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Ich will das nicht!

Verfasst: 2. Mär 2011, 22:53
von jonesy
Liebe Forumsmitglieder,
seit einer Weile lese ich hier schon( sehr informativ und hilfreich), jetzt versuche ich es mal mit dem Schreiben.
Seit ca. 2 Jahren laviere ich jetzt mit den Depressionen rum, ohne am Anfang überhaupt erkannt zu haben, was mit mir los ist.Eigentlich wollte ich es auch nicht so wirklich wissen. Das ging so lange bis zum absoluten Supergau. Da ging dann gar nichts mehr und ich wurde mehrere Wochen krank geschrieben, was für mich absolut furchtbar war.Therapie, Tabletten, das Übliche.
Es wurde besser und ich unvorsichtiger, Tabletten aus geschlichen und Rückfall erlitten. Also, Tabletten wieder eingeschlichen, wirken aber lange nicht so gut wie beim ersten Mal.
Für mich war immer klar, das ist nur eine vorüber gehende Erkrankung und wenn ich nur genug will, wird sich das wieder geben. Ha.
Von wegen. Es hält sich und zwar hartnäckig und hat mein ganzes Leben verändert.
Ich bin ein Kämpfer, immer schon gewesen, aber gegen so was Diffuses, so was Unfassbares kommt`es mir vor, als wäre ich Don Quichote, der sich gegen die Windmühlen stellt.
Es überrollt mich einfach und was immer ich auch auffahre, um dagegen zu halten, die Depression ist stärker.
Manchmal denke ich in der Therapiestunde, meine Thera hat den Knall, wenn sie sagt, sie müssen sich Gutes tun, positiv denken usw.
Natürlich machen unsere Gedanken unsere Gefühle, aber in diesem Loch ist kein Platz für farbig. Da ist nur schwarz und grau.
Ich will mein Leben zurück, oder zumindest irgend ein Leben.
Momentan schleppe ich mich zur Arbeit, weil es mir gut tut. Obwohl, leistungsfähig ist was Anderes.
Dann gehe ich nachhause, esse( meistens Schokolade) und hänge rum. Hoffe, das mich keiner anruft oder womöglich noch vorbei kommen will und liege rum. Das kann ich momentan am besten, rum liegen. Komme mir vor wie eine Wurst, die nichts geregelt kriegt. Die Bügelwäsche starrt mich vorwurfsvoll an, in der Küche türmt sich das Geschirr, der Kater will spielen, im Flur stehen meine Walking-Stöcke und ich gucke aus dem Fenster und denke, eigentlich müsste ich jetzt...
Danke für euer Ohr bzw. Auge. Hier traue ich mich wenigstens mal zu schreiben, wie es wirklich ist.
Warum kriege ich nicht die Kurve zurück in meine eigentliches Leben?
Bis bald
Pauline

Re: Ich will das nicht!

Verfasst: 3. Mär 2011, 00:56
von kiwilana
Liebe Pauline,

herzlich willkommen!

du schreibst in deinem titel: "ich will das nicht!" - und ich könnte diesen satz oft laut (mit dir?) mit schreien. aber meine erfahrung ist, dass es nicht weiter hilft. manchmal mache und brauche ich das trotzdem. fluche oder jammere rum. und das nicht zu wenig. manchmal erleichtert es auch. aber eher kurz. dauerhaft finde ich, macht dieser satz, dieser gedanke bzw. diese einstellung es eher noch schlimmer.

es ist wie bei einer aufgabe, die man versucht zu bewältigen. wenn es beim ersten mal nicht klappt, ärgern sich viele - das ist normal. vor allem, wenn man dachte, dass es doch hätte klappen müssen. man ist doch schlau, stark und hat schon so vieles hinbekommen in seinem leben. versucht man dann aber in genau diesem verärgerten und frustrierten zustand erneut die aufgabe zu bewältigen - was passiert dann oft? es klappt nicht.

die ärgerlichen gefühle und gedanken lenken ab. man ist nicht entspannt und kann nicht akzeptieren, dass einem sowas passiert. deshalb hilft es mir persönlich immer am besten, wenn ich erstmal versuche zu akzeptieren, dass es im moment so ist wie es ist. erst dann werden meine gedanken und gefühle wieder freier - um wieder handeln zu können. es ist ein prozess. ich übe und es fällt mir nicht leicht. aber am schlechtesten geht es mir immer, wenn ich mich weigere meine situation so zu akzeptieren, wie sie im moment ist.

ich hoffe, das hilft dir ein bißchen. alles liebe und gute! kiwi

Re: Ich will das nicht!

Verfasst: 3. Mär 2011, 06:20
von ghm
Hallo Pauline,

es ist keine Grippe, es ist, dass Dein Sein ein Problem hat, mit der Art wie Dein Leben zur Zeit ist.

Vermutlich hast Du sehr gut funktioniert. Alles geforderte in Deinem Leben eher besser als Andere gemacht und das Gefühl (in Wahrheit) zu wenig zurückbekommen zu haben.

Und jetzt sagt Dir Dein Sein, dass es Zeit wird, auf Dich zu spüren.
Wer bist Du (wirklich), was tut Dir gut, was musst Du leben, um bei Dir zu sein.

Viel Vergnügen, Pauline kennenzulernen und viel Erfolg ehrlich zu Dir zu sein.

Re: Ich will das nicht!

Verfasst: 3. Mär 2011, 08:50
von wennfrid
Hi Pauline
Eine Depression ist mit keiner anderen Krankheit zu vergleichen. Gegen Grippe, Erkältung oder Arm- und Beinbruch gibt es Tabletten und andere Hilfsmöglichkeiten und nach einer gewissen Zeit ist die Krankheit vorbei. Die Depression ändert die Psyche, setzt Ängste frei und greift in den Energie-Haushalt ein. Außerdem entsteht nach einer Angstattacke die Angst vor der Angst. Dazu kommen Sorgen, was dann, wenn dieser Zustand wiederkommt, was werden die Anderen denken? Ich glaube nicht, dass man die Depression ausschalten kann, aber mit erlernten Strategien kann man sie überwinden. Dies funktioniert nicht von heute auf morgen, sondern es braucht viele Experimente, um die richtige Strategie rauszufinden.
Jeder Mensch hat seine eigene, individuelle Strategie. Was dem Einen hilft, schadet dem Anderen.

Re: Ich will das nicht!

Verfasst: 3. Mär 2011, 09:52
von jonesy
Hallo ihr Lieben,
danke für eure Worte.
Bei der Akzeptanz und Geduld hapert es bei mir noch ein wenig, aber ich gebe mir Mühe.
Dieses " erzwingen wollen" ist wohl eher kontraproduktiv.
Diese Krankheit hat mich so sehr verändert, dass ich mich oft selbst nicht wieder erkenne und meine Freunde mich erst recht nicht.
So, wie ich das hier gelesen habe, besteht bei euch die Erkrankung schon länger und ihr seid längst über den Punkt hinaus, wo man die Sache noch in Frage stellt. Dieses "so ist es nun mal" fällt mir extrem schwer.
Ich arbeite in einem helfenden Beruf und ich kann gerade so wenig geben bei meinen Patienten, die so dringend Unterstützung brauchen. Das macht mich ganz kirre.
Dieses Helfersyndrom ist bei mir sehr ausgeprägt und ich lerne gerade in der Therapie mich auf mich zu besinnen, aber es gibt immer noch einen, dem es gerade schlechter geht als mir. Kennt ihr das?
Es ist wohl eher die Flucht vor mir selbst, denn selber bedürftig zu sein, macht mir Angst.
Ich, die kompetente und immer fröhliche Pauline sitze in einem Loch ohne Ausweg. Unglaublich.
Es ist gut, dass ich hier her gefunden habe und einfach sehe, andere Menschen haben die gleichen Probleme. Es fällt mir hier leichter, zu schreiben, wie es momentan ist.
Danke für eure Unterstützung und liebe Grüße von Pauline

Re: Ich will das nicht!

Verfasst: 3. Mär 2011, 12:58
von Loppa
Hallo Pauline,

so ging es mir auch lange Zeit.

Ich habe einfach lernen müssen, mich so zu akzeptieren, wie ich mich gerade fühle. Manchmal wieder mit jeder Menge Power wie früher einmal. Manchmal ganz klein, müde, antriebslos, verzweifelt und in Gedanken gefangen. Das Gute ist: Es geht vorbei. Mal schneller, mal langsamer ...

Ich habe auch gelernt Hilfe anzunehmen. Früher war ich es, die den anderen IMMER zur Seite stand. Heute kann ich sagen: "Tut mir leid, ich habe .. keine Zeit, keine Kraft, andere Termine" oder "Ich muss im Moment auf mich achtgeben, geht leider nicht". Und die Menschen verstehen, das ist das für mich Unbegreifliche. Bieten selbst ihre Hilfe an. Und ich nehme an, wenn es möglich ist und versuche meine Kräfte zu schonen, auch mal einen Tag im Bett zu bleiben und aufzutanken.

Vielleicht gelingt es Dir. Ich drücke die Daumen.

Alles Liebe
Loppa

Re: Ich will das nicht!

Verfasst: 3. Mär 2011, 16:17
von Secret
Hallo Pauline,

das mit der Flucht vor sich selbst kenne ich nur allzu gut. Ich bin seit Oktober krank geschrieben und habe auch vom Therapeuten den Rat bekommen, zu mir selber gut zu sein. Ich dachte mir nur: "Das Leben ist doch kein Wunschkonzert! Ohne Arbeit kein Einkommen auf Dauer, Harz 4 würde ich nicht bekommen".

Erst jetzt schaffe ich es meine Freizeit vormittags zu geniessen, Walken, lesen, Yoga, mehr Kontakte zu anderen Menschen.

Ich habe mich anfangs noch mehr beworben, jetzt warte ich erst mal meine Zeit in einer Tagesklinik ab.

Kontraproduktiv war ich auch, ich habe mir nach meiner Kündigung sogar einen Berufscouch genommen, sie empfahl mir nach ein paar Treffen erst mal nur mit dem Terapeuten weiterzumachen, so lange ich noch eine Sperre habe bei Bewerbungen und keinen traue, dass er es mit der Einstellung ernst meint ist ein coachin kontraproduktiv. Das Wort Kontraproduktiv hat mich daher sehr angesprochen und an diese Zeit erinnert.

Ich hoffe, du machst dich mit der Zeit etwas freier von müssen... sollen... usw.

Einen sozialen Beruf wo ich mit Menschen zu tun habe, habe ich immer gemieden. Überfordert habe ich mich eher mit zu vielen Forbildungen und Stellenwechseln denke ich.

Es ist so schwer loszulassen, das kenne ich auch.

Wenn es dir guttut festzustellen dass es sehr viele Menschen gibt die ähnliche Probleme habe wie du tut ein Austausch mit anderen Betroffenen gut, das geht mir genauso.

Durch dieses Forum habe ich erst den Mut bekommen zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen.

Liebe Grüße
Secret

Re: Ich will das nicht!

Verfasst: 4. Mär 2011, 13:40
von no name
Hallo Pauline,

diese Einstellung „Ich will das nicht“, bzw. ich will das nicht mehr habe ich im Moment auch.

Seit einiger Zeit ist es bei mir wieder sehr instabil und innerhalb der letzten zwei Wochen ist das Loch in dem ich hänge immer tiefer geworden.
Das mag zwar jetzt blöd klingen, aber ich habe so eine absolute Abneigung gegen die Depression und deren Auswirkungen, vielleicht besser gesagt es reicht mir jetzt einfach, ich habe keine Geduld mehr. Die Aggression und Wut dagegen sind enorm, das kannte ich bisher im Verlauf meiner Erkrankung nicht.
Ich weigere mich irgendwelche Hilfestellungen von außen anzunehmen (und meine Helfernetz ist groß, zudem habe ich viele gute Freunde), ich habe alle Termine in dieser Hinsicht abgesagt, lasse niemanden an mich heran, will nicht reden und nach meinem Befinden, Gedanken, Gefühlen etc. gefragt werden, will nichts hören zum Rückzug und das dieser eben nicht gut ist, will auch nicht hören „ich soll mir was Gutes tun, wenn ich nicht einmal weis was und mich zu nichts überwinden kann, will keine Notfallmedikamente, weder Tavor noch Schlaftabletten nehmen, will auf keinen Fall in die Klinik (für mich wäre das eine Kapitulation, ein Aufgeben verbunden mit der Angst generell aufzugeben), außerdem würde das mit großer Wahrscheinlichkeit wieder die Umstellung der Medikamente bedeuten und die helfen bei mir nicht wirklich. Konnte die Klinik Ende letzte Woche gerade so umgehen, da ich mich notgedrungen bereit erklärt habe (wollte auch diesen Termin telefonisch absagen) ein persönliches Gespräch mit meinem Psychiater zu führen und nicht wie schon so oft in diesen Mutismus zu verfallen, da solch ein Zustand bei mir nichts Gutes bedeutet und mich mein Arzt dann sofort in die Klinik einweist. Also musste ich mit ihm reden. Das hat eine ganze Stunde in Anspruch genommen, weil es für mich wirklich so schwierig und extrem anstrengend ist, ich kann und will dann nicht reden, trotz des großen Vertrauens das ich zu ihm habe und die vielen schwierigen Zeiten die er mit mir schon durchgestanden hat und sich immer ganz viel Mühe gibt und sich viel Zeit nimmt.

Gestern sollte ich noch einmal bei ihm reinschauen, habe diesen Termin telefonisch abgesagt, wollte nicht, dass er mich in so einem schlechten Zustand sieht, zumal er mir letzte Woche bereits angekündigt hat ein Bett in der Klinik zu besorgen.
Aber die Fassade hat funktioniert.
Ich will es dieses Mal alleine ohne alles schaffen, weil ich das Ganze (die Depri) einfach nicht mehr will!

Die einzigen Termine die ich letzte und diese Woche außerdem noch wahrgenommen habe, sind die bei meinem Psychologen, da ich bei ihm bereits sehr oft die Erfahrung gemacht habe, dass ich wieder in einem besseren Zustand rausgehe. Letzte Woche allerdings haben wir uns die überwiegende Zeit nur angeschwiegen. Wieder dieser Mutismus.
Das Gespräch diese Woche ist einigermaßen gut gelaufen. Er sagte mir, dass in diesem „ich will das nicht“, „ich will das auf Biegen und Brechen alleine schaffen“ ganz viel Energie steckt und das dies durchaus positiv ist. Das hat mich dann erst mal in meiner Haltung bestärkt. Wobei er mich auch aufforderte damit vorsichtig umzugehen, damit diese Energie nicht in falsche Richtung läuft, ich aufpassen sollte, dass ich diese Wut in mir nicht gegen mich selber richte und das Ganze dann mit einem SV endet.
Nach diesem Termin fühlte ich mich gestärkt diesen Weg weiter zu gehen und insgesamt ging es mir zumindest etwas besser.

Leider war mein schlechter Zustand am Tag danach wieder derselbe. Schaffe zu Hause so gut wie nichts, bin total erschöpft, finde alles extrem anstrengend, kann mich kaum konzentrieren und so gelingt es mir auch nicht irgendetwas dagegen zu setzen, möchte einfach nur meine Ruhe und meinen Frieden. Das hat zusätzlich den negativen Effekt, dass das Gedankenkreisen ganz viel Raum einnimmt.

Nächste Woche habe ich erneut einen Termin bei meinem Psychiater und kann nur hoffen, dass es bis dahin wieder ein wenig besser ist und er mich meinen eingeschlagenen Weg ohne Klinik weiter gehen lässt. Noch einmal den Termin absagen, da wird er wohl nicht mitspielen.

Ja, ich will das nicht!!!

Viele Grüße

no name

PS. Entschuldigung, dass ich jetzt ins gleiche Horn geblasen habe und für dich keine Tipps habe und das noch dazu mit so einem ellenlangen Text.