SICH VÖLLIG ZURÜCKZIEHEN

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Pumi
Beiträge: 1
Registriert: 8. Dez 2009, 19:48

SICH VÖLLIG ZURÜCKZIEHEN

Beitrag von Pumi »

Bin neu hier - leide seit 1 1/2 Jahren unter Depressionen. Letztes Jahr war ich in einer Tagesklinik und bin seitdem noch in ambulanter Behandlung und nehme auch noch Medikamente.
Ich habe folgendes Problem:
Wenn ich mich in einer depressiven Phase befinde, dann möchte ich mich am liebsten völlig zurückziehen - was ich dann auch meistens mache - vor allem auch dann, wenn ich mich mit jemandem verabredet habe - ich sage ab! Obwohl ich genau weiß, das mir die Verabredung gut tun würde, verweile ich lieber allein in meiner Depression.Danach fühle ich mich dann noch schlechter, weil ich den Leuten gegenüber ein schlechtes Gewissen habe. Kennt ihr dieses Problem ? Und wie könnte man es ändern ? Auch andere Termine oder Sport lasse ich dann sausen, um mich einfach nur schlecht zu fühlen, obwohl ich es ändern will, passiert es mir immer wieder. Für eure Ratschläge wäre ich echt dankbar.

Liebe Grüße amelie09
Zorra
Beiträge: 300
Registriert: 20. Nov 2005, 13:37

Re: SICH VÖLLIG ZURÜCKZIEHEN

Beitrag von Zorra »

Hallo Amelie09,

willkommen hier im Forum. Ja, das sich völlig zurückziehen kenne ich auch. Gerade habe ich auch eine Phase, in der ich viele Leute nur schlecht ertrage und demzufolge meide, wenig aus dem Haus gehe und Termine auch absage.

Ich mache mir da aber kein schlechtes Gewissen mehr, so wie früher - ich müßte doch, es täte mir doch gut ... und was man da so alles denkt.

Geht aber offensichtlich nicht - und ich lasse das jetzt eher zu, dass ich auch den Rückzug brauche.

Bei mir ist es so, dass ich im Moment aber nahe Menschen schon aushalte und dann schaue ich, wie es mir aktuell geht. Am letzten WE waren z. B. meine Tochter und mein Bruder da, die hatte ich in besseren Zeiten eingeladen - beide sind aber unkompliziert, da habe ich es dabei belassen, wir haben Kaffee getrunken und ein wenig geschwatzt. Dann war ich aber doch k.o. und sie sind dann auch gegangen. Kein Vorwurf - war eben so - wir haben die Zeit genutzt, die möglich war, mehr geht eben nicht.

Kannst du versuchen daran zu denken, dass es jetzt zwar so ist - Rückzug - dass du aber auch wieder Lust auf Unternehmungen hast - zu einer anderen Zeit?

Ich verabrede mich auch nicht mehr so sehr gern ganz fest und langfristig - sondern eher spontan, allerdings habe ich auch kein Kind mehr im Haus - muss also nicht organisieren. Weiß nicht, wie das bei dir ist? Das funktioniert für mich ganz gut - gute Phase - dann natürlich auch raus ...

Oder morgen zum Sport bin ich mit meiner Tochter verabredet im Fitness-Studio - mein LG geht dort so lange in die Sauna, ich mache so viel, wie ich mir zutraue und folge ihm dann nach. Sauna ist dort, wo wir hingehen, wirklich ruhig, man wird nicht so zugetextet ... das kann ich meistens auch genießen.

Weiß nicht, kannst du vielleicht schauen, was dir in besseren Phasen guttut würde, was bei dir geht, oder hilfreich wäre? Und bitte bloß nicht unter Druck setzen - davon wird es auch nicht besser, eher im Gegenteil. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich dann mein Leiden noch verlängere.

Übrigens gibt es auch Phasen, wo wirklich gar nichts geht - da sind auch nahe Menschen nicht mehr hilfreich - das habe ich mit meinem LG und meiner Tochter aber in guten Zeiten besprochen, dass das nicht gegen sie geht - sie mögen einfach respektieren, dass ich allein sein muss und möchte.

Klar finde ich es im Moment auch nicht gerade toll, wieder in einer depressiven Phase zu sein - es ist aber das erste Mal, dass ich nicht versuche zu kämpfen, sondern einfach immer wieder schaue, was geht - was geht nicht - und das Auf und Ab einfach nur akzeptiere.

Und es wird wieder besser, weiß ich aus vorherigen Phasen. Ich übe mich in Geduld. Ist allerdings nicht meine große Stärke

LG von der Maskentänzerin


Wir sind nicht die Masken, die wir tragen ... doch wenn wir sie zu lange aufhaben, werden wir dann nicht wie sie?

© Aya Yven

Harmonie
Beiträge: 18
Registriert: 11. Dez 2007, 17:55

Re: SICH VÖLLIG ZURÜCKZIEHEN

Beitrag von Harmonie »

Hallo Amelie, und Maskentänzerin

Ich kann nur unterstreichen, was Maskentänzerin schreibt.
Anmerken will ich noch von mir: Ich habe auch immer Druck auf mich gemacht ( Ich müßte, ich könnte doch, ich habe doch so viel Zeit, da könnte ich doch mehr machen usw.)
Der Erfolg war, das ich mich ständig selbst fertig gemacht habe, wenn ich etwas wieder nicht geschafft habe, was für mich in "Guten Phasen" oder früher kein Problem war. ( Da habe ich viel zu viel gemacht, weiß ich heute)
In der Zwischenzeit habe ich gelernt "Auf mein Herz zu hören" das heißt, ich frage mein Bauchgefühl ob ich das wirklich will, was ich gerade vorhabe. Und ich stehe zu mir selbst, klage mich weniger an.
Der Erfolg ist, das ich weniger unter Stress und Anspannung mit allen Nebeneffekten leide, und manchmal auch mehr zustande bringe, als vorher gedacht!
Es tut so gut, wenn ich nicht ständig auch noch von mir selbst kritisiert werde.
Mit tröstenden Gedanken grüßt Dich liebe Amelie , Leidensgenossin Methi
....und die Tage deines Leidens sollen ein Ende haben. Jesaja 60. 20
Babi
Beiträge: 1972
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: SICH VÖLLIG ZURÜCKZIEHEN

Beitrag von Babi »

Hallo Amelie,

wenn du das Bedürfnis hast, dich zurückzuziehen, dann ist das auch ein Zeichen deines Körpers, daß er erschöpft ist und Ruhe braucht.
Du brauchst deshalb kein schlechtes Gewissen habe.
Ich habe auch einmal genauso gedacht wie du und genau deshalb ging es mir dann auch immer noch schlechter, wenn ich mich zurückgezogen habe.

Mittlerweile habe ich auch in der Therapie gelernt, daß ich mich zurückziehen darf, ja das sogar sollte, wenn mir danach ist, weil ich in diesem Moment an meiner Belastungsgrenze bin, weißt du.
So ist es sicher bei dir auch.

Erlaube dir also die Rückzugsphasen ohne schlechtes Gewissen, seit ich das so mache, komme ich auch besser damit klar.
Und das wirst du auch, wenn du dir sagst, du darfst das.

Liebe Grüße Babi
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
mbm22
Beiträge: 381
Registriert: 25. Mai 2010, 22:48

Re: SICH VÖLLIG ZURÜCKZIEHEN

Beitrag von mbm22 »

Liebe Amelie,
auch ich kenne das Bedürfnis, sich total zurückzuziehen nur allzu gut, habe auch das Gefühl zur Zeit nicht langfristige Pläne machen zu können, sondern lieber von Tag zu Tag zu entscheiden, was geht und wofür die Kraft reicht.
Die letzten Jahre meines Lebens war nur bestimmt durch ein ewiges "müssen" und "sollen". Dieses ist quasi in mich eingebrannt, ich habe ständig das Gefühl, funktionieren zu müssen, aber keine Kraft dafür mehr zu haben. Nachdem ich vor einigen Wochen dann eine Phase erlebt habe, in der ich keine eigenen Gefühle und Bedürfnisse mehr spüren konnte, mich fühlte wie in einem dicken Nebel, habe ich beschlossen, dass es so nicht weitergehen kann und ziehe mich konsequent zurück, wenn es eben nötig ist.
Dadurch habe ich das Gefühl wieder ein kleines Stückchen weit ich selbst zu sein. Allerdings ist dieser soziale Rückzug auch mit dem oft quälenden Gefühl der Einsamkeit verbunden, doch ich kann dieses zur Zeit besser ertragen, als mich im ständigen Kampf um meine Fassade zu befinden. Es fällt mir noch so schwer, meine Krankheit anzunehmen und sie nach außen zu vertreten.
Mein Therapeut hält meinen sozialen Rückzug übrigens nicht für gut und empfiehlt mir die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe oder den Gang in eine Klinik.

LG lernfee
Yazdi
Beiträge: 23
Registriert: 2. Apr 2010, 10:49

Re: SICH VÖLLIG ZURÜCKZIEHEN

Beitrag von Yazdi »

Guten Tag liebe amelie09!

Erstmal alle Achtung, dass du diese vielen Schritte: Klinik, ambulante Hilfe, Medikamente - unternommen hast, das ist schon ne Menge "Einatmung". Das ist es ja: Ich versuche auch dieser Krankheit aktiv zu begegnen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dabei nehme ich so Vieles auf. Was ich damit sagen will: bei mir sind die Rückzugsphasen auch einfach nötig, um das Erlebte zu verdauen. Dazu ist ein Schneckenhaus notwendig.
Ist es bei dir vielleicht auch so?
Alles Liebe von Yazdi!
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: SICH VÖLLIG ZURÜCKZIEHEN

Beitrag von kormoran »

hallo amelie,

mir geht es auch so. wenn es mir schlecht geht, möchte ich mich einigeln. mir scheint fast, das ist eines der ersten anzeichen, dieses verschließen, weil ich mich dem außen nicht gewachsen fühle, wohl auch angst habe, meine grenzen nicht wahren zu können, der blick krampfhaft nach innen gerichtet ist und dort nichts gutes zu sehen ist - irgendwie scheint mir da ganz logisch, die laute, bewegte, gefährliche außenwelt zu meiden.

es ist aber tatsächlich wichtig, nicht einseitig mit diesem rückzugsbedürfnis umzugehen. ich stimme babi und yazdi zu, dass man das schneckenhaus zu manchen zeiten braucht und sich auch zugestehen darf. es wäre ja ungesund, wenn man sich ganz wund und unsicher fühlt, z.b. auf eine party zu gehen, wenn man nun wirklich nicht die kraft hat, sich abzugrenzen, teilzunehmen, etc.

aber der sog der depression zieht eine ja gerne noch weiter in die isolation hinein als dieses gesunde, maßvolle maß.

ich fand es dann auch immer schwieriger und schwieriger, mich überhaupt noch unter menschen zu trauen; man verliert auch ein bisschen die einschätzung, ängste werden übergroß.

ein guter weg könnte sein, sich ganz bewusst an jene menschen zu halten, denen man sich auch anvertrauen kann, vor denen man sich dann eben auch nicht verstellen muss.
(auch wenn selbst das dann enorm schwerfallen kann)

und ein weiterer geschützter raum wäre natürlich eine selbsthilfegruppe. der erste schritt ist sicher schwierig, und es kann natürlich sein, dass die gruppe nicht auf anhieb passt. aber die chancen sind doch gut, und dann hast du einen regelmäßigen termin, wo du weißt: auch wenn ich eigentlich nicht unter menschen sein möchte, hier darf ich so sein - den anderen geht es zum teil ähnlich.

solche "sicheren" sozialen kontakte geben einer die chance, auch positive soziale erfahrungen zu machen, ein minimum an menschlicher zuwendung zu erfahren; sich ein wenig auszutauschen über die krankheit - und andererseits eben manchmal auch gemeinsam zu lachen, unbeschwert zu sein. das versagt man sich ganz, wenn man dem einigeln ganz nachgibt.

liebe amelie,
das war jetzt zum teil auch ein aufruf an mich selbst ... ich sollte mir das eigentlich ausdrucken und für den fall, dass es bei mir wieder mal so weit ist, als "pflichtprogramm" in die schublade legen.

alles gute für dich!
kormoranin
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Clown
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Re: SICH VÖLLIG ZURÜCKZIEHEN

Beitrag von Clown »

Hallo in die Runde,

das Stichwort von Kormoranin

>"sicheren" sozialen kontakte
finde ich ganz wichtig.

Für mich sind das die Chorproben und auch das Karatetraining. Denn dort bin ich und die anderen mit einer Tätigkeit beschäftigt, die uns alle interessiert und gut tut - es gibt sozusagen ein automatisch sich einstellendes Gemeinschaftsgefühl.

Ich bin aber nicht gefordert, großartig Unterhaltungen zu führen und als Einzelperson in Kontakt zu treten. Im Gegenteil, Disziplin, Konzentration und Bei-sich-bleiben sind bei beidem angesagt, also nix mit Sabbeln!

Viele Grüße,

Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
iffy04
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Registriert: 10. Mär 2010, 11:54

Re: SICH VÖLLIG ZURÜCKZIEHEN

Beitrag von iffy04 »

@kormoranin
Ich wollte Dir nur mal sagen, dass ich Deine Beiträge einfach super finde und sie mir schon ganz oft geholfen haben
Ein ganz großes Danke
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: SICH VÖLLIG ZURÜCKZIEHEN

Beitrag von kormoran »

danke, iffy!
kormoranin
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