Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Antworten
Carrion
Beiträge: 317
Registriert: 13. Dez 2010, 08:13

Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von Carrion »

Hey ihr Lieben!

Ich hatte vorgestern in meiner Sitzung ein etwas seltsames Erlebnis: Meine Hausaufgabe war es eine Liste zu schreiben mit Dingen die ich als angenehm/unangenehm empfinde. Da ich brav bin, habe ich eine Seite angenehmes und eine unangenehmes mitgebracht. Mein Arzt las die Sachen – sichtlich amüsiert (das war okay) – und fragte mich wie lange ich dafür gebraucht hätte. Antwort: ca. eine halbe Stunde, geht ja einfach. Er sah mich an und meinte: „Sie kennen sich so gut, wissen so genau und schnell was sie gut und was schlecht finden. Sie sind reflektiert. Ich verstehe nicht, warum sie sich nicht im Stande sehen Entscheidungen zu treffen. Noch nicht.“

Ja, ich verstehe es auch nicht. Bin ich überhaupt depressiv? Und wenn nicht, was ist dann mit mir los? Wenn ich doch alle Informationen habe und offensichtlich klar denken kann, was in drei Himmels Namen ist dann verdammt nochmal los mit mir?

Geht es irgendjemandem ähnlich?

LG Sophia
____________________________________________________________________________________



Just before our love got lost you said “I am as constant as a northern star.” And I said, “Constantly in the darkness, where’s that?"
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von chrigu »

Hi Sophia,

ich sehe nicht so ganz, was ein gutes Reflektionsvermögen mit Entscheidungsfähigkeit zu tun hat. Nur weil man das eine vermeintlich gut kann, muss das andere dadurch nicht zwangsläufig leichter sein!

Bei Entscheidungen spielt ja vor allem die Handlung eine große Rolle. Das Nachdenken über etwas ist eine Sache, daraus aber eine Handlung zu machen eine andere. Da kann übermäßiges Nachdenken oft kontraproduktiv werden, weil man zwar fix bei der Pro- und Kontraliste für eine Sache ist, dann aber nicht weiß, was man sich daraus ableiten soll oder was wie zu gewichten ist.

Mir fällt auf, dass Du Dich hier schon öfter mal gefragt hast, ob Du überhaupt depressiv bist. Ich weiß, dass mir das für mich lange schwer fiel (ich brauchte erst den medizinischen Beweis des Serotoninspiegels...), weil das für mich zuerst bedeutete, schwach zu sein. Und genau diese Schwäche konnte ich mir selbst einfach nicht erlauben, ebenso wenig die Konsequenzen, die daraus entstanden. Irgendwann hab ich gemerkt, dass es aber gar nicht schlimm ist, mich in dieser Hinsicht fallen zu lassen.

Wie ist es für Dich, von Dir selbst zu sagen, dass Du depressiv bist? Erleichternd? Erdrückend? Erschreckend? ...? Oder hast Du das Gefühl, Dir stehe das nicht zu?


Chrigu
ghm
Beiträge: 1665
Registriert: 25. Dez 2010, 12:38

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von ghm »

Hallo Carrion,

ich geh jetzt mal auf ganz dünnes Eis

Schau mal die Sprache an.
Ent- scheidung, das Ende der Teilung (in jede Richtung)

Wenn Du ent- scheidest kannst Du ganz nahe an Dich kommen oder Dich ganz weit entfernen.

Da der Mensch (leider) ein Wesen ist, dass nur schwer die Folgen seines Handelns vorherersehen kann, ist das immer ein Belastungsmoment.

Dann noch die eine oder andere (überholte) (Über)Lebensstrategie und Du hast schnell wieder das (bekannte) Gefühl von Dir weg zu sein

Ist Dir die Antwort verständlich?
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
kaitain
Beiträge: 819
Registriert: 13. Jan 2007, 23:31

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von kaitain »

chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von chrigu »

Liebe Kaitain,

danke! Ach, Deine Worte tun mir gerade richtig gut, ich freu mich drüber! Und ich freu mich auch, dass Du was aus meinen Postings für Dich rausnehmen kannst.

Lieben Gruß an Dich!
Chrigu
Carrion
Beiträge: 317
Registriert: 13. Dez 2010, 08:13

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von Carrion »

@Chrigu,

>ich sehe nicht so ganz, was ein gutes Reflektionsvermögen mit Entscheidungsfähigkeit zu tun hat. Nur weil man das eine vermeintlich gut kann, muss das andere dadurch nicht zwangsläufig leichter sein!

Ja, das sehe ich auch so. Ich kann über alles nachdenken, aber nicht alles machen. Die Gewichtung ist ein großes Problem. Wie soll man abwägen? Jeder „normale“ Mensch würde sagen: Prioritäten setzen, aber das fällt schon den „Normalen“ oft nicht leicht. Mir fällt es auf jeden Fall schwer. Und gerade dieses Gefühl „nach mir die Sintflut“ - ich kann dem nichts Gutes abgewinnen. Ich denke immer darüber nach was meine Handlungen für Auswirkungen auf Dritte in meinem Leben haben. Die sind nun mal auch wichtig.


>Mir fällt auf, dass Du Dich hier schon öfter mal gefragt hast, ob Du überhaupt depressiv bist.

Ja, damit beschäftige ich mich. Ähnlich wie der eine oder andere hier funktioniere ich nämlich im Alltag ganz gut. Ich bin NICHT krankgeschrieben, ich bleibe nicht tagelang im Haus, ich räume auf, gehe zur Arbeit, dusche, treffe Freunde… aber auf der anderen Seite kenne ich das Gefühl nur noch die Decke über den Kopf ziehen zu wollen, dass Lächeln weh tut, dass ich keine Zukunft sehe, ich kenne es am Tisch festzusitzen und nur noch zu rauchen und Kaffee zu trinken, der Gedanke dass nichts Sinn macht, jedes Gespräch überflüssig ist. Ich hätte gerne diesen medizinischen Beweis, damit ich ruhig sein könnte, damit ich aufhren könnte zu kämpfen und es mir „erlauben“ könnte zuzugeben dass es gerade eben nicht mehr geht. Sobald ich unter Menschen gehe wird dieses „Ich kann nicht mehr“-Gefühl besser, auch wenn ich meine Therapeuten sehe. Ich kann diese Hoffnungslosikeit einfach nicht halten wenn ich in den offiziellen Modus wechsle, es ist als würde sie daheim auf mich warten und lachen und sagen „Jaja, geh du nur, ich bin auch noch da wenn du wiederkommst und dann hilft dir nichts und niemand…“. Ja, fallenlassen, das wäre großartig, Manchmal frage ich mich ob meine ganzen „ungesunden“ Verhaltensweisen nur darauf abzielen den Zusammenbruch zu provozieren (nicht falsch verstehen, ich mache das nicht irgendwie „mit Absicht“, aber wer weiß schon wie das Unterbewusstsein tickt…). Dann könnte ich mich fallenlassen, die Dinge tun die ich wirklich tun will, vielleicht verstehen was „wirklich wollen“ heißt. Ich schätze ich bin der Typ für die harten Bandagen und ich hasse es. Aber anders scheine ich nicht zu können, dann bin cih nur schwach. Wenn ich „offiziell“ depressiv für mich akzeptieren könnte, dann wäre es vermutlich erleichternd. Dann würde ich mich nicht wie eine Heulsuse fühlen. Im Moment habe ich das Gefühl: „Das steht mir nicht zu.“
Und: In Anlehnung an Kaitain (die Länge der Antwort belegt es ja schon): Dein beitrag hat mir sehr geholfen weiterzudenken. Danke!
@Gregor
>Wenn Du ent- scheidest kannst Du ganz nahe an Dich kommen oder Dich ganz weit entfernen.

Ich habe Angst davor ganz weit weg von mir zu landen. Alleine und verzweifelt. So bin ich in einem unangenehmen aber sicheren Zustand. Die Existenz ist (noch) nicht bedroht. Es ist feige und macht mich unglücklich, aber ich „lebe“.

> Dann noch die eine oder andere (überholte) (Über)Lebensstrategie und Du hast schnell wieder das (bekannte) Gefühl von Dir weg zu sein


Die Überlebensstrategien sind miese Biester, die den Kollaps verzögern, dich aber in dieser irren Situation festhalten. Aber ich habe sie schon so lange (ca. 15 Jahre), ich erkenne sie nicht. Sind lauter Wölfe im Schafspelz und ich weiss nicht welches Schaf ich schlachten soll.. (sry, etwas drastisch. Ich liebe Schafe, habe ein paar selbst großgezogen….)

Liebe Grüße
Sophia
____________________________________________________________________________________



Just before our love got lost you said “I am as constant as a northern star.” And I said, “Constantly in the darkness, where’s that?"
ghm
Beiträge: 1665
Registriert: 25. Dez 2010, 12:38

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von ghm »

Hallo Carrion,

solange Du ehrlich zu Dir bist, kannst Du Dir edie eine oder andere Fehlentscheidung erlauben.
Manchmal muss man sich dan umdrehen und ein wenig Weg zurückgehen.
Aber sei Dir gewiss, dass Du (auch den "falschen" Weg) ausprobieren willst und Du hinterher sagen kannst, Weg war falsch aber die Erfahrung war es wert und ich war dort, weil ich es wollte und nicht weil ich dort hingeschickt wurde (von den Überlebensstrategien)

Ein Bild:

Wenn Du in einem großen Raum bist, mit vielen Menschen und vor der Eingangstür brennt ein (noch kleines) Feuer, sagt Deine Überlebensstrategie lauf weg.
Alle laufen weg, es gibt eine Panik.
Wenn Du diesen kurzen Moment aushalten kannst und nicht sofort schreist und läufst kannst Du nachsehen, vielleicht ist das Feuer noch zu klein, dass man es noch gut überspringen kann.

Noch ein wenig Goethe (auch er kennt tiefe Täler)

Gut verloren - etwas verloren!
Mußt rasch dich besinnen
Und neues gewinnen.

Ehre verloren - viel verloren!
Mußt Ruhm gewinnen,
Da werden die Leute sich anders besinnen.

Mut verloren - alles verloren!
Da wär es besser: nicht geboren.
~~ Göttin, lass es Hirn vom Himmel regnen (und nimm den Menschen die Regenschirme weg) ~~
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von chrigu »

Hi Sophia,

dann sind wir zumindest äußerlich in einer ähnlichen Situation. Und auch was die Gedanken dazu angeht erkenne ich mich wieder, ich bin auf jeden Fall auch der Typ für die harten Bandagen gegen mich selbst gewesen (ups, und auch jetzt immer wieder mal...). Wie gesagt, ich brauchte damals die wissenschaftliche Bestätigung dafür, dass ich tatsächlich krank bin und deshalb auch krank sein darf. Nimmst Du Medikamente? Wird Dein Serotoninspiegel dabei kontrolliert? Da kann man prima die Kurve beobachten, die im Keller steckte!

Puh, ich würde Dir gerne schreiben können, wie es hinhaut, sich das Kranksein zugestehen zu können, aber das war bei mir auch ein Prozess, zu dem viele verschiedene Faktoren beigetragen haben. Aber ehrlich, wenn ich zum Beispiel bei den Forentreffen höre, was manch andere etwa schon an Klinikaufenthalten hinter sich hatten, dann schleichen sich bei mir immer noch diese Gedanken ein: "Na Chrigu, im Gegensatz dazu hast du dich wohl nur angestellt." Dann fällt mir aber wieder ein, wie sich das alles angefühlt hat, wie verzweifelt und wirklich fertig ich war - also, das war definitiv keine Anstellerei. Und es ist ja auch kein wen-hat-es-am-heftigsten-erwischt-Wettbewerb. Für jeden ist das, war er selbst da an Depressionen erlebt, das subjektiv schlimmste.

Ich finde es gar nicht so abwegig, dass Dein Unterbewusstsein auf einen Zusammenbruch abzielt. Der Körper merkt ja, dass da etwas total aus dem Gleichgewicht geraten ist und die Handbremse gezogen werden muss. Bei manchen muss dann richtig heftig auf die Bremse getreten werden, wie auch immer (bei vielen ja dann durch somatische Beschwerden). Ist irgendwie auch verrückt, dass man all das weiß, aber sehenden Auges mitmacht, oder?

Du musst Dich ja auch nicht gleich völlig fallenlassen. Würde es Dir helfen, Dir zuzugestehen, dass Du jetzt (also heute, morgen und vielleicht noch nächste Woche) nicht ganz auf der Höhe bist und Dich deshalb schonen möchtest? Deshalb Dinge machst, die Du machen möchtest; und vor allem die nicht, die Du nicht machen möchtest? Und am nächsten Wochenende kannst Du neu entscheiden, ob Du noch eine Woche mehr Ruhe für Dich brauchst oder nicht.

Viele Grüße
Chrigu
Carrion
Beiträge: 317
Registriert: 13. Dez 2010, 08:13

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von Carrion »

LIeber Gregor, liebe Chrigu!

Entschuldigt dass ich so lange gebraucht habe. Die letzten Tage waren einfach nicht gut. Da habe ich mich lieber mit „fremden“ Baustellen beschäftigt. Und darüber nachgedacht was ich euch antworte...


@Gregor!

Du hast recht, dass ich wahrscheinlich auch den „falschen“ weg ausprobieren will. Obwohl mir alle sagen dass es der richtig ist. Vielleicht erleben ich ja eine Überraschung. Ich will nur nicht stehenbleiben. Eine Freundin sagte mir mal: „ Es ist das stehenbleiben, S., das so weh tut. Wenn du wieder läufst wird es auch wieder besser.“

Ich werde versuchen langsam und überlegt Schritte zu gehen, wenn es sein muss nach strikter Logik, wenn das Gefühl mal wieder streikt. Und ich werde sehen ob ich das Feuer noch überspringen kann. Eigentlich bin ich gut in Paniksituationen. Da bin ich ganz Kopf und Logik. Nur bei der momentanen Situation scheint es irgendwie zu versagen. Aber – danke Johann Wolfgang – den Mut habe ich noch nicht verloren!

@Chrigu

Mein Serotoninspiegel würde mich wirklich interessieren. Aber was wenn dann „herauskäme“ dass da alles in Ordnung ist? Dann würde ich mir vorwerfen was für ein schrecklicher Markiere ich bin, dass ich mich nur hängenlasse, dass dass dass…


Du hast recht: Es ist kein Wettbewerb, aber es ist wie damals auf der Titanic: Frauen und Kinder zuerst… (also die die am wenigsten kämpfen können – und kämpfen kann ich).

Sich das Kranksein zugestehen: Ich bin nie besonders gut darin gewesen. Ich habe es schon geschafft eine Erkältung so lange zu verschleppen, dass ich am Ende mit einer Rippfellentzündung dastand und beim Heimweg vom Arzt alle 500 Meter auf einer Bank saß (ein Glück wenn man in der Innenstadt wohnt, wo alle 100 Meter Bänke stehen ). Es ist immer die Frage: Wann ist es genug? Wann darf ich halt sagen? Es geht ja immer irgendwie. Und wenn es jetzt nicht geht, dann kann es morgen oder übermorgen wieder gehen… Es ist wahrscheinlich müßig sich daran festzudenken, denn wie du schon bei dir gesagt hast: sich etwas zuzugestehen, das ist wahrscheinlich ein längerer Prozess, in dem man Klarheit gewinnt über seinen Zustand und wieder halbwegs realistisch beurteilen kann.

Neulich dachte ich zum ersten Mal: Oh Gott! Ich war mit Freunden Schlittschuhlaufen (zu dritt) und wir haben Unsinn gemacht und irgendwann musste ich lachen. Es hat sich so verdammt gut angefühlt und in dem Moment habe ich gemerkt, dass ich seit Wochen, vielleicht seit Monaten nicht mehr gelacht hatte, nicht so, ohne Hintergedanken, ohne Grübeleien…. Das hat mir zu denken gegeben.

Was man alles so mitmacht? Ja du hast recht, es ist Wahnsinn. Aber das sehe ich oft bei vielen Menschen, auch bei nicht depressiven, allerdings nicht in diesem Ausmaß.

Mein Problem daran Dinge zu tun die ich möchte und Dinge nicht zu tun die ich nicht möchte ist folgendes: Vieles was ich tun möchte ist ohne meinen Lebenspartner, vieles was er möchte, möchte ich nicht (körperliche Nähe etc.), ihn verletzen möchte ich aber auch nicht. Wo zieht man da die Grenze?

Lieben Dank für eure Antworten!
Sophia
____________________________________________________________________________________



Just before our love got lost you said “I am as constant as a northern star.” And I said, “Constantly in the darkness, where’s that?"
Abraxas
Beiträge: 77
Registriert: 5. Aug 2009, 20:22

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von Abraxas »

Nico Niedermeier
Moderator
Beiträge: 2845
Registriert: 21. Mär 2003, 11:10

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von Nico Niedermeier »

Da hat Abraxas völlig Recht..
Gruß
Dr. Niedermeier
schatzi
Beiträge: 761
Registriert: 28. Sep 2006, 20:28

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von schatzi »

Ausserdem grübeln gesunde Therapeuten nicht.
kiwilana
Beiträge: 1622
Registriert: 14. Nov 2010, 14:10

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von kiwilana »

Liebe Carrion,

tut mir leid, dass ich dir bei "Leittiere" noch nicht geantwortet hatte.
Edit: Hier kam es leider zu einer Verwechslung. Heute schrieb ich Secret: "Du, meine Konzentration bzw. mein Gedächtnis war offensichtlich mal wieder im Eimer, weshalb ich gestern der Carrion aus Versehen so antwortete, als wäre sie du. Gott sei Dank schrieb Carrion dann heute was zum Thema ihrer Arbeit und da dachte ich: "Hä? Ich dachte die arbeitet zur Zeit gar nicht?"... ratter, ratter, ratter... Rätsel gelöst: Verwechslung."

Liebe Carrion, der Textinhalt bezieht sich aber schon auf deine Frage/Situation, nur die Beispiele passen nicht so ganz:

Eine Methode, die mir sehr hilft. Sie stammt aus dem Buch "Durch Achtsamkeit und Akzeptieren Ihre Depression überwinden - Ein Handbuch zur Acceptance und Commitment Therapie (ACT)" von K.D.Strosahl (langer Titel, puh). Kurz vorab:

Das Ziel ist, nach seiner "inneren Weisheit" zu entscheiden und zu handeln, um nah bei sich selbst zu bleiben - anstatt sich von sich selbst zu entfernen. Die Sache mit dem "Selbst", also den wirklich eigenen Werten und Wünschen, wäre in dieser Methode die oben sogenannte "innere Weisheit" (laut Buch). Und die Sache mit den Fremdeinflüssen, der Prägung durch Kindheit, Gesellschaft und Co, aber v.a. auch die Einflüsse durch Depressionen und Ängste, wäre in dieser Methode der sogenannte "reagierende Geist" (wie der Name schon sagt: Weil man hier REAGIERT - auf äußere Einflüsse und infolge von Prägung - anstatt zu AGIEREN, wie man es wirklich frei und selbst möchte/braucht). So, und nun ein Zitat aus dem Buch:

"Ihre innere Weisheit hält sich nicht an Regeln; sie stellt einfach nur fest, was seinen Zweck erfüllt und was nicht (...)".

Beispiele von mir (natürlich echte;):

1.) Auf meinen reagierenden Geist gehört zu haben:

Situation: Ich könnte zu einem Vorstellungsgespräch in einem Katzen-Tierheim gehen (Teilzeit).

Was mein reagierender Geist zu mir sagt:
Zu anstrengend (wegen manchmal auch morgens arbeiten), dortige Erwartungen bestimmt zu hoch, aber ich MUSS es tun, wegen dem Geld.

Was meine innere Weisheit zu mir sagt:
Dass es bestimmt schön wird und mir gut tun wird. Ich habe die Stelle selbst ausgesucht, weil ich total Lust hatte, etwas mit Tieren machen. Und nicht mehr alleine und arbeitslos zuhause sitzen wollte.

Was habe ich tatsächlich getan? Und was hat es mir gebracht?
Ich ging nicht zum Vorstellungsgespräch, stürzte zwei Tage später ab und hatte drei Wochen lang eine depressive Episode (mittelschwer). Ich machte mir Vorwürfe und fühlte mich wie ein Versager. Nur an dem Tag, als ich nicht hin ging, war es eine kurze Erleichterung. Danach habe ich es bitter bereut.


2.) Auf meine innere Weisheit gehört zu haben:

Situation: Hunde-und-Hundehalter-Treffen mit dreistündiger Wanderung.

Mein reagierender Geist sagt mir: Viel zu anstrengend! Zu lange. Fremde Menschen dort ist schwer. Ich bin zu krank dafür.

Die innere Weiseheit sagte mir (15 Minuten vor Abfahrt erst, aber immerhin;):
Besser, als alleine zuhause zu bleiben! Versuch es wenigstens, eventuell wird es ja gut. Hunde, schöne Natur: Das mag ich doch.

Was ich tat und Ergebnis:
Ich ging hin und es war sehr schön! Auch wenn ich danach total ko war und Kopfweh hatte. Die meiste Zeit dort, habe ich aber SEHR genossen. Es war schön, etwas erlebt zu haben und ich hatte das Gefühl, mein Tag war erfüllt. Das machte mich innerlich sehr zufrieden, trotz Kopfweh.

Ich habe mir dazu ein Blatt bzw. eine Tabelle gemacht (da notiere ich viel kürzer, damit ich mich nicht verzettele war nur für dich länger, aber wie man mag ). Auf dieser Liste notierte ich die o.g. beiden Beispiele, die bereits in der Vergangenheit lagen. Neben dem, was gut tut/tat (also "seinen Zweck erfüllte"), male ich einen lächelnden Smily. Neben dem, was schadet einen mies-traurigen Smily. Damit ich bescheid weiß Als dann aktuell ein Vorstellungsgespräch in einem Kiosk mit Geschenke-Laden (Teilzeit) anstand (und ich ÜBERHAUPT NICHT hingehen wollte), benutzte ich diese Methode... und ging hin!

Was soll`s, ist eh schon lang, also auch dieses Beispiel:

Reagierender Geist: Peinlicher Job, der alberne Firmenname ist total blöd im Lebenslauf, bestimmt zu anstrengend.

Innere Weisheit: Die Leute und der Chef dort waren total nett (als ich kurz persönlich nach nem Job fragte). Und der Laden ist echt hübsch. Es wird mir bestimmt gut tun und wenn es nur so lange ist, bis ich etwas anderes gefunden habe. Alleine und arbeitslos zuhause zu sitzen schadet mir. Eine Aufgabe tut meinem Selbstwert gut - das weiß ich doch vom letzten Praktikum!

Es kam dann zwar nicht zu dem Job, aber ich bin hingegangen. Und das war sehr sehr gut!

Liebe Carrion, ich hoffe, das half dir ein wenig. Und ich hoffe, ich finde einen guten Umgang mit dem Forum, damit wir uns auch wieder öfter "unterhalten" können (Edit: Betraf eigentlich Secret, aber mit dir auch gern;). Ich neige zu Verzettelungen, aber arbeite bereits daran. Auf jeden Fall ist unsere Situation sehr ähnlich (Edit: Ne, das war die Verwechslung, bin ja arbeitslos) und ich muss oft an dich denken und wünsche dir alles Gute! (Edit: Das wünsche ich natürlich auch dir, liebe Carrion;) Tschaka! Kiwi

PS:
> Ausserdem grübeln gesunde Therapeuten nicht.
Vielleicht wollte dein Therapeut auch nur einen Gedanken-Prozess in dir anregen, etwas provozieren sozusagen. In positivem Sinne.
kiwilana
Beiträge: 1622
Registriert: 14. Nov 2010, 14:10

Re: Wenn der Thera ins Grübeln kommt....

Beitrag von kiwilana »

Hallo liebe Chrigu,

dein Posting hier fand ich auch total krass, umwerfend, so klar, genau wie jemand anders dir das hier oben bereits rückmeldete. Da fiel mir auf, dass ich es anders las, als dein Posting an mich gestern, ich würde sagen: freier - weil es nicht mich selbst betrifft. Bitte behalte deine Art, du schreibst wunderschön und erkennst so vieles.

Dass ich zur Zeit nicht stabil und kräftig genug bin, um solche Rückmeldungen auffassen, reflektieren und beantworten zu können, ist nicht immer so. Nach meinem kurzen aber heftigen Absturz-Tag letzte Woche, ist nach der absoluten Depri-Leere mein Kopf auf einmal so mega-voll gewesen. Eine Art Gefühls-und-Gedanken-Explosion. Wenn ich wieder sortierter bin, wäre ich dankbar für solche tollen Rückmeldungen wie deine (wenn du dann noch magst?).

Liebe Grüße und schönen Tag! Kiwi
Antworten