Beziehung führen mit Depression

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Papillon
Beiträge: 117
Registriert: 21. Nov 2008, 16:45

Beziehung führen mit Depression

Beitrag von Papillon »

Mich beschäftigt seit einiger Zeit ein Thema und ich entschuldige mich jetzt schon dafür, dass ich vermutlich negative Gedanken dazu haben werde (weil ich mich momentan mal wieder kurz vor dem Abgrund befinde).
Es geht um die Frage, ob man mit einer Depression überhaupt fähig ist, eine Beziehung zu führen.
Ich leide seit 11 Jahren an Depressionen/Dysthemie, hatte eine 9 jährige Beziehung und in dieser Zeit hat sich mein Freund/Mann/bald Exmann sehr um mich gekümmert. Es kam nie ein böses Wort wegen meiner Krankheit und er hat es immer "ertragen".
Danach hatte ich eine 9monatige Beziehung, die leider aufgrund von ungereimtheiten und zu großer Entfernung in die Brüche ging. Aber mein Exfreund hatte z.B. große Probleme mit dieser Krankheit, vor allem dieses weggeschickt werden von mir. Weil ich ihm das nicht zumuten wollte... weil es mich innerlich immer zerreisst und ich dann auch nichts fühle bzw. alle Gefühle durcheinanderwirbeln. Ich wünsche mir dann Nähe, kann sie aber nicht ertragen wenn ich sie bekomme...

Ich hatte vor fünf Wochen die Chance auf eine neue Beziehung und habe in diesen fünf Wochen zweimal mit ihm Schluss gemacht (das letzte Mal endgültig) und er sagte mir dann auch, er kann so nicht und kann so keine Beziehung führen mit diesem "heute so und morgen anders". Aber was soll ich tun? Entweder ich fühle so viel, extrem viel und bin dann auch sehr liebesbedürftig und andererseits gibt es Tage an denen mir alles egal ist... egal ob er da ist oder nicht, egal ob Schluss ist oder nicht.

Ich hatte eine Katze, extra zu mir geholt, damit ich eine Beschäftigung habe, nicht allein bin, eine Aufgabe habe die mich fordert. Sie hat mich überfordert. Und von heute auf morgen hab ich mir in den Kopf gesetzt, die Katze muss weg... ich hab eine Anzeige aufgegeben und er hat jetzt einen glücklichen Platz bekommen. Aber das war auch so eine Hauruck-Aktion.
Gut, ich bin den ganzen Tag in der Arbeit, bin (wieder) Single... ich hätte einfach nicht die Aufmerksamkeit für die Katze gehabt die sie gebraucht hätte... aber ich weiß auch, dass da eben meine Krankheit auch ihren Beitrag geleistet hat.

Und so war es auch mit meinem Freund.
Es lief nicht so ganz wie ich mir das gewünscht hätte, aber es wäre kein Grund gewesen Schluss zu machen, es war ein idiotischer Grund, eine Kleinigkeit.
Ich würde gerne eine 2. Chance haben wollen... eigentlich eine 3. wenn man es genau betrachtet. Aber ich denke mir, ich kann ihm das nicht zumuten... weil ich nicht versprechen kann, dass ich nicht wieder in einem Loch sitze und mir dann wieder alles egal ist.

Wie macht ihr das, bzw. was habt ihr für Erfahrungen in euren Beziehungen? Wie geht ihr mit dieser manchmal vorherrschenden Gefühllosigkeit und dem "Egal-Gefühl" um, bzw. wie geht euer Partner damit um?
Wenn man sich länger kennt, wenn man länger zusammen ist, dann weiß der Partner im Normalfall ja, dass es die Krankheit ist und nicht gegen ihn gerichtet. Aber wenn man sich erst kennenlernt und dann tritt sowas auf... wie soll man das begreifbar machen bzw. erklären?

Es ist einfach so, dass ich persönlich für mich denke, ich schaffe es nicht mit dieser Krankheit eine Beziehung führen zu können, weil ich immer das Gefühl habe dem anderen zuviel zuzumuten... vor allem ist es immer schwer etwas zu erklären das man nicht sehen kann... anders als gebrochenes Bein oder dergleichen.
Vielleicht denke ich aber auch nur so, weil ich mit mir selbst immer im Klintsch bin... diese Krankheit zwar akzeptiere aber auch nicht wirklich annehmen kann, bzw. wie macht man das? Sie annehmen? Sie ist da... manchmal nur im Hintergrund und manchmal schlägt sie voll zu, so wie gestern Abend. Ich weiß das ich damit leben muss... Aber ich habe das Gefühl sie beeinträchtigt mich in so vielen Dingen (was sie ja auch tut), sei es nun Beziehung oder beruflicher Werdegang, ausserberufliches Engagement usw. Weil mir manches schnell zuviel wird... auch schöne Dinge.



Wie löst ihr das in euren Beziehungen? Und die Krankheit kann ja eigentlich auch nicht immer Entschuldigung für alles sein. Wie trennt ihr das? Was ist Krankheit und was bin ich?
Kennt ihr auch die Sache mit dem Identitätsproblem, ich nenne es jetzt einfach mal so.

...

lg!
Papillon
finchen72
Beiträge: 17
Registriert: 26. Jan 2011, 11:06

Re: Beziehung führen mit Depression

Beitrag von finchen72 »

hallo papillon...
ich bin froh, deinen beitrag zu lesen..habe ähnliches in den letzten 3 monaten erlebt.
bin allerdings noch verheiratet und habe mich trotz oder gerade wegen meiner "krankheit" auf jemand anderen mehr oder weniger eingelassen, der aber leider eslber auch noch in einer schwierigen beziehung steckt. er konnte mir ein neues lebensgefühl vermitteln, machte mir komplimente und wir kamen uns per mailkontakt ziemlich nah...aber alles ist nun zerbrochen...hatte mich da emotional zu sehr reingehängt und dem ganzen keine zeit gegeben. er fühlte sich bedrängt...meine verlustängste waren so stark...ich war so unruhig und nervös, habe alles auf mich bezogen, wenn er mal aus beruflichen gründen nicht schreiben konnte. nach 2 küssen war schluss...und das war für mich die hölle, aber ich habe schluss gemacht. konnte diese situation für mich selber nicht mehr ertragen. er hat as auch einfach so akzeptiert...und damit muss ich nun zusätzlich zu allen anderen problemen auch noch klar kommen...ich mit meinen lächerlichen sehnsüchten nach liebe und geborgenheit! verrenne mich in solche geschichten und weiß nun weder ein noch aus. der mann fehlt mir, obwohl wir nie richtig zusammen waren. meine eigentlicher ehemann bedeutet mir schon lange nichts mehr...deswegen wahrscheinlich die flucht in diese von vorn herein zum scheitern verurteilte beziehung. hätte ich den kopf frei, wäre mir soetwas sicher nicht passiert. komme mir vor wie ne psychotante und hasse mich selber für soviel negatives, das ich mir selber antue...ich kann dich so gut verstehen!!!
Papillon
Beiträge: 117
Registriert: 21. Nov 2008, 16:45

Re: Beziehung führen mit Depression

Beitrag von Papillon »

Hallo Finchen,

das was du schreibst kommt mir auch sehr bekannt vor.

Mir kam heute Abend ein neuer Gedanke... was Gefühle betrifft.
Mir ist aufgefallen, dass mich Schicksalsschläge kaum treffen... das Aus meiner Ehe, das Aus meiner Beziehung und das Schluss machen mit meinem neuen Freund... der Herzinfarkt meines Vaters Anfang letzten Jahres... ich spüre das alles nicht. Das heißt, ich spüre es sehr lange Zeit nicht... da ist einfach nichts. Und mit einem Mal kommt alles auf einmal. Und dann fühle ich alles zur gleichen Zeit mit der gleichen Intensität. Vielleicht liegt da der Fehler in meinem Gehirn... dass es immer nur ablegt, ablegt und wieder ablegt, aber nichts verarbeitet. So lange, bis der bekannte letzte Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt.

Ich würde so gerne meinem Exfreund sagen, dass es nicht so gemeint war. Ich würde es gern rückgängig machen... aber es geht nicht. Es bin ja nicht nur ich, die verletzt ist... er ist es ebenso. Ich kann nicht immer nur Verständnis erwarten.

Ich weiß es nicht...
Thaleia
Beiträge: 10
Registriert: 26. Jan 2011, 23:25

Re: Beziehung führen mit Depression

Beitrag von Thaleia »

Hallo ihr!
Ich finde das so überwältigend, zu sehen, dass sich andere Leute genau diesselben Gedanken machen, wie ich. Ich denke auch immer wieder: Ich kann nicht immer die Krankheit vorschieben. Bin ich die Krankheit? Hat sie mich schon komplett übernommen? Wer bin ich überhaupt noch? Und wie verhalte ich mich überhaupt richtig? Ich habe auch das Gefühl, immer wieder Fehler zu machen. Alle damit zu belasten, dass ich so bin und dass ich depressiv bin. Aber, ich versichere es euch hier, und mir auch noch, wir sind es nicht schuld, dass wir krank sind. Keiner kann da was für.
Papillon
Beiträge: 117
Registriert: 21. Nov 2008, 16:45

Re: Beziehung führen mit Depression

Beitrag von Papillon »

Hallo Thaleia,

es tut immer gut zu wissen, dass man mit seinen Gedanken nicht alleine ist. Das Forum hier ist eine große Hilfe und ich bin dankbar dafür, auch wenn ich nicht so oft schreibe, aber allein schon das Lesen hilft einem oft unheimlich viel.

Ich weiß das wir nicht schuld sind an unserer Krankheit. Da hast du etwas sehr wahres gesagt. Aber etwas wissen und etwas annehmen können sind zwei verschiedene Dinge. Ich übe mich noch im annehmen. Und ich habe festgestellt, dass es schwieriger ist etwas anzunehmen, wenn man es nicht greifen kann. Wenn es etwas ist, dass im Kopf stattfindet. Weil ich mir immer denke: ich muss mich doch einfach nur zusammenreissen, positiver denken, es in den Griff bekommen etc. Aber es funktioniert nicht weil der Stoffwechsel nicht funktioniert.
Therapie ist etwas sehr wichtiges, weil sie einem hilft den für sich richtigen Weg zu finden und besser damit umzugehen, vorzubeugen, auch wenn es nicht immer funktioniert, aber es kann die Phasen abmildern. Und Medikamente sind auch wichtig zur Unterstützung. Ich habe auch oft gedacht, ich schaffe es ohne... habe sie zwischenzeitlich auch abgesetzt, was ich im Nachhinein als großen Fehler sehe... es geht bei mir eben nicht ohne. Noch so eine Sache die ich akzeptieren muss und werde, weil ich weiß, es hilft mir.

lg!
Carrion
Beiträge: 317
Registriert: 13. Dez 2010, 08:13

Re: Beziehung führen mit Depression

Beitrag von Carrion »

Hey ihr!

Erstmal: Wir sind NICHT unsere Krankheit. Wir sind alle mehr. Und wir können Beziehungen führen. Daran glaube ich. Wie kann das gehen? Indem man offen ist. Dem Partner nichts vormacht und ihm/ihr von Anfang an klarmacht was genau das Problem ist, wie die Symptome sind, dass das nicht persönlich gemeint ist, nicht als Ablehnung. Indem wir klare Grenzen ziehen und sagen was wir können und was nicht.

Beziehungen zu führen ist immer eine komplizierte Sache, nicht nur für Depressive, sondern auch für andere. Ich schätze wir haben nur andere Stolpersteine. Wichtig für eine Beziehung finde ich noch, dass man dem anderen zeigt, dass man an sich arbeitet, dass er eine Perspektive hat.

Zu jeder Beziehung gehört Mut und Offenheit, ich shcätze wenn man depressiv ist noch mehr als wenn man "normal" ist (wer ist das schon?).

Dieses "dem Partner etwas zumuten" ist in meinen Augen der Knackpunkt. Wenn ich jemanden liebe will ich teilhaben, an allem was ihn bewegt. Das ist dann keine Last, das ist mit ihm leben. Nur umgekehrt scheint es uns so viel schwerer...

Liebe Grüße
Sophia
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Just before our love got lost you said “I am as constant as a northern star.” And I said, “Constantly in the darkness, where’s that?"
LST
Beiträge: 35
Registriert: 22. Okt 2010, 10:06

Re: Beziehung führen mit Depression

Beitrag von LST »

Hallo zusammen,
ich finde mich bzw meine Gefühle in euren Beiträgen auch wieder. Manchmal denke ich, daß ich als sog. Depressive mit gar niemandem zusammen sein sollte, um nicht immer funktionieren zu müssen. Oder mit jemandem der das versteht oder dem es auch so geht. Dann erlebe ich aber, daß meine depress. Gefühle angestoßen werden, wenn ich zum Beispiel hier im Forum was lese oder mit anderen D. zu tun habe. Mein Mann hat auch seine Probleme, kann/will darüber aber nicht sprechen bzw sie ther. angehen.

Ich ärgere mich oft darüber, daß ich so abhängig von der Zuwendung und Zustimmung Anderer bin. Zuwendung kann mich aus einer Depr. holen. Nichterfahrene dagegen hineinwerfen... Komme mir manchmal vor als hätte ich keine Hülle oder Kontur.
Bin immer auf der Suche nach dem "richtigen" Leben, statt meines zu leben.

In meiner Beziehung erdulde ich vieles, was nicht gut für mich ist, weil ich alleine nicht leben könnte (Mein Inneres ist fest davon überzeugt...)Ich brauche eine stabile, berechenbare Umgebung.
Andererseits sehe ich die Gefahr der Kurzschlußreaktionen, die krankheitsbedingt sind auch. (Trennungswünsche auf Grund von Kleinigkeiten, heftige Gefühle bei vermeindlicher Zurückweisung) Ich glaube, daß das eine bestehende Bez. tatsächlich noch besser aushält als eine junge, die sich noch verfestigen muß.

Andererseits wäre es schon hilfreich, wenigstens ansatzweise mit dem Partner darüber sprechen zu können, was bei uns leider nicht geht. Vielleicht wäre das in einer neuen Beziehung anders, wenn man total ehrlich miteinander umgeht.

@Papillon
Dieses "Wegschicken" lese ich hier immer wieder, kenne das aber so von mir nicht.
Vielleicht ertrage ich den Anderen einfach, aus Angst vor den Folgen oder weil ich mir vorstelle, wie das für mich wäre. Habe aber auch genug Rückzugsmöglichkeiten durch eigene Hobbys u.s.w.
Manchmal fehlt mir trotzdem in meiner Ehe die Luft zum Atmen, besonders am Wochenende und wenn er Urlaub hat...

Liebe Grüße
soenam
Mögen alle fühlenden Wesen sich des Glücks und der Wurzel des Glücks erfreuen
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