Mein Leben ist wie Sand…

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Seraldine
Beiträge: 17
Registriert: 21. Apr 2010, 17:44

Mein Leben ist wie Sand…

Beitrag von Seraldine »

…der durch die Finger rinnt.

Damit man ein wenig meine Situation nachvollziehen kann, kommt eine – leider lange Ausführung.

Ich bin 45, w, single (alleinstehend). Ich suche seit 2 Jahren eine (aus gesundheitlichen Gründen) 50%-Arbeitsstelle Ich habe eine 50% „Arbeitsstelle“, eher Beschäftigungsprogramm, ich verdiene um € 2.--/Stunde. Damit kann ich grad mal das Abo für die Öffis zahlen. Am 30.6.10 bin ich ausgesteuert, d.h. die Arbeitslosenkasse zahlt nichts mehr, ich muss für meinen Lebensunterhalt selbst aufkommen. Wenn das dann nicht mehr klappt und mein bitter in 20 Jahren Erspartes drauf gegangen ist, dann darf ich auf’s Sozialamt. (Ich bin nicht aus Deutschland, d.h. anderes System).

Seit meinem 20-Lebensjahr stand ich am Morgen auf, Frühstück im Eiltempo, Arbeit, nach Hause, 2 Std. „frei“ und dann Bett. Meine Medikamente haben mein Leben bestimmt, v.a. Rivotril. (Ein Benzo) Das Wort „Freizeit“ war für mich ein Fremdwort, dann am Wochenende musste ich schlafen, damit ich für die folgende Woche funktionierte. (ich hatte ne 100%-Arbeitsstelle). – Ich funktionierte, von Leben keine Spur. (Was heisst eigentlich „Leben“?)
Nun, seitdem ich arbeitslos bin, wurden meine Medikamente umgestellt. Meine 2 Müdemacher wurden durch neue Medi’s ausgewechselt, was gut funktioniert. Nur, nun sitze ich da und habe Zeit in Hülle und Fülle und weiss nicht, was damit machen. Hobby? Wie denn, das gab’s aus zeitlichen Gründen 25 Jahre nicht. Kollegen? Wie bitte, das ist ein Fremdwort. Freizeit? Du meine Güte.

Vom Regen in die Traufe, so kommt es mir vor. – Meine ganzen Lebensumstände machen mir Probleme. Die Ämter wollen einfach nur von mir und ich weiss langsam nicht mehr was tun. – Meine jetzige Beschäftigung ist für mich Mittel zum Zweck. Ach, ich würde am Abend am liebsten die Bettdecke über meinen Kopf ziehen und aus dem Schlaf nie wieder erwachen, das wäre für mich die Lösung. Mir gleitet mein Leben aus den Händen. Ich möchte es packen, aber es rinnt wie feiner Sand zwischen meinen Fingern durch. Wie bei einer Sanduhr.
Ich bin frustriert, enttäuscht, fühle mich unverstanden und sitze so wunderschön im Sumpf und weiss nicht, wie weiter. Es ist alles so sinnlos.

Ich habe mit 18 (war das ne Prachtskrise), 30 (aus eigener Initiative!) und 42 eine Psychotherapie versucht. Wurden alle von mir abgebrochen. Ich konnte mich meinem Gegenüber nicht „öffnen“. Mit 30 habe ich ja sogar alles aus der eigenen Tasche bezahlt und eine Frau gewählt, das war Reinfall pur.
Im Moment bin ich wieder in einer Therapie, damit ich mein Leben wieder ein wenig auf die Stange kriege. *mit Schulter zuck* Bringt es etwas *grübel* Irgendwie ist das doch alles sinnlos *seufz*

Der Sand läuft mir durch die Finger und der Sandhaufen unter den Händen wird grösser, mir entgleitet alles. Die anderen bestimmen ja, was ich zu machen habe. Und wenn ich die Zeit hätte, dann weiss ich nicht, was mit dieser machen.

Man hilft mir im Moment mit Sertralin nach, was meinem Psychotherapeut zufrieden stellt, wie sagte er so nett: „Ach, Frau S., sie können ja wieder lachen….“
Schön, gut, nett und lieb, der Sand läuft weiter durch die Finger.

Hat mir jemand einen Rat?

LG, Seraldine
steppenwolf1

Re: Mein Leben ist wie Sand…

Beitrag von steppenwolf1 »

Hallo Seraldine,

Hobby? Wie denn, das gab’s aus zeitlichen Gründen 25 Jahre nicht. Kollegen? Wie bitte, das ist ein Fremdwort. Freizeit? Du meine Güte.

Irgendwo muss man halt mal anfangen. Auch wenn Du schon 45 bist, ist es noch nicht zu spät ein zufriedenstellendes Leben zu leben. Klar ist es schwer herauszufinden, was man selbst will, wenn man es nie gelebt hat.
Hobby ... ja, was macht mir Spaß .. eigentlich nichts. Ich handhabe es so, dass ich mir überlege, was hat mir früher Spaß gemacht und versuche mich durch ein momentane Interessenlosigkeit nicht abzuhalten. Halte mich dann auch immer an dem Satz fest ... der Appetit kommt beim Essen. Es ist ein langwieriger Prozess, ein langer Weg, den man aber irgendwo anfangen sollte zu gehen. Ohne sich dabei zu überfordern.
Zum Thema Freunde kann ich nicht viel sagen. Ich habe keine, aber irgendwie ist auch der Wille nicht vorhanden. Trotzdem hab ich mir eine SHG gesucht, bei der ich noch herausfinde, ob sie gut tut oder nicht. Vllt. ist das ja für Dich ein Anfang ?
Freizeit läßt sich wohl gut mit einem Hobby ausfüllen. Letztenendes sollte man ein ausgeglichenes Verhältnis Arbeit-Freizeit haben. Aber auch Freizeit ausfüllen will gelernt sein.
Was hält Dich denn davon ab, Kontakte aufzubauen ? Willst Du keine oder hättest Du gern welche, aber findest keine ?
Was genau stört Dich an der Aussage deines Theras "Sie lachen ja schon wieder ?"

Gruß, wölfin
quarktasche
Beiträge: 299
Registriert: 9. Nov 2009, 12:18

Re: Mein Leben ist wie Sand…

Beitrag von quarktasche »

Hallo Seraldine,

weil hier erst eine Antwort steht, versuche ich's auch mal. Mit Ratschlägen bin ich aber eher vorsichtig.

Also, ich denke Wölfin hat recht. Ob Lust darauf oder eher nicht probiere doch einfach mal potentielle Hobbys aus. Sachen, die du allein machen kannst, wenn dir danach ist (Zeichnen, Malen, Schwimmen usw). Oder Sachen mit anderen Leute (VHS, Vereine etc.). Du hast doch nichts zu verlieren dabei. Wenn es dir gar nicht zusagt, lässt du es eben wieder.

Dás Gefühl, dass einem das Leben durch die Finger rinnt, kenne ich auch gut. Vor allem, wenn man eher "fremdgesteuert" wird, von Leuten, die irgendwelche Sachen von einem wollen und wollen und wollen.

Aber ein bisschen kann man schon gegensteuern. Das tust du ja auch, indem du hier Tipps suchst und zu deinem Psychottherap. gehst´!

Alles Gute
bohne
Seraldine
Beiträge: 17
Registriert: 21. Apr 2010, 17:44

Re: Mein Leben ist wie Sand…

Beitrag von Seraldine »

Hallo Wölfin

Zu Deiner Frage:
Was genau stört Dich an der Aussage deines Theras "Sie lachen ja schon wieder ?"
Mich hat das nicht gestört, ich musste schon ein wenig schmunzeln mit folgendem im Kopf: Was so 50 mg Psychopharmaka mit mir so anstellt... - Besser, ich überlege mir nicht, wie der lange Beitrag von mir ohne Sertralin ausgeschaut hätte.

Ich habe mich aus dem Leben zurückgezogen. Das wird mir je länger je mehr bewusst. Irgendwie will ich meine Ruhe, will ich mich nicht binden, will keine Verbindlichkeiten eingehen. Irgendwie wünsche ich mir die Zeit zurück, als ich bloss funktionierte. Da waren diese Probleme gar nie präsent.

Im Moment fühle ich mich in meinen eigenen 4 Wänden am sichersten. Kann ich dem so sagen? Ich sollte doch glücklich sein, bin es aber nicht. Meine Büroarbeit finde ich nicht toll, es ist Mittel zum Zweck, damit ich eine Tagesstruktur habe und nicht vollends ins Elend falle. Sonst würde ich wohl nur noch zum Einkaufen raus aus der Wohnung.
Ich mag einfach nicht mehr, ich will nicht mehr, irgendwie nur noch Ruhe. Mir ist einfach alles so was von egal und sinnlos. So, dass es mir sogar Angst macht. Aber auch das ist mir langsam egal.

LG, Seraldine
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