sie mich damit nicht bestrafen, hat mich nicht interessiert. Wie sie mich treffen konnte, war, als sie die Bücher weg nahm. Ich kann aber auch nicht sagen, daß meine Kindheit schrecklich war, denn das war sie nicht.

Dies werd ich auch beim nächsten Termin meinem Thera so erzählen, mal schauen, was er dann dazu sagt.
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