Schönes Wetter und trotzdem keine Lust raus

[Sieglinde1964]

Draußen ist das schönste Wetter. Satte 21° C im Schatten und ich will am liebsten drin sein. Am liebsten noch im Bett. Was ist das nur?

[ben1]

Hallo Sieglinde

das ist erst mal normal!

Warum sollen mich "äußere Umstände" zu irgendeinem Verhalten nötigen? Weil wir genau das ein Leben lang so gelebt haben - es gab einen Reiz, auf den wir reagiert haben - wie der Pawlowsche Hund auf die Glocke.
Wenn wir (und das ist die Gnade der Depression!) aus diesem Reiz-Reaktionsschema herausfallen, können wir uns die Frage stellen, was WIR den jetzt gerne tun würden! Eine Depression nimmt uns erst mal alle Antworten, die wir bisher auf die Frage "Leben" gegeben haben (wenns schön ist, gehe ich raus - ein einfaches Beispiel - gilt aber auch für alle (!) anderen Bereiche). Wir stürzen erst mal ins nichts - keine Antworten mehr zu haben, macht Angst! ABER - nur über diesen Nullpunkt kommen wir zu unserer ureigensten Fragestellung - wie soll mein Leben denn aussehen? Wir haben plötzlich die Verantwortung (und die wollen wir häufig gar nicht!) und können uns für alle Optionen entscheiden (Du kannst ja rausgehen, wenn Du willst, Du kannst aber auch im Bett bleiben) - alles ist möglich und gleichzeitis ist nichts "richtig" oder "falsch". Eine komische Situation! Wie ein Baby lernen wir Schritt für Schritt, welche Antworten wir (je nach unserer Tagesform) geben können und machen ERfahrungen damit. Manchmal machen wir gute, mal auch schlechtere - aber aus allen können wir (wenn wir ein reflektiertes Leben leben) lernen und uns nach und nach und immer mehr zu dem Entwickeln, was wir sind. Dabei müssen wir uns häufig von Idealen und Wunschdenken über unser Leben verabschieden - das macht aber nix! Die Depression zwingt uns in die Auseinandersetzung mit uns selbst - und das ist eine sehr lohnende, schwierige, interessante, spannende, manchmal frustrierende, aber auf jeden Fall LEBENsnotwendige Aufgabe!

Ben

[wennfrid]

Hi Sieglinde
Ich denke genau wie Ben, jeder Weg ist richtig oder falsch, so wie du halt denkst. Damit gibt es kein richtige oder falsche Sichtweise, nur die Sicht, die die Mehrheit als richtig oder falsch sieht. Die Bewertungen werden in erster Linie von der Gesellschaft eingeteilt und wir glauben dieser Gesellschaft. Dies ist eine interessante Denkstruktur, verbraucht aber viel Energie und Kraft.

[Sieglinde1964]

Hallo Ben und hallo Fridolin,

habt dank für euren Zuspruch. Es ist so bei mir: Ich habe das Gefühl so wie ich draußen bin werde ich beobachtet. Die schützenden Wände, das kann auch das Auto sein geben mir das Gefühl nicht und so bleibe ich viel lieber drin und gegen Mittag überkommt mich eine nicht zu erklärende Antriebslosigkeit, die mich ins Bett zwingt.

[ben1]

Hallo Sieglinde

dann weist Du ja, warum Du nicht raus willst - das ist doch schon mal eine ganze Menge (das ging aus Deiner Ausgangsfrage nicht hervor)!

Man kann (und sollte) vielleicht jetzt weiter fragen - Warum dürfen Dich andere Leute nicht sehen oder beobachten? Was gibt es da zu entdecken?

Ben

[Sieglinde1964]

Hallo Ben,

ich kann mich auch schon selber nicht mehr sehen, seitdem ich so zugenommen habe. Aber das scheint es auch nicht so zu sein. Ich kann es dir nur schwer erklären weshalb ich so ein komisches Gefühl habe. Eben habe ich noch mit der Nachabrin auf der Straße geratscht und habe festgestellt, dass ich auch am liebsten im Dunkeln draußen bin. Weiß nicht warum.

[ben1]

Hallo Sieglinde

Danke fürs Posting!

Ich denke mal, was in einer Depression am Anfang steht ist, das man einen Menschen findet, der erst mal bedingungslos "JA" sagt zu dem, was mich da als Person ausmacht. Im Idealfall bin ich das selbst! Ein Therapeut kann das stellvertretend leisten - im Endeffekt ist aber die Aufgabe, zunächst mal selbst "JA" zu sagen zu sich. Schwierig. Denn so, wie man zur Zeit ist, möchte man ja nicht sein (zu Dick, zu unbegabt, zu wenig erfolgreich usw. usf.). Aber das ist nun mal der Ausgangspunkt, der Status Quo. Nur hier kann die Arbeit beginnen - und schon bin ich der aktive Part. Und jetzt gilt es, nicht den Fehler zu machen, ein Ideal anzustreben, das mir selbst nicht entspricht, sondern mich als Mensch, als Sieglinde, zu der zu entwickeln, mit der ich leben kann und will. Verabschiede Dich (so weit wie möglich) von den Vorstellungen anderer, die Du meinst (!!), erfüllen zu müssen, sondern werde Dein eigener Trainer und Berater. Du kennst Dich am besten! Setze kleine Ziele und freu Dich, wenn Du sie erreichst - und wenn nicht, dann lerne daraus und formulier die Ziele um. Der Nullpunkt, an dem man in einer Depression steht (mein Posting weiter oben) bietet viele, viele Möglichkeiten. Die wollen gesehen und gestaltet werden.

Alles Gute

Ben

Freu mich von Dir zu hören

[flower123]

Guten Morgen liebe Sieglinde!

Dieses Gefühl des Beobachtetwerdens kenn ich nur zu gut...
Bei mir ist das so, dass ich sobald mich jemand anschaut oder nur kurz zuschaut, wenn ich gerade etwas tue, sei es lesen, fernsehen, schreiben oder sonst was, ich mich sofort beobachtet fühle...
Dabei fällt mir auf: ich fühle mich nicht nur beobachtet, sondern auch bewertet von demjenigen...

@Ben1: demn kann ich voll und ganz zustimmen: mit einer reflektierten Denkweise kommt man weiter. Ich bin froh, über mich selbst reflektieren zu können.

Eine Erkenntnis ist mir in den letzten Tagen gekommen: Die Antworten und Lösungen liegen in Dir selbst.
Du musst sie nur hervorholen.

Irgendwie finde ich das beruhigend zu wissen, dass man - so gesehen - nicht ziellos umherirrt.

Euch einen schönen Tag!
LG white orchid

[Sieglinde1964]

Das "Irre" ist ja, dass ich mich sogar beobachtet fühle, obwohl niemend in Sicht ist. Außer vielleicht mein Mann, der im Garten seine Arbeit tut und ich ihm etwas auszurichten habe.

[wennfrid]

Hi Sieglinde
Meist hat man Angst, andere erkennen, mit welchen Schwächen man leben muß. Aber ein jeder Mensch kocht nur mit Wasser. Folgender Spruch fällt mir gerade ein:
"Man beginnt ab da zu wachsen,wo man seine eigenen Schwächen annimmt."
Ich denke, die anderen verstehen es sehr gut. Wenn es dir gelingt, deine Schwächen nicht verstecken zu wollen, wirst du feststellen, es stärkt dein Selbstbewußtsein und dein Leben wird leichter.