Hallo zusammen!

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Muliana
Beiträge: 6
Registriert: 20. Nov 2010, 08:14

Hallo zusammen!

Beitrag von Muliana »

Hallo zusammen!

Ich lese schon etwas länger hier mit und habe schon viel Rat und Trost hier gefunden. Jetzt habe ich mich entschlossen, mich hier anzumelden, um auch mit euch "reden" zu können.

Ich bin 23 Jahre jung und zur Zeit Studentin. Ich kenne mich selber nur als sehr traurigen und unsicheren Menschen. Andere beschreiben mich allerdings als sehr ehrgeizig, selbstbewusst und fröhlich. Aber so sieht es IN mir nicht aus.

Ich kann mich kaum erinnern, je ohne Schuldgefühle, Scham und Antriebslosigkeit (bei allem, was nicht die Karriere betrifft) gewesen zu sein. Aber auch diesen Bereich, also das Studium, kann ich nicht mehr bedienen.

Letzte Woche Montag habe ich es endlich geschafft, meinen Hausarzt anzusprechen. Denn ich funktioniere im Moment überhaupt nicht mehr. Am Mittwoch hatte ich bereits den ersten Termin in einer Klinik, die ambulant und teilstationär therapiert und in einem anderen Haus vollstationär. Jetzt wird entschieden, was davon für mich das Richtige ist.

Fühle mich seit dem Gespräch total leer und bleierner als vorher. Als ich meinen Selbstschutz noch zwanghaft aufrecht erhalten habe, funktionierte ich besser als jetzt.

So, jetzt habe ich erstmal genug über mich geschrieben.

Ich freue mich, dass es ein so sympathisches Forum gibt und sende euch einen lieben Gruß.

Muliana
lowrider60sec

Re: Hallo zusammen!

Beitrag von lowrider60sec »

Hallo Muliana,

>>Als ich meinen Selbstschutz noch zwanghaft aufrecht erhalten habe, funktionierte ich besser als jetzt.>>

Möglicherweise wäre es in deinem Fall besser, du würdest die teilstationäre Variante wählen, damit du noch einen Fuss im "Aussen" hättest.
Nur meine persönliche Mutmassung .....

LG
lowrider
Violina1
Beiträge: 20
Registriert: 12. Okt 2010, 18:32

Re: Hallo zusammen!

Beitrag von Violina1 »

Liebe Muliana!

Schön, dass du hier angefangen hast "mitzureden". Ich bin auch noch relativ neu hier, habe aber den Dialog mit den anderen Forumteilnehmern von Anfang an als sehr angenehm und hilfreich empfunden.

Ich wollte dir nur schreiben, dass ich mich sehr wiedererkenne in dieser Doppeltheit - dass andere einen als ehrgeizigen, selbstbewussten, energischen Menschen erleben, während es in einem drin ganz anders ausschaut. Dass man zwar äusserlich ein sehr erfolgreiches Leben führt, aber wie du schreibst innerlich voller Schamgefühl, Schuldvorwürfen und Gefühlen der Unzulänglichkeit ist. Mir ist das selbst auch ein Rätsel, dieser Widerspruch, und im Alltag oft auch eine Belastung, weil die vermeintliche "Fallhöhe", das Risiko, meine Umgebung zu "enttäuschen" ja dadurch recht gross ist. Aber vielleicht ist es für Menschen wie dich und mich eine Entwicklungsaufgabe, eigene Gefühle der Schwäche bzw die natürlichen Grenzen der eigenen Energie, die jeder Mensch hat (denn darum geht es, viel mehr als um "Schwäche") anderen Menschen zu zeigen, sich das zu trauen. Weil man dann nämlich erfährt, dass es allen anderen genauso geht, und dass man kein Übermensch sein muss, um geliebt und anerkannt zu werden.

Mir haben in der letzten Zeit zwei Bücher bzw Ansätze geholfen:

Das eine ist der Ansatz des Psychotherapeuten Josef Giger-Bütler (vgl z.B. http://www.amazon.de/Sie-haben-doch-gut ... 484&sr=8-1), der Depression (unter anderem) als eine Überforderungsreaktion besonders leistungsorientierter Menschen versteht, die früh gelernt haben, dass Leistung erbringen und "keine Probleme bereiten" die (vermeintlich) einzige Überlebensstrategie ist. Es gibt hier im Forum auch einen Link zu einem Interview mit diesem Psychotherapeuten (http://www.diskussionsforum-depression. ... 1287677070) - ich weiss ja nicht, wie sehr du dich in der Beschreibung "leistungsorientiert" wiedererkennst, aber vielleicht magst du dir das mal anhören?

Der andere Ansatz ist der der Mindfulness - das ist eine ARt, mit dem eigenen Gedankenstrom umzugehen, die es einem leichter macht, dem starken inneren "Kommentator", der kontinuierlich von SChuld und SCham redet und einen dadurch mental buchstäblich invalidisieren kann, den rechten Platz zuzuweisen. Zu diesem Ansatz gibt es viele, viele Bücher. Mir persönlich haben zwei Bücher sehr geholfen, die es allerdings glaube ich nicht auf Deutsch gibt - das eine ist von der schwedischen Psychiaterin Anna Kåver und heisst übersetzt "Das Leben leben, nicht einen Krieg gewinnen" (allein der Titel hat mir schon viel gegeben!) (http://www.adlibris.com/se/product.aspx?isbn=9127026825) - darin geht es viel gerade darum, wie man sein Leben bewusst leben kann, anstatt ständig dem inneren Kommentator zuzuhören - und das in allen Alltagssituationen - ob bei der ARbeit, beim STaubsaugen, beim Lesen. Das andere heisst "A mindful way through depression" (http://www.adlibris.com/se/product.aspx?isbn=9127026825) und ist trotz seines etwas amerikanisch angehauchten grossspurigen Untertitels ("Freeing yourself from chronic unhappiness") ein sehr seriöses Buch, in dem es um ganz konkrete Gedanken- und Meditationsübungen geht, durch die man lernt, mehr zu innerer Ruhe zu kommen und eben dem inneren Kommentator weniger Aufmerksamkeit zu schenken.

Zum Schluss: Lass dir das nur Anregungen sein - fühl dich nicht zum Lesen verpflichtet! Das wichtigste ist mir, dass du weisst, dass es anderen Menschen genauso geht wie dir, und dass es verschiedene WEge gibt, zu einem besseren, lebbareren Leben zu finden.

Alles Gute!

Violina
Muliana
Beiträge: 6
Registriert: 20. Nov 2010, 08:14

Re: Hallo zusammen!

Beitrag von Muliana »

Ich danke euch, für die liebe Begrüßung!

Vielen Dank für die Tips. Du sprichst mir aus der Seele! Ich kann es nicht so richtig formulieren, wie es mir geht...

Muss jetzt den Psychiater wechseln, denn da wo ich jetzt bin (hab den 2. Termin hinter mir) kann man mir nicht helfen. Muss jetzt wohl bis Februar warten. Ich weiß, dass eine solche Wartezeit auf einen Therapieplatz normal ist. Aber ich habe Angst, dass ichs bis dahin nicht packe und mir wieder einrede, dass ich doch gar keine Hilfe brauche.

Bis dahin gehe ich weiter zu der Stelle wo ich jetzt bin, aber immer nur so kurze 20 Min. Gespräche weil er mir Fluoxitin verschrieben hat.
Nutellabacke
Beiträge: 5
Registriert: 20. Nov 2010, 23:50

Re: Hallo zusammen!

Beitrag von Nutellabacke »

Hallo Muliana,

ich bin auch erst am Wochenende damit raus, wie es in mir aussieht!
Ich kann bis jetzt auch nicht behaupten, dass es mir besser geht, sondern eher viel schlechter. War zwar schon immer nah am Wasser gebaut, aber soviel wie ich im Moment heul, soviel Wasser kann ich gar nicht nachkippen! Und mich nervt es fürchterlich, dass ich mich überhaupt nicht mehr unter Kontrolle habe und verstehe nicht, warum das vorher ging und jetzt nicht mehr.
Ich sitz hier in der Klinik und schäme mich so doll, dass ich beim Essen fast in Tränen ausbreche. Dabei glaube ich nicht, dass irgendjemand was über mich denkt und alle sind wegen einem Leiden hier und ich schäme mich vor den Patienten, vor den Schwestern und den Ärzten! Das ist total unsinnig, ich weiß...
Aber das macht die Depression mit uns!
Ich hoffe, in ein paar Wochen/Monaten lache ich darüber!

Ich wünsche dir ganz viel Erfolg bei deinen nächsten Schritten!

Svenja
Echsi
Beiträge: 1
Registriert: 22. Nov 2010, 17:08

Re: Hallo zusammen!

Beitrag von Echsi »

Hallo,
auch ich bin neu hier und habe mich erst vorgestern angemeldet.

Ich glaube, ich bin sehr ähnlich gestrickt. Ich habe es irgendwie geschafft, in meinem Job „erfolgreich“ in den Augen der anderen zu sein. Sie denken, ich bin zuverlässig, schnell und leistungsbereit.
Nur das Letzte ist einigermaßen richtig. Aber ich würde eher sagen, dass ich mich völlig leistungsabhängig mache. Dazu kommt bei mir noch ein großer Perfektionismus. In meinen guten Zeiten (ich glaube, ich bin bi-polar, ohne richtig unkontrolliertes manisches Verhalten) glaube ich wirklich, „gut“ zu sein und ziehe immer mehr Aufgaben an mich. Ich presche da ziemlich vor und denke, es ist alles ohne große Mühe machbar. Ich fühle mich gut, weil ich ja was leiste.

Dann kommt irgendwann die Unsicherheit, ich fühle mich erschöpft und wünsche mir, von dem hohen Turm, auf dem ich mich befinde, wieder herabzusteigen, ohne völlig abzustürzen. Ich wünsche mir eigentlich nur noch Ruhe und dass ich mich wieder um die Menschen in meiner Umgebung und auch mich kümmern kann. Aber wie versuche ich das dann zu erreichen: durch Leistungssteigerung. Ich rede mir ein, dass ich das und das noch schaffen muss und es mir dann erst wieder gut geht. Dann kommen die vielen schwarzen Blitze in den Kopf. Die sagen: „Das hast Du schlecht gemacht, schau noch mal nach. Kümmer Dich endlich um dies und das.“

Dann geht alles im Kopf durcheinander und ich kann überhaupt nicht mehr Wichtiges und Unwichtiges trennen. Alles wird zu Problemen und ich werde handlungsunfähig, bekomme Angst vor Fehlern (da ist wieder der Perfektionismus). Das steigert sich immer mehr, weil ich meine, wenn ich das jetzt mache, dann bleibt was anderes liegen. Es geht dann nur noch, wenn ich mich auf eine Sache konzentriere. Jede nicht geplante Aufgabe, jede email wird zur neuen Bedrohung. Also baue ich mir noch mehr Leistungsdruck auf. Und ich suche nach Unterbrechungen. Am Wochenende wünsche ich mir, dass die Zeit stehen bleibt.

Am Montag war es dann soweit, dass ich nur noch heulend vor dem Computer saß. Ich habe das bestimmt gemacht, um meinen Kollegen (die von meiner Depressionen wissen) und vor allem mir selbst den Beweis zu liefern, dass es nicht mehr geht.

Jetzt bin ich erstmal vom Hausarzt krank geschrieben und bin zu Hause. Die Angst ist gleich viel schwächer geworden, aber Ihr kennt bestimmt auch die Scham- und Schuldgefühle, die dann aufkommen, weil man es seinen Mitmenschen ja viel schwerer macht. Bei Dir, Wolkenbruch, kommt das ganz stark durch. Aber vielleicht hilft es Dir auch, sich vorzustellen, Du müsstest nach einem Unfall länger im Krankenhaus liegen. Dafür würdest Du Dich doch auch nicht schämen. Wir finden es ja nicht super, mit einer Krankheit zu leben, die wir noch nicht einmal verstehen.

Ich habe so etwa alle 1 bis 1 1/2 Jahre eine depressive Phase. Mal stärker, mal schwächer.

Im Moment denke ich (mal wieder) daran, etwas Einfacheres im Beruf zu machen. Ich erhoffe mir davon, dass ich dann darauf nicht meine ganze Energie und meinen Ehrgeiz werfe. Aber man nimmt sich ja überall hin mit. Aber diese Entscheidung kann ich jetzt nicht leisten (da haben wir wieder das verflixte Wort „leisten“).

Ich weiß gar nicht, ob ich Euch irgendwie helfen konnte. Mir tat es einfach gut, Eure Beiträge zu lesen, weil da so viele Worte drin vorkamen, die ich auch nur zu gut kenne. Und vielleicht hilft es Euch, von mir zu wissen.

Violina, denkst Du, das Buch von Josef Giger-Bütler wäre auch was für mich?
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