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Wirksamkeit von AD - Erwartungen, Enttäuschungen,...

Verfasst: 5. Jan 2011, 16:18
von Tournesol1342
Liebe Forianer!

Schon seit vielen Monaten, seit fast zweieinhalb Jahren (...um genau zu sein! )nehme ich nun schon AD's ein. Meine Ärztin hat verschiedene Medikamente (allesamt aus der Gruppe der SSRI (und ein SNRI)) ausprobiert - aber außer teilweise grauenhaften Nebenwirkungen hat sich keine wirklich überzeugende Besserung meiner Beschwerden gezeigt.

Ich habe recht geduldig wochen- und monatelang meine Medikamente geschluckt, bis zur nächsten Umstellung: Citalopram, Sertralin, Venlafaxin, Reboxetin, Fluoxetin, und und und.

Momentan ist die "Lage" so, dass ich (mit 60mg Fluoxetin tägl.) keinerlei Besserung empfinde - meine Ärztin aber zufrieden zu sein scheint mit meinem Befinden und der Einstellung der Medikation.
Da frage ich mich, ob meine Erwartungen an die Wirksamkeit der Antidepressiva zu hoch sind und waren - kann es denn sein, dass ein Medikament wirkt, obwohl ich immer wieder (und anhaltend) Tiefs und Abstürze durchlebe?
Erwarte ich einfach zu viel von den Tabletten?

Mir ist schon klar, dass es keine "Wunderpillen" gibt, die die Depression so mirnixdirnix wegwischen. Mir ist auch klar, dass es trotz der Medikamente auch an meinem Verhalten, an meiner Einstellung zu den Dingen liegt, damit ich wieder aus dem Depri-Loch herauskomme.

Aber ich frage mich wirklich, wie viel Hilfe, wie viel Linderung die AD's bringen - ich spüre davon nichts. Wie viel darf ich erwarten? Oder erhoffe ich mir zu viel von den Medikamenten?

Ich bin etwas ratlos.
Wie sind eure Gedanken oder Erfahrungen zu diesem Thema?

Viele Grüße ins Forum,
Tournesol.

Re: Wirksamkeit von AD - Erwartungen, Enttäuschungen,...

Verfasst: 5. Jan 2011, 16:25
von lowrider60sec
>>Aber ich frage mich wirklich, wie viel Hilfe, wie viel Linderung die AD's bringen - ich spüre davon nichts.>>

Hallo Tournesol,

Spürst du aktuell nichts, oder hast du bisher noch absolut gar keine Besserung verspürt ? Möglicherweise kommt es dir nur so vor.
Du weisst sicherlich, dass auch mit AD's die Tiefs kommen, halt nur schwächer.
Das wärs mal vorerst von mir aus.

LG
lowrider

Re: Wirksamkeit von AD - Erwartungen, Enttäuschungen,...

Verfasst: 5. Jan 2011, 20:15
von ghana
Hallo Tournesol,

ob und wie gut bestimmte ADs wirken, ist individuell ganz unterschiedlich.
Bei mir haben Sertralin und Paroxetin deutliche Verbesserungen gebracht - und kaum Nebenwirkungen.

Leider scheinst du "dein" Medikament trotz vieler Versuche noch nicht gefunden zu haben. Hat die Ärztin denn auch die Dosis verändert? Kombinationen probiert? Versucht, mit Lithium die Wirkung zu erhöhen?

Du hast schon viel ausprobiert, aber es gibt noch viele weitere möglichkeiten. Verliere die Hoffnung nicht,

LG, ghana

Re: Wirksamkeit von AD - Erwartungen, Enttäuschungen,...

Verfasst: 6. Jan 2011, 22:07
von Andreas01
@Tournesol
>>>Wie sind eure Gedanken oder Erfahrungen zu diesem Thema?<<<

leider auch so wie Deine, kann Dir somit nicht weiterhelfen, aber immerhin bist Du damit nicht allein, der dieses Problem hat

Gruß
Andreas

Re: Wirksamkeit von AD - Erwartungen, Enttäuschungen,...

Verfasst: 10. Jan 2011, 16:16
von Bangalore
Hallo Tournesol,

bei mir haben die meisten AD gewirkt. Sogar ziemlich schnell. Leider bin ich bis jetzt an den Nebenwirkungen gescheitert.

Viele Grüße
Bangalore

Re: Wirksamkeit von AD - Erwartungen, Enttäuschungen,...

Verfasst: 11. Jan 2011, 11:14
von freebird
Hallo Tournesol,

machst du nebenbei auch eine Psychotherapie?

Ich nehme seit fast 10 Jahren Antidepressiva (verschiedene). Am Anfang war die Wirkung phänomenal, aber mit den Jahren wurde es wieder schlechter und schlechter.

Im Nachhinein betrachtet hat mir eine Psychotherapie am meisten gebracht. Außerdem habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Psychater gern schnell mit AD´s dabei sind und auch der Überzeugung sind, dass sie das ultimative Mittel seien.

Ich schleiche jetzt das Paroxetin langsam, aber komplett aus. Lese doch mal meine Erfahrungen im Thread: ... stinkig auf Doc ... .

Liebe Grüße
Corinna

Re: Wirksamkeit von AD - Erwartungen, Enttäuschungen,...

Verfasst: 23. Jan 2011, 17:57
von Tournesol1342
Den Thread von paco im Forum "Umgang mit der Krankheit" nehme ich nochmal zum Anlass, diesen Gedankenfaden weiterzuspinnen.

von paco (am 21.01.2011)
"Wie merke ich, dass die Medikation stimmt? ... bzw nicht stimmt?
Verhindert eine richtige Medikation Abstürze ins tiefe graue Loch? [...]
Ich bin zermürbendem Warten, Warten, Warten ausgesetzt, weil ich von Entscheidungen Anderer abhängig bin.
Also: wann ist man medikamentös "richtig" eingestellt?

Ich mache die schmerzliche Erfahrung, dass die AD leider nicht den Sturz in das tiefe graue Loch verhindern. Und genau diese Erfahrung bringt mich dazu, die Frage nach der Wirksamkeit der Psychopharmaka zu stellen.

Ja klar, ich weiß, dass man ausprobieren muss. Dass man Geduld haben muss. Dass diese Medikamente ihre Zeit brauchen, bis die "volle Wirkung" erreicht wird.
Aber ich frage mich immernoch, wie viel an Einschränkung (durch Nebenwirkungen oder eben durch trotz Medikamente weiter bestehender Depressions-Beschwerden) ich in Kauf nehmen muss - oder auch bereit bin, in Kauf zu nehmen.

Beispiel: Mein Arzt stellt fest, dass mein Blutdruck zu hoch ist. Er verschreibt mit ein Medikament, das ich täglich nehmen muss. Bei der Kontrolle stellt er fest, dass der Blutdruck niedriger geworden ist, aber immer noch nicht niedrig genug.
Hab' ich dann Pech gehabt?
Muss ich mehr Tabletten schlucken?
Soll ich mit dem Ergebnis zufrieden sein - es hätte ja schlimmer kommen können?
Oder....?

Gut, nun geht's hier nicht um hohen Blutdruck, sondern um Depressionen (die man ja leider nicht so schön objektiv messen kann wie den Blutdruck). Aber oft komme ich mir vor wie in o.g. Beispiel und würde mir wünschen, eine eindeutige Aus- bzw. Ansage meines Arztes zu bekommen.
Stattdessen soll ich weiter warten... ob nicht vielleicht doch noch eine spürbare Wirkung eintritt, ob die blöden NW nicht doch noch nachlassen, und...

Frage ich mich doch, ob ich noch mehr Geduld brauche? Oder wieder mal ein neues Medikament? Oder vielleicht einen anderen Arzt? Oder was....?

Re: Wirksamkeit von AD - Erwartungen, Enttäuschungen,...

Verfasst: 23. Jan 2011, 20:19
von no name
Hallo Tournesol,

ich weiß nicht wie viele Medikamente du bereits ausprobiert hast.

Anhand einer Liste die ich kürzlich aus eigenem Interesse erstellt habe, waren es bis heute 20 verschiedene Medikamente die ich versucht habe und die zu einem großen Teil wegen Nebenwirkungen, die nicht tragbar waren, abgesetzt werden mussten.

Mein Psychiater ist schon seit einiger Zeit der Ansicht, dass es im Moment wohl für mich kein Medikament auf dem Markt gibt, mit dem bei mir die Depression erfolgreich behandelt werden könnte, bzw. ich zu der Anzahl der Erkrankten gehöre, bei denen eben kein Medikament gefunden wird.

Ob es an deinem behandelnden Arzt liegt, kann ich nicht beurteilen, wobei ich denke ein guter Psychiater kennt sich auch mit den Medikamenten aus.

Bei einer Bekannten, die auch mehr als fünf Jahre unter schweren Depressionen litt und eine immense Zahl an Medikamenten ausprobiert hat, wurde dann doch vor 2 Jahren eines gefunden, mit dem sie absolut stabil ist.
Ich will damit sagen, dass sich bei ihr diese endlos lange Geduld ausgezahlt hat.

So einen langen Atem zu haben, dafür braucht es viel Kraft und die wünsche ich dir!

Viele Grüße

no name

Re: Wirksamkeit von AD - Erwartungen, Enttäuschungen,...

Verfasst: 23. Jan 2011, 20:47
von Nico Niedermeier
Trotzdem müssen wir alle hier uns immer wieder klar werden, dass wir hier im Forum keine repräsentative Stichprobe haben:-(

Ich selbst habe Schuppenflechte und schaue nur mal alle 5 Jahre, wenns mir schlechter damit geht, in das entsprechende Forum. Aber wenn ich mal schaue, sehe ich lauter Leute die "ewig" dort abhängen..das sind die (leider) chronisch Betroffenen, denen auch die Medikamente nicht genügend helfen.
Es ist schon ne unumstößliche Realität, dass (sogar bei allen geschönten Pharmastudien) 70% aller Betroffenen ziemlich schnell, ziemlich gut mit Medikamenten geholfen werden kann. Die werden keinen Grund haben sich wochenlang in unserem Forum rumzutreiben...
Der zweite (vielleicht noch zentralere Punkt) ist die "Auswahl" der Betroffenen, die in unserem Forum posten. Ein nicht unerheblicher Teil wird eine chronische, lebensgeschichtlich bedingte Depression haben. Also schlechte soziale Rahmenbedingungen, problematische Kindheit, Trennungen...dagegen helfen die Medikamente natürlich nicht in dem Maße wie bei einer klassichen Depressiven Phase.Ein Medikament kann keinen Beziehungspartner ersetzen etc.
Ähnliches gilt für Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, auch davon gibt es in diesem Forum sehr viele. Klassischerweise hat diese Gruppe im Rahmen der PS jede Menge Probleme und sekundär sehr häufig (zumeist wegen dieser Probleme)Depressionen. Die Betroffenen sind zwar depressiv, aber in der Regel sehr aktiv, also sehr viel auch im Netz unterwegs, folglich auch gehäuft in Foren wie diesen. Klassischerweise wirken auch bei dieser Gruppe von Betroffenen die ADs (aber auch die meisten Psychotherapieverfahren)deutlisch schlechter als bei "normalen Depressionen". Noch härter ist es bei posttraumaticchen Störungen und Borderline Störungen. Diese beiden Gruppen haben ne extrem hohe Anspannung und sind irre aktiv im Internet. Also auch gehäuft hier im Forum. Klassischerweise haben diese Betroffenenngruppen langjährige chronische Depressionen. ABER z.B. im neuen Benkert und Hippius (die Bibel der Psychopharmakologie,kann sich jeder gerne mal die Tabelle in der medizinischen Buchhandlung ansehen), kann man klar nachlesen, dass SSRIs dieser Gruppe z.B. SCHLECHTER helfen als Fischöl!!. Folglich fürchte ich dass man all dies immer wieder bedenken muss, wenn man diesen Aspekt erörtern will in nem Forum wie diesem. Aber trotzdem: 70% der "normal Depressiven" kann mit nem Medikament sehr gut geholfen werden.
Beste Grüße
N. Niedermeier

Re: Wirksamkeit von AD - Erwartungen, Enttäuschungen,...

Verfasst: 24. Jan 2011, 15:46
von no name
Hallo Herr Dr. Niedermeier,

fühle mich jetzt schon irgendwie von Ihnen angesprochen und bin auch etwas verärgert vor allen Dingen durch solche Aussagen, bzw. wie es ausgedrückt wird

…sehe ich lauter Leute die "ewig" dort abhängen

Ich zähle mich nicht zu jemand der „ewig“ hier abhängt. Sicher ich lese mal mehr, mal weniger mit und so verhält es sich auch, wenn ich etwas poste.

...Es ist schon ne unumstößliche Realität, dass (sogar bei allen geschönten Pharmastudien) 70% aller Betroffenen ziemlich schnell, ziemlich gut mit Medikamenten geholfen werden kann.

Nichts anderes war im Grunde meine Aussage, dass ich vermutlich zu den 30 % gehöre, bei denen eben kein Medikament gefunden wird, zumindest bist jetzt nicht. Gut, ich habe es nicht in Prozent ausgedrückt. Fakt ist aber, dass es diese Anzahl auch gibt.
Und um aus meinen Erfahrungen zu sprechen, ist es wirklich manchmal auf Grund der Nebenwirkungen sehr schwierig überhaupt ein Medikament zu finden, denn es soll ja nicht nur keine Nebenwirkungen haben, sondern auch wirken.
Während man in solchen Einstellungs- oder Umstellungsphasen steckt, die oft sehr lange dauern, kostet das eben sehr viel Kraft die Geduld nicht zu verlieren.

...Die werden keinen Grund haben sich wochenlang in unserem Forum rumzutreiben...

Ich finde dies auch sehr drastisch ausgedrückt!

Wenn ich hier im Forum mitlese, dann tue ich dies, klar, weil ich zum einen zu den Betroffenen gehöre, zum anderen wegen dem Austausch mit anderen Betroffenen, aber vor allen Dingen um Erfahrungsberichte zu lesen oder Tipps zu bekommen die mich weiter bringen (um nur ein Beispiel zu nennen das Unterforum „Depression, Arbeit, Ämter und Renten“). Und ja, ich konnte sehr wohl hier schon profitieren.
Genauso verhält es sich, wenn ich hier poste. Dann ist es in erster Linie meine Absicht anderen mit meinen Erfahrungen zu helfen oder vielleicht mal für den einen oder anderen einen hilfreichen Tipp zu haben.
Dazu zählt auch dieses Unterforum! Und ich denke, dass dieses Forum im Gesamten genau auch dazu da ist!
Selbst, und das kommt ja immer wieder vor, wenn ein Betroffener in einer schwierigen Phase ein wenig Zuspruch oder Hilfe in Form z. B. von möglichen anzuwendenden Strategien braucht, kann dieses Forum durchaus unterstützend wirken.

...Der zweite (vielleicht noch zentralere Punkt) ist die "Auswahl" der Betroffenen, die in unserem Forum posten. Ein nicht unerheblicher Teil wird eine chronische, lebensgeschichtlich bedingte Depression haben. Also schlechte soziale Rahmenbedingungen, problematische Kindheit, Trennungen...dagegen helfen die Medikamente natürlich nicht in dem Maße wie bei einer klassichen Depressiven Phase.Ein Medikament kann keinen Beziehungspartner ersetzen etc.

Natürlich „nähren“ die von Ihnen erwähnten Bedingungen eine Depression und auch ohne dieses Fachwissen, wie Sie es besitzen, ist es für mich durchaus logisch, dass in solchen Fällen die Medikamente nicht in ausreichendem Maße wirken und auch nicht das allein Seelig machende darstellen.
Aber ist es nicht so, und das wäre nun meine Frage auch an Sie, dass es bei dem überwiegendem Teil der Betroffenen, irgendwelche Auslöser (s. o.) der Depression gibt und trotzdem Medikamente gut wirken? Welche der Betroffenen zählen Sie zu der Kategorie der "normal Depressiven", bzw. wie muss ich mir „normal Depressive“ vorstellen, beinhalten diese nur die früher so genannten endogenen Depressionen? Das sind durchaus ernst gemeinte Fragen, es würde mich sehr interessieren! Könnte ja schließlich sein, dass mir doch noch Informationen fehlen.

Um noch einmal ganz kurz auf die von mir bereits angesprochene Unterstützung und Hilfe, die so ein Forum bieten kann, zurück zu kommen, so habe ich auch zum Schluss meines Postings den Fall einer Bekannten geschildert und das nur um Mut zu machen (ist definitiv auch so geschrieben).

Hoffe, dass ich mich in der Eile richtig und nicht zu umständlich und zu lang ausgedrükt habe.

Viele Grüße

no name