Bin ich auf dem richtigen Weg?

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deepwater
Beiträge: 15
Registriert: 29. Apr 2003, 21:45

Bin ich auf dem richtigen Weg?

Beitrag von deepwater »

Hallo allerseits!
Ich bekomme beim Stöbern durch eure Postings mehr und mehr das Gefühl, dass meine momentane Einstellung zu meinen Gefühlen, Gedanken, zu meiner "Lebensunfähigkeit" durch die Depression wohl richtig ist, bin mir aber nach wie vor unsicher und würde gern von euch etwas dazu hören.
Denn nun erst - nach einem Jahr ständiger Berg- und Talfahrt und ständigem Mühen, arbeitsfähig zu sein - bin ich soweit, dass ich ein längerfristiges Krankgeschriebensein für mich in Anspruch nehmen will.

Ich weiß, ich zäume das Pferd von hinten auf und schreibe für euch in Rätseln...

Also erst mal einen kurzen Überblick:
Durch einen Auslöser (welcher es war, denk ich ist nicht so wichtig, es war sicher einfach nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte) begann ich am letzten Tag vor den Osterferien 2002 (bin Hauptschullehrerin) zu weinen und hörte praktisch 14 Tage nicht auf damit. Nach den Ferien riss ich mich zusammen und ging wieder arbeiten.
So ging es seitdem weiter. Ich versuchte, arbeitsfähig zu bleiben, alle restliche Energie in mir zu sammeln, um die Zeit bis zu den nächsten Ferien zu überstehen - um die freie Zeit mit Untätigkeit und sich-fallen-lassen zu füllen.
Erst vor nicht mal einer Woche (am Ende der Osterferien) habe ich erkannt, dass ich bei dem um-jeden-Preis-arbeitsfähig-sein-wollen selber auf der Strecke bleibe.
Ich bin nun krank geschrieben und habe erst dann vor, wieder arbeiten zu gehen, wenn:
- ich wieder Lust habe, meinen Körper zu pflegen
- ich fähig bin, den Müll regelmäßig runterzutragen
- Essensresten nicht mehr zuschaue, wie sie langsam verschimmeln
- ich nicht mehr argen Hunger durch notdürftiges Verspeisen irgendwelcher Süßigkeiten stille
- ich mir nicht mehr irgendwelche Ausreden einfallen lassen muss, nur damit mich niemand besuchen kommt und den Schweinestall bei mir in der Wohnung sieht
- ich nicht mehr nur die negativen Dinge an mich heranlasse, sondern allein schon die Sonnenstrahlen auf der Haut z.B. genießen kann
- kurz und gut: wenn ich wieder lebe und nicht mehr nur dahinvegetiere

IST ES OK, WENN ICH SAGE, DASS ICH SO LANGE NICHT ARBEITE, BIS DAS ALLES WIEDER IN ORDNUNG IST?

Ich habe mich auf den Weg gemacht, d.h. ich bin auf der Suche nach einem Therapeuten und seit ein paar Tagen nehme ich ein AD (Stangyl).

ABER:
1. Was ist, wenn die Medikamente wirken? Wenn meine Grundstimmung zwar besser ist, ich mein Leben aber immer noch nicht auf die Reihe kriege? Wie erkenne ich, ob ich wirklich arbeitsfähig bin?
2. Ich weiß, dass Geduld vonnöten ist, aber was ist, wenn SIE wiederkommt? Immer wieder?

Warum sollte ich dann den Berg "ichfühlmichwohl" besteigen, mühsam nach oben krabbeln, um dann festzustellen, dass das Abrutschen ins nächste Tal heftiger und schmerzvoller ist, als wenn ich in der ewig im Schatten liegenden Talstation geblieben wäre?

Was wollte ich eigentlich mit diesem Geschreibsel?
Ah ja.... also 1. übertreibe ich es mit dem Arbeitsunfähigsein oder ist das ok so? Und 2. Was macht man gegen die immer wieder kehrenden Niederschläge?

Schön euch gefunden zu haben!

Sigrid
winnie
Beiträge: 1683
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Bin ich auf dem richtigen Weg?

Beitrag von winnie »

Hallo Sigrid,

also ich würde auf jeden Fall sagen, es ist okay.
Denn das große Problem, das man in einer Depression mit sich herumschleppt, sind die Schuldgefühle. Man empfindet sich als Versager, als Schlamper (siehe Schweinestall - das Problem kennen sicher die meisten hier), meint, man MÜSSE doch funktionieren und fühlt sich als Niete, weil man es nicht schafft. Und von daher ist es schon mal ein großer Schritt nach vorne, wenn man sich endlich eingesteht, daß man kein Versager ist, sondern krank. Und daß man sich endlich die Chance gönnen muß, wieder gesund zu werden. Dieses oft bemühte Beispiel vom gebrochenen Bein stimmt schließlich tatsächlich: wenn man einen Beinbruch hat, überlegt man ja auch nicht lange, ob man TATSÄCHLICH zum Arzt soll, sich einen Gips anmessen und dann in Ruhe den Knochen wieder zusammenwachsen lassen soll. Keiner würde in so einem Fall verlangen, daß man dann trotz gebrochenem Bein weiter zur Arbeit geht und (im Fall dieses Beispiels) meinetwegen als Briefträger die Post austrägt. Warum also macht man es sich immer selbst so schwer, wenn es sich um eine seelische Krankheit handelt, die einen nicht weniger lahmlegt? Eine Depression greift einfach extrem in die Arbeitsfähigkeit ein, das ist Tatsache - und niemand hat etwas davon, wenn man sich dann trotzdem noch immer weiterquält, obwohl es eigentlich nicht mehr geht und man auch kaum noch einen Teil der ursprünglichen Leistung schafft.

Und was Deine Frage hinsichtlich der immer wiederkehrenden Tiefs angeht - Du hast ja nun schon einen guten Anfang gemacht, dagegen anzugehen. Du warst beim Arzt, hast ein Antidepressivum verschrieben bekommen, und das sollte zumindest schon mal helfen, Dich soweit zu stabilisieren, daß man daran gehen kann, die Ursachen Deiner Depression aufzudecken. Deshalb sollte eine Therapie schon parallel mit einhergehen, hast Du da schon mit Deinem Arzt darüber gesprochen? Sicher, es kann immer wieder Rückfälle geben, aber mit der Zeit werden sie weniger und Du beginnst, auch wirklich an eine Gesundung zu glauben.

Alles Gute Dir und Grüße,
Winnie
deepwater
Beiträge: 15
Registriert: 29. Apr 2003, 21:45

Re: Bin ich auf dem richtigen Weg?

Beitrag von deepwater »

Nachtrag:
Mein Traum wäre ein Art Kur... ein Zeitraum, in dem ich nicht für mich die Verantwortung habe. Ein Ort, wo ich wieder herangeführt werde, die alltäglichen Dinge des Lebens zu erledigen. Ein Ort, wo ich intensiv und mit Anleitung mein Inneres erforschen kann - nicht nur mit Worten, sondern auch nonverbal durch Bewegung, Malen usw.
Wann ist man "kurbedürftig"? Wer stellt so etwas fest? Wie lange dauert es, bis so etwas genehmigt ist? Kann man auch als akuter Fall gelten, obwohl man nicht Gefahr für eigen Leib und Leben darstellt?

Sollten meine Fragen an anderer Stelle in den Foren schon beantwortet sein, seht mir das nach und verweist mich evtl. dahin.
In den unendlichen Weiten des Kompetenznetzes kann es schon passieren, dass man nicht alles liest.

Grüße,
Sigrid
deepwater
Beiträge: 15
Registriert: 29. Apr 2003, 21:45

Re: Bin ich auf dem richtigen Weg?

Beitrag von deepwater »

Danke Winnie für deine prompte Antwort.
Ja, du hast recht. Körperliche Beschwerden akzepiert man sofort, aber wenn die Seele krank ist, ist ja äußerlich nichts zu erkennen. Das Umdenken, das zur gesamten Gesundheit auch die psychische Verfassung gehört, ist schwierig. Erst wenn man es für sich selbst einsieht - und das habe ich hoffentlich nun - hat man auch den Mut, anderen gegenüber zu sagen: "ich bin krank, akzeptiert das."

Ich wünsche allen viel Mut.
Sigrid
betina
Beiträge: 198
Registriert: 20. Mär 2003, 17:39

Re: Bin ich auf dem richtigen Weg?

Beitrag von betina »

Liebe Sigrid,

ich glaube, daß es Dir sehr gut tun wird, hier zu lesen und zu schreiben. Hier im Forum sind Menschen, die einen verstehen, die selber leiden oder gelitten haben.

Wie Du auch schreibst, kommen von außen immer die Ratschläge "Mach was", Geh raus", Kaufe Dir was Schönes, Gehe unter Leute" usw. Ich kenne dieses auch.

Auch als meine Depris anfingen, konnte mein Mann das überhaupt nicht verstehen. Auch hier hörte ich immer, komm laß uns rausgehen, lies ein schönes Buch usw. Aber ich hatte überhaupt kein Interesse. Ich konnte nicht lesen (keine Konzentration), ich wollte eigentlich nur in Ruhe gelassen werden. Auch zu reden und zu antworten war mir zuviel.

Ich war vor einigen Jahren auch eine ¾ Jahr krankgeschrieben und hatte ADs genommen sowie einen 5wöchigen Klinikaufenthalt. Dieser hat mir sehr gut getan. Ich war endlich unter Menschen mit den ich reden konnte und die mich verstanden.

Ich wurde seinerzeit auch entlassen. Nach der Klinik gings besser und als dann 3 Jahre später meine Mutter starb, die ich 5 Jahre gepflegt hatte, und kurz danach wieder meine Arbeit verlor, klappte ich auch zusammen. Habe nicht mehr gemacht, nur geweint und lag im Bett, ich wollte nie mehr aufstehen. Mit ADs ging es bis zu einem gewissen Punkt wieder besser. Habe dann eine Reha bekommen, die aber diesmal nicht viel geholfen hat. Bin jetzt bereits über 1 Jahr arbeitsunfähig und sehe auch kein Ende ab. D.h. aber nicht, daß es mir durchweg schlecht geht. Es gibt auch gute Tage, aber man braucht viel Geduld. Ich denke schon, daß es auch wieder besser wird; soviel habe ich hier auch gelesen. Es gibt auch positives.

Allerdings ist es auch richtig, daß man einfach auch selber was dazu tut; ich gehe schon 3 Jahre zur Gesprächstherapie, welches zwar die Depris nicht nimmt, aber es tut mir gut, mit jemanden zu reden, der Verständnis entgegenbringt.

Hoffung, daß ich nochmals wieder eine Arbeit bekomme, habe ich nicht. Das liegt aber auch daran, daß ich bereits 57 bin. Ich würde gerne in EU-Rente gehen, was ich auch beantragt habe. Vielleicht, wenn ich dann diesen Streß los bin, geht’s vielleicht wieder etwa besser.

Mache Dir wegen der Arbeitsunfähigkeit keine Gedanken. Es wird Dir evtl. helfen, wenn Du einmal zur Ruhe kommst und ausspannen kannst; nur, liebe Sigrid, versuche ganz ohne Streß und mit viel, viel Ruhe Deinen Tag einzurichten und jeden Tag ein wenig im Haushalt zu machen, Du darf dich nicht hängenlassen.

Man muß wirklich ganz, ganz kleine Schritte machen und man darf auch MAL sich hängenlassen.

Mir hat dieses Forum sehr viel gegeben, allein, daß ich immer weiss, wenn ich mich total unglücklich und traurig fühle, wo ich jemanden finde, der mir ein wenig Trost spenden kann. Ich wünsche Dir erst einmal ein schönes Wochenende und bitte – nicht verzagen – es gibt immer wieder einen Weg. eigentlich haben wir doch viel Kraft, uns wird viel auferlegt und wir versuchen es zu bewältigen, auch wenn es uns sehr, sehr viel schwerer fällt, als anderen.

Tschüß für heute betina
betina
Beiträge: 198
Registriert: 20. Mär 2003, 17:39

Re: Bin ich auf dem richtigen Weg?

Beitrag von betina »

Nachtrag:

Ich hatte noch zur Kur geschrieben, ist wohl nicht anbekommen.Ich bin Angestellte und in der BfA versichert. Bist Du Beamtin oder auch ANgestellt.

Bei mir war es so: Bei der Krankenkasse bekomsmt Du einen Rentenantrag. Diesen füllst Du aus, Die Krankenkasse hilft auch dabei. Und sendest ihn an die Rentenversicherung; der Arzt bekommt dann auch Unterlagen zum Ausfüllen. Dann dauert es schon einige Wochen bis zu NAchricht bekommst. Dann wieder einige Wochen, NAchricht von der Klinik, wenn dort endlich ein Platz für Dich frei wird. Wird der Antrag abgelehnt so kannst Du Widerspruch einlegen. (so war es bei mir). Dann bekommst Du einen Termin bei einem Gutachter, die Dich untersucht und befragt. Der Bericht geht wieder an die Rentenversicherung und dort wird endgültig entschieden, ob Du eine Kur bekommst. Ich bekam eine. Die erste Kur seinerzeit hat mir gut gefallen und es ging mir wirklich besser, so daß ich wieder arbeiten konnte. Aber als dann meine Mutter starb und ich wieder die Arbeit verlor, kam die 2. Krise, wieder eine Reha, welche mir nicht so gut geholfen hat.

Du kannst aber über dieses Thema lesen unter Depression - Arbeitsamt, Ämter, renten o.ä.

betina
Mikosch
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Registriert: 9. Mai 2003, 18:47
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Re: Bin ich auf dem richtigen Weg?

Beitrag von Mikosch »

ich muß ganz ehrlich sagen, ich glaub hier bin ich richtig. ich sehe, dass nicht nur ich so bin. auch ich schaffe es nicht mit dem abwaschen oder müll rausbringen.
aber ich sag an dieser stelle einfach mal, wir schaffen dass. wohl nicht heute oder morgen, aber wir sind auf dem richtigen weg, denn ich denke der fängt an dem punkt an, an dem man sich eingesteht, dass man krank ist.
alles gute für euch!
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