Der liebe Onkel von nebenan

DYS-
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Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von DYS- »

Ich schreibe mal etwas was mich eigentlich früher nicht belastet hat. Ich denke auch nicht, daß diese Geschichte Einfluß auf meine Depression hatte. Manchmal überlege ich sogar ob sexueller Missbrauch auch heutzutage überbewertet wird. Ich schäme mich auch sehr dies zu schreiben, aber vielleicht tut es mir gut.
Ich wurde in eine gut "bürgerlichen" Familie geboren. Meine Eltern meinten es immer sehr gut mit mir und meinen 2 Brüdern.
Mit 4 Jahren habe ich aber einen "Freund" gefunden. Er war damals ca 40 Jahre alt und unser Nachbar. Dort wurde ich verwöhnt mit allen leckeren Sachen. Er war sehr zärtlich zu mir. Es war schon komisch, das er mir immer an meinen Schlüpfer geht, aber ich hatte keine Ahnung das dies nicht OK ist. Er sagte es sei OK. Und da er so nett war hab ich es mir gefallen lassen. Das ging tgl. so. Ich war auch nicht schockiert. auch nach Jahren nicht. Ich konnte ihn mit einigen Sachen richtig glücklich machen. Das ging so bis ich etwa 12 Jahre alt war. Da war er Wächter an einem Strand. Viele Jugendliche waren bei ihm. Er hatte ein Zelt aufgebaut. Dort "durfte" ich dann die "Spielchen" auch mit anderen Männern treiben. Sie waren alle so zufrieden mit mir und ich bekam sehr viel Lob. Ein Mann lud mich zu sich nach Hause ein und war dann nicht so nett. War damals 13 oder 14. Der tat mir sehr weh, aber er entschuldigte sich auch. Ich wurde behandelt wie eine Erwachsene. War in deren Augen kein Kind mehr. Das freute mich ungemein. Meine Eltern erfuhren nie von diesen Geschichten.
Irgendwie habe ich das ganze sehr gut verdrängt. Ich sagte mir immer wieder das ich es ja selber so wollte. Habe mich ja niemals gewehrt.
Erst in letzter Zeit kommt mir der Zusammenhang zwischen meiner Abwehr gegen körperliche Nähe und den damaligen Erlebnissen. Muss ich heute dafür bezahlen das ich mich damals für ein wenig Aufmerksamkeit verkauft habe? Oder hängt dieses "komm mir nicht zu nahe" von meinen Depris? Bitte glaubt mir, es fällt mir sehr schwer dieses zu veröffentlichen. Darüber zu reden ist aber unmöglich für mich.
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
Faustus
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Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von Faustus »

Hallo Dys,


eigentlich wollte ich nur mal kurz vorbeischauen heute, ohne viel zu schreiben. Deine Geschichte hat mich jedoch sehr beruehrt.

Zunaechst mal danke fuer Dein Vertrauen, damit aus Dir herauszukommen. So ein Geheimnis ein Leben lang mit sich herumzutragen, muss belastend sein. Nur gut, dass Du es nun herauslaesst !

Vor allem, dass Du offenbar ein schlechtes Gewissen hast, dass Du Dich "fuer ein bisschen Aufmerksamkeit verkauft" hast ! DU bist das OPFER ! Du konntest doch als Kind noch garnicht abschaetzen, was da mit Dir getrieben wurde. Ich sehe da ganz klar eine Ursache fuer Deine heutigen Probleme.

Noch ein anderer Aspekt - kennst Du das "Drama des begabten Kindes" von Alice Miller ? Ich habe dieses Buch gerade gelesen und eine Grundthese darin ist, dass psychische Probleme daher ruehren, dass man schon als Kind anerzogen bekam, sich zu verstellen. Was die Erwachsenen tun ist immer richtig und wenn man geliebt werden will, hat man sich gefaelligst anzupassen. Die Depression ist dann eine Folge des Getrenntseins vom Selbst, da das "wahre Ich" im Verborgenen schlummert. Wenn Du schreibst, Du haettest Dich "fuer ein bisschen Aufmerksamkeit verkauft", klingt mir das sehr danach. Falls Du das Buch nicht kennst - vielleicht ist es ein Schluessel zu Deinem Problem ?


Alles Liebe,


Faustus
Data

Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von Data »

Liebe Dys,

ich möchte mich den Worten von Faustus anschließen. Hut ab vor so viel Ehrlichkeit! Aber allein schon die Tatsache, daß du an diese Erlebnisse denken und sie hier schreiben kannst, ist ein großer Vorteil, den du gegenüber vielen anderen mißbrauchten Frauen hast, die meist noch nicht mal daran denken können, ohne "abzustürzen". Vermutlich liegt es auch daran, daß du es damals als Kind nicht so schlimm empfunden hast. Auf jeden Fall tragen diese Erlebnisse die Schuld an deiner Abwehr von körperlicher Nähe, denke ich. Die Depression könnte ebenfalls eine Spätfolge deiner Kindheitserlebnisse sein, aber eher nicht der Grund für Ablehnung von Zärtlichkeiten.

Leider habe ich überhaupt keine Ahnung, wie man im Nachhinein mit solchen Erlebnissen fertig wird. Wahrscheinlich reicht es nicht, daß du dir vom Verstand her sagst, so und so war es, der und das ist schuld (nicht du!), aber ich lebe heute und jetzt und es passiert nie wieder. Vielleicht gibt es irgendwelche wirkungsvolleren Aufarbeitungsstrategien, die ich leider nicht kenne (aber gern kennen würde), die nur ein geschulter Psychotherapeut mit dir durchführen kann. Vielleicht solltest du dir das Buch, was dir Faustus empfohlen hat, mal zu Gemüte führen, es ist ja möglich, daß dir schon die schlüssige Erklärung, warum das damals alles so passiert ist, von diesem Buch geliefert wird und dir bei der Aufarbeitung deiner Erlebnisse weiterhilft, weil es doch immerhin eindeutig klären sollte, daß du keinerlei Mitschuld trägst an den damaligen Vorkommnissen, selbst wenn es dir vielleicht damals manchmal gefallen hat. Ich glaube, daß es das Verständnis und das Aufarbeiten des Mißbrauchs sogar noch ziemlich erschwert, wenn die mißbrauchte Person den Mißbrauch gar nicht als so schlimm empfand oder daran vielleicht sogar ungewollt eine gewisse Art von Spaß hatte. Im Nachhinein mußt du dich jetzt also nicht nur dafür schämen, was damals mit dir gemacht wurde und daß du dich nicht zur Wehr gesetzt hast, sondern - aufs höchste verwerflich, unmoralisch und verächtlich – daß du es vielleicht sogar teilweise als angenehm empfunden hast. Das ist wohl das belastendste beim späteren Nachdenken über den Mißbrauch.

Wie siehst du das?

Liebe Grüße

Data
anna17
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Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von anna17 »

Hi Data,
ich mische mich kurz ein, weil, naja.
Also:
"Ich glaube, daß es das Verständnis und das Aufarbeiten des Mißbrauchs sogar noch ziemlich erschwert, wenn die mißbrauchte Person den Mißbrauch gar nicht als so schlimm empfand oder daran vielleicht sogar ungewollt eine gewisse Art von Spaß hatte."

Kluger Commander, Du. Genau so ist es.

Und das: "Die Depression könnte ebenfalls eine Spätfolge deiner Kindheitserlebnisse sein, aber eher nicht der Grund für Ablehnung von Zärtlichkeiten." verstehe ich nicht ganz. Daß Mißbrauch körperliche Nähe erschwert bis unmöglich macht, ist doch eigentlich relativ logisch. Oder hab ich was falsch verstanden?

Grüße,
Anna.
Data

.

Beitrag von Data »

Hallo Leo oder Frau Hohmann,

wurde jetzt die Löschfunktion für Postings doch wieder abgeschafft? Hm... Na gut, bringt aber auch nicht wirklich was, solange man beliebig ändern kann.

Mein Vorschlag: Löschfunktion wieder rein, aber Möglichkeit zum Löschen auf 2 Stunden begrenzen (ebenso die Änderungsmöglichkeit).

Und bitte dieses Posting löschen, denn es ist völlig überflüssig (oder hier zumindest fehl am Platz), konnte es aber selbst nicht mehr löschen.

Gruß

Data

PS: Die "Zeitraum ändern"-Funktion kann sich jetzt aber wirklich sehen lassen, alle Achtung! Vielen Dank für Ihre Mühe!
Data

Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von Data »

Hallo Counsellor,

danke für Ihr Kompliment. Haben meine Entwickler also doch ganz passable Arbeit geleistet, meinen Sie?

Aber Sie sind da oben auch nicht ohne, Counsellor!
(Schade eigentlich. Aber na ja, hätte ich jetzt eh nix davon. )

Daß Sie da oben in meiner zitierten Antwort an Dys etwas nicht oder, besser gesagt, falsch verstehen, haben Sie nämlich genau richtig erkannt.

(Sorry, Anna, mir sitzt heute schon wieder so derartig der Schalk im Nacken, daß ich nur noch ganz gebückt am Tisch sitzen kann, also nicht böse sein, bitte. Ich entschuldige mich schon mal prophylaktisch.)

Liebe Grüße

Data

PS: Hab gerade nochmal 'ne kleine Semantikanalyse meiner obigen Antwort an Dys vorgenommen... Sie haben ja doch nicht unrecht, Counsellor, man kann es tatsächlich auch anders verstehen, als es gemeint war. Ich werde in Zukunft noch eine Sicherheitsstufe vorschalten, bevor ich Ihnen freche Antworten gebe, Counsellor!

anna17
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Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von anna17 »

Hm, muss ich das jetzt verstehen? Hätte ich irgendwas nicht sagen dürfen oder was? Oder hast Du auch eine Vorliebe für kryptische Postings?
Data

Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von Data »

Hallo Anna,

bist du doch etwas sauer? Tut mir leid, ich wollte dich nicht beleidigen, nur bißchen blödeln, ich weiß, ist manchmal hart an der Grenze. Entschuldige bitte.

Natürlich hab ich was übrig für kryptische Postings! Wußtest du das nicht?

Du schriebst:

Und das: "Die Depression könnte ebenfalls eine Spätfolge deiner Kindheitserlebnisse sein, aber eher nicht der Grund für Ablehnung von Zärtlichkeiten." verstehe ich nicht ganz. Daß Mißbrauch körperliche Nähe erschwert bis unmöglich macht, ist doch eigentlich relativ logisch.

Ich meinte, die Depression ist möglicherweise eine Spätfolge des Mißbrauchs, aber sie (die Depression) ist eher nicht der Grund für die Ablehnung körperlicher Nähe (sondern der Mißbrauch ist der Grund).

Hab aber erst nach nochmaligem genauem Duchlesen bemerkt, daß man meine Formulierung tatsächlich auch anders verstehen kann, als es gemeint war. Zuerst meinte ich, meine Formulierung wäre eindeutig gewesen und du hast nicht richtig gelesen oder so.

Alles ok, oder immer noch sauer? Kannst ja ruhig auch mal austeilen.

*duckt sich schon mal*

Versönliche Grüße

Data
Captain Kirk
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Re: .

Beitrag von Captain Kirk »

anna17
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Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von anna17 »

Keine Angst, Data. Wenn ich sauer bin, bin ich anders. War wohl einfach eins dieser Missverständnisse, das man unter "Tücken digitaler Kommunikation" verbuchen kann. Ich wollte Dir eigentlich nur ein Kompliment machen, weil ich es bemerkenswert finde, dass Du auf solche Sachen kommst, so als Mann und Nichtbetroffener (far as I know...). Und ein bissl arg empfindlich bin ich heute auch, und auf dem Gebiet gleich dreimal. Aber da kannst ja Du nix dafür.
Lieben Gruß,
Anna.
Sandel
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Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von Sandel »

Hallo Dys,

Deine Worte berühren mich. Ich bin selbst Opfer sexueller Gewalt geworden. Ich schilder Dir mal wie ich das sehe.

Was Du schreibst ist für mich ein ganz klarer mit nichts zu rechtfertigender Übergriff auf Dich. Es gibt viele Menschen, die haben solche Erfahrungen komplett aus ihrem Gedächnis gelöscht. Depressionen und Panikanfälle, Bulemie sind dann in vielen Fällen die Symptome. Vielleicht ist Deine Erinnerung da, nur Du hast die Gefühle abgekoppelt? Für mich waren die Übergriffe immer grauenvoll. An gute Gefühle kann (oder will) ich mich nicht erinnern.

Du hast Dich nicht verkauft. Du hast keine Schuld. Du hast auch keine Schuld wg. der guten Gefühle.

Ich kann Nähe auch nur bedingt zulassen. Denke meist die Menschen wollen mir was tun. Habe die Abwehr schon vorsorglich aufgestellt. Es wird langsam besser.

Du schreibst Du kannst nicht darüber sprechen? Darf ich Dich fragen, ob Du wg. der Depressionen eine Therapie machst?

Ich konnte irgendwann zu einem Therapeuten Vertrauen fassen und habe dann mit seiner Hilfe hingeschaut.

Ich hoffe Dir hilft meine Antwort ein wenig. Du kannst mich jederzeit alles Fragen.

Sei lieb gegrüßt ich wünsche Dir einen schönen Abend
Sandel
pascale
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Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von pascale »

hallo dys,

immer wenn ich solche berichte lese, dann sitze ich hier und überlege: antworten oder nicht? ich kann dir nicht sagen, weshalb ich es heute wage. hängt sicherlich mit deiner fragestellung zusammen:

"Muss ich heute dafür bezahlen das ich mich damals für ein wenig Aufmerksamkeit verkauft habe? Oder hängt dieses "komm mir nicht zu nahe" von meinen Depris?"

vor einigen jahren habe ich mich mal eingehender mit diesem thema befaßt und dabei glücklicherweise erfahren, daß nicht ein kind schuld ist, egal, was auch immer es zu tun bereit war und auch egal, ob gerne oder nicht. täter ist stets der erwachsene. ja, es ist schon erstaunlich, wozu man bereit ist, wenn es darum geht, ein wenig aufmerksamkeit zu bekommen. nur wie sollte man als kind denn wissen, daß diese form der aufmerksamkeit seelenmordend ist? sind nicht die zum teil verantwortlich, die dem kind nicht die nötige aufmerksamkeit haben zukommen lassen? ein glückliches, wohl umsorgtes kind, das vertrauen zu seinen eltern hat (und entsprechend auch aufgeklärt ist, natürlich) würde schon solch ein erstes erlebnis seinen eltern erzählen. man könnte im nachhinein denken, es war ein selbstmord auf raten. ist es allerdings nicht - dieser mörderiche angriff auf das seelenleben - was es ja letztendlich ist - erfolgt von außen - vom erwachsenen täter, der im gegensatz zum kind ganz genau weiß, was er tut. hm... hoffentlich drücke ich mich jetzt nicht unglücklich aus und du verstehst, wie ich das meine.

die abwehr von körperliche nähe ist durchaus auf solche erlebnisse zurückzuführen. es kann allerdings auch teil der depri sein, glaub ich. ich kann dir nicht sagen, was es bei mir war, als ich diese phase hatte. heute weiß ich nur noch, daß ich es nicht ertragen hätte, hätte mich nur jemand in den arm genommen.

es gibt die verschiedensten auswirkungen und verhaltensweisen, die solche erlebnisse mit sich bringen. unmöglich, sie hier alle aufzuführen.

wenn du nicht darüber reden kannst - was ich sehr gut verstehen kann -, dann lies darüber und schreibe hier weiterhin davon. es wird dir sicher sehr schwer fallen und mitunter auch schlecht gehen. es wird jedoch auch besser, denn du arbeitest daran, verarbeitest und kommst vorwärts.

hm... es ist ein schwer verdauliches thema und manche schuldfrage stellt sich mir wieder aufs neue.

lieben gruß

pascale
Muriel
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Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von Muriel »

Liebe Dys,

den ersten Schritt hast du gemacht, indem du es hier aufgeschrieben hast.

Ich möchte dir ein Buch empfehlen, was mir persönlich sehr weitergeholfen hat, bei der Verarbeitung meines Missbrauches.

Trotz allem. Wege zur Selbstheilung für sexuell mißbrauchte Frauen.
von Ellen Bass und Laura Davis
ISBN: 392216661X
Preis: EUR 24,50

Es gibt auch noch einen zweiten Teil für Angehörige und Freunde.

Verbündete.
von Laura Davis
ISBN: 3922166814
Preis: EUR 24,50

Ich kann dir beide Bücher sehr empfehlen und sie sind ihren Preis wirklich wert.
Der Vorteil an ihnen ist, es sind in erster Linie Selbsthilfebücher, die du Zuhause in aller Ruhe lesen kannst und die wertvolle Tips enthalten, welche Schritte man gehen kann.

Sei mir lieb gegrüsst

Muriel
Wer zugleich seinen Schatten und sein Licht wahrnimmt,

sieht sich von zwei Seiten,

und steht somit in der Mitte.
DYS-
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Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von DYS- »

Faustus,Muriel,pascale,Sandel,Commander Data,Anna24, seid herzlich bedankt für euere Beiträge zu diesem Thema. Ich werde mir die Bücher besorgen.
Gestern konnte ich den Text hier schreiben, heute finde ich es unmöglich ihn geschrieben zu haben. Fühle mich nun recht unwohl.
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
Faustus
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Unwohl

Beitrag von Faustus »

Hallo Dys,


ich kann das nachvollziehen. Manchmal lasse ich auch auf dem Forum was raus, wofuer ich mich hinterher wieder schaeme. Aber nein ! Es MUSS raus ! Das ist harte Arbeit, und das Schaemen gehoert dazu. Es ist der einzige Weg, diese schlimmen Erlebnisse zu verarbeiten. Von daher lass Dir zumindest von "aussen" sagen, dass Dein Posting kein negatives Licht auf Dich wirft und auch niemanden hier verletzt. Ich finde es sogar grossartig, dass Du das Vertrauen gehabt hast, uns einzuweihen. Und das Herauslassen ist der einzige Weg, die negativen Gefuehle loszuwerden. Ich denke, dass das ein guter Schritt in die richtige Richtung war - auch wenn die Depression wieder fuer Scham und Schuldgefuehle sorgt.

Alles Gute !


Faustus ....
DYS-
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Re: Unwohl

Beitrag von DYS- »

Faustus schrieb: "Von daher lass Dir zumindest von "aussen" sagen, dass Dein Posting kein negatives Licht auf Dich wirft und auch niemanden hier verletzt. "

Danke Faustus, das tut gut. Wußte auch nicht das ich mit meinen 39 B Jahren nochmals scharmgerötet vor dem PC sitzen würde
°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°

Gerade weil wir alle in einem Boot sitzen,

sollten wir heilfroh darüber sein,

dass nicht alle auf unserer Seite stehen.
Data

Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von Data »

Hallo Dys!

"Gestern konnte ich den Text hier schreiben, heute finde ich es unmöglich ihn geschrieben zu haben. Fühle mich nun recht unwohl."

Vergiß es!

Wenn du Zeit hast, lies mal das hier (http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1048615559), da habe ich was übers Schämen geschrieben.

Oder lies meinen "Auskotz-Thread" (http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1048459726). Seitdem ich mir das von der Seele geschrieben habe, geht es mir besser.

Und obwohl ich von dir das für dich Beschämende da oben gelesen habe, Dys, finde ich dich immer noch total in Ordnung, kein bißchen minderwertig, kannst du dir das vorstellen?
Ist schwierig, nicht?
Aber das gehört dazu. Irgendwann wirst du es auch wieder glauben können, daß du etwas wert bist. Es glauben können, wenn dir jemand sagt: "Ich kenne dich und ich mag dich trotzdem." Ja, Dys, so wird's kommen. Dauert vielleicht noch 'n Weilchen. Aber es kommt. Mach dir keine Sorgen.

Liebe Grüße

Data
byte
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Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von byte »

lieber data,

schön zu lesen, dass es dir wieder besser geht und du das forum wieder bereicherst.
aber trotzdem..... in dir hat sich auch viel angesammelt. machst du eigentlich eine therapie ??
ich denke, du solltest auch einmal in dich hinein spüren und dich von diesen lasten befreien indem du sie verarbeitest. es nur einmal hier herauszulassen und nun wieder den fröhlichen data zu geben ist wohl zu wenig.
tu auch mal etwas für dich, der lohn am ende wird sein, dass du auch innerlich wahrhaft fröhlich sein kannst.
sei es dir selbst wert und suche deinen weg zu dir !

alles liebe und einen dicken sonnenstrahl für dich,
bit
"Sehnsüchtig grüsst der,

der ich bin, den,

der ich sein könnte.

(Dostojewski)
byte
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Re: Unwohl

Beitrag von byte »

liebe dys,

du brauchst dich kein bisschen zu schämen. es ist wirklich sehr traurig und belastend, was dir passiert ist. aber vergiss nie, ein kind ist immer unschuldig !
und wegen dem alter - sei stolz, dass du in diesem alter noch zu erkenntnis und wandel fähig bist. ich kenne viele, die sind jünger als ich, aber eigentlich schon so alt und stehengblieben dass sie fast scheintot wirken.
wir haben bis jetzt mit unseren wunden das leben doch auch ganz gut gemeistert. jetzt ist vielleicht die zeit reif und haben wir vielleicht die kraft in uns, uns dem alten schmerz zu stellen und noch einmal eine neue richtung, einen neuen sinn in unser leben zu bringen.
das ist im moment vielleicht schmerzlich, aber es wird uns auf neue wege und in tieferes empfinden führen.
davon bin ich überzeugt.
und alles was uns weiterführt ist gut, weil es richtig ist....

ich wünsche dir alles liebe und viele liebe wegbegleiter,
bit
"Sehnsüchtig grüsst der,

der ich bin, den,

der ich sein könnte.

(Dostojewski)
anna17
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Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von anna17 »

Hallo Alle,
nochmal ich.
Ich bin an diesem "Es muss raus!" hängengeblieben. Klar muss es das, irgendwann. Aber: mit so kathartischen Sachen muss man sehr vorsichtig sein bei diesem Thema. Weil, ein Trauma zu verarbeiten, ist eine heikle Angelegenheit. "Nur" erinnern und aufschreiben, also "nur" rauslassen, ist im Zweifel eher re-traumatisierend als heilsam. Traumakonfrontationen werden nicht umsonst therapeutisch angeleitet und lange vorbereitet. Es ist ein Irrtum, Frauen zu sagen, sie müssten (unter Umständen immer und immer wieder) erzählen, was passiert ist, und das möglichst detailgenau. Das wird auch in Dokumentarfilmen und Fernsehbeiträgen ja immer wieder praktiziert, soweit, dass ich von einem zweiten Missbrauch, diesmal durch die Medien, sprechen würde.
Ich bin, was meine Geschichte angeht, sehr vorsichtig geworden mit erzählen, im Forum sowieso, aber auch privat. Weil ich gemerkt habe, dass mir das Erzählen meiner Geschichte nicht gut tut. Es gibt einen Mittelweg zwischen Runterschlucken und an der Vergangenheit hängenbleiben.
Grüße,
Anna.
Data

Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von Data »

Hallo Anna,

könntest du hier auch was dazu schreiben, wie dieser Mittelweg aussieht (oder es mir mailen)? Das interessiert mich sehr. Wie hast du es geschafft, dein Trauma zu überwinden? Gibt es überhaupt eine vollständige Heilung? Kennst du auch das Buch, das Muriel empfohlen hat? Wie geht man am besten mit einer traumatisierten Person um, die überhaupt nicht darüber reden kann?

Liebe Grüße

Data
Sandel
Beiträge: 36
Registriert: 24. Mär 2003, 11:59

Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von Sandel »

Hallo Muriel,

Dein Buchtipp ist auch bei mir angekommen. Hab's mir bestellt und bin gespannt. Fühle mich oft noch minderwertig und für alles mögliche schuldig. Das würde ich gern noch in den Griff bekommen, weil das bei mir immer die Depriphasen auslöst.

Ich danke Dir auch für den Hinweis

Lieber Gruß
Sandel
Sandel
Beiträge: 36
Registriert: 24. Mär 2003, 11:59

Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von Sandel »

Hallo Anna,

ich schließe mich Deiner Meinung weitestgehend an. Mit therapeutischer Unterstützung wird man aufgefangen. Der sichere Rahmen ist das A und O. War es für mich zumindestens. Eine Sache sehe ich bisschen anders. Wenn man nicht darüber sprechen kann ist es noch nicht verarbeitet. Ich meine damit nicht, das man jedem das auf die Nase bindet, sondern sich in seinem privaten Umfeld, den Menschen öffnet, die einen lieb haben. Das war für mich ein großer Schritt in Richtung Heilung. Klar klappt das nicht immer.

Hoffentlich bin ich Dir nicht zu Nahe getreten. Ich möchte Dich nicht verletzen.

Alles Liebe für Dich
Sandra
anna17
Beiträge: 209
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von anna17 »

Hi Data,
der Mittelweg. Meiner sieht so aus: Ich weiß, was war. Ich habe den Menschen davon erzählt, die es wissen sollen und die nicht nachbohren, die nicht voyeuristisch nachfragen. Ich versuche, mir selbst meine Geschichte zu glauben.

Trauma verarbeitet? Ich? Noch gar nicht, insofern hat Sandra recht. Und aus genau diesem Grund halte ich das Reden über das Trauma für hochproblematisch. Weil es eben nicht integriert ist, bei den meisten, die hier schreiben, würde ich meinen.

Wie man mit einem traumatisierten Menschen umgeht? Lass ihn oder sie in Ruhe. Hab ein offenes Ohr, lass Dich nicht in die Geschichte hineinziehen, akzeptiere Deine eigenen Grenzen. Aber, wenn der/die Betreffende nicht darüber reden kann: Auf gar keinen Fall nachhaken. Alles hat und braucht seine Zeit und es ist nicht an Dir, den Zeitpunkt zu bestimmen, wann jemand anfängt zu reden. Therapeutisch hat sich vor allem ein Modell bewährt: Stabilisierung, Stabilisierung, Stabilisierung, Traumakonfrontation, Integration. Ein sehr gutes Buch dazu: Luise Reddemann, Imagination als heilende (heilsame? don't remember) Kraft.

Von Heilung würde ich im Zusammenhang mit Trauma nicht reden. Das Trauma ist keine Krankheit, es ist ein Ereignis, das nun mal passiert ist. Ich würde vielleicht von Heil-werden nach dem Trauma sprechen. Und das ist möglich. Nicht bei allen gleich, aber ich denke, prinzipiell ja.

Hi Sandra,
wir sind im Prinzip einer Meinung. Aber: Wenn jemand das, was er erzählt, nicht aushält, und das ist oft so (Traumaopfer neigen dazu, zu früh und zu viel zu erzählen, ohne auf die eigenen Grenzen zu achten), dann sollte er oder sie auch noch nicht drüber reden. Natürlich ist es dann auch noch nicht verarbeitet. Aber eben: Alles hat und braucht seine Zeit.
Und zu nahe getreten bist Du mir nicht, keine Bange.

Grüße,
Anna.
Ele
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Registriert: 19. Mär 2003, 22:17
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Re: Der liebe Onkel von nebenan

Beitrag von Ele »

Liebe Dys,
es gibt keinen Grund sich zu schämen, für Dinge, die einem widerfahren sind. Ich kann Dich verstehen:
Auch ich bin sexuell missbraucht worden. Bis vor wenigen Wochen habe ich mich nicht daran erinnert, nicht mal in meiner 7 Jahre dauernden Psychoanalyse kam das an die Oberfläche. Schließlich bin ich ja mitgegangen in meiner Naivität, habe nicht geschrien und mich nicht gewehrt und jetzt kommts hoch, nach mehr als 30 Jahren, als wärs gestern gewesen.
Seither bin ich auf der Suche nach Nähe und wenn mir jemand nahe kommt mache ich zu. Es hat noch tiefergehende Nachwirkungen.
Ich denke, wenn Du heute noch darüber nachdenkst und Dich schämst deswegen hat es Auswirkungen, selbst wenn Du damals auch was Schönes dabei empfunden hat. Und ich glaube, dass man auch traurig darüber sein darf, dass man jemandem erlaubt hat seine Grenzen zu überschreiten.
Ich habe mein Leben beleuchtet von alles Seiten, dieer Einschnitt in mein Leben, in einem ganz sensiblen Alter, hat bestimmt einen Einfluß darauf, wie ich mich Männern gegenüber verhalte.
Ich fand es sehr mutig aber auch sehr wichtig, dass Du das geschrieben hast und ich glaube auch, dass hier der richtige Ort dafür ist, auszuprobieren wie das ist, wenn man so ein Stück "Lebensgeschichte" offenbart.
Alles, alles Liebe
Ele
>> Du mußt Chaos in dir tragen um einen tanzenden Stern zu gebären...>>

Friedrich Nietzsche

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