Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Liber
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Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Liber »

Hallo zusammen,

die Diskussion am Ende des Threads "Teilnehmer für Studie gesucht",

http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1269291841


die sich mit dem Umgang mit Gefühlen beschäftigt, hat mich dazu angeregt, einen Extra-Thread dazu aufzumachen.

Denn ich finde das Thema total wichtig und interessant und ich finde, es ist in dem Thread noch einiges dazu offen gebleiben.

Es ging in den letzten Beiträgen im Grunde darum, wie es "gut" oder "gesund" ist, mit Gefühlen umzugehen.

Gelassenheit oder Leidenschaft?

Oder beides, je nachdem? Bei angenehmen Gefühlen mich einlassen, negative Gefühlen aber nicht an mich ranlassen und statt dessen Gelassenheit üben? Oder wie?

Virginia hat im letzten Beitrag geschrieben:

>Trotzdem finde ich es geradzu übermenschlich, das [Gelassenheit] ständig zu praktizieren und sogar schädlich, seine eigenen Gefühle wie Wut, Enttäuschung etc. öfter zu unterdrücken

Das finde ich auch absolut schädlich. Genau das führt ja zu den Depri-Symtomen.

Es geht mir überhaupt nicht um Unterdrückung der Gefühle, ganz im Gegenteil, sondern darum, wie ich "gesund" damit umgehen kann. Es geht mir darum, wie ich "leidenschaftlich" und mit allen Sinnen am Leben teilnehmen kann - ohne aber mich selbst darüber zu verlieren.


Und natürlich ist es wichtig, auch Kritik zu äußern (habe es zu dem Begriff "frauenlastig" ja auch getan), aber es fragt sich hier wiederum: WIE?

Wie mache ich es auf gesunde Weise und auch auf konstruktive Weise?

Und ich frage mich: wie gehe ich auf gesunde Weise mit meiner Leidenschaft um?

Ich meine nicht, dass Gelassenheit in allen Lebenslagen der einzig seligmachende Weg ist. Wenn ich mich für etwas wirklich mit dem Herzen einsetze, dann brauche ich auch Leidenschaft dazu. Ohne dies ist mein Einsatz beliebig und auswechselbar.

Und genau dieser Spagat interessiert mich: Gelassenheit UND Leidenschaft.

Widerspricht sich das - oder doch nicht?


Was meint ihr dazu?


Liebe Grüße
Brittka
kormoran
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von kormoran »

hallo brittka,

ich habe die letzten postings im studien-thread gerade gelesen und finde die frage ebenso spannend. erinnert mich auch an die frage, die ich kürzlich gestellt habe (mensch sein - zwischen mündigkeit und überforderung: http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1269794984).

es sind zwei pole, zwischen denen wir uns bewegen. unmittelbar "ausgeliefert", unreflektiert ... oder über alledem stehend wie ein/e heilige/r, reflektiert, unberührt.
das eigentliche menschsein beinhaltet wohl beides und macht es halt auch so schwierig und so ungemein spannend und reich.

und so weit ich auch entfernt bin vom christentum, in das ich halt hineingeboren und mit dem ich aufgewachsen bin: hier assoziiere ich spontan die menschwerdung von christus, und meine zu erkennen, was für unglaubliche tat der liebe und der empathie mit den menschen das gewesen wäre, mensch zu werden ...

völlig daneben?

liebe grüße
kormoranin
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wennfrid
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von wennfrid »

Hi Brittka
Gelassenheit mit oder ohne Leidenschaft? Für mich ist beides möglich. Mal so, mal so, wie es die Situation erfordert. Gelassenheit mit Leidenschaft heißt für mich, eine Aktion in größter Konzentration und mit einer inneren Ruhe vollständig zu meiner Zufriedenheit zu erledigen. Einen Wiederspruch erkenne ich nicht. Mein Bauchgefühl entscheidet. Gelassenheit ist für mich nicht gleich mit Langeweile oder Pflichtaufgaben, die ich ungern erledigen muß. Gelassenheit ist für mich Selbstvertrauen pur.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
Yazdi
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Yazdi »

Hallo Brittka!

Auf dem Weg, mit dieser Krankheit umzugehen, habe ich auch festgestellt, dass Gelassenheit eine hohen Wert hat. Ge- lassenheit bedeutet für mich auch, zu wissen, dass die Leidenschaftsgefühle kommen und gehen und ich sie nicht festhalten muss. Das ist wirklich eine echte und keine künstliche Erfahrung vom Kopf her. Und das habe ich vor Allem durch ältere Menschen gelernt... Dieses Thema finde ich sehr interessant und hilfreich- danke, ich werde noch weiter darüber nachdenken!
Liebe Grüße von Yazdi
Liber
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Liber »

Hallo,

@ Fridolin und Yazdi,
ich verstehe euch so, dass es nicht um Gelassenheit ODER Leidenschaft, sondern um Gelassenheit als Hintergrund, auf dem auch Leidenschaft möglich ist, geht. Also wäre beides kein Widerspruch ...


@Kormoranin

>das eigentliche menschsein beinhaltet wohl beides und macht es halt auch so schwierig und so ungemein spannend und reich.

Ja, ich sehe es sehr ähnlich wie du. Das Menschsein bewegt sich zwischen diesen Polen. Zum menschlichen Ausdruck gehört AUCH die Leidenschaftlichkeit.

Und um auf das Christentum zurückzukommen ... auch Jesus verlangte Entschiedenheit und Leidenschaftlichkeit von seinen Jüngern und Menschen, die ihm folgen wollten: wir sollen heiß oder kalt, aber nicht "lau" sein.



>und so weit ich auch entfernt bin vom christentum, in das ich halt hineingeboren und mit dem ich aufgewachsen bin: hier assoziiere ich spontan die menschwerdung von christus, und meine zu erkennen, was für unglaubliche tat der liebe und der empathie mit den menschen das gewesen wäre, mensch zu werden

Da verstehe ich noch nicht ganz, was du damit meinst.


Liebe Grüße und noch einen schönen Frühlingsnachmittag

Brittka
tomroerich
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von tomroerich »

Hallo Brittka,

Gelassenheit bedeutet ja nicht das, was viele meinen, dass es das bedeute - nämlich keine Gefühle zu haben oder diese gar zu unterdrücken. Was wirklich hinter Gelassenheit steckt ist die Fähigkeit, den Widerstand gegen das aufzugeben, was gerade ist.

Ärger, Frustration, Wut, Neid, Verbitterung - alle diese Empfindungen können darauf zurückgeführt werden, dass sich bestimmte Erwartungen nicht erfüllen, und dass Dinge geschehen, die bestimmten Denkmodellen, die man für essentiell hält (die man als wichtig bewertet) widersprechen. Kurz gesagt resultieren negative Gefühle aus dem Widerstand, den man gegen die Realität aufbaut.

Und Gelassenheit ist einfach Akzeptanz. Ist die Aufgabe der eigenen Denkposition, wenn das, was ist, dieser widerspricht.

Wer Gelassenheit übt und erreicht, lebt einfach mehr im Augenblick. Und für den Augenblick kannst du jede Leidenschaft haben, derer du fähig bist. Jedes Gefühl ist oK. Doch wenn du morgen sauer darüber bist, dass das schöne Gefühl von gestern heute nicht mehr da ist... dann bist du nicht gelassen und bezahlst mit negativen Gefühlen dafür.

LG

Thomas
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otterchen
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von otterchen »

Ärger, Frust, Wut, Neid, Verbitterung...

ja, fühlen sich negativ an -

aber ich denke nicht, dass wir diese "aussperren" sollten und uns immer, wenn diese Gefühle in uns auftauchen, in Frage stellen müssen.

Ich denke, es ist wichtig, WIE ich mit diesen Gefühlen umgehe.
Für mich (!) dürfen sie sein!
Aber mit dem Erkennen, was dahinter steckt, woher sie kommen, sie ziehen zu lassen und sich nicht in ihnen zu fangen.

Beherrschen sollten sie uns nicht - aber welches Gefühl sollte das schon?!

Hin und wieder ertappe ich mich dabei, wie ich mich z.B. bei der Arbeit ärgere: über Kunden, Kollegen, Vorgesetzte, Speditionen - was weiß ich.
Und dann merke ich: da will was raus aus mir - ich will schimpfen.
Und sobald das raus ist, kann ich auch wieder sagen "so, genug aufgeregt - jetzt mal schauen, was ich daraus mache".

Vielleicht sollte man auch mal schauen, warum wir diese Gefühle so negativ bewerten? Wieso sind Ärger oder Wut negativ - könnte doch auch ein Antrieb für Veränderung sein?
Wieso ist Frust negativ - könnte einen doch auch zum Innehalten bringen, seine Vorgehensweise zu überdenken?
Wieso ist Neid negativ - könnte doch auch ein Antrieb sein, das Beste für sich zu erstreben, statt immer nur "den untersten Weg" zu gehen?
Hm, mit der Verbitterung habe ich so meine Schwierigkeiten - dieses Wort scheint mir mehr als ein temporäres Gefühl zu sein, eher eine Art Stimmung? Ich denke direkt an einen "verbitterten Menschen", also sowas wie einen Charakterzug.


@ Brittka
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
kormoran
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von kormoran »

hallo brittka,

öhm, also es ist ja schon eine verstiegene und außerdem pathetische theorie, das mit der menschwerdung christi.
ich versuch es zu erklären:

da "oben" ist ein gott, der all die menschen samt ihren leidenschaften erschaffen hat. er/sie selbst in seiner göttlichkeit ist natürlich (in meiner vorstellung) völlig abgehoben von all dem gefühlszeugs: reinster geist. kein leid, einfach nur eins mit dem universum .

und "unten" sind die menschlein, die es herumreißt zwischen leidenschaft/gefühlen/angst ... einerseits und gelassenheit, dem streben nach weisheit und vergeistigung andererseits;
die wissen, dass das eine leid verursacht und sie das andere, das ideal, nie werden erreichen können. und nebenbei sind sie qualvoll getrennt vom göttlichen.

da ist es doch ungeheuerlich toll, wenn dieser gott sagt: ich begebe mich aus meiner bequemen göttlichkeit hinunter in diese quälerei und fühle mal nach, wie das so ist, das menschsein. lebe und leide das mit euch mit. ihr entkommt eurer zerrissenheit nicht, und ich zeige mich solidarisch, statt nur mit dem zeigefinger auf das erstrebenswerte, nie erreichbare ideal hinzuweisen.
(freilich mit der hintertür des sicheren ewigen lebens und so mancher wunder-fähigkeit, aber immerhin.
die griechischen gottheiten sind auch vom olymp heruntergeklettert, aber immer nur, um guten sex zu haben (zeus mit gutem beispiel voran ...) oder um die untergebenen auszuspionieren und zu maßregeln, oder?)

ist das auch nur ansatzweise verständlich?

ich denke, wenn man glaubt, dann könnte man darin doch einen großen trost erfahren.

liebe grüße
kormoranin
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kormoran
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von kormoran »

und gleich nochmal zum thema.

thomas, du schreibst:
Wer Gelassenheit übt und erreicht, lebt einfach mehr im Augenblick. Und für den Augenblick kannst du jede Leidenschaft haben, derer du fähig bist.

darüber möchte ich nun weiterbrüten.

wir wollen ja immer gleich festhalten, sogar an verletzungen und leid klammern wir uns oft an.

natürlich ist der "augenblick", das "jetzt" immer unendlich klein und für uns menschen halt auch ganz schwer zu realisieren. eh wir's uns versehen, hängen wir schon wieder einem erleben nach oder fürchten uns vor dem, was unmittelbar bevorsteht.

aber sobald ich anfange, verbissen darüber zu grübeln, wie winzig genau dieses "jetzt" ist, bin ich natürlich schon wieder meilenweit davon entfernt, das gelassene leben im jetzt jemals auch nur annähernd erfahren zu können.

wirre grüße
kormoranin
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Zorra
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Zorra »

Hallo Brittka und alle zusammen,

ich tänzele mal herein:

und merke gerade, dass ich über die Begrifflichkeit der Gelassenheit stolpere.

Wenn ich Gelassenheit so sehe, wie Thomas es (auch in dem anderen Thread) beschreibt, dann kann ich damit leben und dann deckt sich das auch mit meiner Erfahrung.

Ich habe schon sehr leidenschaftlich gelebt und bin auch "gescheitert" - wie andere sagen. Für mich selber war es aber in Ordnung - ich habe etwas gewagt ... ja, und es gab auch Tränen, aber es bleibt etwas, was mir keiner nehmen kann!

Und ich werde sicher immer mal wieder "unvernünftig" leben, ausprobieren, gewinnen, verlieren - solange es meine Entscheidungen sind und keine aufgezwungenen, kann ich damit gut umgehen - loslassen - ge(hen)lassen?

Ich habe bei dem Begriff der Gelassenheit immer so den Buddha vor mir gesehen ... oder jemanden der meditiert - ooommm. Und das hat für mich auch etwas Faszinierendes: innere Ruhe, Besonnenheit, Weisheit ...

Und gleichzeitig wehrt sich auch etwas in mir: nein, ich weiß nicht immer schon alles vorher, ich will LEBEN, mal mit mehr Leidenschaft, manchmal bin ich schon froh, wenn es nur ganz normal ist - ich werde gewiss keine "weise alte Frau", obwohl ich solche Menschen auch bewundere.

Ich muss aber dazu sagen, dass ich nicht nur in Deutschland sozialisiert bin. Einen entscheidenden Teil meiner Kindheit habe ich im Ausland gelebt - und da sind so ganz andere, viel lebendigere und sehr viel emotionalere Begegnungen gewesen. Ein Teil meiner Wurzeln hier - ein Teil dort.

Und nach dieser Lebendigkeit habe ich immer wieder eine tiefe Sehnsucht. Manchmal fehlt sie mir soooo sehr.

Das sehr disziplinierte, pünktliche, ordentliche habe ich auch .

Es widerstreitet so vieles in mir.

Ich bin für ein Leben, in dem wir allen Gefühlen ihren Raum geben können. Vielleicht ist es wichtig zu schauen, wie Otterchen es sagt, WAS mache ich damit, WIE gehe ich damit um.

Da denke ich auch noch ein bisserl mit euch allen darüber nach.

LG von der Maskentänzerin

edit: Otterchen, och entschuldige, ich hab Namen verwechselt - tut mir leid


Wir sind nicht die Masken, die wir tragen ... doch wenn wir sie zu lange aufhaben, werden wir dann nicht wie sie?

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chrigu
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von chrigu »

Hallo zusammen!

Ich muss gestehen, dass mich lange Zeit die Postings, die von dem handelten, was hier kurz unter "Gelassenheit" zusammengefasst wird, sehr verunsichert haben. Da hatte ich mich in der Therapie endlich an verschüttete Gefühle rangetastet, konnte sie an mir spüren und erleben. Die (Wieder)Entdeckung vor allem meiner Wut hat mir sehr dabei geholfen, mich wieder lebendig zu fühlen. Und dann sollte das auch nicht richtig sein? Ehrlich, ich hatte bei der Lektüre vieler Threads das Gefühl, jetzt schon wieder auf dem falschen Weg zu sein und es nie richtig zu raffen oder einfach nicht richtig zu sein. Aber das war - im Nachhinein betrachtet - auch eine wichtige Lehre für mich.

Auch jetzt erscheint mit die Kombination aus Gelassenheit und Leidenschaft immer noch wie eine Übung für Fortgeschrittene, so, als wäre es notwendig, erstmal beide Basics zu erleben oder sogar zu erlernen.

Das, was Maggy ( ) gestern in dem anderen Thread schrieb, beschreibt ganz gut, wie ich mittlerweile mit Leidenschaft oder leidenschaftlichen Reaktionen umzugehen versuche: Tief durchatmen und mir sagen: "Interessant." Anfangs war es fast immer ein "Interessant, was da mit mir passiert", aber für mich stelle ich fest, dass da weniger etwas "mit mir passiert", das ist so passiv. Es war für mich ein hilfreicher Schritt zu merken, dass ich mich einer Reaktion nicht ausliefern muss. Und gleichzeitig ist es für mich wichtig, mir meine emotionale Reaktion nicht zu verbieten (denn so habe ich das früher oft verstanden: Ich MUSS gelassen sein), sie findet statt, das hat seinen Grund und ist okay. Aber deshalb muss mich das Gefühl ja nicht gleich mit Haut und Haar verschlingen.


Chrigu
Zorra
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Zorra »

Ach Chrigu,

mich verschlingt es manchmal mit Haut und Haar - ich weiß nicht, ob das nun gut oder schlecht ist - es ist so.

Wenn aber die Depression wieder eine Zeit "zuschlägt", dann weiß ich diese Gefühligkeit in die eine / andere Richung sehr zu schätzen. Dann bin ich mir sicher, dass ich fühlen will, wie auch immer.

Vielleicht/wahrscheinlich bin ich auch ein Gefühls-Chaot ...

... ist die Depression dann der Preis, den ich zahle?

durcheinander ... ich suche noch für mich selber

LG von der Maskentänzerin


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Liber
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Liber »

Hallo Ihr Lieben,

ja, ich glaube ein wichtiger Knackpunkt ist:

erkennen, dass die Einstellung "ich MUSS gelassen sein" wahre Gelassenheit unmöglich macht.

Denn: in DEM Moment, in dem ich mir einreden will, gelassen sein zu "müssen", bin ich es ja schon nicht mehr.

Gelassenheit ist Akzeptanz dessen, was jetzt gerade IST. Diesem Satz von Thomas stimme ich zu.

Und jetzt, im Moment bin ich vielleicht: wütend, freudig, ärgerlich, aufgeregt ...

Sobald ich mir etwas davon verbieten will, akzeptiere ich schon nicht mehr, was gerade IST.

Das alles, jedes Gefühl, zu akzeptieren gehört ebenso zur Gelassenheit wie die Buddha-Haltung .

Nur bedeutet dieses Akzeptieren eben auch nicht, mich allen Gefühlen so auszuliefern, wie ein Blatt dem Wind ausgeliefert ist, sondern eher, sie durch mich hindurchfließen lassen.

Gerade fällt mir auch noch ein, dass wahre Leidenschaft (sei es für ein Engagement, eine Kunst, ein Hobby, irgendetwas) im Grunde nur auf dem Hintergrund der Gelassenheit möglich ist. Denn dann lasse ich mich nicht mehr vom nächstbesten Gefühl der Lustlosigkeit oder des Ärgers über irgendetwas davon wegwehen wie dieses Blatt vom nächsten Windstoß.

Jetzt mal vereinfacht gesagt.

@Kormoranin

ja, jetzt verstehe ich, was du mit der Menschwerdung Gottes gemeint hast. Nur sehe ich das noch ein bisschen anders ... aus meiner Sicht gibt es einen Gott da "oben" nicht, sondern er IST bereits in allem, in jedem Wesen und in jedem von uns - nur sind wir uns die meiste Zeit dessen nicht bewusst. Aber wir alle KÖNNTEN es erfahren, so wie Jesus es erfahren hat. Und dann würden wir - vielleicht - begreifen, was das Mensch-Sein bedeutet. Das ist meine Sicht im Moment ... noch etwas unausgegoren.


Gute Nacht und liebe Grüße
Brittka
Guinevere
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Guinevere »

Hey ihr Lieben, *nur kurz reinwink, weil fett müde vom Semi*

Zitat Otterchen:
Vielleicht sollte man auch mal schauen, warum wir diese Gefühle so negativ bewerten? Wieso sind Ärger oder Wut negativ - könnte doch auch ein Antrieb für Veränderung sein?
Wieso ist Frust negativ - könnte einen doch auch zum Innehalten bringen, seine Vorgehensweise zu überdenken?

Hmmm, Element Feuer:
http://www.die-dunkle-dimension.de/i-mag04.htm

Der physische Körper entspricht dem Element Erde (Wurzelchakra)...

Alexander Lowen schreibt seinem Buch "Depression": Es kostet Körper und Seele viel Kraft, Lebensenergien zurückzuhalten - auf die Dauer macht das müde, eben depressiv...

*grübel* - für alle "Stierkinder" unter uns (meine Tochter ist an Beltaine - Nacht zum 1. Mai geboren, und, ja schon sehr "spirituell")
Zwölf Gesichter der Depression von Claus Riemann - Leseprobe
http://www.astronova.de/8301-JmZvbGRlcm ... tails.html

Asketische Strenge und Körperfeindlichkeit etwa sind Gift für Stierkinder ...wo ich dann eben ab und an sagen muss. "Schatz, lass mal bitte ein bisserl lockerer"

Also "Element Feuer" *selber Widder/Feuer bin - und so ab und an meine Probs damit hatte @ SVV, und das auch heut noch ganz gut kenne * vielleicht ja diese Energien sinnvoller einsetzen, aber nicht bewerten (macht nur das ich) oder unterdrücken

Ne sehr gute Nacht wünsch!
manu
tomroerich
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von tomroerich »

Hallo Otterchen,

Ärger, Frust, Wut, Neid, Verbitterung...

ja, fühlen sich negativ an -

aber ich denke nicht, dass wir diese "aussperren" sollten und uns immer, wenn diese Gefühle in uns auftauchen, in Frage stellen müssen.

ja Mensch, natürlich nicht! Wer sagt denn auch sowas? "Negativ" - als Attribut von Gefühl - besagt nicht, dass es verboten ist, schlecht ist, nicht sein darf oder einen in Frage stellen soll. Um Himmels Willen bloß das nicht! "Negativ" besagt, dass es uns damit nicht gut geht. Uns soll es aber gut gehen!

Wenn nun ein negatives Gefühl - negativ im Sinne, wie ich es eben sagte - auftaucht, dann taucht etwas auf, was uns verneinen will. Das ist doch der Kern der Sache: Schlechtes Gefühl = Verneinung meiner selbst. Ist das nicht der Kern der Depression?

Und dann können wir zweierlei Dinge tun.

a) Sich dem verneinenden Gefühl hingeben und darin versinken

b) Es als Gelegenheit begrüßen, dass etwas Verletztes geheilt werden will ---> Gelassenheit

Du hast völlig Recht. Darin steckt die Chance der Heilung. Aber sie lässt sich nur ergreifen, wenn wir nicht den Auslöser des negativen Gefühls als Ursache verstehen sondern anerkennen, dass das negative Gefühl (der Verletzung) in uns selbst liegt. Es hat nichts zu tun mit Schuld. Nur mit Verletzung. Verletzung ist nicht Schuldigsein. Die Erfindung des Schuldigseins kaschiert, dass man verletzt ist, indem sie einen Grund dafür erfindet, dass Verletzung gerechtfertigt ist. "Weil du schuldig bist, ist deine Verletzung rechtens. Und deshalb kann sie auch nicht geheilt werden."

Funktioniert nicht so die perfekte Verletzung? Sagen nicht Eltern: Du bist böse und daher bestrafe ich dich? Verletzung bekommt so eine einleuchtende Erklärung - sie ist gerechtfertigt, weil da eine Schuld ist. Aber die Schuld ist eine Erfindung des Verletzers, damit er nicht selbst mit seiner eigenen Verletzung in Berührung kommen muss. Und ebenso tut man es dann selbst. Wenn man verletzt wird, weist man die Zuständigkeit dafür schnell von sich und erklärt eine Schuld, die der andere haben soll.

Da ist nichts Schlechtes an negativen Gefühlen außer dass sie bewirken, dass wir uns schlecht fühlen. Das wollen wir nicht und das müssen wir auch nicht.



Thomas
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kormoran
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von kormoran »

guten morgen!

nur nochmal kurz an brittka: ja, da bin ich bei dir - ich selbst habe nicht dieses bild von 1 gott oben usw., sondern, wenn überhaupt, dann so etwas, das in allem ist, also auch in uns.

mit dieser menschwerdung-jesu-geschichte wollte ich eher "theoretisch" zu verstehen versuchen, worin das tolle im christlichen glauben vielleicht liegen könnte. hier habe ich einmal einen denkansatz gefunden - ob der auch nur entfernt mit dem zu tun hat, was christinnen und christen glauben und empfinden, weiß ich nicht .

und gut ist. gibt nämlich spannenderes hier, zum beispiel thomas' jüngsten beitrag. mir sind die gedanken inzwischen nicht mehr fremd, doch du öffnest immer wieder neue aspekte und es ist gut, darüber nachzudenken.

liebe grüße und einen schönen sonntag,
kormoranin
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Guinevere
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Guinevere »

Nen wunderschönen guten Morgen allen,

Zitat Otterchen:
aber ich denke nicht, dass wir diese "aussperren" sollten und uns immer, wenn diese Gefühle in uns auftauchen, in Frage stellen müssen.

Denk ich auch nicht ich wäre also eher für gelassenen Umgang mit "Leidenschaft" @ Threadthema, ist auch irgendwie mein Thema seit Kindheit, und ich empfind das eher als "heilsam", dass alles da sein darf, was gerade ist. Nicht ich zwanghaft dauergelassen, während z.B. Mom nen Wutanfall über 3-4 Stunden hat...

Ich glaub auch nicht, dass der "normale" Durchschnittsdepri einer ist, der z.B. dauerwütend ist. Ich glaub, das ist dann was anderes wie z.B. Persönlichkeitsstörung oder Trauma, und, das sollte man vielleicht beim hier darüber schreiben auch in Betracht ziehen, nicht so verallgemeinern.

Nen schönen Tag Euch,
manu
kormoran
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von kormoran »

[offtopic!]

hi manu!

schönen sonnigen sonntag
kormoranin
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Guinevere
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Guinevere »

Hey Kormoranin,

ganz fettes Danke!!! Bussi und sanfte Umarmung!
An Dich (Mobbingopfer) hatte ich bei meinem letzten Beitrag auch gedacht!

War z.B. gestern im Dienst, wo ich mir mal wieder dachte "Ja wow, spinn ich jetzt komplett! Irgendwie werd ich gerade fett von ein paar vollbetrunkenen angestänkert, ausgelacht, nicht ernst genommen, und, ich soll noch immer gute Mine machen, davon unberührt bleiben, mich in Gelassenheit üben? Es das nicht sein kann. Wo bleibt mein Selbstwertgefühl, dass ich so ein Verhalten mir gegenüber so hinnehme".
Dieses Denken wohl auch, da ich kürzlich in ner regionalen Wochenzeitung gelesen hab, hier in Linz wäre Burn-out, Depri und Mobbing stark im anwachsen.
Hat ganz gut getan, denjenigen auch mal meine Meinung zu geigen, Grenzen aufzeigen. Und, dann wars eben auch mal wütend *gut getan hat*, nicht resignieren, Wunden lecken gehn,...

Nen gscheit schönen Tag Dir nochmals!
manu
kormoran
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von kormoran »

hi manu,

ist zwar jetzt nicht mehr ganz zum threadthema, aber war für mich ganz enorm wichtig: die erfahrung zu machen, dass ich für mich eintrete! war nämlich nie. als ich das zum ersten mal bewusst geschafft habe, ist ganz viel "aufgegangen" ...
(das bedeutete ja auch, dass ich mich für wert befand, verteidigt zu werden, und nicht für eh so schlecht, dass ich schlecht behandelt werden darf; so viel selbstannahme ist ja wohl überhaupt erst die basis, die oben beschriebene gelassenheit üben zu können: schauen, was passiert da, warum fühle ich mich schlecht, und es als gelegenheit zur heilung willkommen heißen.)

liebe grüße
kormoranin
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Guinevere
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Guinevere »

Hey Kormoranin , mich vorhin getäuscht hab, war schon vorgestern, gestern war ich ja Semi. Hm, und heut sitzens da, und schaun recht , mach ich aber mal nicht zu meinem Problem .

ist zwar jetzt nicht mehr ganz zum threadthema, aber war für mich ganz enorm wichtig: die erfahrung zu machen, dass ich für mich eintrete! war nämlich nie.

Naja, bei mir ists so, dass ich mir im Vergleich eigentlich sehr viel gefallen lasse, mich in meinen Gefühlen @ berechtigt eben ständig hinterfrage... bemüht bin mit Verständnis und allem drum und dran "trotzdem" gelassen zu bleiben, und, wenn ich dann auch mal wütend werd, für mich eintrete, weil ich mir eben denk. "So, das kanns aber jetzt nicht sein, ich bin doch nicht der letzte Drek, um so behandelt zu werden" ...dann ist das wohl ungewohnt "So kennen wir Dich ja gar nicht".

Doch, ich finds mittlerweile auch sehr wichtig für sich einzutreten, seine Grenzen aufzeigen! Dann kann mir das vielleicht auch nicht mehr passieren, dass das so ein Problem darstellt, weil unerwartet, wenns mir wieder mal gscheit schlecht geht, und, ich das dann auch sage...

und, ich glaub auch (aufgrund meiner Erfahrungen), dass, wenn man seine Grenzen gut wahrnehmen kann, und, das auch zum Ausdruck bringen kann, eben für sich eintritt (nötigenfalls auch mit Wut unterstrichen), dass es einem dann nicht mehr wirklich so, in dem Ausmaß schlecht gehn kann *mal darauf hoff*.
Zorra
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Zorra »

Mir kommt gerade noch der Gedanke, dass meine Leidenschaftlichkeit im Leben auch damit zu tun hat, dass ich ihm auch einen SINN geben möchte. Dass ich auch wagen möchte, gegen den Strom zu schwimmen, wenn es mir richtig erscheint ... (also nicht mal nur so aus Prinzip )

Wenn es also um Dinge geht, die mir wichtig sind, dann handele ich auch da mit dem ganzen Herzen, dem ganzen Gefühl, der ganzen Kraft - mit einer inneren Leidenschaft, die auch gar nicht immer für den anderen sichtbar wird - manchmal schon, aber manchmal ist es auch etwas Inneres.

Es gibt Themen, von denen andere in meinem Umfeld durchaus sehr genau wissen, dass ich es leidenschaftlich sehe, dass ich mich da sichtbar verändere - das hat dann aber interessanterweise auch mit meinen anderen Wurzeln zu tun. Wenn ich in dem anderen Land bin, bin ich auch ein vollkommen anderer Mensch - fühle mich dann auch sehr anders.

In einer Seelsorge-Weiterbildung ist vor Jahren von der Kursleitung mal zu mir gesagt worden: noch schaumgebremst, aber wenn sie mal loslegt, werden wir uns alle noch wundern.

Ich habe gar nicht so recht verstanden, was damit gemeint war - aber vor 4 oder 5 Jahren habe ich es dann gemerkt. Ich bin noch mal unmittelbarer geworden, nicht mehr übervorsichtig und die unterdrückte Leidenschaft war aber immerhin schon spürbar für Einzelne (Kursleitung).

Die Frage bei der Leidenschaft im positiven wie im negativen Sinn ist dann aber, dass BEIDE auch Kraft ziehen. Ich muss also sehen, dass ich nicht ausbrenne.

Da hilft dann wieder Gelassenheit ... auch mal loslassen, Ruhe, schauen: warum ist das jetzt so ... WIE gehe ich jetzt mit meinem Gefühl um.

Das ist für mich schon noch ein Übungsfeld.

Wobei ich auch jemand bin, der gut auch mal zur Ruhe kommen kann, Stille genießt und einfach auch mal nicht tut ... zwei Stunden nur Blumen anschauen, Sonne und Wind spüren ...

Und dann Lust hat, spontan wieder einfach mal loszuziehen, was anzusehen, sich an Gemeinschaft zu freuen.

LG von der Maskentänzerin

jetzt geht sie Sonne tanken auf den Hof - und heute nachmittag fahren wir Rad um einen großen See herum und genießen einfach nur den Tag mit seinen Augenblicken


Wir sind nicht die Masken, die wir tragen ... doch wenn wir sie zu lange aufhaben, werden wir dann nicht wie sie?

© Aya Yven

triste
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von triste »

Liebe Brittka,

Du hast in Deinem Eigangsposting dieses threads folgende Fragen gestellt:

"Es ging in den letzten Beiträgen im Grunde darum, wie es "gut" oder "gesund" ist, mit Gefühlen umzugehen."
"Es geht mir überhaupt nicht um Unterdrückung der Gefühle, ganz im Gegenteil, sondern darum, wie ich "gesund" damit umgehen kann. Es geht mir darum, wie ich "leidenschaftlich" und mit allen Sinnen am Leben teilnehmen kann - ohne aber mich selbst darüber zu verlieren."
"Wie mache ich es auf gesunde Weise und auch auf konstruktive Weise?"

Fällt Dir was auf?
Mir stach sofort ins Auge, wie oft Du das Wort "gesund" verwendest.
Ein "gesunder" Umgang mit der Leidenschaft scheint hier im Verlauf dieser Diskussion zum Ideal geworden zu sein, nicht zuletzt durch Thomas Einstellung, dass beispielsweise das Artikulieren von Ärger nicht gerechtfertigt sei, da die Ursache des Ärgers (ein andere Mensch z.B.) den Ausbruch des Ärgers nicht rechtfertige, sondern die Ursache die eigene Verletzung sei, an der man eben arbeiten müsse.

Tja - man kann sicherlich alles mit sich selbst ausmachen und die Gründe für die "schlechten" Emotionen immer in sich selbst suchen.
Ich persönlich empfinde es als befriedigend, jemandem, der z.B. etwas verabscheuumgswürdiges getan hat, das zu sagen...ihm zu zeigen, dass er zu weit gegangen ist. Und mit dieser Haltung fühle ich mich ziemlich gesund , weil sie Ausdruck meiner Ansichten ist und dessen, wofür ich stehe und was ich für wichtig halte.

Es wird hier oft das Bild vom emotional total kontrollierten Individuum als heilbringende Maßnahme gegen die Depression gefeiert, und mich stört das, vor allem, wenn es so abolut geschieht wie in den Darstellungen von Thomas.
Wir haben alle Konsens darin, dass der Mensch sich von Tieren durch eine Kontrolliertheit seines Verhaltens und seiner Emotionen unterscheidet. Und ich denke mal, wir alle hier finden Menschen, die unkontrolliert herumbrüllen und vielleicht sogar gewalttätig werden- also nicht mehr kontrolliert sind- abstossend.

ABER: Ein Individuum ist eben nicht per se friedlich. Man kann nicht immer in "freundlicher Zugewandheit" den anderen begegnen. Das Dasein besteht auch in Abgrenzung, darin, sein Revier zu verteidigen, andere, die Grenzen überschreiten, in ihre Schranken zu verweisen.
Das ist in uns angelegt und für mich gehört es zum Leben dazu, auch mal die Zähne zu fletschen...auch Aggression gehört dazu und ich halte es für legitim, diese denjenigen zu zeigen, die man doof findet.
(Mal ganz abgesehen davon, dass unterdrückte Aggression zur Depression führt).

Anderer Punkt:
Gefühle kontrollieren. Ist das gut? Gerade wir Depris müssen, glaube ich, erstmal mühsam lernen, die Gefühle (vor allem die negativen) eben gerade nicht zu kontrollieren. Bei mir ist es beispielsweise noch immer so, dass ich schlechte Gefühle oftmals gar nicht spüre und sie erst in der Reflektion (Therapie) kognitiv erkenne.

Ehrlich gesagt, ich finde es toll, "von Gefühlen übermannt (überfraut... @ Brittka) zu werden. Es ist einfach ein unverfälschter Ausdruck unseres Seins, etwas, das aus den Tiefen kommt und immer eine Berechtigung hat.
Wie gesagt - ich bin selbst viel zu kontrolliert und verabscheue auch Menschen, die alles ungefiltert `rauslassen.
Aber Gefühle zu zeigen, und sei es Ärger, Hass, Neid... das finde ich menschlich.

Thema Leidenschaft:
Leidenschaft kann nicht kontrolliert werden, denke ich.

Brittka, Du schreibst:

"Und genau dieser Spagat interessiert mich: Gelassenheit UND Leidenschaft."

Ich glaube, dass Gelassenheit und Leidenschaft unvereinbar sind, weil Gelassenheit viel damit zu tun hat, dass man sich eben nicht von Gefühlen überschwemmen lässt... dass man nicht auf Reize reagiert: und das ist eine gelernte Fähigkeit, keine intuitive!

In der Leidenschaft ist man nur noch Bauch und nicht mehr Kopf: da haben die Gefühle die Oberhand und nichts wird durch den Kopf zensiert!
Nicht umsonst schreibt die Literatur immer wieder davon, wie Menschen von ihrer Leidenschaft verbrannt wurden, bei den großen romantischen Liebenden z.B. führte das nicht selten zum Tod.

Also, um mal auf den Punkt zu kommen:

Kontrolliert sein: ja
Gefühle `rauslassen: auch ja
Gelassenheit üben: super

Das alles hat eine wichtige Funktion. Neben der durchaus heilsamen Gelassenheit kann es aber auch sehr gesund sein (in meinen Augen) , dem Gegenüber die Fresse zu polieren (sinnbildlich gesprochen natürlich, .

Einen gelassenen, sonnigen Sonntag
wünscht Virginia
tomroerich
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von tomroerich »

Das alles hat eine wichtige Funktion. Neben der durchaus heilsamen Gelassenheit kann es aber auch sehr gesund sein (in meinen Augen) , dem Gegenüber die Fresse zu polieren (sinnbildlich gesprochen natürlich, .

Hallo Virginia,

wo siehst du denn den Unterschied, zwischen der sinnbildlichen Fressenpolitur und der handgreiflichen? Du willst verletzen und seelische Verletzungen sind nicht weniger schlimm als körperliche, da stimmst du mir sicher zu.

Kann es wirklich ein Argument sein, dass man es als befrriedigend empfindet, sich zu entladen? Natürlich verschafft das Befriedigung - der Ärger, der dich gequält hat, ist jetzt weg und der andere hat seinen Schmerz. Alsoich kann nicht finden, dass das auch nur annähernd sozialverträglich ist.

Es gilt ja auch für einen Vergewaltiger, dass er es befriedigend findet, zu vergewaltigen (ohne dich persönlich damit in Verbindung bringen zu wollen. Wo ziehst du Grenzen und auf welcher Grundlage? Sagst du von der Verletzung der verbal polierten Fresse dann, es sei ja schließlich nicht deine Angelegenheit,wie jemand darauf reagiert, dass man ihm die Fresse poliert?

LG

Thomas
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Guinevere
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Re: Gelassenheit oder Leidenschaft ?

Beitrag von Guinevere »

Nachtrag,

mach ich aber mal nicht zu meinem Problem .

Ist dann meist, wo sich dann bei mir mein wohl eher verschärftes (?!) Harmoniebedürfnis *es lieber harmonisch hätte* meldet, und, ich dann schlecht damit kann, wenn jemand sich dann schämt oder dergleichen *auweia*. Vielleicht ja noch "Kindheit" (?), wo eben Mom oft nach nem Streit Tage nix mit mir gesprochen hat, wo ich eben dann am Liebsten sagen, würde "Hey, es tut mir leid, ich war einfach wütend", aber, eigentlich tuts mir nicht wirklich leid, mal gesagt zu haben, was ich mir denk...

Bei meinen "angeheirateten Großcousin" z.B. *schon ne Weile her ist*, und, der hat sich dann bestimmt für 2 Wochen im Gastgarten hinter nem Baum versteckt, mit dem Rücken zur Türe, damit sich unsere Blicke nicht begegnen können. Also, dem hab ich wohl in meinem Jähzorn ziemlich viel gesagt, über ihn, seine durch Geschenke etc. "gekauften" Freunde, die ihm nur ins Gesicht so schönreden, und hintenrum schauts gaanz anders aus, lästerns recht über ihn, und sagen alle, dass er ein A******** wäre. Klar, den andern in der Arbeit hats gefallen, die haben gemeint, ich wäre fett mutig, dass jemand mal mit ihm "Klartext" geredet hat...aber, ich fands dann doch etwas "gemein" von mir *mich fett schlecht gefühlt hab*...aber, wir zwei kommen mitlerweile auch besser als vorher miteinander aus, also, ich hab jetzt den "Respekt", den ich wollte...

Schönen Abend Euch!
manu

Ach ja, P.s: an, wegen Virginia *wink*

Stellt doch selbst mal was auf die Beine, tut doch mal was für andere, ganz selbstlos, und fordert nicht immer nur!
Quelle: http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1271107729

Also , bei "ganz selbstlos" läuten bei mir mittlerweile gerne die Alarmglocken, das ist ein mir anerzogenes mich krankmachendes Verhaltensmuster. Ist nicht als Kritik gemeint, sondern eher als Rat!
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